Wishes von SocialDistortion (»[MarcoxOC]«) ================================================================================ Kapitel 2: Long Time No See --------------------------- Als Cora zwei Tage später ihre Augen öffnete, rührte sie sich in der ersten Minute ihres Wachseins keinen Zentimeter. Nicht nur, weil sich ihr Körper anfühlte als hätte man ihn in Flammen gesetzt. Nein. Grund für ihre Bewegungslosigkeit waren die spärlichen Erinnerungen, die sich dennoch wie ein heißes Eisen in ihr Gedächtnis gebrannt hatten. Eine beängstigende Menge Blut und das unheilvolle Grinsen von Bone waren alles, an das sie sich noch erinnern konnte. Hinzu kam die unbekannte Umgebung und das machte alles noch schlimmer. Konfus hefteten sich ihre Augen auf ihren rechten Handrücken, nachdem sie nervös durch den Raum gewandert waren. Fahrig strich sie mit ihren Fingern über den Katheter, der irgendein Sedativum in ihren Körper leitete. Als sie wohl etwas zu heftig an dem Teil ankam, zuckte sie kurz zusammen. Dieser verursachte Stich brachte sie jedoch dazu, dass sich der Nebel in ihrem Kopf zumindest ein wenig verzog. Noch immer leicht benommen, versuchte sie sich unter enormen Schmerzen aufzurichten, dabei fixierte sie mit tränenden Augen und zusammengepressten Lippen ihren bandagierten Oberkörper. „Wo bin ich hier?“, stellte sie krächzend jene Frage, die ihr bereits seit dem Erwachen in den Sinn gekommen war. Ihr Blick wanderte von ihrem Körper abermals zu ihrer Umgebung. Halb aufrecht befreite sie ihre Beine von der Bettdecke. Cora hatte das Gefühl, als würde sie gerade alles einengen. Die Decke und vor allem dieses Krankenzimmer, in dem sie sich befand. Nervös krallte sie ihre Nägel in das weiße Leintuch. Eine Krankenschwester, die bis dato in ihre Arbeit vertieft war, wurde erst jetzt auf die einzige Patientin im Raum aufmerksam. Doch bevor sie auf ihre Frage eingehen konnte, bekam sie es mit der Panik zu tun. „Hey! Was tust du da? Du sollst dich nicht aufsetzen!“ Bei dem leicht panischen Ausruf zuckte die Dunkelhaarige zusammen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Krankenschwester, die ein verflucht gewagtes Kleid trug. Cora hielt dadurch inne und kam so indirekt dem Befehl nach. „Wo bin ich hier?“, wiederholte sie ein wenig eindringlicher. Unruhig fing sie an, an ihrer Bettdecke zu nesteln. Wieso konnte sie sich an kaum etwas erinnern? Wie war sie hier gelandet? Die Unwissenheit machte sie verrückt! „Wie wäre es, wenn du dich zuerst wieder hinlegst, ich den Doc hole und du mit ihm darüber sprichst?“ Die Krankenschwester lächelte, doch es wirkte alles andere als freundlich. Allerdings war das Cora egal, denn alles was sie wollte, war, dass man ihre Frage beantwortete. Deshalb biss sie ihre Zähne so fest zusammen, dass ein unangenehmes Knirschen entstand. Die Dunkelhaarige ballte zusätzlich ihre Hände zu Fäusten und unterdrückte eine wüste Beleidigung. Stattdessen holte sie tief Luft, löste die Anspannung in ihren Schultern und fuhr sich mit dem Handrücken, in dem keine Nadel steckte, über die Augen. Ausgerechnet jetzt die Beherrschung zu verlieren, würde sie auch nicht weiterbringen. Außerdem hätte sie auf die schwarzhaarige Krankenschwester hören sollen. Die schnelle und verfrühte Bewegung war rücksichtslos gegenüber ihren Verletzungen gewesen. Deshalb legte sie sich langsam, und mit Unterstützung ihrer geschwächten Arme, wieder zurück. Mit einer erschöpften Stimme meinte sie: „Könntest du…könntest du mir jetzt bitte sagen, wo ich bin?