Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 51 - Achterbahn ----------------------- Ohne weitere Erklärungen einzufordern, verschwand Snape, jedoch nicht in der Halle, sondern hinunter in die Kerker. Scheinbar hatte er nicht übertrieben als er gesagt hatte, er hätte noch andere Dinge zu tun. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie lange er bereits vor der Halle gestanden haben mochte. Ein Knoten bildete sich in ihrer Magengegend, wobei sie sich selbst mit dem Gedanken beruhigte, dass das Gespräch verhältnismäßig friedlich vonstatten gegangen war. Sein einziges Augenmerk hatte der Frage gegolten, ob sie im Besitz eines gefährlichen Eis war, oder nicht. Angestachelt von Draco, schoss es ihr durch den Kopf als sie sich daran erinnerte, dass Snape seinen Namen erwähnt hatte.   "Verwöhnter Dämlack", rutschte es ihr heraus. Mit einem Hüpfer richtete sie ihre Tasche, die Kugel samt Ei in ihrer Hand. Sie würde es nun nicht mehr verstecken, wenn selbst ihr Hauslehrer wenig Interesse an ihrem neuen zukünftigen Haustier hatte. Das aufgeregte Murmeln hungriger Schüler drang bereits nach draußen, ein Zeichen, dass das Essen bald auf den Tischen erscheinen würde. Dem säuerlichen Geruch nach zu urteilen, hatten sich die Hauselfen für Fish and Chips und einem Hühnerfrikassee entschieden.   Als sie die Halle betrat, waren sogar schon die Mehrzahl der Lehrer anwesend, minus ihrem eigenen Hauslehrer, also beeilte sie sich den Tisch der Slytherin zur winkenden Millicent entlang zu laufen, die bereits ungeduldig wartete.   "Da bist du ja", meinte sie, während Evelyn erleichtert seufzend zwischen ihr und Daphne Platz nahm. "Blaise sagte, du hast schon wieder Ärger mit Snape?" In ihrem Unterton hörte Evelyn eine ungesagte Bemerkung heraus, als ob sie Evelyn Vorwürfe machte. Ich bin nicht diejenige, die du enttäuscht anschauen solltest.   Vorsichtig stellte sie die Kugel ab, sodass sie das Ei im Blick hatte. "Nein, nicht wirklich. Scheinbar hat jemand herumerzählt, ich hätte ein Drachenei." Evelyn musste nicht den Namen sagen, da Daphne und Zabini ihre Aufmerksamkeit bereits auf Draco lenkten, der unbeeindruckt den Kopf auf dem Tisch abgestützt hielt.   "Hätte doch sein können", war alles, was er zu seiner Verteidigung sagte.   Sehr zu Evelyns Freude hob Zabini die Hand und fuhr ihm in einem leichten Klaps gegen den Hinterkopf, woraufhin Draco schockiert Schmerz heuchelte. "Autsch! Ich darf doch wohl bitten?"   Blaise verdrehte die Augen und ignorierte Pansys missbilligenden Blick von der Seite. "Du darfst bitten, ja. Bitte das nächste Mal um Erlaubnis, bevor du Schwachsinn in die Welt setzt."   "Wieso bin ich jetzt der Schuldige? Ich bin derjenige, der wegen einem bescheuerten Ei Nachsitzen hat."   Das Essen erschien mit einem Mal vor ihnen, und Evelyn erkannte die erwarteten Speisen wieder. "Es war eigentlich eine ganz angenehme Unterhaltung", sagte sie zum Schock einiger Anwesenden.   Sie zuckte die Schultern. "Er hat nicht erwartet, dass ich wirklich ein Drachenei hatte, vielen Dank dafür, Draco."   "Gern geschehen", nuschelte er, wobei er sich eher würdevoll auf sein Essen stürzte.   Daphne äffte Draco stumm nach, ehe sie sich an Evelyn weitersprach. "Alles was er von mir wollte, war eine Bestätigung, dass ich keines habe."   "Wieso macht er sich die Mühe?"   Statt Evelyn antwortete Pansy. "Vermutlich ist das einfach seine Aufgabe. Gerücht hin oder her, aber in Hogwarts ist nichts normal."   Zabini nickte. "Jeder Mensch mit gesundem Verstand kann sich denken, dass kein Schüler ein Drachenei geschickt bekommt." Diesen Seitenhieb wollte Draco nicht einfach vorbeiziehen lassen. "Bist du ein Zauberer, Zabini, oder bist du es nicht? Jeder von uns könnte ein Drachenei schrumpfen! Das ist keine Kunst."   "Jungs!", mischte sich Evelyn nun ein. Ihr von Ollivander gut gemeintes Geschenk begann ihr entschieden zu viel Staub aufzuwirbeln. "Lasst es gut sein, es ist nichts passiert", sie wandte sich an Blaise. "Übrigens, laut Snape ist es ein Schlangenei."   Jubelnd streckte er die Faust in die Höhe. "Ich wusste es. Es war so offensichtlich."   "Ja ja."   Daphne quietschte aufgeregt einen viel zu hohen Ton. "Eine Schlange?" Selbst über den Lärm der essenden Schüler hinweg war ihr Ausruf zu hören, sodass sich sogar einige Hufflepuff am Nachbartisch suchend zu ihnen umsahen.   "Brüll es doch noch lauter", meinte Evelyn resignierend.   "Verzeihung, aber weißt du, wie süß die sind?"   "Süß und verboten", mischte sich Draco ernst ein, was ihm einige kalte Blicke einbrachte.   "Es war sogar Snape egal", erinnerte sie Draco daran, ehe jemand der anderen etwas sagen konnte. "Technisch gesehen", begann sie Ollivanders Notiz zu zitieren, "habe ich nichts Unerlaubtes mitgebracht. Es wurde mir geschickt."   "Und es ist noch nicht geschlüpft." Draco war von Daphne Zusatz nicht begeistert, wurde dadurch aber zum Schweigen gebracht. Eine Diskussion schien es ihm nicht wert zu sein.   Obwohl die Schlange noch in ihrem Ei war, und sie keine Ahnung hatten um welche Art es sich handelte, beherrschte das Tier ihre Gedanken und war auch in ihren Gesprächen präsent, selbst als es Zeit zur Nachtruhe war. Evelyn glaubte, dass sich die anderen so auf das Ei in der Kugel fixierten, um die Angst und den Stress vor ihren Prüfungen zu vergessen. Trotzdem bestanden die Mädchen darauf früh ins Bett zu gehen, wogegen Evelyn nichts einzuwenden hatte.   Sie suchte sich ein Plätzchen für die Kugel, deren Nebelschwaden sie nun als dampfendes Wasser erkannte, das die Temperatur im Innern wohlig warm für ein brütendes Ei hielt. Millicent hatte vorgeschlagen die Kugel mit ihrem Gestell auf die Oberfläche des Wasserbeckens zu stellen, da dort zusätzlich ständig Wärme nach oben zog, aber Evelyn hatte sich nicht wohl dabei gefühlt die Kugel mitten im Raum auf den Boden zu stellen. Sie entschied sich sehr zur Freude von Daphne dafür, den Brüter, wie Evelyn es heimlich nannte, an das große Fenster zu stellen, sodass sie alle einen Blick darauf werfen konnten.   Das Licht war gedämpft und ihr Vorhang ein Spalt geöffnet, als mit einem lauten Krach ihr Bett gestürmt wurde.   Etwas Schweres landete auf ihrer Brust, aus der jegliche Luft gepresst wurde. Laut kichernd lagen alle Mädchen auf Evelyn, die kaum noch atmen konnte.   "Du glaubst doch nicht, wir lassen dich die letzten Stunden deines Geburtstags verschlafen", erkannte sie Millicent Stimme, die ihr am nächsten zu sein schien. Sie spürte einen Ellenbogen schmerzhaft auf ihren Oberschenkel drücken, sodass sie unfähig zu atmen mit dem letzten Rest Luft aus ihren Lungen aufstöhnte.   "Runter", brachte sie heraus, und elend langsam löste sich der Druck, bis sie keuchend die Decke umschlug.   "Uns nichts zu sagen ist eine Sache, Harris, aber nicht zu feiern, das können wir nicht zulassen." Pansy war, für Evelyn an der Bewegung ihrer Matratze erkennbar, aufgesprungen und entfachte mit einer ausladenden Bewegung ihres Zauberstabes dutzende Kerzen, die ihr Zimmer in eine seltsame Atmosphäre tauchten. Die Bewegungen der kleinen Flammen spiegelte sich in einem Schattenspiel an der Decke wider, das beinahe hypnotisch war.   "Komm schon, guck nicht so verblüfft", sagte Millicent, die eine stumme Evelyn am Ärmel zog und sie zwang aus dem Bett zu steigen.   Der Boden, der gerade noch sauber gewesen war, war bedeckt mit Kissen, Decken und bunten Tüchern, deren Anordnung eindeutig Daphnes Handschrift trugen. Einiges erkannte sie wieder: die Kissen gehörten eigentlich nach oben in den Gemeinschaftsraum. Ihr Blick wurde von einem filigranen Pokal aufgefangen, der inmitten des organisierten Chaos stand. Dünne Hälse aus glänzendem Silber ragten aus ihm hervor, auf denen jeder kleine Ventile hatte, während in einem sechseckigen Behälter eine durchsichtige Flüssigkeit schwappte, die an den Rändern kondensiert. Das Gebilde stand auf einem schmalen Fuß, um dessen Länge sich schlanke Ranken geformt aus Metall wandten. Zuletzt sah sie unter jedem der silbernen Hälse einen wunderbar gearbeiteten Kristallkelch stehen.   "Gefällt es dir?", fragte Daphne, die zu ihrem Bett geeilt war und ein Schälchen brachte, das bisher unter ihrer Decke versteckt gewesen war. "Das gehört aber leider nicht dir, das haben wir ausgeliehen. Mulciber will es morgen wiederhaben." "Aber solange dürfen wir es benutzen. Setz dich." Pansy gestikulierte wild, das Gesicht in kindlicher Vorfreude getaucht. Evelyn staunte, wie die drei vor ihr weiterhin Dinge herbeitrugen. Millicent stellte gerade eine Karaffe ab, unscheinbar und geradezu mickrig im Vergleich zu dem glänzenden Gebilde, während Pansy mit flachen Plättchen aus Metall spielte, die sie dumpf gegeneinander schlug.   "Was genau schaue ich mir gerade an?", fragte sie, einen Fuß zögerlich auf die ausgebreitete Decke vor ihr setzend. "Thuja", kam es wie aus einem Mund. Evelyn fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Nicht schon wieder irgend ein komisches Ritual.   Sie war völlig mit der Situation überfordert, doch die Drei liefen noch immer grinsend vor ihr auf und ab, und richteten die letzten Handgriffe, ehe sie sich je einer pro Ecke auf den Boden warfen.   "Steh nicht rum, komm her."   