Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 1 - Der Junge, der überlebt hat? ---------------------------------------- Stöhnend regte sie sich, das Gesicht gegen den Boden gedrückt. Ihr Kopf fühlte sich unnatürlich schwer an und das Blut pochte ihr in den Ohren. Ihre Sinne schienen wie benebelt zu sein und im Moment war sie völlig orientierungslos. Langsam versuchte sie sich aufzurichten und ihre schmerzenden Augen zu öffnen, nur um sie schnell wieder zu schließen. Das plötzlich helle Licht blendete und zwang sie ihre Augen vorerst geschlossen zu halten. Ihr Verstand wollte noch nicht so recht arbeiten und sie schob diesen Zustand auf die vorübergehende Orientierungslosigkeit und gezwungene Blindheit. Sie atmete tief ein um wenigstens mit ihrem Geruchssinn etwas Vertrautes wahrzunehmen, doch außer Staub und Flusen in ihre Lungen zu ziehen, die sie keuchend wieder versuchte auszuhusten, erreichte sie nichts. Die Augen noch immer geschlossen fuhr sie mit den Händen über den Boden, der ihr nun zu rau und uneben vorkam im Vergleich zu ihrem glatten und eigentlich gemütlichen Korkboden. Blinzelnd versuchte sie ihre Augen an das Licht um sie herum zu gewöhnen, was nur sehr langsam geschah. "Ah, verdammt, mein Schädel", murmelte sie gepresst, als sie den ersten Versuch unternahm sich aufzurichten. Die plötzliche Bewegung war ihr sofort in den Hinterkopf gefahren und hat sich dort mit pochendem Druck gemeldet. Kreisend massierte sie mit den Fingern ihre Schläfen und drehte sich auf den Rücken. Kleine Schritte, sagte sie sich. Immerhin war diese Position ein wenig angenehmer. Endlich begannen sich ganze Bilder vor ihrem Auge zu formen, die nach und nach an Schärfe gewannen. Die eine Hand gegen die Stirn gepresst und die andere auf dem Bauch, wartete sie still verharrend darauf ihre Umwelt wieder wahrzunehmen. Sie würde die Bücher hierlassen, beschloss sie. Vermutlich würden sie sowieso nur herumstehen, da sie von nun an kaum Zeit haben würde etwas anderes zu lesen als Sachbücher und Fachtexte. Auch wenn es weh tat würde sie sich von den Jugendbüchern trennen, immerhin hatte sie ihre Plüsch-Katze dabei, das einzige Zugeständnis auf das sie nicht verzichten wollte. Sie fuhr sich durch das dunkle Haar und gähnte, während sie ihre nächsten Schritte plante. Ihre Tasche war damit so gut wie fertig und sie könnte sich nun zurücklehnen und ihre letzten Tage zu Hause genießen. Die letzten Tage unter ihrem ... Dach? Weit riss sie die Augen auf, als sie über ihr nicht die erwartete hölzerne Schräge erkannte, sondern eine hohe steinerne Decke, die stark an Altbau erinnerte und die von dunklen, schweren Balken getragen wurde. Das pochende Stechen im Hinterkopf ignorierend drehte sie den Kopf hektisch in alle Richtungen in der Hoffnung irgendetwas Vertrautes zu entdecken. Dabei drückte sie ihren Körper hoch aus ihrer liegenden Position um besser sehen zu können. Was sie sah brachte sie jedoch wieder nahe an die Ohnmacht. Ungläubig betrachtete sie ihre von Staub bedeckten Finger, konnte ansonsten an sich aber keine Veränderungen feststellen. Ihr Zimmer war jedoch einer seltsamen, alten, von Holz dominierten Hütte gewichen. Direkt vor ihr, kaum eine Schrittlänge entfernt, stand ein rustikal wirkendes Himmelbett mit vergilbten Bettbezug und passenden blassen Vorhängen. Hinter sich konnte sie nun einen leichten Luftzug spüren, der ihr milde Luft ins Gesicht blies. Durch ein schmutziges, vermutlich undichtes, Fenster fiel warmes Sonnenlicht in den Raum und erhellte den aufgequollenen Holzboden, auf dem Tess noch immer geschockt saß. Die karge Einrichtung wurde von einer Kommode neben dem Bett vervollständigt, auf der ein schlichter Wassertrog stand. "Das ist doch nicht normal", flüsterte Tess, während sie die Füße