Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 26 - For-ír! Ni hidan mo lám* ------------------------------------- Zusammen mit Millicent, die etwas länger für die Treppen benötigte, ging sie zurück nach oben in den gefüllten Gemeinschaftraum. Der Kontrast zum ruhigen Mädchenschlafsaal hätte nicht größer sein können. Es wurde gegrölt, gelacht und sogar getobt, wobei sie das von den fein erzogenen Slytherin kaum erwartet hatte. Jemand schien einen Stapel farbiges Papier so verhext zu haben, dass sie wie Klatscher durch den Raum flogen und dabei eine Gruppe bespaßte, die sich versuchten damit gegenseitig zu treffen. Der meiste Radau kam von diesen wilden älteren Semestlern, die wahrlich ein Vorbild hätten sein sollen. Evelyn fiel jedoch sofort der herrliche Duft nach Kräutern auf, der sich mit dem Rauch des Feuers vermischt hatte. Dieser Duft war neu und war ihr weder gestern, noch heute zu irgendeinem Zeitpunkt aufgefallen. "Hat der Schwarze Peter sich den Teer aus den Ohren gewaschen?", hörte sie eine Stimme durch den Raum rufen. Es war Daphne, die es sich – ausgerechnet – an den Fenstern auf den Kissen bequem gemacht hatte und Pansy unterhielt. Trotz des Lärms war sie nur allzu gut zu hören gewesen, weshalb sich einige nun umwendeten auf der Suche nach demjenigen, dem der Kommentar galt. "Sahst in schwarzen Haaren besser aus", setzte sie nach und spätestens jetzt waren die Blicke der Neugierigen auf Evelyn gerichtet. Evelyn spitzte nur die Lippen und gab Daphne innerlich sogar recht. Blond stand ihr nicht. "Daphne, das ist nicht fair", rief ihr Millicent entgegen, die mit ihrer Einmischung sicherlich nur helfen wollte. Evelyn hingegen musste der Versuchung widerstehen sich die Hand vors Gesicht zu schlagen. Das gibt jetzt nur eine Szene! "Muss Millicent schon für dich sprechen?" Und da ist die Szene. Sie sah sich gezwungen nun doch etwas zu sagen, wobei sie nicht die Absicht hatte quer durch den Raum zu brüllen. Es war bereits verdächtig still geworden, abgesehen von gelegentlichem Gekicher hier und da. "Bleib hier", sagte sie zu Millicent, ehe sie in ruhigen Schritten auf Daphne zu ging, bis sie normal ohne schreien reden konnte. Mit einem flüchtigen Blick zur Seite sah Evelyn, dass Millicent tatsächlich nicht mitgekommen war. "Musst du für die Unterhaltung aller hier sorgen?", sagte sie schließlich zu den beiden, die mittlerweile aufgestanden waren. "Sagt der Clown, der schwarzüberströmt im Unterricht saß." Daphnes Augen glühten vor Wut, sodass Evelyn nur verständnislos den Kopf schüttelte. Es war nicht zu übersehen, dass Daphne eine gewaltige Menge Emotionen in ihrem Magen trug. Weshalb sie die nun jedoch auf Evelyn entlud, war Evelyn ein Rätsel. Ihre ruhige Art, die sie trotz Daphnes Provokationen zeigte, schien Daphne nur noch mehr zu ärgern. "Müssen wir Millicent holen, damit du etwas sagst?", verlangte sie zu wissen. "Nein, ich denke dein Problem ist mit mir, nicht mit Millicent." Konfrontation war ihrer Erfahrung nach in solchen Situationen das Beste. Ansonsten würde ihr Gespräch irgendwann nur noch in Beleidigungen ausarten, was die Sache nur verschlimmerte. Und tatsächlich wirkte Daphne aus dem Tritt gebracht und schnitt Grimassen, unfähig etwas zu formulieren. Pansy schritt ein. "Nimmst dich wohl sehr wichtig, oder?" Evelyn zuckte die Schulter ehe, sie sich an Pansy richtete. "Berechtigte Frage, aber ich glaube Daphne braucht genauso wenig jemanden der für sie spricht, als ich es tue. Stimmts", sagte sie nun wieder an Daphne gerichtet, die ihren Zorn versuchte zu schlucken, "Daphne?" "Ich rede, wann ich will." Pansy trat näher und starrte Evelyn feindselig in die Augen. "Pansy!", spuckte Daphne aus, erwiderte