“ Als Cora ihren Kopf hob und so den Blick der Krankenschwester begegnete, war die anfängliche Unfreundlichkeit aus ihrem Gesicht verschwunden. Jetzt hatte es den Anschein, als hätte die Schwarzhaarige einfach nur Mitleid mit ihr. Diese schien unsicher zu sein, ob sie ihr antworten sollte. Doch nach einem kurzen inneren Konflikt seufzte sie nachgiebig. „Du befindest dich auf der Moby Dick. Also bei den Whitebeard-Piraten, aber alles Weitere solltest du mit dem Doc besprechen.“ Die Schwester sagte noch etwas, doch Cora hatte nach dem Wort Whitebeard-Piraten bereits abgeschaltet. Voller Entsetzen sah sie der Frau mit großen Augen nach, als sie den Raum verließ. Fassungslos öffnete sie ihren Mund, doch kein Laut kam über ihre spröden Lippen. „Das…das ist eine absolute Katastrophe“, murmelte Cora und konnte noch immer nicht glauben, dass sie hier war. Von all den Schiffen auf diesem verdammten Meer musste sie ausgerechnet auf diesem landen. Sie war nicht bereit dafür. Nicht bereit, ihn wieder zu sehen. Sie schloss die Augen, als ihre Atmung auf einmal unkontrolliert schneller wurde. Sie war hier. Hier in seiner Nähe. Wieso jetzt? Wieso? Nervös biss sie sich auf ihre trockene Lippe. All die Jahre hatte sie unzählige Szenarien durchgespielt und war dabei gedanklich Konversationen durchgegangen, die niemals stattfinden würden. Und dennoch war sie nicht bereit dazu. Nicht im Geringsten. Sie konnte ihm nicht gegenübertreten. Sie wollte es nicht. Der anfängliche Schock schlug urplötzlich um und Panik machte sich in ihr breit. Hektisch durchforstete sie ihren Kopf nach einer Lösung. Sie war auf einem verdammten Schiff. Wie sollte sie von hier unauffällig verschwinden können? Für einen kurzen Moment lang versuchte sie das Chaos in ihrem Inneren zu ordnen. Sie wusste nicht, was sie denken sollte. Sie hatte nicht mal ansatzweise daran gedacht, dass sie ihm jemals wieder gegenübertreten würde. Diese Tatsache brachte alles durcheinander und dann war da auch noch Liah. Er hatte keine Ahnung, dass sie überhaupt existierte… Die Dunkelhaarige holte bei der Erkenntnis tief Luft und schlug die Bettdecke beiseite. Sie konnte gerade nicht untätig herumliegen. Sie musste sich zumindest versuchen zu bewegen, um zu sehen, wie schlimm ihre Verletzungen tatsächlich waren und wie lange sie brauchte, um vollends zu genesen. Cora musste weg von diesem Schiff. So schnell wie möglich. Dass sie dabei unweigerlich auf Marco treffen würde, verbannte sie kurzfristig aus ihrem Kopf. Vorsichtig setzte sie schließlich ihre Füße auf den Boden. Allein diese Bewegung war die reinste Tortur und machte ihr klar, durch welche Qualen ihr Körper gegangen sein musste. Für eine Sekunde nahm ihr der Schmerz sogar die Luft, sodass sie kurzzeitig innehielt. Angespannt versuchte sie sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Dabei wanderte ihr Blick zu den schwarzen Shorts. Es waren nicht ihre, denn diese hier war ihr ein wenig zu weit. Der Rest der sichtbaren Haut war, wie ihr Oberkörper, bandagiert. Sie seufzte und wollte nicht wissen, wie schlimm ihre Wunden aussehen mussten. Indem sie ihre Augen weiterwandern ließ, kam sie auf andere Gedanken. Die Infusion stach besonders hervor. Ohne zu zögern, griff sie nach der Nadel und zog sie sich aus der Haut. Anschließend