Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 9 - Rückschlag ---------------------- Drei Tage später war Tess kurz vorm Verzweifeln. Niemand konnte sagen, sie hatte es nicht versucht, doch der Inhalt der Bücher war schlichtweg zu schwer für sie zu begreifen, was nicht überraschend war. Alles, was sie über Magie wusste, hatte sie durch die Augen eines pubertierenden Teenager gesehen, der sich entweder wie jeder hormongesteuerte Jugendliche für Mädchen interessiert hatte oder weitaus größere Probleme hatte, als das Wesen der Magie zu erklären. Ollivander hatte sie von ihrer Arbeit bei ihm freigestellt, sodass sie die Bücher ungestört studieren konnte, und so saß sie nun den Tag über in ihrem Zimmer auf dem Boden, umringt von vollgeschriebenen Pergamenten und jeder Menge offener Bücher. Ollivander selbst, von dem sie eigentlich gedacht hatte er würde sich mehr um den magischen Teil kümmern, hatte sich komplett zurück gezogen und sie alleine gelassen. Allerdings mit dem Versprechen sich um ihre Anmeldung auf Hogwarts zu kümmern, wie er das schaffen wollte, war ihr jedoch schleierhaft. Im Grunde war es auch egal, da sie hier keinen Schritt weiterkam. Schwer atmend rieb sie sich das Gesicht und lehnte sich nach hinten, bis sie fiel und auf das Holz aufschlug. Ihre Notizen wurde dabei von ihren Füßen in alle Richtungen geschoben. Gerade hatte sie versucht Die Komplexität der Zauberbräue zu lesen, da dieses Buch eines der wenigen war, von dem sie zumindest den Titel verstand, doch der Inhalt stellte sich als ... komplex heraus. Bisher war ihr einziger Erfolg herauszufinden, dass eine dauerhafte Verwandlung eines menschlichen Körper nicht zu empfehlen war. Eine andere Möglichkeit gab es aber nicht. Sie musste einen Trank finden, denn egal wie sie es drehte und wendete, eine eigenständige Verwandlung würde sie erstens, niemals schaffen und wäre zweitens, viel zu riskant. Dennoch brummte ihr der Schädel von all den Skalen, Abbildungen, Tabellen und Anwendungen der verschiedensten Gebräue, ganz zu schweigen von der trockenen Theorie. Der Inhalt war sogar interessant, wenn sie mal etwas verstand, doch es war weder genug noch hilfreich. Während sie an die mit Spinnenweben überzogene Decke starrte klopfte sie sich einmal heftig gegen die Backen. "Nicht aufgeben", flüsterte sie zu sich und hievte sich hoch. "Denk an Hogwarts, denk an Hogwarts. Du wirst es sehen. Du wirst dort hin gehen." Der Gedanke ihren Kindheitswunsch zu erfüllen spornte sie an nicht die Bücher zu greifen und durch das Fenster zu schmeißen. Das und die Drohung von Mr Caldwell. Einige der Bücher hatten ihr auch gar nicht weitergeholfen. Sie betrachtete einen kleinen Stapel von drei Büchern, die sie komplett beiseitegelegt hatte. Egal wie oft sie geblättert hatte, sie hatte nichts von auch nur geringstem Wert darin gefunden. Die anderen waren ihr vielversprechender erschienen, denn sie las wenigstens ab und zu das Wort "Transfiguration". Allerdings behandelten sie eher die Verwandlung von leblosen Objekten beim Eintauchen in verschiedene Substanzen und nicht die organische Verwandlung, bei der man etwas trinken musste. Tess hätte es lieber, wenn sie ganz im Sinne vom falschen Alastor Moody einen Flachmann herumtragen dürfte und sich nicht alle drei Tage ein ekliges Bad einlassen musste. Sie hatte noch einige Stunden bis zu ihrer Abendschicht bei Tom, also setzte sie sich erneut vor die Bücher. Es waren keine drei Wochen mehr und bis dahin musste sie etwas gefunden haben. Noch besser wäre, wenn sie so schnell wie möglich fündig werden würde, denn die Wahrscheinlichkeit einen Trank zu erwischen, der mehrere Tage Vorbereitung und Brauzeit benötigte, war hoch. Zutaten waren wenigstens kein Problem, die würde sie in der Apotheke kaufen können. Ollivander hatte ihr versichert, dass der Laden bestens bestückt war und in der Regel alles Vorrätig hatte. Einen Trank wie den, den sie suchte, würde man selbst herstellen müssen, sagte er, denn im Handel gab es soetwas nicht zu kaufen. Was sie jedoch wieder vor das alte Problem "Geldnot" stellte. Weder ihre Schulsachen, sollte sie sie benötigen, noch die Zutaten würde sie mit Arbeit begleichen können. Sie brauchte Geld und das bisschen Trinkgeld würde nicht für alles reichen. Wehmütig griff sie sich ans Ohr und zog an ihren Ohrringen. Erst gestern