sonst jedoch nichts, weshalb Evelyn erneut das Wort ergriff. "Na, da sind wir ja dann einer Meinung." Nach kurzem Schweigen setzte sie schließlich nach. "Lasst Millicent da raus." Zum Außenseiter gemacht zu werden, das war ihr völlig egal. Im Grunde spielte es ihr sogar zu, sodass sie diese öffentlichen Anfeindungen eher belustigend fand. Doch in diesem Moment hatte sie das Gefühl gehabt sich schützend vor Millicent zu stellen, die gerade eben noch eine weiche Seite vor Evelyn gezeigt hatte und die sich vermutlich Daphnes Worte zu Herzen genommen hätte. "Ach, um dein Sprachrohr geht es also?", sagte Daphne, die ihre Stimme wiedergefunden zu haben schien. Evelyn schloss die Augen, da das Gespräch sich nun im Kreis drehte. "Ich rede schon, wenn ich es von Wert halte." Nach diesen Worten ballte Daphne die Fäuste und hob verächtlich die Mundwinkel. "Rede du nicht davon, mit wem es wert wäre zu reden! Nicht du!" Kaum hatte sie ausgesprochen, eilte sie an Evelyn vorbei, dicht gefolgt von einer nicht weniger wütend blickenden Pansy. Evelyn, die das alles bisher als schlichte Provokation von Daphne abgetan hatte, war nun ehrlich verwirrt darüber, was Daphne – und scheinbar auch Pansy – derart sauer aufstieß. Der dramatische Abgang der zwei Mädchen hatte erneut neugieriger Blicke heraufbeschworen, sodass sich Evelyn beeilte den Gemeinschaftsraum endlich zu verlassen. Wenigstens sind Draco und seine Horde Jungs nicht anwesend gewesen, dachte Evelyn, während sie Richtung Großer Halle lief. Allerdings hatte sie es dabei nicht eilig, denn sie wollte es tunlichst vermeiden Daphne und Pansy einzuholen. Es würde genügen mit ihnen am selben Tisch essen zu müssen; und an die Dicke Luft, die später im Schlafsaal herrschen würde, wollte sie gar nicht denken. "Eve, warte!" Eve?! Mehr als irritiert blieb sie stehen, bevor sie im flackernden Kerzenschein eine Gestalt hinter ihr rennen sah. "Hast du mich gerade Eve genannt?", fragte sie Millicent, die nun schwer atmend neben ihr zum Stehen kam. "Nicht ... gut?" "Nein", erwiderte sie trocken. Millicent, die wohl glaubte Evelyn scherzte, schmunzelte und hob sich mit zusammen-gekniffenen Augen die Seite. "Daphne ist jetzt wohl ... wirklich ... sauer." Evelyn zog es vor zu schweigen während sie darauf wartete, dass Millicent wieder gehen konnte. Trotzdem beschäftigte sie Millicents Worte – und auch Daphnes – mehr, als sie sich eingestehen wollte. Dabei ging es ihr kaum um den Streit, wenn man das so nennen wollte, sondern eher darum, was manche der Worte bedeuten konnten, oder generell was Daphnes Verhalten zu bedeuten hatte. Egal wie jung und reizbar manche ihrer Klassenkameraden auch waren, eine derartige Eskalation und öffentlich zur Schau getragene Abneigung gleich am ersten Tag zu zeigen, war mehr als ungewöhnlich. Die wenigen Stunden, die sie sich nun kannten, reichten kaum aus um jemanden derart gegen sich aufzubringen. Naja, außer man hieß Harry Potter. "Mach dir keine Sorgen", meinte Millicent plötzlich, die Evelyns in sich gekehrte Miene gesehen hatte. "Sorgen? Nein, ich bin nur verwirrt, das ist alles." Millicent nickte verstehend, bot ansonsten aber keine hilfreiche Antwort an. Mit jedem Schritt kamen sie der Großen Halle näher, bis ihnen der köstliche Duft der heutigen Speisen in die Nase drang, der sich bereits auf den Gängen auszubreiten begonnen hatte. Das riesige Tor zu sehen und hineinzugehen in den mit abertausenden Kerzen geschmückten Saal, war noch immer überwältigend und Evelyn erwartete nicht, dass sich das so schnell änderte. Tatsächlich hoffte sie, dass der Tag niemals kommen würde, an dem sie achtlos in die Halle ging und die Szenerie als selbstverständlich hinnahm. Anders