Boody Memories von Loryan (Die Geschichte eines Auftragsmörders) ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- In St. Louis wurden mir mein Gepäck und ein Schlüssel für einen Mietwagen ausgehändigt. In diesen eingestiegen trat mein Fuß auf das Gaspedal. Viele der Straßen hier waren sehr eben, jedoch gab es auch ein paar mit Pflastersteinen bedeckt. Für die Zeit hier wurde mir ein kleines Apartment zur Verfügung gestellt. Das war auch gut so, denn es hieß, meine Unterbringung läge in einer eher schwierigen Gegend, in der viele krumme Geschäfte gemacht wurden. Das störte mich allerdings nicht, immerhin musste ich mich auch mit solchen Gepflogenheiten vertraut machen und das erleichterte mir die Arbeit auch etwas. So konnte mein Auftrag dementsprechend angepasst werden. Nichts war peinlicher, als mit Schlips und Anzug in einem Ghetto aufzukreuzen. Meine Unterkunft war nun weniger als einen Kilometer entfernt. Aber bevor mich die Idioten dort empfingen, kaufte ich mir erst einmal Proviant. Und nachdem mein Geld im letzten Geschäft den Besitzer wechselte, waren in meinen zehn Einkaufstüten Getränke, Kleidung, Essen und noch etwas Kleinkram. Alles in den Wagen gestopft war mein letztes Ziel für heute das Apartment. Nach nur einer Stunde war alles in meinem Zimmer. Die vergilbten Gardinen zugezogen und mit verschlossener Tür packte ich alles aus, was für den Auftrag zu gebrauchen war. Auf meinem Bett, wo das Lattenrost bereits durchgebrochen war, lag alles Mögliche. Eine zerschlissene Jeans, ein schwarzes Shirt, graue Turnschuhe und eine langärmliche Weste aus einem Secondhandshop in der Farbe dunkelgrau. Neben all den Klamotten lagen die Alternativen, die mir für den Auftrag logisch erschienen. Ein größerer Revolver mit Schalldämpfer und selbst angefertigten Patronen, ein Elektroschocker und ein Dolch. Es war nicht schwer, sich Waffen hier zu besorgen, schließlich war das Gesetz hier sehr schwammig. Aber mit fremder Ausrüstung war es schwieriger zu arbeiten als mit der eigenen, und derartiges Equipment zu schmuggeln war für mich schon immer ein Leichtes gewesen. Nachdem alles fertig geplant war, ging ich im Badezimmer unter die Dusche. Es war eine Überlegung wert, sich die Haare abzurasieren. Aber diese mussten auch wieder nachwachsen. Geduld war nicht meine Stärke. Wieder aus der Dusche raus fühlte sich das Handtuch auf meiner Haut sehr kratzig an. Frische Klamotten lagen auf dem Stuhl vor mir, doch mich interessierte nur der Bademantel, welcher am Haken neben dem Waschbecken hing. Im ganzen Zimmer herrschte Stille. Den Bademantel um meinen schmalen Körper gewickelt war es eine willkommene Abwechslung im Gegensatz zum Rest meines Alltags. Sonst vernahmen meine Ohren Schüsse oder Schreie oder eben Stichwaffen in einer Vielzahl von Möglichkeiten. Einmal landet eben das Messer in einem Körperteil oder ein Schwert schellt mit einem anderen zusammen. Ich fragte mich für einen kurzen Moment, ob es hier irgendwo ein Klavier gab. So schnell, wie der Gedanke kam, ging er aber auch wieder. Für heute war genug getan. Ich schob die Klamotten und meine Ausrüstung beiseite, legte mich auf das unbequeme Bett und merkte dann erst, wie anstrengend dieser Tag war. Keine fünf Minuten später befand sich mein Geist in der Traumwelt, in der es diesmal keinen Terror gab. Ein laut schrillendes Klingeln riss mich aus meinem Schlaf. Reflexartig schleuderte mein linker Arm den dämlichen Wecker von Nachttisch herunter, welcher dann mit einem Knall auf dem Fußboden landete. Die rechte Hand rieb über meine müden Augen. Ich schielte zur Wand gegenüber meines Bettes, woran eine Uhr mit einem verkrüppelten Nagel befestigt war. Sie verriet mir, dass es um halb zehn vormittags war. Das Ziffernblatt wurde mit einem braunen Rahmen umschlossen. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses tickende Etwas das Zeitliche segnete, wie so vieles in diesem Raum. Bevor mein heutiger Zeitplan komplett hinüber war, stand meine Entscheidung fest aufzustehen und sich fertig zu machen. Die Dusche gestern Abend tat gut und war ausreichend, sodass es heute reichte, sich etwas im Gesicht zu rasieren und dieses danach noch etwas zu waschen. Danach widmete ich mich dem heutigen Plan. Um nichts zu vergessen, ging mein Gehirn nochmal alles durch, was zu tun war und was beachtet werden musste. Jeder wusste, dass mit Drogenabhängigen nicht umgegangen werden konnte wie zum Beispiel mit einem dreizehnjährigen Teenager. Aber im Großen und Ganzen eigentlich nicht sonderlich kompliziert, denn Entzügige waren für nichts zu gebrauchen. Also hingehen, den Typen töten und hoffen, dass die Kleine nicht gerade dann bei ihm war. Es gab nichts Schlimmeres als Zeugen. Allerdings musste ich mich ebenso darauf gefasst machen, dass der Typ sich wehrte und verteidigte, sobald er realisierte, was da gerade passierte. Einen Plan B sollte man also auch irgendwie parat haben. Mir fiel nur keiner ein. Wenn Elias das erfuhr, war ich definitiv erledigt, aber er hatte glücklicherweise Ablenkung und Beschäftigung durch seinen Job und die Familie. Nachdem die vom Vorabend zurecht gelegten Klamotten angezogen waren, griffen meine Hände zu der Ausrüstung. Der Revolver und die Patronen fanden ihren Platz am Hosenbund mithilfe einer kleinen Tasche am Gürtel. Den Schalldämpfer steckte ich in die Innentasche meiner Weste. Nun musste nur noch der Dolch verstaut werden. Mir fiel auf, dass noch eine Tasche am Gürtel frei war. Die Zeit verstrich wie im Flug, als alles fertig war. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es Zeit war, aufzubrechen. Der Stadtplan, den ich mir gestern noch besorgte, war gerade noch gut genug, um die Orientierung nicht komplett zu verlieren. Straßen, deren Namen man nicht ohne einen Knoten in der Zunge aussprechen konnte, waren das Markenzeichen dieses Ortes. Doch ein Blick auf den Zettel aus meiner Hosentasche, auf dem die Adresse dieses Typen stand, brachte Erleichterung. Der Junkie wohnte nur zwei Straßen nach Norden von meinem Apartment entfernt. Natürlich war es eine Variante, ins Auto zu springen und hinzufahren, aber das war schade um den Sprit. Außerdem konnte man sich dabei die Füße etwas vertreten. Während ich die Gegend ablief, fielen mir viele Abrisshäuser auf. Es war nicht auszuschließen, dass in diesen baufälligen Bruchbuden tatsächlich Menschen wohnten. Passte auch irgendwie zu diesem Bezirk, der wie leer gefegt wirkte. Eines wurde mir hierbei klar: Das war keine Stadt, die mich je dazu bewegen konnte, hierher zu ziehen. Nach gerade mal zehn Minuten Fußweg war ich da. Na toll, eine Bruchbude. Es war sinnlos, zu klopfen, denn vom Inneren dieses brüchigen Bauwerks waren ein lauter Knall, danach ein dumpfer Aufprall und Schreie zu hören. „Hast es wieder nicht auf die Reihe bekommen, was?! Na warte! Du wirst dir wünschen, nie auf der Welt gewesen zu sein!“ Das war der Junkie! „NEIN, DAD!“ Und das war seine Tochter. Ich verzichtete auf Höflichkeitsfloskeln, riss die Tür auf und wurde Zeuge von Wut und Zerstörung. Joe stand links neben mir am Fenster, Sophie lehnte verletzt und panisch an der kahlen Wand gegenüber, der Tisch zwischen ihnen war nur noch Sperrholz. Ihre weit aufgerissenen Augen starrten mich an, die stumm nach Hilfe riefen. Der Typ hatte eine Schusswaffe in der Hand, die aber ordentliche Schlagkraft hatte und lud diese nach. Bevor er nur daran denken konnte, seine eigene Tochter zu erschießen, schnellte ich sofort zu dem Mädchen, schnappte sie mir und rollte mit ihr gerade noch rechtzeitig zur Seite, bevor seine nächste Kugel ein weiteres Loch in die Wand presste. Dieser Idiot musste aufgehalten werden. „Hab keine Angst“, hörte sie mich flüstern, während meine grauen Zellen nachdachten. Doch viel Zeit war nicht, bevor ihr Vater wieder auf uns zielte. Eine weitere Kugel kam geflogen. Wir duckten uns. Mir ging das Ganze auf die Nerven. Ich sah sie mit festem Blick an. „Verschwinde...!“ Nach diesem Wort kroch sie Richtung Tür, unbeachtet von dem Junkie, der sich nun auf mich fixierte. Ein weiterer Schuss fiel und entpuppte sich als Streifschuss an meiner rechten Schläfe. Wut schwappte in mir hoch. Ehe Joe Gelegenheit hatte, sein Spielzeug nachzuladen, sprang ich direkt auf ihn zu, schlug ihm die Pistole aus der Hand, welche laut schallend auf den Boden fiel, und drückte ihm schließlich auf dem Boden die Kehle zu. Während er erfolglos nach Luft schnappte, schlug dieser Kerl mir erst zweimal ins Gesicht und dann mit voller Wucht gegen meinen Brustkorb. KNACK! Eine meiner Rippen war von ihm gebrochen worden. Meine Lunge kämpfte, um Luft zu kriegen. Währenddessen warf er mich von sich weg, und ich landete mit dem Rücken auf dem kahlen Betonboden. Joe