Mit dem Fuß richtete Evelyn einige Decken und Kissen, auf denen sie sich niederließ. Sofort reichte ihr Millicent die Karaffe. "Dein Glas", sagte sie, und Evelyn griff nach dem kristallenen Becher. Zu ihrer Überraschung goss Millicent ihr etwa zwei Finger breit eine leuchtend grüne Substanz ein. Unauffällig hob sie das Glas unter ihre Nase um zu riechen, was sie gleich trinken sollte, als die Karaffe nun reihum ging.   Das gibt's nicht, ich kenne den Geruch. Beißende Aromen verschiedener Kräuter drangen ihr in die Nase, sodass ihre Augen zu Tränen begannen.   Daphne lehnte sich zurück und kicherte. "Durftest du noch nie Grüne Fee trinken?"   "Nein, Ollivander lässt sie sicher nicht."   "Das ist nichts für junge Kinder!"   Langsam sickerten die spöttischen Worte in Evelyns Bewusstsein. Worte, die ihre Vermutung bestätigten und sie kam nicht umhin geschockt ihre Augen aufzureißen. Sie waren eindeutig zu jung Absinth zu trinken, schoss es ihr durch den Kopf. Sie selbst hatte nur einmal mit dem hochprozentigen Zeug experimentiert, während ihrer Abschlussklassenfahrt. Ein tödlicher Mix aus Tee, Jägermeister und Absinth, der ihr jegliche Geschmacksknospen für die nächsten drei Tage verätzt hatte und dafür gesorgt hatte, dass die Hälfte ihrer Klassenkameraden ohne Kleider im Schnee hatte schlafen wollten, sie eingeschlossen. An diesem Tag hatte sie sowohl den Spaß am Feiern, als auch die Lust auf Alkohol verloren.   Kopfschüttelnd stellte sie das Glas ab. "Ich glaube, das sollten wir nicht machen, Mädels. Das Zeug ist stark-" und nichts für Zwölfjährige.   Pansy war gerade dabei das Glas zu präparieren, indem sie ein Stückchen Würfelzucker auf die Metallplättchen legte und es über den Rand des Glases legte. "Weichei. Ich bekomme jedes Jahr an Yule ein Glas."   Unbeeindruckt von Evelyns Warnung taten es Daphne und Millicent Pansy nach, bis auch sie jeweils einen Zuckerwürfel über ihrem Glas liegen hatten. Erwartungsvoll schauten sie auf Evelyn, die noch als einzige ihr Glas ignorierte.   "Na mach, das ist nicht der billige Pansch der Muggel", meinte Millicent beschwichtigend, was Evelyn aufhorchen ließ. Ehe sie jedoch fragen konnte, hob Daphne ihr Glas mit zwei Fingern hoch und präsentierte es mit schwenkenden Bewegungen aus ihrem Handgelenk. "Grüne Fee! Ein edler Trank, der jeden Geist beruhigt. Mein Vater schwört darauf."   Langsam dämmerte Evelyn, dass die Grüne Fee der Zauberergemeinschaft nicht dieselbe Grüne Fee war, mit der sie schon Bekanntschaft gemacht hatte. Erneut griff sich nach dem Glas und roch daran. Der Geruch war ähnlich durch die vielen Kräutern, doch gleichzeitig war es süßlich. Kurzerhand kippte sie das Glas, sodass ein wenig des Inhalts über ihre Lippen glitt. Pansy schoss nach vorne. "Doch nicht pur!"   Mehrmals bewegte sie die Flüssigkeit über ihre Zunge und schmeckte die Zutaten, von denen sie einige erkannte: Thymian, die Schärfe von Lakritze und Anis, das brennende Gefühl in ihrem Rachen, das irgendwann jeden Geschmack zerstört hätte, blieb aus.   Pansy beobachtete sie mit großen Augen, als schien sie auf eine Reaktion zu warten, die von Seiten Evelyns aber ausblieb. Gar nicht übel.   Stumm beeilte sie sich mit den anderen aufzuschließen und einen Zuckerwürfel auf das Plättchen zu legen. Bald darauf wurden die Ventile an den Hälsen geöffnet, und rhythmisch fiel ein Tropfen nach dem anderen über den Würfel, in das Glas. Zischend mischten sich langsam die Flüssigkeiten, bis das saftige Grün verschwand und stattdessen der Inhalt milchig weiß wurde. Obwohl die Gläser noch unberührt vor ihnen standen, breitete sich schon jetzt ein starker, süßlicher Kräutergeruch aus, der Evelyn auf beruhigende Art umschlang. Derselbe Geruch wurde im Geschmack des Cocktails intensiviert, der ihr schließlich, nachdem sie angestoßen hatten, wie Honig vorkam.   Der Effekt des Trankes trat beinahe sofort an. Evelyn fühlte sich zum ersten Mal seit Monaten von jeder Sorge befreit und vollkommen klar. Bald legte sie sich, ähnlich wie die anderen, flach auf die Decken und schwieg, jede Minute auskostend, während Daphne eine Melodie anstimmte und leise summte. Große Schlucke konnte keiner von ihnen nehmen, weshalb das eine Glas den gesamten Abend über hielt, wobei sich Evelyn wohl auch nicht getraut hätte ein weiteres zu trinken. Bald glaubte sie, jeder ihrer Sinne wäre geschärft. Ungläubig rieb sie nur mit den Fingerspitzen über die Decken, deren einzelne Strukturen sie schwor erkennen zu können. Jede Farbe leuchtete heller, obwohl die einzige Lichtquelle im Raum die vielen Kerzen waren, deren Schattenspiel aber die filigransten Figuren an die Wände warf. Besonders der Farbton ihrer Vorhänge war satter, als sie je ein Grün gesehen hatte. Sie schmeckte beinahe jedes Aroma, das in der Luft hing.   