als gestern waren die Tische noch nicht voll besetzt und es herrschte auch nicht die zeremonielle Atmosphäre, was dem Glanz der Halle jedoch keinen Abbruch tat. "Wir sollten und vielleicht nicht direkt neben sie setzen", flüsterte Millicent neben ihr und deutete dezent auf Daphne und Pansy, die grimmig bereits Platz genommen hatten. Das "wir" in Millicents Vorschlag gefiel Evelyn gar nicht, genauso wenig die Idee, dass sich Millicent von ihnen distanzierte; ihretwegen. "Nein, außerdem enden wir sowieso wieder in einer Gruppe, wie am Frühstück." Eine Ausrede, die ihr nun ziemlich recht war. Die allgemeine Anspannung würde sie schon ertragen können, Hauptsache Millicent saß bei ihnen, wo sie hingehörte. "Mist", murmelte Millicent zustimmend, die sich an die Sitzordnung am Frühstück zurück erinnerte. Pansy sah sie beiden zuerst, wie sie sich ihnen näherten, und begann bereits zu protestieren, noch bevor Daphne reagieren konnte. "Besetzt!", rief sie, was Millicent zum Stoppen brachte. Evelyn hingegen lief unbeeindruckt weiter und ließ sich nieder. "Wir teilen uns einen Schlafsaal, da werden wir es doch schaffen uns wenigstens beim Essen zu ignorieren?" Daphne sah aus, als dachte sie ernsthaft darüber nach selbst den Platz zu wechseln, als Millicent sich dazu setzte und versuchte die Situation umgehend zu entschärfen. "Hoffentlich gibt's heute Hühnerfrikassee. Oder ein schönes Nierengratin." "Du würdest so etwas essen?", fragte Pansy ehrlich entsetzt und sichtlich angewidert. "Natürlich, ich liebe Hühnerfleisch." "Das hat sie glaube ich nicht gemeint", murmelte Evelyn leise vor sich hin, die nicht umhin kam selbst angewidert die Nase zu rümpfen und zu hoffen, niemals sehen zu müssen, wie Nierengratin aussah. So eklig Millicent Einwurf auch war, er tat seinen Zweck. Sie hatte dafür gesorgt, dass weder Pansy noch Daphne Evelyn verbal attackierten, sondern beließen es dabei sie mit gelegentlichen Blicken zu strafen. Spätestens, nachdem die Gruppe um Draco Malfoy sich zu ihnen gesellte, war Evelyn bei weitem nicht mehr das Interessanteste an ihrem Teil des Tisches. Als schließlich das ersehnte Essen erschien, das glücklicherweise keine Innereien in irgendeiner Form beinhaltete, waren alle zu sehr damit beschäftigt sie die Bäuche vollzustopfen, als zu streiten. Evelyn, die seit dem Frühstück nichts mehr zwischen den Zähnen hatte, war froh sich herzlich bei der riesigen Auswahl an Speisen bedienen zu können. Eine Ansprache oder sonstige Eröffnung von einem der Lehrer gab es nicht, sondern das Essen erschien eher unspektakulär irgendwann einfach griffbereit vor ihnen. Reden, Ansprachen und festlich geschmückte Hallen waren eben nur für besondere Anlässe, wie der Sortierung, vorgesehen. Auch das magische Schloss und seine Bewohner hatten eine Routine, in die man sich nun einfinden musste. Ob Festessen oder nicht, es wurde bis zum Nachtisch alles aufgetischt, was das Herz begehrte; minus irgendwelcher Innereine, verstand sich. Millicent sah jedoch nicht so aus, als würde sie verhungern, was Evelyn mit einem Blick auf den mit Pasteten und Pudding gefüllten Teller schmunzelnd zur Kenntnis nahm. "Astronomie wird sicher ein Reinfall, genauso wie der restliche Tag", verkündete Draco, der eher lustlos an einer Ofenkartoffel knabberte. "Der Unterricht bisher war wirklich furchtbar", gab ihm Zabini recht und auch Pansy nickte eifrig. "Zuerst dieser verkalkte Geist und dann die senile alte Hexe ... Ich frage mich, was die uns beibringen wollen?" "Nicht zu vergessen der stinkende P-p-prpr-Professor Quirrell", hämte Crabbe, sodass alle, außer Evelyn, in Gelächter verfielen. Selbst Millicent amüsierte sich köstlich. "Ich sag doch, diese Schule