anzog und sie mit umschlungenen Armen an sich presste, unfähig in der fremden Umgebung aufzustehen. Ihre Gedanken waren wie leer gefegt. Nichts schien zu erklären, wie sie aus ihrem Zimmer im Haus ihrer Eltern plötzlich in diesem Raum landen konnte. Stumm lauschte sie auf Geräusche. Auf was genau sie wartete, konnte sie nicht sagen, vielleicht das Schlurfen schwerer Schuhe oder das Gemurmel von sich unterhaltenden Personen. Doch alles was sie hörte, war ihr nervöser eigener Herzschlag und das Rauschen des zugigen Lüftchens durch die Ritzen des Fensters. Nach einigen Minuten des fassungslosen in die Luft Starrens, beschloss Tess wenigstens aufzustehen. Leise stemmte sie sich auf die Füße und erkannte, nun zu voller Größe aufgerichtet, dass die Decke gar nicht so hoch war, wie es vom Boden aus den Anschein gehabt hatte. Das Pochen in ihrem Kopf hatte nachgelassen, stattdessen hatte sich nun in ihrem Rücken ein stechender Schmerz eingenistet. Ihr Blick fiel auf das schon fast verwittert wirkende Himmelbett. Zu gerne hätte sie sich hingelegt, egal wie unattraktiv die Matratze wirkte, die Decke über den Kopf gezogen und gehofft, wieder in ihrem Zimmer zu sein. Ihre Mutter würde ihr die Decke aus den Händen reißen und sie zwingen aufzustehen, wie sie es immer getan hatte. Doch sich nun zu verstecken würde sie auch nicht weiterbringen. Also drehte sie sich um und ging zum Fenster. In der Hoffnung ein wenig Schmutz vom Fenster zu entfernen und damit ihre Sicht nach draußen ein wenig zu verbessern, wusch sie mit der Hand darüber, verschmierte die Oberfläche hingegen nur noch mehr. Durch die grauen Schlieren erkannte sie jedoch die Dächer von anderen, dicht aneinander stehender Häuser. Eine Stadt, registrierte sie innerlich und wendete sich dem Rest ihres Raumes zu, woraufhin sie mit klopfendem Herzen direkt zur Tür ging. Ihr Mund war trocken als sie nach der Klinke griff um zu prüfen, ob sie vielleicht verschlossen war, was der schlimmstmögliche Fall war. Sie verharrte mit der Hand auf dem Griff, besorgt darüber, dass er sich womöglich nicht bewegen ließ. Sie begann an ihrer Unterlippe zu knabbern, eine Angewohnheit, die sich besonders in Stresssituationen zeigte. Hier zu stehend, die die Lippe blutig zu kauen und darauf zu hoffen, dass etwas passierte, würde jedoch niemandem helfen, schon gar nicht ihr. Also riss sie mit einem Ruck schließlich die Klinke nach unten und rüttelte an der Tür. Mit einem kräftigen Zug schwang sie ohne Widerstand zu leisten hinein ins Zimmer und gab den Blick auf einen Gang frei. Tess atmete erleichtert aus und hob sich den Kopf gesenkt am Türrahmen fest. Sie konnte gehen, wenn sie wollte. Niemand hatte sie eingesperrt. Dennoch bekam sie immer schlechter Luft und schloss daraufhin eilig die Tür wieder und lehnte sich mit dem Rücken Halt suchend dagegen. Auch der kurze Blick auf den düsteren Gang hatte keine Erinnerungen geweckt. Sie mochte nicht eingesperrt gewesen sein, doch innerlich fühlte sie sich, so ganz ohne Anhaltspunkt, wie im Käfig. Ein Käfig mit aus nacktem Stein, ohne jegliche Verzierung oder Dekoration. Einige Stellen schienen jedoch unnatürliche Flecken zu haben, so als ob dort über sehr lange Zeit ein Objekt hing oder stand, von dem nun jedoch nur noch ein eingebrannter Schatten an der Wand übrig war. Wieder betrachtete sie ihre Finger, die leicht zitterten. Hilfesuchend schaute sie sich ein weiteres Mal um, fand aber wieder nur das Bett, die Kommode mit dem Wassertrog und das schmutzige Fenster. Wie in Trance ging sie zum Trog, der mit ein wenig Wasser gefüllt war. Mechanisch tränkte sie ihre Hände ins Wasser und wusch sich den Dreck von den Fingern, der das Wasser allmählich gräulich färbte. Hier gab es nichts, sie musste das Zimmer verlassen und herausfinden, wo