verlagerte sie ihr Gewicht auf ihre Beine und versuchte langsam aufzustehen. Sie zitterten und konnten sie nur mühsam halten, weshalb sie ihre Finger in die Matratze krallte. Es musste erbärmlich aussehen, wie sie völlig verkrampft dastand und nicht mal einen Schritt zusammenbrachte. Wieso war sie auch so blöd, sich von diesem drittklassigen Menschenhändler fassen zu lassen? Es war ein Anfängerfehler gewesen, der sie in diese Misere gebracht hatte und ihr Leben gehörig auf den Kopf gestellt hatte. Zudem hatte sie Liah eine Ewigkeit nicht mehr gesehen und für einen Moment trieb ihr diese Erkenntnis Tränen in die Augen. Cora kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. „Reiß dich gefälligst zusammen“, murmelte sie und versuchte, sich selbst Mut zu machen. Rumjammern würde sie auch nicht schneller hier wegbringen. Mit aller Kraft und einem halbwegs klaren Kopf versuchte sie einen kleinen Schritt nach vorn. Das Pochen in ihren Gliedmaßen war unerträglich, weshalb sie angestrengt ihre Zähne aufeinanderbiss. Diese sonst so natürliche Bewegung hatte ihr Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Sie war darüber verärgert, wusste doch, was das zu bedeuten hatte. Und nicht umsonst hatten sich die Tage in dem Verlies angefühlt wie die Hölle auf Erden. Genau genommen hatte sie nicht mal gedacht, dass sie diese Gefangenschaft überleben würde… „Verflucht! Wer hat dir die Erlaubnis erteilt, aufzustehen?“ Zum zweiten Mal in kürzester Zeit ertönte eine aufgebrachte Stimme. Mit angestrengtem Gesicht betrachtete sie den relativ jungen Mann in der weißen Arztkleidung. Er sah wütend aus. Verständlich, denn sie hatte ihre Bettruhe missachtet. Dennoch dachte sie nicht daran, klein beizugeben. „Ich schätzte, das war ich.“ Bemüht locker stützte sie sich am Bettrand ab und biss sich dabei fest auf die Zunge, denn diese Position war absolut nicht angenehm, sondern verdammt schmerzhaft. Manchmal war sie ein ziemlicher Idiot. „Der Arzt bin hier immer noch ich.“ Eindringlich sah er sie an und lieferte sich mit ihr ein kurzes Blickduell. Doch sie verdrehte schnell nachgiebig die Augen und antwortete: „Schon gut. Ich leg mich wieder hin.“ Dieses Mal ging sie nicht den ganzen Weg wieder zurück, sondern hievte sich wieder auf das Bett und robbte unelegant zurück. Beinahe erleichtert, den weichen Untergrund zu spüren, atmete sie auf. Der Arzt kam auf sie zu und stellte sich neben sie. Cora beobachtete ihn genau, als er an ihrem Oberschenkel langsam den Verband abnahm. „Du hast ganz schön übel ausgesehen und jede Menge Blut verloren. Viele Wunden waren so tief, dass wir sie nähen mussten“, erklärte er ihr nebenbei. Vergessen war der Ärger über ihre voreiligen Gehversuche. „Deshalb solltest du auch nicht aufstehen. Sie sind frisch und könnten aufreißen.“ Er sah kurz zu ihr, widmete sich aber schnell wieder ihren Blessuren. Sie sah bewusst nicht hin. Den Anblick frischer Wunden wollte sie sich nicht antun. Als er wieder von ihr abließ, drehte er sich zu ihr. „Ich bin übrigens Tao.“ Dieses Mal lächelte er sie freundlich an. „Cora“, antwortete sie halbherzig. Auch wenn sie ihm für seine Hilfe dankbar war, so wollte sie noch immer schnellstmöglich weg von hier. Einerseits natürlich wegen ihrer Tochter und andererseits wegen Marco. „Also Cora. Du solltest dich ausruhen. Falls du etwas brauchst, ruf einfach. Wir sind meistens im Nebenraum. Ansonsten schaut jede Stunde jemand bei dir vorbei. Okay?