Je länger es andauerte, desto sensibler wurde sie für jede Empfindung, die sie aber mit jedem Atemzug mehr zu erdrückend schienen, als dass sie sie sanft umfingen. Innerhalb von Sekunden war ihre Umgebung kein Fest der Sinne mehr, sondern eine regelrechte Tortur ohne entrinnen. Die Kissen, deren Oberfläche gerade noch beruhigend unter ihrer Berührung war, schienen sie nun zu verschlucken.   Sie griff sich mit der Hand an ihr Herz, das spürbar raste und gegen ihren Brustkorb drückte. Die Luft blieb ihr aus und sie keuchte, als hätte sie gerade drei Runden um den See im Sprint hinter sich.   Ich kann nicht atmen. Sie wollte reden, aber ihre Zunge war wie ein aufgequollener Schwamm in ihrem Mund, unfähig Worte zu bilden. Langsam und mit steigender Panik kämpfte sie sich aus den Decken, die sie kaum freigeben wollten. Erst jetzt achtete Daphne darauf, was Evelyn tat. "Was machst du da?" Ihre Stimme prasselte auf Evelyn ein, als wäre sie so laut wie ein Presslufthammer. Vor Schmerz, den sie unfähig war einzuordnen, verzog sie das Gesicht. Ich muss hier raus. Mit wackligen Beinen richtete sie sich auf und taumelte an die Tür.   Sie stürzte hinaus auf die Treppe, deren Dunkelheit sie mit offenen Armen empfing und in Kälte hüllte. Mit zitternden Fingern klammerte sie sich an die Wand. Sie glaubte, sie würde von innen heraus verbrennen. Das ist doch nicht normal!   Instinktiv lief sie mit nackten Füßen hinunter Richtung Badezimmer. Ihre Konzentration galt ihrem Weg und ihren Fingern an der Wand, sodass sie nicht bemerkte, wie eine Hand unter ihren Oberarm griff und sie stabilisierte, bis sie eine Stimme direkt neben ihrem Ohr brüllen hörte.   "Du glühst ja!" Millicent hatte leise geredet, für Evelyn war es aber, als wäre sie auf einem Rockkonzert.   "Bad." Mehr konnte sie nicht sagen, als sie bereits einen ersten Schwall Galle in ihrem Mund spürte, den sie jedoch noch einmal schlucken konnte. Weitere Hände griffen nach Evelyn, die sie innerhalb kürzester Zeit regelrecht hinunterzogen. Mit letzter Kraft kippte sie in einer Duschnische um und übergab sich. Daphne und Pansy hielten Abstand, während Millicent Evelyns Rücken rieb. Was eine beruhigende Geste hätte sein sollen, war für Evelyn wie ein Schlag gegen die Wirbelsäule, sie schaffte es jedoch nicht zu sagen, dass sie aufhören sollte, als ein weiterer Anfall sie schüttelte.   Beschämt erinnerte sie sich, wie ähnlich sich diese Situation mit jener war, die sie bereits auf der Klassenfahrt erlebt hatte. Allerdings hatte sie noch nie solches Herzrasen gehabt, geschweige denn hatten ihre Sinne je derart verrückt gespielt. Erneut merkte sie, wie eine Welle des Ekels sie überkam und sich ihr Körper zusammen zog. Eine Hand, kühl und angenehm, legte sich auf ihre Stirn.   Daphne verließ mit Pansy das Bad, da sie sich die Szene nicht weiter anschauen wollten. Evelyn konnte es ihnen nicht verübeln.   Ein nasses Handtuch erschien in ihrem Blickfeld, und sie nahm es zitternd entgegen. Ohne zu zögern vergrub sie das Gesicht im Stoff, der sich eiskalt auf ihrer Haut anfühlte.   Was ist in dem Zeug drin? Sie konnte sich nicht erklären, weshalb sie innerhalb von Sekunden derart schlecht auf das Getränk reagiert hatte. Im einen Augenblick hatte sie sich entspannt gefühlt, glücklich und befreit von Problemen, und im nächsten hatte sie ihren Körper nicht mehr im Griff.   Sie stützte sich an der gefliesten Wand und bewegte zögerlich ihre Gliedmaßen. Jedes einzelne Gelenk tat ihr weh und sie glaubte sogar zu hören, wie sie gegeneinander rieben.   Millicent neben ihr schien nicht die geringsten Symptome zu zeigen. Ihre Pupillen waren ein wenig geweitet, was aber auch am Schock Evelyn derart schwach zu sehen liegen konnte. Weder sie, noch Pansy oder Daphne, vertrugen das Gesöff derart schlecht.   Das ist nicht nur das Getränk. Nach einigen Minuten fühlte sich Evelyn sicher genug sich aufzurichten. Dabei waren ihre Gelenke eindeutig zu hören, wie sie bei jeder Bewegung knackten. Das kann unmöglich nur das Getränk sein.   Sie schob wortlos Millicent ein wenig zur Seite, ehe sie die Dusche anstellte und sich vom Wasser auf niedrigster Stufe berieseln ließ. Ihre Kleidung war innerhalb kürzester Zeit durchnässt, und ihre Haare verdeckten ihr Gesicht, doch es half. "Du solltest ins Bett, genug für heute", hörte sie Millicent reden, und Evelyn nickte, griff jedoch nach dem nassen Handtuch, ehe sie sich von Millicent helfen ließ das Wasser auszustellen und die Treppe zurück zu steigen. Auf ihrem Weg hinterließ sie eine Spur aus dutzenden Tropfen.   