ist eine Schande", setzte Draco nach. "Und ich wette, Astronomie wird nicht spannender, als an die Decke zu starren." "Wenigstens sind wir an der frischen Luft", meinte nun Daphne. "Ich könnte heute nicht nochmal zwei Stunden in einem Zimmer sitzen, in dem der Knoblauch von der Decke wächst." Alle Anwesenden schüttelten sich bei der Erinnerung an das Zimmer ihres Verteidigungsunterrichts. "Weiß einer, wer der Professor sein wird?", fragte Goyle mit Blick auf den gefüllten Lehrertisch. "Bei dem Niveau der Schule sicherlich dieser Fettsack Hagrid", gab Draco zur Antwort. "Kann der Astronomie?" Goyle, der Dracos Antwort zu ernst genommen hatte, legte den Kopf nun schief. "Als ob es hier um Können ging, oder weshalb ist dieser Hasenfuß Quirrell unser Verteidigungslehrer?" "Der ist mir eher unheimlich", antwortete Millicent und Pansy gab ihr recht. "Mir auch, seine Einladung am Ende der Stunde war ..." "Seltsam?", beendete Zabini ihren Satz. Evelyn, die bisher kaum zugehört hatte, horchte nun auf. Sie hatte gedacht die anderen würden kaum einen Gedanken an Quirrells Angebot zur Privataudienz verschwenden und es einfach ignorieren. Ihre offene Besorgnis zu sehen, war unerwartet und sie kam nicht umhin sie zu beobachten, was jedoch nicht unbemerkt blieb. "Fawley-Spross, du sagst gar nichts? Hast du keine Meinung?", warf ihr Draco nun direkt entgegen. "Lass es, Draco. Die redet nur mit wichtigen Leuten", sagte Pansy, noch ehe Evelyn den Mund aufmachen konnte. Pansy hatte vorher realisiert, wen genau Draco mit Fawley-Spross gemeint hatte. "Wichtige Leute?", harkte Draco nach und wurde sichtbar neugierig, doch niemand sagte ein weiteres Wort, sehr zu Dracos Ärger. Damit war das Essen so gut wie gelaufen und alle waren froh, als die Runde offiziell aufgelöst wurde. Der gesamte Pulk der Slytherin-Schüler ging gemeinsam zurück, sodass es ziemlich eng in den Gängen wurde und auch der Gemeinschaftsraum wurde schnell zu klein, obwohl nicht wenige sofort in den Schlafsälen verschwanden. Auch Evelyn verschwendete kaum einen Gedanken daran hier zu bleiben und machte sich daran die Stufen hinabzusteigen, wenn eine Hand sie nicht aufgehalten hätte. "Du verschwindest nicht!" "Millicent, was soll das?", fragte Evelyn ruhig, jedoch ungeduldig. "Bleib hier, versuch mit ihnen zu reden." Nachdem es Millicent war, die anfangs darauf bestanden hatte sich an einen anderen Platz am Essenstisch zu setzen, war Evelyn nun verwundert aus ihrem Mund zu hören, dass sie hier unter ihnen bleiben sollte. "Ich will nicht reden", versuchte sie zu erklären. "Wieso?", Millicents Griff verstärkte sich. "Du darfst nicht sauer auf Daphne sein, sie ... sie hat es nicht leicht. Und du ..." Sie verstummte. Evelyn hob verwundert die Augenbrauen. "Und ich?", drängte sie. Kaum, dass Millicent die Worte ausgesprochen hatte begann sie sich zu fragen, ob Daphnes Ausraster tatsächlich ihre Schuld gewesen sein könnte? Sie wollte wissen, was sie falsch gemacht hatte. "Wir haben doch nur uns", brach es aus Millicent heraus, doch sie ließ Evelyn los, die aus Millicents Antwort kaum schlauer geworden war. Uns? Als Evelyn nichts erwiderte, sondern nur irritiert vor Millicent stand in Mitten der Schar an Schülern, seufzte Millicent schließlich. "Ich kann dich nicht zwingen. Wir sehen uns in Astronomie", sagte sie mit einem angedeuteten Lächeln und verschwand in der Menge. Sie wartete einige Herzschläge, bevor sie im Treppenhaus verschwand. Es war offensichtlich, dass Millicent aus irgendeinem Grund versuchte Evelyn einzubinden, ja sogar sie als Freund zu gewinnen, was Evelyn rührte gleichzeitig aber auch vor Schwierigkeiten stellte. An einer Freundschaft war sie wenig interessiert, allerdings