Boody Memories von Loryan (Die Geschichte eines Auftragsmörders) ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Nach einem kurzen Klopfen an seiner Haustür öffnete er diese, bat mich herein und sah mich verwirrt an. Um seine Augen waren bereits deutliche Falten zu erkennen. Insgesamt war sein Gesicht durch solche verziert, vor allem seine Stirn. Die Arbeit als Arzt stresste ihn, weil er deshalb kaum Zeit für die Familie hatte. Seine Augenbrauen und Haare nahmen bereits einen Grauschimmer an. All das war aber nicht verwunderlich, immerhin war Elias schon vierzig Jahre alt. „Was ist los? Du siehst aus, als wüsstest du gerade nicht, wo dir der Kopf steht.“, sagte er. Wir gingen durch sein modern eingerichtetes Haus, mit hellen Wänden und Möbeln und schönen Bildern an der Wand. Auf einem war ein Ehepaar zu sehen, wobei die Frau schwanger war und beide glücklich lachten. Wir kamen in der riesigen und ebenso modern eingerichteten Küche an, wo alle Oberflächen, ob Schränke, Tisch- oder Arbeitsplatten, aus hochwertigem Mahagoni bestanden. Elias deutete mir, an dem großen Esstisch Platz zu nehmen. Während ich auf die Tischplatte starrte, in dem sich mein Spiegelbild zeigte, kochte mein bester Freund Kaffee und stellte die fertige Kanne und zwei Tassen auf den Tisch und schenkte mir ein. Ich gab Milch und Zucker hinzu, rührte mit einem Löffel alles um und trank einen Schluck. Gedankenverloren starrte mein Antlitz auf die mit Koffein versetzte Flüssigkeit. Elias setzte sich zu mir. „Na los, erzähl schon was los ist. Ist etwas passiert?“ Mit seiner Aufforderung holte er mich schlagartig in die Realität zurück. „Ich habe einen Auftrag.“ „So wie immer, Kakyo. Was ist mit dem Auftrag? Steckst du in Schwierigkeiten?“ „Noch nicht...“ „'Noch nicht'? Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen Kakyo...“ Ein tiefes Seufzen fand seinen Weg aus meinen Atemwegen nach draußen. „Habe ich dir jemals erzählt, was damals passiert ist, bevor ich vor deiner Tür lag, Elias?“ „Nein, seit wir uns vor knapp neun Jahren unter den damaligen Umständen kennen gelernt haben, hast du kein einziges Wort darüber verloren. Ich schätze, das nun so viel Zeit vergangen ist, dass du es mir erzählen solltest.“ Elias hatte recht. Nun war es an der Zeit, ihn in mein Leben einzubeziehen und ihm alles im Zusammenhang mit damals zu erzählen. Meinem besten Freund gegenüber war der Zeitpunkt gekommen, ehrlich mit ihm zu sein. Mein Wesen war lang genug so verschlossen, dass er mich eigentlich nie wirklich kennen lernen konnte. Ich versuchte, alles so genau wie möglich zu beschreiben. Dabei kamen all die Erinnerungen wieder hoch, und es fühlte sich für mich an, als müsste ich gleich zusammen brechen vor Wut und Verzweiflung. Diese Gefühle mussten gleich, nach dem Gespräch mit Elias, wieder verdrängt werden. Je länger er mir zuhörte und dabei die Ereignisse wirken ließ, wurde sein Gesicht immer mehr von Betroffenheit gezeichnet. Zum Schluss berichtete ich noch von der gestrigen Recherche und von dem, was dabei für mich ins Licht kam. „Das... das ist ja schrecklich!“ Meine Antwort war ein langsames Kopfnicken. „Und ein Jahr, nachdem du wieder gesund warst, bist du verschwunden... Wo warst du?“ „Ich habe mich dem Clan Kasuye angeschlossen und zu einem Auftragsmörder ausbilden lassen.“ „Was haben sie mit dir gemacht? Als du damals weg gingst, hattest du nur die Narbe an der Wange. Aber als du nach vier Jahren, zurückgekehrt bist...“ Ich seufzte. „Zuerst verprügeln sie dich, dann peitschen sie dich aus, brechen dir sämtliche Knochen, wobei sie darauf achten, dass man all das überlebt... bis zu dem Punkt, an dem du den Schmerz als alltäglich empfindest. Er ist da, aber man nimmt ihn als solchen nicht mehr wahr. Während sie das gemacht haben, erhielt ich kein einziges Mal ärztliche Versorgung. Auch dann nicht, als sie mich alle Waffen und Techniken lehrten, obwohl alle Wunden immer noch präsent waren. Einem wird beigebracht, welche man wann nutzt. Die Prüfung, die man für den Abschluss ablegen muss, ist kurz gesagt ein Mord. Man empfindet irgendwann einfach nichts mehr. Keine Freude, keine Trauer. Letzten Endes eigentlich nur Wut und den Schmerz, an den man sich ja gewöhnt hatte.“ „Und wozu tust du dir all das Leid an? Warum, Kakyo?!“ In Elias' Stimme lag sehr große Besorgnis. „Um meinen Vater irgendwann zu treffen und ihn spüren zu lassen, was er mir damals angetan hat.“ „Ich denke, bevor wir weiter reden, sehe ich mir deine Knochen mal genauer an. Komm mit.