war ihr klar geworden, dass sie die ganze Zeit über etwas zu verkaufen hatte, nämlich die Ohrringe ihrer Großmutter. Kleine Goldkreolen mit Diamanten, die sie immer an hatte, nie ablegte und komplett vergessen hatte. Die Ohrringe legte sie praktisch nie ab und lebte mit ihnen, sodass sie zu einem Teil von ihr geworden waren, doch sie würde sie verkaufen müssen, wenn sie Geld wollte. Noch hatte sie es nicht übers Herz gebracht, aber bald müsste sie sich trennen, das war ihr klar. Bevor sie kein Rezept gefunden hatte, das ihre Erscheinung veränderte, würde sie ihre Ohrringe jedenfalls nicht hergeben. Bis zu ihrer Schicht hatte sie nichts gefunden, und auch der Tag danach, ein regnerischer Sommertag, blieb erfolglos, sodass sie gegen Abend bei Ollivander vorbeischaute in der Hoffnung ein wenig Unterstützung zu bekommen. Doch Ollivander blickte kaum von seinen Zauberstäben auf. "Zaubertränke sind nicht meine Stärke, fürchte ich", hauchte er. "Ich kann mir ihre Notizen trotzdem anschauen, wenn Sie das möchten. Erwarten Sie aber kein Wunder." An diesem Moment erwartete sie eigentlich gar nichts mehr, weshalb sie ihm ihre vollgeschriebenen Pergamente überreichte. Sie hatte zum ersten Mal mit Tinte und Feder gearbeitet, weshalb die ersten Seiten noch ziemlich unansehnlich waren, mit dicken Tintenflecken, ungleichmäßiger Schrift und kaum lesbaren Buchstaben. Je mehr sie geschrieben hatte, und sie hatte viel geschrieben, desto eher fühlte es sich an wie ein normaler Füller und sie hatte die Vorzüge dieses eleganten Schreibwerks entdeckt. Nur das Eintauchen in das Fässchen voll Tinte war ihr noch ungewohnt. Allerdings war ihr das Erscheinungsbild ziemlich egal, Hauptsache sie fand eine Lösung. "Das Hauptproblem besteht wohl darin, dass die Öffentlichkeit nur leblose Dinge verwandeln kann. Einen Stuhl blau färben, indem man ihn in ein Elixier tunkt oder andere Kleinigkeiten dieser Art", begann Tess zu erklären, während sie Ollivander auf verschiedene Passagen verwies. "Für komplette Verwandlungen des Körpers sind öffentlich zugängliche Tränke nicht gedacht. Das lese ich immer wieder, weshalb nie genauer auf eben solche Tränke eingegangen wird und wenn sie es tun, dann ist es beinahe verschlüssel. Wissen Sie, was damit gemeint sein könnte?" Ollivander las sich einiges durch und nickte dann. "Wie es aussieht hat das Zaubereiministerium diese Information tatsächlich zensiert, das ist nichts Außergewöhnliches", sagte er. "Ich kann mir vorstellen, dass das Zaubereiministerium solche Tränke nicht frei zugänglich machen möchte, aus logischen Gründen." Tess stemmte ihre Hände gegen die Hüfte. "Zensur? Ein Vielsafttrank ist doch viel gefährlicher und den finde ich in jedem zweiten Buch." Ollivander hob mahnend den Finger. "Ein Vielsafttrank ist aber auch leicht zu durchschauen. Mit einem Trank, wie er Ihnen vorschwebt, kann jeder Beliebige sich ein komplett neues Gesicht geben. Stellen Sie sich vor jemand aus Askaban trinkt soetwas. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass die Auroren einen solchen Trank selbst oft anwenden. Wenn jeder wüsste, wie man einen solche gefährlichen Trank herstellt, dann könnte das schlimme Folgen haben." Er reichte ihr den Pergamentstapel zurück. "Also brauchen wir einen anderen Ansatz." Sie wollte beinahe schon resigniert ihre Blätter in der Mitte zerreißen, als Ollivander sie aufhielt. "Nicht so voreilig. Vielleicht müssen Sie auch anders denken. Einfacher, möchte ich fast sagen. Schauen sie sich die untere Passage auf Blatt drei nochmal an." Tess runzelte die Stirn, tat aber, was er vorgeschlagen hatte. Sie las, was sie geschrieben hatte stumm, doch Ollivander bat sie laut zu lesen. "Lesen Sie ruhig laut vor, Miss Harris." Sie räusperte sich. "Organisches Material zu verwandeln ist mit der Einnahme eines Trankes eher untypisch", rezitierte sie, was sie längst wusste. "Längerfristige Transfigurationen, vor allem im Ganzkörperbereich, empfehlen sich mit Zauberstab und kleinen Verhexungen in großer Zahl, um schließlich ein gewünschtes Endprodukt zu erhalten. Eine Verbindung von folgenden Sprüchen wird empfohlen: Pilus Cresco, Minorus, Depravo, Color-. Mr Ollivander, das bezieht sich auf Zaubersprüche." "Sehr richtig, aber kommt Ihnen dabei denn keine Idee?", seinen hellen Augen leuchteten, während er auf ihre Antwort