“ Nachdem sie nickte, wollte er gehen. „Ach ja! Bevor ich es vergesse. Marco wol-“ „Nein!“, rief sie bei der Erwähnung seines Namens und kam sich augenblicklich dumm vor. Deshalb räusperte sie sich peinlich berührt. „Er…ich…will ihn nicht sehen.“ Die Dunkelhaarige wandte ihren Blick ab und starrte stur auf ihre Finger, die an den Schnüren ihrer Shorts herumspielten. Sie wusste, dass ihr Verhalten kindisch und dumm war, aber sie hatte ihre Gründe. Tao seufzte bei ihren Worten. „Schön. Ich sag ihm, dass du fürs Erste Ruhe brauchst. Aber dieses Gespräch ist unausweichlich. Der Käpt‘n besteht immer darauf, mit…Gästen persönlich zu sprechen. Und in diesem Fall versteh ich das auch. So habe ich Marco noch nie erlebt.“ Den letzten Teil sagte er mehr zu sich selbst, aber Cora hatte ihn genau verstanden. Auch nachdem sie ihm dankte und er aus dem Raum ging, dachte sie über seine Worte nach. Wie hatten sie ihn noch nie erlebt? Sie hätte nachhaken sollen, aber andererseits ging sie das nichts an. Es interessierte sie auch nicht. Dachte sie zumindest. Denn trotz allem war der Phönix Mittelpunkt ihrer Gedanken, bis sie vor Müdigkeit wieder ins Traumland driftete. [align type="center"][style type="bold"]᛭[/style][/align] Cora schlug das nächste Mal ihre Augen auf, da war es Abend. Ihr Schlaf war dunkel und ohne Erinnerungen gewesen. Sie war froh darüber, denn wenn sie träumte, dann kam immer er darin vor. Er und sein Lachen. Er und seine stechend grünen Augen. Er und seine Hände auf ihrem Körper. Diese Bilder erinnerten sie immer wieder an die schöne Zeit von damals. Als sie beide jung, leichtsinnig und ohne Sorgen waren. Als sie zusammen waren. Das war das einzig Gute an der ganzen Sache. Diese Träume waren niemals über sein Verschwinden und die einsame Zeit danach. Dennoch wachte sie immer mit einem schmerzhaften Pochen in der Brust auf. Damit und mit dem Wissen, dass es niemals wieder so sein würde. Deshalb war sie froh, wenn sie nicht träumte. Denn Träume weckten Erinnerungen. Sie blinzelte noch immer verschlafen und setzte sich langsam auf. Nicht zur Gänze ausgeruht, rieb sie sich mit ihrem Handrücken über die müden Lider. Auch wenn sie Stunden geschlafen hatte, so kam es ihr vor, als wären es nur Minuten gewesen. Gähnend streckte sie ihre Arme durch und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass zumindest diese Bewegung nicht schmerzte. Es war zwar nur eine Kleinigkeit, aber wenigstens etwas. Sie sah es als Fortschritt und jeder Fortschritt bedeutete, dass sie schneller nach Bartigo Island kam. Diese Tatsache stimmte sie positiv und deshalb bildete sich nach längerer Zeit wieder ein ehrliches Lächeln auf ihren Lippen. Wie so oft, wenn sie an Liah dachte. Sie war so in ihren Gedanken versunken, dass sie die Person nicht bemerkte, die an der Wand lehnte und sie beinahe schon verletzt betrachtete. „Du hast dich kaum verändert“, sagte Marco matt und erhielt dadurch Coras ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Braunhaarige war bei der Stimme erschrocken zusammengezuckt, doch erst als sie ihn sah, begriff sie, wer dort stand. Ihre Augen weiteten sich und für einen Moment glaubte sie, dass ihre Sinne sie täuschten. „Marco?“, flüsterte sie heiser. „W-Was machst du hier?