Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 44 - Fliegende Flucht ----------------------------- Der Rest der Ferien verging langsamer als gedacht und, möglicherweise auch langsamer als erhofft. Die meiste Zeit hatte sie in Ollivanders Wohnung verbracht, um den neugierigen Fragen und dem Geschwätz der Leute zu entgehen. Während der ersten Tage war sie vollkommen vom Brauen ihrer Tränken eingenommen worden, doch seit die in dutzenden Phiolen in ihrem Zimmer unter dem Bett verstaut waren, hatte sie Mühe sich zu beschäftigen. Die Hausaufgaben, die man ihnen über die Ferien aufgegeben hatten, hatte sie innerhalb eines regnerischen Nachmittages abgearbeitet, und nun hatte sie nichts weiter zu tun, als die Wohnung sauber zu halten. Doch den Boden, so schmutzig er auch war, konnte man nur sooft schrubben.   Unter dem Vorwand das leere Fass Guinness abzuholen, hatte Margaret Evelyn kurz vor Silvester besucht, obwohl sie sich darauf geeinigt hatten, dass es wohl unklug wäre sich zu oft zu sehen. In dem Moment war Evelyn aber froh um die Abwechslung gewesen. "Ich gehe hier drin noch ein", meinte Evelyn müde. Sie hatte sogar schon daran gedacht der Muggelwelt einen Besuch abzustatten. London würde während der Weihnachtszeit sicherlich traumhaft aussehen, doch letztendlich hatte sich sie an ihre eigene Regel gehalten: die Muggelwelt war tabu.   Das schloss auch mögliche Jobangebote aus, obwohl sie bezweifelte, dass jemand eine 11-jährige anstellte.   "Du könntest einen Tag deine Tränke absetzen, ich geh mit dir aus. In der Nokturngasse gibt es einen tollen Nachtclub. Besseres Bier findest du in ganz London nicht. Auch wenn Tom gerne etwas anderes behauptet."   Evelyn senkte amüsiert den Blick. "Verlockend, aber du weißt, dass das keine gute Idee ist."   "Ach was, man sollte sich nicht immer an die Regeln halten."   "Sie sind eher Richtlinien", zitierte Evelyn mit erhobener Augenbraue, schüttelte dann aber den Kopf. "Wer hätte gedacht, dass du so rebellisch bist."   "Wer hätte gedacht, dass du dich in Englands bester Schule einschmuggelst?", gab Margaret zurück.   "Touché."   Sie schätzte Margarets Versuch sie aufzumuntern, allerdings hatte sie wohl selbst wenn sie ihre Tarnung nicht so strikt genommen hätte, ihr Angebot abgelehnt. Auszugehen war nicht gerade hoch angesiedelt auf ihrer Liste der Lieblingsaktivitäten, auch wenn es sich um einen Klub irgendwo in der Nokturngasse mit Namen Tanzender Hippogreif oder ähnliches handelte.   Sie hatte noch immer keinen Fuß in die Nebenstraße gesetzt und unter ihrem ersten Besucht stellte sie sich etwas anderes vor. Was genau, konnte sie nicht sagen, aber definitiv etwas anderes.   Margaret hob die Arme, ihre Niederlage akzeptierend. "Schön, dann lass mich wenigstens deine Haare machen, auch wenn du nicht ausgehen willst. Du siehst aus wie ein zweifarbiger Kniesel."   Unwillkürlich glitt Evelyns Hand an die Spitzen ihrer Haare. Die Farbe, mit der sie ihre dunklen Haare blond getönt hatte, hatte sich mittlerweile beinahe vollständig ausgewaschen.   "Blond steht dir nicht, Liebes", sagte Margarte, als sie bereits nach einer Strähne griff.   Was ihr stand war Evelyn ziemlich egal, immerhin sollte es nur der Tarnung dienen. Erneut wollte sie Margaret jedoch nicht vor den Kopf stoßen, weshalb sie nun klein beigab. "Wenn du magst, tob dich aus. Sie sind auch viel zu lang."   