wartete. Tess hasste solche Ratespielchen. Er hatte bereits einen Einfall, wollte jedoch, dass Tess selbst darauf kam, anstatt es einfach zu sagen. Auf soetwas hatte Tess weder Lust noch Muse. Sie zuckte die Schultern, was Ollivander mit ernstem Blick konterte. Also betrachtete Tess ein weiteres Mal die Liste der Zaubersprüche, die zur Verwandlung vorgeschlagen wurden, bis sie in Erkenntnis die Augen schloss. "Ich brauche nicht einen einzigen Trank, sondern mehrere." Ollivander schnippte mit den Fingern und nickte. Doch Tess schüttelte den Kopf. "Wie soll das gehen? Ich glaube kaum, dass ich alles auf einmal nehmen kann. Tränke reagieren miteinander", das hatte sie bei Lesen der Bücher verstanden, "daher werde ich sicherlich nicht fünf verschiedene Tränke gleichzeitig schlucken." Ollivander überschlug die Arme vor der Brust. "Ich fürchte eine bessere Lösung haben wir nicht. Sie werden auf mehrere Etappen trinken müssen, und das kontinuierlich." Tess schlug sich frustriert gegen die Stirn. "Ich werde schneller auffliegen, als ein Albino in Afrika." "Nur Mut. Vielleicht hebt es Ihre Stimmung wenn ich Ihnen sage, dass ich kurz davor stehe eine Einladung für die Schule zu haben." Tatsächlich schoss Tess' Kopf hoch. "Sie haben eine Einladung? Wie haben Sie das geschafft?" Ollivander schüttelte leicht den Kopf. "Ich sagte, ich stehe kurz davor eine zu haben. Zugegeben, es ist nicht gerade einfach eine plausible Geschichte zu erfinden ..." Wem sagt er das, dachte Tess nickend. "... aber ich denke, ich werde Albus schon noch überzeugen." Beim Klang des Namens des Schulleiters glaubte Tess einen Schlag in die Magengrube zu spüren. Jede Farbe wich aus ihrem Gesicht. "Dumbledore? Sie haben Dumbledore von mir geschrieben?" Ollivander schien sich ihre Reaktion nicht erklären zu können. "Aber ja, wen sonst könnte ich um eine irreguläre Annahme an der Schule bitten." Tess hörte ihren eigenen Puls in ihren Ohren rauschen. Dumbledore war der letzte Mensch, dem sie Auge in Auge begegnen wollte. Sie wusste zu viel, sie wusste viel zu viel und Dumbledore würde dieses Wissen nutzen, falls er es bekommen konnte, da war sie sich sicher. Er war der Mensch, der gutes Vollbringen und die Leute beschützen wollte, dabei jedoch alles und jeden manipulierte, wenn es sein musste. Sie hasste ihn nicht, oh nein. Allerdings war es in ihrer Lage das beste sich so weit von Dumbledore fern zu halten, wie es möglich war. "I-ich hatte gehofft, das Ministerium, naja, das Ministerium könnte-", stammelte sie tonlos. Ollivander nahm besorgt ihre Hand. "Meine Güte, Sie sind ja ganz blass. Und ganz kalt sind sie auch. Fühlen Sie sich nicht gut? Die Arbeit muss wohl doch zu viel gewesen sein. Machen Sie Schluss für heute und legen Sie sich hin." Tess entzog sich sanft aus seinem Griff. "Danke, e-es geht schon", erwiderte sie noch immer wie in einer Blase. "Sie haben also Dumbledore von mir erzählt. Was haben Sie erzählt?" Ihre Stimme war etwas zu harsch, das hörte sie selbst, doch um höfliche Umgangsformen kümmerte sie sich im Moment nicht. Ollivander schien noch besorgter zu sein. "Miss Harris, ich versichere Ihnen Dumbledore wird Ihnen-" "WAS haben sie erzählt!", nun hob sie die Stimme und sie spürte, wie Wut in ihr hochkochte. Ollivander streckte sich und sah sie nun mit neutralem Blick an. "Miss Harris, wenn ich Sie bitten dürfte ihren Ton zu zügeln." Tess blieb stumm und wartete bis Ollivander fortfuhr. "Ich habe ihm gesagt, dass mein Sohn ein Mädchen aufgenommen hat. Er lebt in Frankreich", erklärte er knapp. "Das Mädchen möchte Hogwarts besuchen. Das habe ich erzählt, Miss Harris." In Tess Kopf schwirrte es. Sie hatte in letzter Zeit so viele Versionen ihrer eigenen falschen Vergangenheit gehört, dass sie drohte den Überblick zu verlieren. Doch Ollivander hatte wirklich nur vage Dinge erzählt. Plötzlich fühlte sich Tess schlecht ihre Stimme derart erhoben zu haben. "Mr Ollivander, bitte entschuldigen Sie, Ich wollte nicht-" "Sie ruhen sich nun besser aus, Miss Harris. Einen schönen Abend noch", sagte er neutral und wandte sich ab, Tess ließ er mit schlechtem Gewissen stehen. Sie wartete einige Sekunden in der Hoffnung sein Kopf erschien wieder hinter den Regalen, doch Ollivander war verschwunden. Seufzend verließ sie den Laden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)