“ Etwas zu schnell für ihren körperlichen Zustand setzte sie sich auf. Ihre Finger krallten sich in die Bettdecke und ihr Blut rauschte in ihren Ohren. Es traf sie völlig unvorbereitet. Ihr Herz pochte so stark, dass es förmlich gegen ihren Brustkorb drückte. Ihre Gefühle drohen sie zu ersticken. Sie hatte nicht mit so vielen Emotionen gerechnet. Sie hatte sich immer vorgenommen, nicht die Fassung zu verlieren und schon gar nicht zu zeigen, wie sie sich bei seinem Anblick fühlte. Nämlich hilflos und absolut verletzlich. Aber so war es und seine Stimme zu hören, machte es nicht besser. „Glaubst du ernsthaft, dass ich mich von dir fernhalte, nachdem ich dich jahrelang nicht gesehen habe?“ Als er sich von der Wand abstieß, wirkte er wütend. Wütend und verzweifelt. Doch das bemerkte Cora nicht. Sie hatte bei seinen Worten ihren Blick abgewandt und starrte stattdessen auf ihre verkrampften Finger. „So würde ich es zumindest wollen.“ Ihre Stimme klang kalt und emotionslos. Vehement versuchte sie das zu fühlen, was sie wollte. Sie wollte nichts spüren, wenn sie ihn sah. Kein Herz, welches sich schmerzhaft zusammenzog und keine Gänsehaut, wenn sie seine Stimme hörte. Und schon gar nicht wollte sie daran erinnert werden, dass sie ihm eigentlich etwas Wichtiges verschwieg… „Hör auf, dich selbst zu belügen, Cora!“, zischte er plötzlich und bereute es sofort, als die Frau auf dem Bett zum zweiten Mal in seiner Nähe zusammenzuckte. Die Dunkelhaarige wusste, dass er recht hatte und doch verdrängte sie diesen Gedanken. Stattdessen löste sie ihre Muskeln aus der verspannten Haltung. „Vor elf Jahren warst du es, der sich selbst belogen hat. Sich selbst und mich.“ Langsam sah sie auf. Ihre Augen glänzten, doch sie weigerte sich zu weinen. Der Anblick versetzte Marcos Herz einen gewaltigen Stich. Es tat weh, sie so zu sehen. So verletzt. Das hatte sich nach all den Jahren nicht geändert. Er musste schlucken. „Ich dachte…ich dachte es wäre leichter für dich. Für uns.“ Bei seinen Worten lachte Cora freudlos auf. „Leichter? Es war alles, aber nicht leicht.“ Wie konnte er glauben, dass es besser gewesen war, nichts zu sagen? Es hatte alles so viel schlimmer gemacht. Auch wenn er sich dessen noch gar nicht richtig bewusst war. „Es tut mir leid, dass ich dich alleine gelassen habe, aber ich konnte nicht anders.“ Er wusste, dass seine Entschuldigung ein armseliger Versuch war, alles wieder gut zu machen und doch hoffte er, dass sie ihm wenigstens nicht mehr so verachtend ansah. Zaghaft ging er ein paar Schritte auf sie zu. Als er jedoch ihre Reaktion auf seine Worte sah, stoppte er. Sie hatte schützend ihre Arme vor ihren Körper verschränkt und starrte leer an ihm vorbei. Marco wandte den Blick von der schönen Frau ab, denn er wollte nicht sehen, wie sehr ihr seine Anwesenheit missfiel. Plötzlich richtete sich ihr Blick direkt Marco. Er hielt inne, als ihre sonst so warmen, braunen Augen auf seine grünen trafen. Sein Herz verfiel selbst nach so vielen Jahren noch in einen untypischen Rhythmus. Die nächsten Worte waren jedoch wie ein Schlag ins Gesicht für Marco. „Es geht mir nicht nur darum, dass ich damals aufgewacht bin und du nicht da warst. Du hast einfach nichts gesagt. Du bist gegangen und hast es nicht für nötig gehalten, mich darüber zu informieren. Tagelang habe ich gehofft, dass du wieder zurückkommen würdest. Ich war am Boden zerstört und unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.