“ Elias ging absichtlich nicht darauf ein. Ich kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er das für kompletten Schwachsinn hielt und dafür auch kein Verständnis hatte. Das war auch logisch, schließlich rettete dieser Mann mich vor neun Jahren vor einem elenden Tod. Im Keller seines Hauses befand sich eine Art Untersuchungsraum. Ich setzte mich auf die Liege an der Wand und entblößte meinen Oberkörper. Nachdem er alle nötigen Geräte zusammen hatte, stellte sich Elias vor mich, horchte mich ab und ertastete meinen kompletten Oberkörper. Unterhalb der Rippen zog ein tiefer Schmerz durch meinen Körper, sodass ich es nicht unterdrücken konnte, nach Luft zu schnappen. Dann legte mein bester Freund das Stethoskop weg, holte sich einen Hocker, setzte sich direkt vor mich und nahm seine Brille ab. „Du kannst von Glück reden, dass du noch gerade stehen kannst. Nein, dass du noch lebst.“ „Warum?“ „Wie lange haben die dich so zugerichtet?“ „So knapp drei Jahre. Wieso fragst du?“ Er seufzte gequält. „Deine Rippen sind schief oder gar nicht zusammengewachsen. Einige deiner Organe haben sich verformt und dein Brustbein ist immer noch durch. Außerdem drückt irgendetwas gegen dein Herz. Hast du Schwierigkeiten beim Atmen?“ „Manchmal schon, aber nicht lang.“ „Du solltest so schnell wie möglich ins Krankenhaus, Kakyo.“ „Das kann ich nicht! Ich habe zu tun!“ „Ich weiß was du so tust, wenn du nicht hier bist!“, unterbrach er mich. Elias klang schroff. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Dann atmete er kurz durch und sprach weiter. „Aber wenn dir etwas daran liegt, dies unbedingt weiter zu machen, solltest du so schnell wie möglich etwas dafür tun, das es auch so bleibt. Sonst werden wir uns nie wieder sehen. Dann stehst du nämlich niemals wieder auf.“ Das traf mich wie ein Schlag. Sagte er gerade, dass ich sterben werde? Das konnte nicht sein! Meine Gedanken kreisten um diese Tatsache, während sein trauriger Blick meinen traf, welcher starr vor Schock war. „Was soll ich tun? Ich kann diesen Auftrag nicht einfach verstreichen lassen!“ „Wenn du das unbedingt willst, kannst du diesen Job noch machen. Doch danach musst du dringend etwas unternehmen!“ Ich nickte starr. Wieder zurück in der Küche fragte Elias mich, was für ein Job auf mich wartete. Wir saßen erneut am Esstisch. Ich legte die Akte auf diesen, welche sich in meiner freien Hand befand. „Es geht um einen Junkie namens Joe, Elias. In den Akten steht, dass er offensichtlich seiner Tochter gegenüber handgreiflich wird, wenn sie ihm nicht neue Drogen beschafft. Ich glaube ja, dass sie sich prostituiert oder so, um all das zu finanzieren und an das Zeug ran zu kommen.“ „Klingt ja nach einem ganz netten Kerl...“ „Ja, dachte ich auch. Ich muss eigentlich nur hinfahren, und... na du weißt schon.“ „Mh-mh. Und wo liegt das Problem?“ „Das Mädchen, Elias. Wenn... ich Gefühle entwickle, werde ich von denen abgelenkt. Trauer, Besorgnis, Liebe...“ „Verstehe.“ Er grübelte kurz, bevor ich seinen Ratschlag zu hören bekam. „Pass auf. Ich an deiner Stelle würde hin fahren, den umlegen und dann gleich zurück fahren. Und sobald du wieder da bist, kommst du zu mir. Da fahren wir zusammen ins Krankenhaus. Muss sowieso dorthin.“ „Geht klar!“ Wir standen beide auf. Ich ergriff wieder die Akte, bevor er mich zur Tür brachte und kurz umarmte. Dann sagte Elias, ich solle doch aufpassen, dass mir nichts passierte. Die Reise nach St. Louis ging in einer halben Stunde los. Mein Gepäck war bereits im Flieger, als das Ticket, welches sich in meiner linken Hand befand, eingelesen wurde. In der Maschine sah alles aus wie immer. Links, rechts und in der Mitte befanden sich Sitze in Dreierreihen. Dazwischen war Platz, damit die Flugbegleitung die Gäste bedienen konnte. Ich hatte einen Fensterplatz in der vordersten Reihe, auf dem sogar mein Name stand. Als nach einer Weile der Flieger startete, beobachtete mein Antlitz durch das oval förmige Sicherheitsglas die Landschaft, welche immer kleiner wurde, bis sich dichter Nebel und Wolken an die Maschine schmiegte, welche mich in den USA absetzen sollte. Meine Augen waren geschlossen, während mein Körper etwas ruhte und sich die Gedanken um Elias kreisten. 'Aber wenn dir etwas daran liegt, dies unbedingt weiter zu machen, solltest du so schnell wie möglich etwas dafür tun, das es auch so bleibt. Sonst werden wir uns nie wieder sehen. Dann stehst du nämlich niemals wieder auf'. Seine Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Es war für mich surreal, als er fast anfing zu weinen. Plötzlich fiel es mir ein. Er machte sich tatsächlich Sorgen um mich! Auch wenn es mein Verstand nicht ganz auf die Reihe bekam, lag es auf der Hand. Warum sonst versorgte er mich oder war immer für mich da? In meinem Inneren machte sich eine fremde, aber angenehme Wärme bemerkbar. Doch diese Emotion verschwand, als sich die Erinnerung von damals in den Vordergrund drängte. Das Wirrwarr endlich abgeschüttelt schlief ich etwas, um einigermaßen fit in St. Louis landen zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)