sie war. Die Tür war offen, sie konnte gehen, wohin sie wollte, sagte sie sich, während sie noch immer ihre Finger im Wasser rieb. Ein Telephon, sagte sie sich. Das brauch ich auch. Herausfinden wo ich bin und ein Telephon. Sich auf diese zwei Ziele zu konzentrieren war einfacher als darüber nachzudenken, wie sie eigentlich hier gelandet war. Vor dem wie musste erst das wo geklärt sein. Mit tropfenden Händen verließ sie das karge Zimmer und stand nun in dem Gang, den sie kurz zuvor nur flüchtig gesehen hatte. Ein alter Läufer, der vielleicht irgendwann mal eine identifizierbare Farbe gehabt hatte, durchzog den kompletten Gang. Er war völlig abgelaufen und an den Rändern verfranzt, sodass feine Fäden zu sehen waren. Bewohnt schien es nicht zu sein. Je länger sie auf dem Gang stand, desto schwindeliger wurde ihr. Die Wände schienen nicht gerade zu sein und egal wie oft sie blinzelte, sie hätte schwören können, dass die eine Wand leicht von ihr weg lehnte. Wenigstens waren hier draußen ein paar Gemälde zu sehen; krumm und schief hingen sie, dennoch war der Anblick harmloser Stillleben beruhigend. Besser als todesprophezeiende oder apokalyptische Szenen im Stil von Rembrandt. Tatsächlich hörte sie nun immer deutlicher Gemurmel, das von irgendwo herzukommen schien. Zwischendurch erhallte tiefes Lachen, das lauter wurde, je näher sie der hölzernen Treppe kam, gemischt mit dem Klirren von Geschirr. Es waren viele Leute, soviel stand fest. Tess hatte den Eindruck, als würde irgendjemand ein Fest feiern. Soviel zum Thema unbewohntes Haus. "Was zum Teufel ist hier los?" Tess war nun von dem freundlich wirkenden Konversationslärm eher verstört, als panisch erregt. Die ganze Situation erschien ihr nun vollkommen abstrus. Wie sie dastand, oben am unstabilen Geländer, nur in Strümpfen mit wildem, offenem Haar und auf all die Leute unter ihr starrte, die an langen Tischen saßen, Bier tranken und sich amüsierten. Niemand achtete auf die seltsame Frau am oberen Ende der abgelaufenen Treppe, die nun vorsichtig ihren Weg nach unten suchte. Sie lief direkt auf einen von unförmigen Nischen durchzogenen Tresen zu, hinter dem sich riesige Fässer stapelten. Ihre Augen schweiften von den Fässern hin zur selbstgeschriebenen Karte an der Wand, hinüber zu den metallenen Kronleuchtern und schließlich zu den dutzenden Menschen, überwiegend Männer. Es schien, als sei sie in ein Mittelalter-Fest hineingestolpert. Unten angekommen fühlte sie sich nur noch mehr verloren und in ihrer kurzen Jeans mit T-Shirt völlig deplatziert. Hinterm Tresen wuselte eine etwas ältere Frau mit üppigem Busen und Schürze hin und her, während ein fein gekleideter älterer Herr mit Glatze im Sekundentakt Gläser befüllte. Den Blick auf das seltsame Duo gerichtet suchte sie sich ihren Weg durch Tische und Stühle hinüber zum Tresen. "Verzeihung?", ihre Stimme klang dünn und es fiel ihr schwer mit ihrem trockenem Mund Worte zu bilden. Der Mann sah von seinen Gläsern auf und lächelte Tess zahnlos an. "Verzeihung, wo bin ich hier?", versuchte es Tess erneut, diesmal etwas lauter. Doch der Mann schüttelte nur den Kopf und deutete auf sein Ohr. "Sorry, I couldn't hear you, Miss. What did you say? Do you want something to drink?" Tess starrte ihn einige Sekunden verblüfft an, während dieser mit flinken Händen begann Geschirr zu spülen. Ihr Verstand verarbeitete gerade die fremde Sprache. Noch etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte. "Ehm ... Yes, Sir. Excuse me but I would like to know where I am?" Nun war es an ihm sie verwirrt zu betrachten. "Are you alright, Miss?", fragte er unsicher undbeugte sich weiter zu ihr her, sodass er sie besser begutachten konnte. Sein Blick wanderte an ihr herab und wieder nach oben und Tess war sich nun