“ Kurz hielt sie inne und holte tief Luft. „Aber weißt du, was das Schlimmste daran war? Ich dachte…ich dachte wirklich, ich bedeute dir etwas.“ Cora versuchte den stärker werdenden Drang, ihren Tränen freien Lauf zu lassen, zu unterdrücken. Sie hatte schon zu viele davon wegen ihm vergossen. Schon gar nicht wollte sie aber vor ihm weinen und doch sehnte sie sich tief in ihrem Inneren nach seinen Armen, die sie behutsam in eine Umarmung schlossen. Es war absurd. Marco schenkte ihr einen ungläubigen Blick und ging auf sie zu. Kurz vor ihrem Bett blieb er stehen. „Du…glaubst ernsthaft, dass du mir nichts bedeutet hast? Du…verdammt!“ Er fuhr sich mit seiner Hand aufgebracht durch die Haare. Ihre Annahme machte ihn wütend. Wie konnte sie das glauben? Mit einem beinahe verletzten Gesichtsausdruck musterte er sie. „Du warst alles für mich, Cora. Einfach alles. Selbst nach so vielen Jahren gibt es nicht einen verfluchten Tag, an dem ich nicht an dich denke! Also sag nicht, dass du mir nichts bedeutet hast, denn das tust du noch immer.“ Marco holte tief Luft. Es war ungewöhnlich, dass er die Beherrschung verlor und doch war er schon lange nicht mehr so ehrlich gewesen. Cora hatte indes ihre Lippen aufeinandergepresst. Ihre Nägel bohrten sich schmerzhaft in ihre Handflächen. Es tat gut, denn so vernahm sie die Qualen in ihrem Inneren nur begrenzt. Sie wusste nicht, wie sie auf seine Worte reagieren sollte. Die Braunhaarige entschied sich dazu, Marco einfach nur anzusehen. Sie sah, wie sich sein tätowierter Brustkorb hob und senkte. Und natürlich dachte sie abermals an Liah. Wie konnte sie auch nicht? Die Ähnlichkeit war zu groß, als dass sie die Verbindung zwischen ihrer Tochter und ihrer…Jugendliebe je leugnen könnte. Tief in ihrem Inneren wollte sie es ihm sagen und doch hatte die 28-Jährige Liah bis jetzt mit keinem Wort erwähnt. Ihr war bewusst, dass es ihm gegenüber nicht fair war, aber vielleicht war es besser so. Vielleicht sollte sie ihn in Unwissenheit zu lassen. „Cora“, fing er zaghaft an, „wirst du mir jemals vergeben?“ Er wartete auf ihre Reaktion und wusste nicht, ob er wirklich eine Antwort auf diese Frage wollte. Die junge Frau schluckte und verbannte die Problematik um die Existenz des zehnjährigen Kindes für den Moment aus ihrem Kopf. Stattdessen verinnerlichte sie seine Frage und wurde sich bewusst, dass der Schmerz nach seinem Verschwinden selbst nach all den Jahren nicht einfach zu vergessen war. So sehr sie ihm auch vergeben wollte, sie konnte es nicht. Dabei war es auch nicht relevant, dass Liah einen Vater verdient hatte. Er hatte damals sein Versprechen gebrochen und sie eiskalt angelogen. Er hatte ihre Welt zum Einsturz gebracht, weshalb sie schließlich mit brüchiger Stimme antwortete: „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Sie wandte abermals den Blick ab und wusste dennoch, dass Marco mit einer ausdruckslosen Miene den Raum verließ. Kaum fiel die Tür krachend in ihre Angeln, zog sie ihre Knie zu ihrem Körper und schlang die Arme um diese. Ihre Schultern bebten und sie bekam kaum Luft, als sie ihren Kopf senkte. Die Tränen, die unaufhörlich eine feuchte Spur auf ihren Wangen hinterließen, nahm sie nur nebenbei wahr. All die Gefühle, die sie bis jetzt zurückgehalten hatte, brachen über sie herein.   Cora weinte lange. Zu lange für jemanden, der eigentlich alles hatte, was er sich wünschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)