Ihr Herz raste noch immer, und ihre Umgebung schwankte, wo auch immer sie hinsah. Der süße Geschmack des Getränks war gewichen, und alles was sie wahrnahm, war eine bittere Säure auf ihrer Zunge. Sie fühlte sich innerlich ausgetrocknet und schwach, doch der Gedanke ins Bett gehen zu dürfen, war sehr verlockend und beruhigend. Als sie jedoch das Zimmer betrat, in dem noch immer der schwere Geruch nach Kräutern hing, spürte sie ihren Magen erneut rebellieren. Zum Glück gab es nichts mehr, das sie hätte hervor würgen können.   Daphne und Pansy hatten bereits angefangen aufzuräumen und die Kerzen gelöscht, hielten aber inne, als Evelyn den Raum betrat. "Geht's dir besser?"   Evelyn brachte nur ein heiseres Stöhnen als Antwort zustande, während sie sich mit dem Handtuch auf dem Gesicht einfach auf ihr Bett fallen ließ, das schon bald ebenfalls durchnässt war.   "Du solltest so nicht schlafen", sagte Millicent, und half ihr wenigstens die nassen Kleider auszuziehen. Evelyn war zu müde und erschöpft um sich zu wehren und ließ Millicent gewähren.   Plötzlich war ein Aufschrei von Daphne zu hören, sodass Evelyn erschrocken die Ohren bedeckte, Millicent hingegen fragend nach Daphne Ausschau hielt.   "Die Kugel", hauchte Daphne, den Finger auf das Glas des Fensters gerichtet, "sie ist leer!"   Mehrere Augenpaare folgten Daphnes Finger, während Evelyn noch immer versuchte den Geräuschpegel für sich zu senken.   "Evelyn, das Ei ist auf!", rief nun Millicent, die die Kugel aufgehoben hatte und damit zu Evelyn lief. Ihre Augen brannten trotz des dusrigen Lichts, dennoch erkannte sie, was Millicent ihr zeigen wollte. Das Ei hatte jegliche Form verloren und war in sich zusammengefallen, wie zerknittertes Papier.   Evelyn, die sich innerhalb von Minuten zuerst auf einem hoch und schließlich auf einem ungeahnten Tief befunden hatte, hob nun schwerfällig den Kopf. Ihr Gewissen trieb sie schließlich dazu sich aufzurichten. Gott, wenn alle nur nicht so schreien würden. Sie setzte die Kugel auf ihren Schoß um sie besser sehen zu können, das Bild blieb jedoch dasselbe. Das Loch im Ei, aus dem die Schlange gekrochen sein musste, war deutlich zu erkennen, nur der Bewohner war nirgends zu sehen. Eigentlich unmöglich aus einer massiven Kugel zu verschwinden, dachte Evelyn schluckend. Der bittere Geschmack war noch immer zu spüren und sie wünschte sie hätte ein Glas Wasser.   "Keiner bewegt sich." Ihr gereizte Hals schmerzte und die Worte waren nur schwach zu hören. Sie schloss die Augen und sammelte ihre Kräfte. "Keiner bewegt sich!" Dieses Mal schaffte sie es deutlich zu sprechen.   An den Schatten, die gegen das Fenster standen, sah sie wie ihre Mitbewohnerinnen in ihren Bewegungen einfroren und sich nicht mehr von der Stelle wagten. Jeder hatte ihren Zauberstab mit einem Lumos hell erstrahlen lassen, was Evelyn nun zusätzlich blendete. Sie zog sich an ihrem Bettposten hoch und begutachtete den Boden. Überall lagen noch Kissen, halb zusammen gelegte Decken und sogar Kleider. Für eine winzige, frisch geschlüpft Schlange, war es ein Leichtes in so einer Umgebung unterzutauchen. Wichtig war nun, dass sie sie nicht aus Versehen mit einem unbedachten Tritt zerquetschten. Gequält rieb sie sich die Augen als ihr klar wurde, dass die Schlange das Ei womöglich vor Stunden schon unbemerkt verlassen haben konnte. Sie war nicht in der Verfassung lange zu stehen, doch die Sorge und der Anblick einer leeren Kugel trieb sie auf die Beine.   "Bleib liegen, wir suchen", Millicent ging einige Schritte auf Evelyn zu, die schnalzte laut mit der Zunge und riss die Hand als Warnung nach oben.   "Nicht. Bewegen." Evelyn suchte nach ihrem Zauberstab, den sie auf ihre Kommode gelegt hatte. Sie sah, wie er in ihrer Hand zitterte, und sie griff sich ihre Decke um nicht zu unterkühlen.   "Warte, du solltest nicht-", versuchte Pansy zu sagen, Evelyn hatte jedoch schon den Zauberstab auf die Kissen direkt vor sich gerichtet, und sich auf ihr Vorhaben konzentriert. "Wingardium Leviosa."   Ein Luftzug kam ihr entgegen, als alles, das sich auf dem Boden befand, mit einem Mal in die Luft schoss. Selbst die Ränder der Vorhänge hoben sich einige Zentimeter nach oben.   "-zaubern", schloss Pansy nun ihren Satz, den Blick auf die schwebenden Objekte gerichtet, die sich langsam um sich selbst drehten. Unter besseren Umständen hätte Evelyn sich gefreut zum ersten Mal wirklich mühelos gezaubert zu haben, im Moment kreisten ihre Gedanken um etwas anderes, sodass sie es nicht begreifen konnte.   "Wow, Harris, du solltest jeden Tag Thuja trinken." Auf Daphnes Vorschlag konnte Evelyn gut verzichten, drehte ihren Zauberstab aber in ihren Fingern.   "Einmalige Geschichte", erwiderte Evelyn mit rasselnder Stimme, ehe sie den nun freien Boden absuchte. Erleichtert sah sie einen roten Fleck nicht weit von ihr, zusammengerollt direkt auf der Membran des Wasserbeckens.   Auch Millicent hatte sie gesehen. "Da!"   Es war jedoch Daphne, die sofort in drei Schritten in der Mitte war und das Tier aufhob. "Sie ist winzig." Evelyn entspannte sich als sie sah, dass die Schlange ihren Körper bewegte und scheinbar unverletzt war. Plötzlich fielen Decken und Kissen herab, und Daphne beschützte mit angezogenen Schultern die Schlange davor von der Deko getroffen zu werden.   "Das nächste Mal sagst du bitte eine Warnung." Sie hob Evelyn die Hand hin, sodass sie ihr frisch geschlüpftes Reptil entgegen nehmen konnte. Mit zwei Fingern umschloss sie den winzigen Körper und lüpfte es auf die Handfläche, wo das Tier sofort eifrig die Zunge benutzte, um sich zu orientieren. Sie war gerade mal so groß wie Evelyns Zeigefinger, und ihre Schuppen leuchteten in einem satten Rot, allerdings ahnte Evelyn bereits, dass sie noch unter der Wirkung des Trankes stand und der Farbton morgen eher bräunlich wirken dürfte.   Mit der Fingerspitze berührte sie den Kopf der Schlange, die sofort zuckte und mit der Zunge nach dem Objekt suchte, das es wagte sie rücklings zu attackieren. Evelyns Lippen umspielte ein schwaches Lächeln.   "Hast du schon einen Namen?", wollte Millicent wissen, die zusammen mit den anderen neben Evelyn stand und den Blick neugierig auf die sich einkringelnde Schlange in ihrer Hand gerichtet hatte. Sie schüttelte den Kopf, da sie nicht sprechen wollte. Überhaupt fühlten sich alle ihre Glieder nun schwer an. Sie holte die Kugel und hoffte die Schlange würde von selbst auf demselben Weg wieder hinein gehen, wie sie herausgekommen war. Als wäre es ein Stichwort entrollte sich die Schlange, was Evelyn als Kitzeln wahrnahm, und steckte den Kopf zur Kugel aus, durch die sie glitt, als sei es kein solides Glas, sondern nur Luft. Es dauerte nur Sekunden, bis das kleine Tier in der Kugel verschwunden war und sich in das Moos legte, das den Stein überzog.   "Sie hat wohl Wärme gesucht", sagte Pansy. "Das Wasserbecken war wie eine Heizung für sie."   Für Evelyn zählte nur, dass das Tier da war, wo es hingehörte, und zusammen mit ihrem Zauberstab stellte sie die Kugel auf ihrer Kommode ab.   "Ich habe für heute genug", flüsterte sie und die Mädchen begriffen sofort, dass sie nun schlafen wollte. Glücklicherweise zogen sie sich zurück und erlaubten es Evelyn ihren Vorhang zu schließen. Ihre Haare waren klamm vom Wasser sie trug nichts, außer ihrer Unterwäsche. Ähnlich wie die Schlange rollte sie sich mit angezogenen Beinen zusammen und wickelte die Decke um sich.     Sie erinnerte sich an nichts mehr, ob oder was sie geträumt hatte, als sie schließlich nach nur wenigen Stunden die Augen aufschlug. Das Geräusch der anderen, die bereits wach waren, hatte sie geweckt. Ihr Mund war völlig trocken, doch ansonsten fühlte sie sich weitaus besser, als noch vor ihrem Schlaf. Sie streckte sich unter der Decke und war zufrieden ihre Gelenke nicht mehr zu spüren, gleichzeitig merkte sie jedoch, dass etwas anderes nicht stimmte. Schwerfällig richtete sie sich auf und sah an ihren Füßen herab, die beinahe das Ende des Bettes erreicht hatten.   Scheiße! Ein Japser entwich ihr.   Eilig prüfte sie, ob die Vorhänge noch vollständig zugezogen waren, denn in dem Moment hörte sie bereits Millicents Stimme. Sie stand nicht weit weg.   "Evelyn? Wir sind auf dem Weg zum Frühstück, aber wir wollten dich nicht wecken."   "Geht es dir besser? Du warst gestern ganz schön angeschlagen?"   "N-nein", sagte sie eilig, die Decke weit hochgezogen, was kaum etwas brachte. "Ich denke, ich bleib noch etwas liegen."   "Sie klingt noch seltsam", flüsterte Daphne leicht besorgt.   Evelyn schluckte und räusperte sich. "Noch etwas heiser. Ihr könnt mich hier lassen." Bitte geht.   Einige Sekunden des Schweigens folgten, in denen Evelyn nur das Echo ihres Herzschlages hörte, bis Millicent sie erlöste. "OK, wir sehen dich dann im Unterricht." Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf den Schlag der zufallenden Tür. Nun kam es ihr so vor, als seien ihre Sinn gedämpft und stumpf. Als sie sich sicher war allein zu sein, öffnete sie den Vorhang und griff sofort in ihre Schublade, wo die letzten Flaschen ihres Trankes verstaut waren. Seit beinahe einem Jahr hatte sie kontinuierlich den Körper eines Kindes gehabt, weshalb ihr ihre nun gewachsene Brust und verlängerten Arme fremd vorkamen. Sie konnte nur ahnen, dass der Rest ihres Aussehens ebenfalls ihre ursprüngliche Form angenommen hatte. Ehe sie groß nachdenken konnte kippte sie einen großen Schluck jedes Trankes hinunter und wartete, bis sie wirkten. Erst dann erlaubte sie sich ihre Situation in Frage zu stellen.   