mehr denn je bewusst, was für ein seltsames Bild sie abzugeben schien. "Actually, I don't know. Please, what is this place?" Der glatzköpfige Mann wusch sich die Hände an seinem Unterrock ab und stützte sich auf den Tresen. "You're in the Leaky Cauldron, Miss", sagte er und nickte mit dem Kopf Richtung gegenüber liegende Wand. Tess spürte, wie sie jede Farbe im Gesicht verlor. "I-I beg your pardon", stammelte sie tonlos und klammerte sich mit den Fingern an der Unterseite des Tresen fest. Ihr Herz klopfte nun schon beinahe schmerzhaft gegen ihre Rippen. "Zum ... Tropfenden ... Kessel", wiederholte der Mann langsam und deutlich, so als ob er sich um ihre geistige Gesundheit sorgte. Da waren sie schon zwei. Erneut beschleunigte sich ihre Atmung. "Sind sie sicher, dass es Ihnen gut geht", hörte sie den Mann sagen, von dem sie nun glaubte sogar den Namen zu kennen. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, nein ich glaube mir geht es gar nicht gut." Stirnrunzelnd füllte der Mann ein Glas mit Leitungswasser und stellte es ihr hin. Ohne zu überlegen kippte sie den Inhalt in einem Zug hinunter, doch besser fühlte sie sich nicht. "Tropfender Kessel. Tropfend. Natürlich", murmelte sie und japste nach jedem Wort nach Luft, kurz vor einem hysterischen Lachanfall. Sie zeigte auf den Mann und formte Worte, die sie jedoch nicht ausgesprochen bekam. "Soll ich einen Heiler rufen lassen?" In der Irrenanstalt war sie besser aufgehoben, dachte Tess, während sie den Kopf schüttelte. Sie schob das leere Glas von sich und räusperte sich. "Könnte ich noch etwas Wasser haben, bitte?" Der Mann nickte, behielt sie aber misstrauisch im Auge, während er ihr ein weiteres Glas reichte. Sie bemerkt aus dem Augenwinkel, wie ein Mann sich an den Tresen schob und eine Bestellung abgeben wollte. Tess sah, dass der Mann einen Zylinder trug, der irgendwie nicht zu seinem restlichen Outfit passen wollte. Der Wirt wendete sich mit einem letzten fragenden Blick ab und wurde sogleich in eine Konversation mit dem Mann mit dem Zylinder gezogen. Tess drehte das leere Glas in den Händen und wagte es nicht, sich im Raum weiter umzuschauen. Noch immer bekam sie schlecht Luft, sodass sie versuchte sie auf das glänzende Holz vor ihr zu konzertieren, nicht darüber nachzudenken, was der Wirt ihr gerade gesagt hatte. War das alles ein Scherz ihrer Eltern, ein perfider Abschiedsstreich ihrer Freunde? Ungläubig fuhr sie über das Holz. "Was passiert hier mit mir?", murmelte sie, als sie einen Schlag hörte und erschrocken zusammen fuhr. Die Tür einige Meter rechts von ihr wurde aufgerissen und zwei Gestalten kamen herein. Augenblicklich verstummte jedes Gespräch. "Ah, Hagrid, heute wieder das Übliche?", hörte sie den Wirt rufen, der nun ein großes Glas schwang. Tess fixierte die Fässer direkt vor sich aus Angst den Kopf zur Tür zu wenden, erwartete doch das Unausweichliche. "Nein danke, heute nicht, Tom. Ich bin im Auftrag von Hogwarts unterwegs", tönte eine tiefe Bassstimme. Ein Wort reichte aus ihre Welt auf den Kopf zu stellen, ein einziges Wort, das ihre Befürchtung wahr werden ließ. Alles geschah innerhalb von Bruchteilen von Sekunden, in denen Tess versuchte panisch Sinn aus dem Gehörten zu ziehen, scheiterte jedoch kläglich und Tess verlor zum zweiten Mal in ihrem Leben das Bewusstsein. ________________________________________________ Übersetzung: "Verzeihung, ich konnte Sie nicht verstehen, Miss. Was haben Sie gesagt? Möchten Sie etwas zu trinken?" "Ehm ... Ja, Sir. Entschuldigen Sie bitte, aber würden sie mir sagen wo ich bin?" "Geht es Ihnen gut, Miss?" "Ich bin mir ehrlichgesagt nicht sicher. Bitte was ist das für ein Ort? "Sie sind im Tropfenden Kessel, Miss." "B-bitte was?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)