Empört öffnete Margaret den Mund. "Zu lang? Evelyn, du bist doch kein Junge."   Sie realisierte, dass Margaret sie gar nicht mit dem arg gekürzten Bob Schnitt gesehen hatte und schmunzelte daher über ihre eher konservative Meinung.   Letztendlich hatte sie Margaret schließlich doch noch, trotz Widerworte, dazu überreden können einiges abzuschneiden, und so hatte sie nun wieder recht kurze Haare, wenn auch in ihrer natürlichen Farbe. "Damit siehst du eher aus, als könntest du die Enkelin von Ollivander sein", hatte Margaret gemeint, obwohl Evelyn versucht hatte ihr zu erklären, dass das gar nicht relevant wäre.   Als sie gerade gegen die Wand gelehnt ein Buch las, was Ollivander ihr freundlicherweise geliehen hatte, ließ sie ein lauter Knall zusammen zucken. Ohne irgend eine Uhr zu haben, war es schwer einzuschätzen, wann genau es Mitternacht war, aber das nun große Feuerwerk, das über dem ganzen Himmel Londons zu sehen war, verriet ihr ohne Zweifel, dass das Jahr gerade zu Ende gegangen war. Sie beobachtete einige Minuten das Schauspiel, das den finsteren Nachthimmel erstrahlen ließ, kam aber nicht umhin Vergleiche zu den Ritualen zu ziehen, die sie in den letzten Wochen sehen durfte. So schön das Feuerwerk auch war, im direkten Vergleich mit Samhain und den tanzenden Lichtern, war es geradezu langweilig und mickrig.   "Ah, die Muggel machen wieder Radau", meinte Ollivander, der hinzugestoßen war. "Wahrlich eigenartig. Jedes Jahr aufs Neue feiern sie den Jahreswechsel derart ... aufdringlich. Man könnte meinen das ganze Spektakel hätte keinen anderen Sinn als möglichst laut zu sein." Amüsiert steckte er die Hände in die Taschen seiner Hose und beobachtete den Himmel.   Evelyn grinste und brachte es nicht fertig ihm zu erzählen, dass das in der Tat der einzige Grund war.   Einige wenige Zauberer standen wie sie am Fenster und warteten, die Köpfe Richtung Himmel erhoben, bis die Muggel ihr Feuerwerk beendet hatten, was lange genug dauerte. Auch wenn das meiste vorbei war, durchbrachen immer wieder vereinzelte Raketen die nächtliche Ruhe, sodass weder Evelyn, noch Ollivander wirklich ans Schlafen dachten. Bei Kerzenlicht saßen sie im Wohnzimmer und lebten stumm nebeneinander her. Während Evelyn zu ihrem Buch gegriffen hatte, arbeitete Ollivander an kleinen Holzstückchen, wobei er ein dickes Glas vor eines seiner Augen gespannt hatte, wodurch er Evelyn ein wenig an Mad Eye Moody erinnerte.   "Werden Ihre Augen nicht müde?", fragte sie ihn irgendwann, als sie selbst spürte, wie ihre Sehkraft nachließ. Mit den Fingern rieb sie sich die Augen und legte das Buch weg.   "Diese Kleinigkeit hält mich nicht davon ab gutes Holz zu bearbeiten."   Natürlich nicht, dachte Evelyn und sah ihm einige Minuten dabei zu, wie er mit einem dünnen Messer langsam immer tiefere Rillen zog, in immer derselben Bewegung. Es erstaunte sie immer wieder, wie geschickt Ollivander mit den Werkzeugen umging, ohne dabei auch nur im geringsten zu zittern.   "Was tun Sie da, wenn ich fragen darf? Das sieht mir nicht, wie ein Zauberstab aus."   Ollivander war umringt von vielen kleinen Holzstückchen, Bändern und allerhand filigranen Messern.   "Oh, das werden Sie bald sehen", antwortete er zwinkernd, ehe er sich streckte. "Allerdings muss ich zugeben, dass es in der Tat schon spät ist." Er verstaute das Messer, das Evelyn eher an ein Skalpell erinnerte, in einem Etui und ließ den Rest mit einer Handbewegung verschwinden. Alles, was auf dem Tisch lag, flog in die nächst beste Schublade der Kommode. "Ist das Buch hilfreich?", fragte er, während er das Glas vor seinem Auge abnahm.   Bereits kurz nach ihrer Ankunft hatte er ihr das Buch aus seiner eigenen Sammlung gegeben in der Hoffnung, es könnte ihr mit ihrem Zauber-Problem helfen. Es beschrieb einfache Vorgänge unkomplizierter Zauber, zumindest in der Theorie.   "Nun, es ist definitiv interessant eine Erläuterung nach einem anderen Prinzip als dem "Spruch-Konzentration-Wirkung"-Schema zu lesen, allerdings wäre es deutlich besser, wenn ich einiges gleich ausprobieren könnte", sagte Evelyn. "Ich will aber nicht riskieren irgendwo im Ministerium eine Alarmglocke zu läuten, wenn ich die Spur austeste."    Ollivander hielt inne. "Die Spur?" Sofort hallte sein Lachen durchs Wohnzimmer. "Wo haben Sie dieses Märchen denn gehört. Ich bezweifle, dass der Tränkemischer, der sich ihr Hauslehrer schimpft, Ihnen die Spur vorgehalten hat."   Irritiert schüttelte sie den Kopf. "N-nein, hat er nicht. Professor McGonagall hat uns mehrmals darauf hingewiesen, dass ... Märchen?" Sie dachte an die etlichen Male zurück, als McGonagall sie nach ihrem Unterricht daran erinnerte außerhalb Hogwarts' nicht zu zaubern.   "Minerva", sagte er mit einem schweren Seufzer in der Stimme. "Es sind Momente wie diese, die sie zu einer wahren Gryffindor machen." Schmunzelnd streckte er eine Hand aus und wartete, bis Evelyn sie ergriff. Seine Finger waren schwielig von jahrelanger Arbeit mit Holz und anderen Materialien, trotzdem waren sie warm.   "Kind, die Spur existiert nicht. Nicht wirklich."   "Was soll das heißen, sie existiert nicht?" Die Spur war nichts Unbekanntes für Evelyn, im Gegenteil. Meistens hatte sie McGonagall nicht einmal zugehört, wenn sie ihre Laier vorgetragen hatte: eine geschriebene Regel die besagte, dass das Zaubern für minderjährige außerhalb der Schule nicht gestattet war.   "Gerade Ihnen, die Monate mit Slytherin verbracht hat dürfte doch aufgefallen sein, dass die Spur nichts weiter als eine große Farce ist." "Ist mir nicht aufgefallen." Zugegeben, möglicherweise wäre es ihr aufgefallen, wenn sie darauf geachtet hätte, aber es gab durchaus andere Dinge, die ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten.   "Wie stellen Sie sich das vor, dass es funktionieren würde?"   "Nun ich denke, die Spur wird ... mh." Sie überlegte, wie genau die Spur auf die Kinder kommen könnte, im selben Atemzug fielen ihr aber mehrere Argumente dagegen ein.   "Lassen Sie mich an ihren Gedanken teilhaben", bat Ollivander, dem es sichtlich Spaß machte Evelyn zu reizen.   "In Ordnung. Zuerst dachte ich, die Spur kommt direkt bei der Geburt auf die Kinder, wobei das ganz schön schwer wäre, wenn es sich um Muggelgeborene handelt. Demnach müsste es etwas sein, mit dem jeder magisch Begabte geboren wird, aber ..." Sie stockte.   "Aber?"   "Bevor man nach Hogwarts geht, erlebt jeder Magie, naja zumindest sollte sie jeder unbewusst eingesetzt haben; Dinge schweben oder der ein Glass verschwinden lassen." Sie erinnerte sich an Harrys erste Zeichen, die er in Mitten einer riesigen Ansammlung von Muggeln gezeigt hatte, dafür aber nie bestraft worden war. "Der Alarm – ich nenne es Alarm – im Ministerium würde in dem Fall nie still stehen."   "Weil Kinder bis im Alter von elf ihre Magie nicht kontrollieren können." Ollivander beobachtete sie, nun mit wachen Augen trotz später Stunde.   Es dauerte einige weitere Sekunden, bis Evelyn sich an ein weiteres Detail erinnerte und sie begann zu grinsen. "Die Spur ist unzuverlässig. Sie kann nur den Ort bestimmen, wo Magie ausgeübt wird."   Ollivander schlug mit der flachen Hand sanft auf den Tisch und nickte. "Absolut korrekt. Das heißt, selbst wenn sie existieren würde ...?" Er ließ die Frage offen, damit Evelyn sie beantworten konnte.   "Würde es hier in der Winkelgasse niemandem auffallen, wenn ein Minderjähriger zaubert, weil es zu viel Magie gibt."   "Wieder korrekt." Er lehnte sich zurück und hat nun wohl beschlossen den Rest der Erklärung zu übernehmen. "Die Spur ist eine Erfindung des Ministeriums. Verstehen Sie mich nicht falsch, es soll tatsächlich eine Abteilung geben, die Magieausübung ermitteln kann. Doch das hat nichts mit den Kindern an sich zu tun." Er legte den Kopf schief und sah sie von unten heraus an. "Es ist weitaus einfach ein Muggelhaus auf Magie zu überwachen, als einer ganze Horde Schüler einen ominösen Zauber aufzulegen. Wann soll das passieren; wenn sie durch den Torbogen zu Gleis 9 ¾ gehen?" Er lachte über seinen eigenen Vorschlag, und verstummte schließlich.   "Es geht also hauptsächlich darum, Muggelgeborene davon abzuhalten, zu zaubern?"   Ollivander nickte. "Davon darf man ausgehen. Ich bezweifle, dass Lucius Malfoy seinem Sohn verbieten würde Zuhause zu zaubern, genauso wenig wie irgendein anderes Elternteil ihrer Hauskameraden."   Sie dachte daran zurück, wie einige von ihnen bereits vor Schulbeginn den ein oder anderen Zauber beherrschten, was Ollivanders Vermutung nur bestätigte, und nickte.   "Magie ist durchaus gefährlich, weshalb manche für sich selbst entscheiden ihre Kinder nicht zaubern zu lassen, ehe sie nicht ausgebildet sind. Davon habe ich nie etwas gehalten." Er hob seine Hand einladen. "Sie dürfen also gerne ein wenig üben, wenn sie wollen."   Also, noch so eine Richtlinie, an der man sich orientieren kann, dachte Evelyn schmunzelnd, ehe sie sich schließlich verabschiedete. Tatsächlich verbesserte diese Entdeckung ihre Laune erheblich. Sie konnte nun die Zauber wiederholen, die sie bereits gelernt hatte und neue Dinge ausprobieren, über die sie im Buch gelesen hatte. Da sie sonst auch nichts zu tun hatte glaubte sie, dass sie sogar einige Fortschritte gemacht hatte. In zwei von fünf Versuchen schaffte sie es das Streichholz, das zum Fluch ihres Daseins geworden war, in eine Nadel zu verwandeln, auch wenn sie sich danach jedes Mal gefühlt hatte, als sei sie mehrmals um den See gerannt.   Ollivander versuchte sie zu unterstützen, wo er konnte, und zeigte ihr öfters eine Bewegung, oder verbesserte ihre Haltung. Seiner Meinung nach kam viel Magie auch aus dem Bauch heraus. Mittlerweile hatte sie so viele Tipps und Tricks zum Verbessern der eigenen Fähigkeiten gelesene, dass ihr der Kopf schwirrte, und sie nicht mehr wusste, was nun richtig und was falsch war.   