Man musst nicht besonders schlau sein um zu erkennen, dass ihre Tränke über Nacht ihre Wirkung verloren hatten, was sie rückblickend auf ihre unfreiwillige Übelkeit schob. Was auch immer das Thuja mit ihr gemacht hatte, rückblickend war es nicht die verkürzte Wirksamer und vor allem nicht die Bauchschmerzen wert gewesen.   Sie schwenkte eine der Flaschen, die mit dem trüben Trank gefüllt war vor ihrem Gesicht, ehe die sie nun mit etwas weniger Hast erneut verstaute und sich seufzend über das leicht verschwitzte Gesicht fuhr.   "Wenn das hier vorbei ist brauch ich Urlaub", sagte sie leise, lachte jedoch sofort resigniert. "Ich denke schon über das Ende nach."   Ihr Blick fiel auf die Kugel, in der die Schlange unbeweglich lag. Nur ihre geteilte Zunge war regelmäßig zu sehen. "Du hast mir einen ganz schönen Schreck eingejagt." Das Reptil reagierte nicht, sodass Evelyn nun einfach auf ihrem Bett wartete, bis sie ihre mittlerweile gewohnte Größe vollends zurück erhielt.   Noch immer spekuliert sie stumm, was genau in den letzten Stunden mit ihr passiert war. Sie fühlte sich schwach, unausgeruht und durstig, ansonsten konnte sie aber keine weiteren Beschwerden feststellen. Ihr einziges Fazit war, in Zukunft die Finger von Thuja zu lassen.   "Du musst etwas essen", sagte sie an die Kugel gerichtet, in der ihre noch namenlose Schlange schlief. "Im Grunde, trifft das auf uns beide zu."   Ihr Wissen über Schlangen beschränkte sich auf das, was sie in ihren frühesten Schultagen gehört hatte und auf das, was man so im Alltag aufschnappte, was nicht gerade viel war. Ihr Hoffnung lag jedoch auf ihrer ersten Stunde Zaubertränke, oder besser gesagt dem Schülerlager, das mit einigen Tieren und Tierstücken bestückt war. Sie hoffte dort etwas zu finden, auch wenn sie es erst einmal schaffen musste sich unauffällig zu bedienen, was nicht gerade leicht war. Professor Snape hielt auch das Schülerlager gut im Blick um zu beobachten, was sich die Kinder nahmen. Nichts in dem Lager war gefährlich, oder selten. Diese Sachen verwahrte er in seinem persönlichen Lager auf, das für alle strikt verboten und stets verschlossen war. Immerhin musste sie sich wenigstens keine Sorgen machen, dass ihre Schlange alleine loszog und die Haustiere anderer verschlang, da ihr eigenes Exemplar die Größe ihres Fingers hatte. Selbst normale Mäuse erschienen ihr zu groß, doch sie wurde im Lager sicher etwas finden.   Eilig holte sie sich eine neue Uniform, nahm eine mehr als wohltuende Dusche, und packte das Terrarium im Miniformat ein, um den Schlafsaal und Gemeinschaftsraum zu verlassen. Zu Ihrer Überraschung war der Gemeinschaftsraum jedoch nicht leer, sondern ein einzelner lag längs auf der Couch ausgebreitet, leise vor sich hin summend.   "Blaise?", rief sie von der Treppe, als sie ihn erkannte. "Solltest du nicht beim Frühstück sein?"   Sofort richtete er sich auf und strahlte Evelyn entgegen. "Das könnte ich dich auch fragen."   Sie kam näher und legte den Kopf schief. "Ich habe eine schwere Nacht hinter mir."   "Ich weiß, Millicent hat es uns erzählt. Dich hat's ganz schön umgehauen." Er griff neben sich und holte etwas, das er Evelyn entgegen warf. Beinahe hätte sie es fallen gelassen. "Du brauchst Zucker, iss."   Evelyn starrte auf den Apfel in ihrer Hand, den sie dankend annahm, ehe sie sich neben ihn setzte.   "Ich habe noch nie gehört, dass Thuja jemanden derart den Boden wegzieht", meinte Zabini nach einigen Minuten in denen er wartete, bis Evelyn ihren Apfel gegessen hatte.   Sie nahm sich einige Sekunden Zeit um abzuwägen, was sie erwidern sollte. Wirklich Erfahrung hatte sie nicht mit dem Trank, im Gegensatz zu ihren Klassenkameraden, die scheinbar alle schon einmal Bekanntschaft mit dem Getränk gemacht hatten. "Für alles gibt es ein erstes Mal", sagte sie schließlich, sehr zu Zabinis Unterhaltung.   "Mutter trinkt es immer, wenn sie einen schwierigen Auftrag hat. Manchmal darf ich einen Schluck nehmen."   Das ließ Evelyn hellhörig werden. "Wieso nimmt sie ihn?"   "Du wirst doch wohl gemerkt haben, dass der Trank einen gewissen ... Effekt hat."   Sie atmete laut aus. "Ja, habe ich."   "Man kann sich besser konzentrieren, unter anderem."   "Klingt illegal."   Sie merkte an Zabinis zögerlicher Reaktion, dass sie gar nicht so Unrecht hatte.   "Du hättest meinen Wingardium heute Nacht sehen müssen, du wärst beeindruckt gewesen." Zabini druckste und knetete abwesend seinen Daumen, sodass Evelyn erneut das Wort statt ihm ergriff. "Lass mich raten: einer dieser Nebeneffekte." Sein Schweigen gab ihr recht, und plötzlich erschien ihr der Zauber gar nicht mehr so beeindruckend. Wenn sie nun ein wenig klarer und mit etwas Essen im Magen darüber nachdachte, könnten verschärfte Sinne und eine bessere Konzentration Schuld an dem plötzlichen Aufschwung an magischem Talent gewesen sein. Klasse, ich war gedopt.   "Ich habe gehört die Schlange ist geschlüpft", wechselte Blaise das Thema, worüber Evelyn ganz glücklich war. Seine Augen funkelten aufgeregt. "Hast du sie?"   Es dauerte nicht lange, da war die Kugel mit der Schlange in Zabinis Händen, der sie nahe an sein Gesicht drückte. "Hast du schon einen Namen?" Evelyn konnte nur die Augen verdrehen, als sie diese Frage zum wiederholen Mal hörte. Bis vor 24 Stunden hatte sie noch keine Schlange gehabt und nun verlangten alle schon einen Namen.   "Sie muss erst etwas essen", sagte sie nur, was Zabini veranlasste erneut in seine Tasche zu greifen und beinahe erwartete sie, dass er nun noch ein Frühstück für ihr Haustier hervorholte. Dieses Mal reichte er ihr aber einen Zettel, den sie wohl kaum verfüttern konnte.   "Hier, die habe ich gestern gemacht. Du wolltest ja nicht nach Schlangen suchen, also habe ich das für dich erledigt." Erstaunt las Evelyn die kurzen und schräg geschrieben Notizen durch, die grob eine Anleitung zur Haltung von Schlangen darstellten. "Du hast das geschrieben?" Natürlich erkannte sie seine Schrift, war aber positiv überrascht ausgerechnet von Zabini, der jedem Aufsatz versuchte aus dem Weg zu gehen, freiwillig angefertigte Notizen zu sehen.   "Natürlich, da siehst du mal, was für ein toller Freund ich bin."   Besonders interessant war für sie im Moment die Information, was kleine Schlangen an Nahrung brauchten.   "Baby Ratten, im Ganzen oder in Stücken. Gerne lebend", las sie laut.   "Keine Sorge, ich habe Vince schon erklärt, dass er nicht um seinen kleinen Finger Angst haben muss, und dass wir die nicht verfüttern."* Sie grinste müde, war jedoch zufrieden die Bestätigung zu haben, das benötigte Futter tatsächlich im Schülerlager zu finden. Ratten in jeglicher Ausführungen gehörten zum Standardrepertoire.   "Du brauchst noch einen Namen", sagte Blaise eilig, als Evelyn sich erhob um sich zum Unterricht aufzumachen.   "Wieso ist das so wichtig? Ich weiß ja noch nicht einmal, ob sie ein er oder eine sie ist."   "Du kannst sie doch nicht ewig Schlange nennen." Evelyn machte ein Gesicht, als würde sie Blaise Vorschlag ernsthaft in Betracht ziehen. Im Grunde wäre ihr das sogar lieber, als sie Tiffany oder Hugo zu nennen.   "Wie wäre es mit Anguis", schlug sie daher vor, erntete aber nur ein enttäuschte Kopfschütteln.   "Du nennst sie auch nicht Schlange auf Latein." Evelyn fühlte sich ertappt und überkreuzte die Arme vor der Brust. "Was hat sich der Herr den vorgestellt, was ein treffender Name für meine Schlange wäre."   Auf diese Frage hatte er seinem Grinsen nach zu urteilen nur gewartet. "Das ist unser Wappentier, Eve!"   "Evelyn."   "Sie braucht einen kräftigen Namen, einen bedeutenden. Etwas Besonderes."   Evelyn hob die Augenbrauen, amüsiert darüber, wie sehr sich Blaise in dieses nach ihrer Meinung belanglose Thema hineinsteigerte. "Petunia?"   Er musste nicht antworten, seine versteinerte Miene zeigte, wie wenig er von ihrem zugegeben nicht ernst gemeinten Vorschlag hielt.   In der daraufhin herrschenden Stille seufzte sie geschlagen und dachte ernsthaft über einen möglichen Namen nach. Dabei grub sie auf Blaise Rat hin alte, mythologische Namen aus Texten aus, die sie in der Schulzeit ihres früheren Lebens das Vergnügen hatte von einer Sprache in die andere zu übersetzen. Caesar, Dante, Lilith, Kumaris, Belial, Apophis ... Meine Güte was versteht er denn unter kraftvoll? Shenlong oder Jabberwocky? Gedanklich blätterte sie durch die verschiedenen Persönlichkeiten und Wesen verschiedenster Kulturen, von denen ihr nichts weder zusagte, noch wirklich gefiel, bis sie schließlich doch noch an einem Namen hängen blieb.    "Paimon", sagte sie zufrieden und auch Blaise horchte auf. "Paimon?" Er nickte, während er den Namen über seine Zunge Rollen ließ. "Ich mag den Klang."   Was er wohl gesagt hätte, wenn ich Pikachu vorgeschlagen hätte? Sie erwiderte sein Grinsen, wenn auch aus anderen Gründen, als er sich womöglich dachte.   Da es keinerlei Widersprüche gab, packte Evelyn Blaise am Oberarm und zog ihn Richtung Ausgang. "Da wir das nun geklärt haben, können wir endlich gehen? Paimon hat Hunger, und in den letzten Wochen hier will ich nicht ausgerechnet bei Professor Snape zu spät kommen."   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)