war sie kein Unmensch. Millicent versuchte sichtlich ihr bestes sowohl Evelyn als auch die anderen glücklich zu machen und die Vorstellung sie abzuweisen tat Evelyn ... mehr als leid. Mit anbahnenden Kopfschmerzen trat Evelyn in den einsamen Mädchenschlafsaal und schmiss sich auf ihr Bett, das weich unter ihr federte. Wie Millicent zuvor streckte sie alle Viere von sich und starrte gedankenverloren an die Decke. "Wir haben nur uns", wiederholte sie Millicents Worte, "... sie hat es nicht leicht ... mit wem es wert wäre zu reden ..." Die Gesprächsfetzen waren vage genug um zu wissen, dass sich dahinter etwas verbarg, etwas, was Millicent nicht laut aussprechen wollte und von dem man erwartete, dass Evelyn es bereits wusste. Nur leider, hatte sie keine Ahnung worauf die anderen anspielten. Sie seufzte. Gerade noch hatte sie sich scherzhaft als allwissend dargestellt, und nun scheiterte sie bereits an den grundlegendsten Dingen. Millicent würde recht behalten, denn bis zum Beginn des späten Astronomieunterrichts sah sie niemanden im Schlafsaal. Sie machte sich schließlich alleine und recht spät auf den Weg, das schwere Teleskop unterm Arm und die spezielle Erlaubnis der Vertrauensschüler sich nach der Sperrstunde noch im Schloss aufhalten zu dürfen in der Tasche, und kletterte zum zweiten Mal an diesem Tag einen Turm hinauf. Dabei führte ihr Weg zunächst hoch in den siebten Stock, wo sie am Ende eines Ganges das gewaltige Portrait einer Dame im grell pinken Kleid sah, bevor sie schließlich eine schmale Tür durchschritt und den höchsten Turm des Schlosses erklomm. Das zusätzliche Gewicht des Messingsteleskop brachte Evelyn schnell zum Schwitzen und bereits auf der Hälfte des Weges, musste sie eine Pause einlegen. Über das Geländer gelehnt konnte sie hoch schauen und entdeckte weitere Gruppen an Schülern, die sich Schritt für Schritt nach oben kämpften. Zum Glück ist das nur einmal die Woche, dachte Evelyn und setzte ihren Weg mit schmerzenden Knien fort. Morgen würde sie ohne Zweifel die Wanderung in ihren Knochen spüren. Je höher sie kam, desto weniger Licht spendeten die spärlichen Fackeln. Stattdessen begannen die eingravierten Bilder der Fenster zu glühen, sodass sie zumindest die einzelnen Stufen in der Dunkelheit ausmachen konnte. Jedes Fenster war übersät von winzigen weißen Lichtern, die man schnell mit kleinen LED Lämpchen verwechseln könnte. Dabei war jede Musterung ein Unikat und zeigte hier und da auch einige verbundenen Linien und Formen. Evelyn hätte sich gerne mehr Zeit genommen die Fensterbilder zu betrachten, doch die Stunde würde bald beginnen und der Riemen des Teleskops schnitt mittlerweile schmerzhaft in ihre Schulter. Irgendwann weitete sich der Weg vor ihr, bis sie schließlich erleichtert mit einem letzten schweren Schritt auf eine weite Holzplattform trat, die umringt war von einem filigranem Metallgeflecht. In der Mitte der Plattform drehte sich in langsamen und ruhigen Bewegungen eine riesige Kugel, die ihrerseits umrundet wurde von kleineren Objekten auf elliptischen Bahnen. Eingespannt wurde das Gebilde von einer minimalistischen Pyramide, die nur aus den Seitenlinien bestand. Während Evelyn daran vorbei auf die nach oben geöffnete Fläche ging, hörte sie rhythmisches Klacken. Sofort, als sie hinaus trat, zerrte ein starker Wind an ihrem Umhang und ihrem Rock, sodass sie mit der einen freien Hand dafür sorgen musste, dass nichts vorblitze, was niemand sehen sollte. Die Plattform war bereits gut gefüllt, wobei es auffiel, dass sich scheinbar zwei Gruppen gebildet hatten. Eine große Gruppe und eine sehr viel kleinere bestehend aus ein paar Kindern. Die kleinere Gruppe identifizierte sie recht