Irgendwann war die von Millicent angekündigte Eule, mit einem langen Brief, gekommen. Die Eule, ein großes Tier mit orangenen Augen, schien von Millicent den Auftrag bekommen zu haben erst dann zu fliegen, bis Evelyn eine Antwort geschrieben hatte. Den ganzen Morgen über war ihr die Eule nachgehüpft und hatte auf ihre Hand gepieckt, bis sie endlich ein Stück Pergament nahm und begonnen hatte zu schreiben.   Die Worte musste sie sich aus den Fingern ziehen, speziell da sie ihr kaum berichten konnte, was sie wirklich alles getan und erlebt hatte. Stattdessen hatte sie sich darauf beschränkt von Yule zu erzählen, wie es von Millicent gewünscht worden war, und fügte auch etwas über den "Muggellärm" hinzu, ohne es Silvester zu nennen. Am Ende beschwerte sie sich über die Hausaufgaben, und wie sie für die Stunden gebraucht hatte, ohne fertig zu werden. Eine Lüge, aber nachdem sie in Millicents Brief etwas Ähnliches gelesen hatte, hielt sie es für klug sich an diese Version zu halten.   "Haben Sie alles, was Sie benötigen?", meinte Ollivander nur wenige Stunden vor ihrer Abfahrt.   "Ja, danke. Die Tränke habe ich in meinem Zimmer untergestellt, nachdem Sie sie mit einem Stasis verzaubert hatten. Danke, nochmal."   "Nicht dafür."   "Ich nehme genug mit, um mich mindestens drei Monate halten zu können, aber ich schreib Ihnen rechtzeitig, damit sie mir gegebenenfalls etwas schicken können."   Sie standen im Wohnzimmer, Evelyns spärlich gepackte Tasche griffbereit und der Setzling, der sich in den zwei Wochen prächtig entwickelt hatte, daneben. Ihr Blick fiel auf den Kamin, wo bereits das Feuer loderte, um sie nach Euston zu bringen. Sofort spürte sie einen Stich in den Magen wenn sie daran dachte, erneut die Reise mit dem Flohpulver hinter sich bringen zu müssen. Wenn sie die Wahl hätte, würde sie im Gegensatz zu Malfoy immer die elf Stunden Fahrt im Zug dem Flohpulver vorziehen.   Sie riss sich los und konzentrierte sich auf Ollivander, der verdächtig still war. "Bald haben Sie wieder Ruhe", meinte sie schmunzelnd, woraufhin Ollivander den Kopf schüttelte.   "Hören Sie auf so zu denken. Sie sind keine Bürde, Evelyn." Er setzte sich leicht stöhnend auf einen Sessel und bat Evelyn mit einem Winken, sich zu nähern. "Bevor Sie gehen, möchte ich noch etwas sagen. Das stand lange genug zwischen Ihnen und meiner Person." Überrascht kam sie der Aufforderung nach und setzte sich vor ihm auf den Boden, die Knie angewinkelt.   "Ich bin überzeugt, dass Sie während Ihrer Zeit in Hogwarts Dinge über mich gehört haben dürften." Schnell hob er die Hand. "Das halte ich Ihnen nicht vor, ich bin nur realistisch, angesichts Ihrer ... nunja, Angesichts Ihres Umfelds."   Evelyn schluckte schwer, ließ ihn aber weiter reden.   "Ich denke, der Name 'Gaila' ist ihnen nicht fremd."   Bei der Erwähnung seiner Tochter zog Evelyn scharf die Luft ein, woraufhin Ollivander nickte. Ihre Reaktion war Antwort genug auf seine Vermutung. "Mr Ollivander, ich wollte Sie nicht-"   "Es ehrt Sie, dass sie mich nicht darauf angesprochen haben. Ungesagt können wir es aber nicht auf ewig belassen, oder?" Er lächelte sie an, doch es wirkte gezwungen. Ein Bild, das Evelyn schmerzte.   Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Natürlich war dies ein Thema, das ihr ständig im Hinterkopf geschwebt war und das ihre Neugier anfachte, doch gleichzeitig fürchtete sie sich auch vor genau diese Konversation. Vor genau diesem Anblick eines verletzten Ollivanders, der schmerzliche Erinnerungen aufleben lassen musste.   "Mr Ollivander, Sie müssen nicht-"   Wieder unterbrach er Evelyn. "Ich muss nicht, aber ich möchte." Er nahm sich kurz zeit sich zu sammeln, was Evelyn ihm gerne zugestand, ehe er sprach. "Um es kurz zu machen, und ich bin sicher so ist es uns beiden lieber: ja, ich habe meine Tochter vor ihrer Zeit gehen lassen müssen. Falls dies in Ihnen den Eindruck erweckt haben sollte, dass ich Sie als Ersatz sehe, so möchte ich mich ausdrücklich entschuldigen." "Sie müssen sich nicht entschuldigen. Ich weiß, dass Sie das sicherlich nie so gesehen haben."   "Wissen Sie, Evelyn, genau das war aber der Fall", meinte er schwach lachend. "Ihnen ist sicherlich nicht bewusst, wie sehr sie meiner Gaila ähneln."   Ihr ähneln?, schoss es ihr durch den Kopf, woraufhin sie sofort beschämt den Blick senkte.   "Es gab eine Zeit, da habe ich in jeder jungen Frau meine Tochter gesehen", fuhr Ollivander fort. "Damit habe ich mehr als nur mir geschadet." Die Stille, die für gewöhnlich in seiner Wohnung herrschte, wirkte nun nur noch erdrückender. "Ich habe vieles mit meiner Tochter verloren, doch man lernt, sich zu arrangieren. Dann, plötzlich, standen Sie in meinem Laden. Denselben Blick in Ihren Augen, voller Wunder und Ehrfurcht. Eine kindliche Seele, auf der Suche nach Führung."   Evelyn wagte es nicht ihn zu unterbrechen, doch sie spürte wie ihre Augen zu brennen begannen. Seine Erzählung ging ihr nah. "Wie konnte ich Ihnen die Führung und Hilfe verweigern, die Sie so dringen benötigten. Dann hat sie ihr Stab ausgewählt, stellen Sie sich meine Verwunderung vor." Sie zwang sich sein schwaches Lächeln zu erwidern, fühlte sich aber elend.   "Es war so leicht die Grenze zu überschreiten, immerhin wusste ich nichts über Sie. Nur dass Sie ... plötzlich da standen und Freude in das Leben eines alten, törichten Mannes gebracht haben."   In diesem Moment öffnete Evelyn den Mund. Sie überlegte ernsthaft ihm alles zu erzählen, sich anzuvertrauen, so wie er es gerade tat; ihm die Wahrheit über sich zu sagen. Doch sie schloss ihn wieder, nur um etwas anderes zu erwidern. "Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mr Ollivander."   "Dass sie meiner Gaila so ähneln, hat möglicherweise damit zu tun, dass kann und will ich nicht bestreiten. Sie verdienen die Wahrheit." Er lehnte sich vor und strich ihr über den Kopf, was Evelyn nur noch mehr ins schlechte Gewissen trieb. Er redete, damit sie die Wahrheit erfuhr, und sie saß da und hielt ihn gezielt im Dunkeln. "Nichtsdestotrotz habe ich Sie ins Herz geschlossen, Evelyn. Sie als Person. Das dürfen Sie nicht vergessen."   "Danke, Mr Ollivander", brachte sie gebrochen hervor.   Kurze Zeit später lehnte er sich in den Sessel und atmete aus, was Evelyn vorkam, als sei er erleichtert. "Wären Sie so gut mir ein Glas Wasser zu bringen?", bat er sie, worauf sie ohne zu zögern aufsprang und seiner Bitte nachkam. Sie war froh wenigstens kurz den Raum verlassen zu können, um sich zu sammeln.   Sie selbst gönnte sich einen großen Schluck Wasser, ehe sie sich gegen die Spüle lehnte. Nun war sie umso erleichtert nach Hogwarts fahren zu können. Ollivanders Beichte mag für ihn befreiend gewesen sein, doch in ihr nagte nun zusätzlich Zweifel, ob es Richtig war, sich in sein Leben zu drängen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)