schnell als ihre eigenen Klassenkameraden, während die größere Gruppe aus dem Rest der Hogwarts-Erstklässler bestand. "Evelyn", hörte sie Millicent rufen, die wild zu winken begonnen hatte und sie damit bat zu ihnen zu kommen. Immer noch nicht aufgegeben, was? Einige wenige Nachzügler trudelten noch ein, ehe eine junge Frau mit schokobrauner Haut aus dem hölzernen Gebilde hinter der riesigen Kugel hervortrat. Ihr Umhang leuchtete ähnlich wie die vielen Fenster auf dem Weg nach oben, schien jedoch um sie herum zu schweben. Einen Hut trug sie nicht. "Willkommen Schüler, zu eurer ersten Astronomiestunde." Ihre Stimme klang warm und sie hatte keine Schwierigkeiten über den Lärm des starken Windes hier oben hinweg zu reichen. "Aurora Sinistra, Professorin und Astronomin", stellte sie sich mit einer leichten Verbeugung vor. "Wobei ich euch die Entscheidung überlasse, worin ich besser bin", sagte sie zwinkernd und hier und da wurde gelacht. Professor Sinistra ließ sie alle ohne größere Vorstellungsrunde die Teleskope aufbauen und stellte immer wieder leichtere Fragen um zu sehen, was die Schüler bereits alles wussten, um dann doch noch in einfache Erklärungen abzurutschen, die sie jedoch mehr als erheiternd vortrug. Evelyn war froh über Sinistras fröhliche und quirlige Art, da es zunehmend schwerer wurde sich wach zu halten. Auch die anderen hatten mit ihrer ganz eigenen Müdigkeit zu kämpfen, was auch Professor Sinistra bemerkte, als kaum noch jemand auf ihre spaßigen Äußerungen reagierte. Irgendwann klatschte sie laut in die Hände. "Hört auf, was Ihr gerade tut und legt Euch hin." Erstauntes Schweigen und fraglose Gesichter waren die ersten Reaktionen, bis sie sich auf eine weitere Aufforderung von Professor Sinistra hin flach auf den glatten Holzboden legten. Evelyn faltete die Hände über dem Bauch und wartete ab, was ihre Lehrerin vor hatte. "Astronomie ist vor allem die Kunst des Beobachtens", begann sie, während sie langsam durch ihre Reihen schritt. "Es gibt viele Möglichkeiten etwas zu beobachten und keine ist die einzig richtige. Ich möchte, dass ihr nun lauscht und beobachtet." "Was für ein Blödsinn", hörte sie Draco irgendwo neben ihr flüstern. "Lernen wir jetzt auch noch zu meditieren?" "Psst, besser, als hinter'm Teleskop zu stehen", warf Pansy ein und Evelyn war überrascht zu hören, dass Pansy sich gegen Draco aussprach. Sie selbst machte es sich bequem und starrte nach oben zum dunklen Sternenhimmel, an dem tausende Lichter flackerten. Was genau sie beobachten sollten, hatte Professor Sinistra ihnen nicht gesagt, doch Evelyn hatte das Gefühl, dass es darum gar nicht ging. Mit den Sternen als stumme Zuschauer ihrer eigenen, kleinen Welt, in der sie auch nur ein Licht von vielen war, genoss sie diesen Moment der Ruhe. Millicents Worte, die sie nicht gänzlich beiseiteschieben konnte, nagten jedoch noch immer in ihrem Hinterkopf. Hinzu kam, dass auch jetzt, als sie alle nichts weiter tun sollten, als sich auf den Boden zu legen, ein nicht unwesentlicher Abstand zwischen den Slytherin und dem Rest gebildet hatte. Evelyn hatte plötzlich das Gefühl, dass hinter dem Gefühlsausbruch von Daphne und den seltsamen kryptischen Worten von Millicent mehr steckte, als nur eine kindliche Phase... _____________________________ *Eine kleine Anmerkung zum Titel. Dabei handelt es sich um Mittelirisch, bzw. einer Form von Gaelisch. Übersetzt heißt diese Zeile in etwa "Wahrlich! Auch meine Hände sind nicht frei von Schuld". Ich habe mich nicht grundlos für diesen Spruch entschieden, genauso wenig wie für die Tatsache es in Originalsprache zu belassen. Eine kleine Spielerei meinerseits :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)