kam wieder zu sich und wollte gerade dafür sorgen, dass sein Gesicht das letzte war, welches mein Antlitz erkannte, doch in letzter Sekunde sahen meine Augen die Waffe neben mir. Meine Hände griffen zu der Waffe, mein Augenmaß zielte ihm zwischen die Augen und mein Finger drückte ab. Ein glatter Durchschuss beendete den Terror und der Vater des Mädchens landete direkt neben mir. Gerade als sich das Erinnerungsvermögen meldete und mein Kopf Richtung Tür drehte, sah mein Antlitz das sie regungslos auf dem Boden liegen. Die Kleine schaffte es nicht raus, aber mein Gefühl sagte mir, dass Sophie nicht tot war. Ich ging zu ihr, um mit zwei Fingern ihren Puls zu ertasten. Dieser war schwach, aber sie lebte noch. Ohne groß nachzudenken, hoben meine Arme ihren dürren Körper hoch und pressten ihn an meine Brust. Zu Fuß gehen war zu riskant für uns beide. Also legte ich sie draußen auf den Boden, mit dem Kopf auf meinen Schoß, und rief den örtlichen Notdienst. Der war in weniger als fünf Minuten da. Die Sanitäter trugen sie in den Wagen, sahen allerdings auch mich, der ebenso verletzt und blutend in der Nähe hockte. Einer der Rettungskräfte gab mir das Zeichen, mitzukommen. Seit Stunden im kahlen Vorraum des Krankenhauses wartend ging ich auf und ab und fragte mich, wann denn nun ein Arzt kam. Mir war es nicht wichtig, was mit dem Mädchen passierte, nachdem sie entlassen wurde. Aber wer wusste denn, was der Typ seiner Tochter antat, wenn nicht die Ärzte hier? Allerdings hatte ich ohnehin keine Ahnung von der Materie und ließ es sein. Falls der Arzt mich fragte, welche Verbindung die Kleine zu mir hatte, blieb eigentlich nur die Notlüge, ihr Freund zu sein. Sie war schon sehr lang weg. Das Krankenhauspersonal bestand darauf, auch mich zu untersuchen. Um Stress aus dem Weg zu gehen, willigte ich ein, obwohl es vollkommen überflüssig war. Die heftigen Schmerzen, welche durch meinen Brustkorb zogen, kamen eindeutig von der Rippe, die durch die Faust des Junkies gebrochen wurde und diese fühlte sich an, als würde sie meine Lunge bald aufspießen. Endlich kam ein Doktor, welcher auf mich zukam und, wie erwartet, nach der Verbindung zwischen dem Mädchen und mir fragte. „Ich bin ihr Freund. Sie rief mich an, weil es ihr nicht gut ging und mich deshalb brauchte. Daraufhin bin ich in den nächsten Flieger gestiegen... Warum fragen Sie?“ Er sah sehr betroffen aus. „Hat sie es etwa nicht geschafft?“, fragte ich. Wenn dem so wäre, hätte ich keine Schwierigkeiten an der Backe und meine Ruhe. Dann sagte der Arzt endlich was. „Doch... Sie hat ein paar gebrochene Rippen, Quetschungen an den Armen und oberhalb der Hüfte, unzählige Blutergüsse und eine mittlere Gehirnerschütterung.“ „Wurde sie etwa...?“ „Ja. Vieles spricht dafür.“ „Wird sie denn wieder gesund?“ „Sie hat durch die Verletzungen enorm viel einstecken müssen, aber ich bin zuversichtlich. Bald ist Ihre Freundin wieder gesund.“ Na super, auch noch das. Ich hoffte inständig, dass sie sich nicht an mich erinnerte, wenn alles überstanden war. Plötzlich zog wieder ein stechender Schmerz seine Bahnen, woraufhin sich meine Glieder kurz verkrampften. „Nun aber zu Ihnen, Herr... Haoshi.“ Na toll, jetzt waren also meine Diagnosen dran, wobei es ja klar war, was auf seinem Befund stand. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche möchten Sie zuerst hören?“ „Die Schlechte, bitte.“ „In Ordnung.“ Der Arzt blätterte kurz in seinem Bericht um, bevor er mir offen legte, was für mich kein Geheimnis war. „Aus den Röntgenbildern geht hervor, dass auch Sie mehrere gebrochene Rippen haben und davon einige schief, andere gar nicht wieder zusammengewachsen sind. Zudem ist Ihr Brustbein sehr in Mitleidenschaft geraten. Einige Quetschungen haben Sie außerdem auch noch.“ Das war alles andere als überraschend, wenn man bedachte, dass mein bester Freund selbst Arzt war. „Und was ist die gute Nachricht?“ Der Doktor vor mir sah mich kurz verdutzt an, bevor er meine Frage beantwortete. „Nun, den Streifschuss brauchten wir nur klammern.“ „Wow, was für eine tolle Nachricht! Meinen Sie das ernst?“, fragte ich ihn gespielt genervt, aber er war professionell und ging nicht darauf ein. Schließlich sprach der Mann weiter. „Mal etwas anderes, Herr Haoshi. Hier steht, dass Sie gestern extra aus Tokio angereist sind...“ „Haben Sie das etwa noch nie für jemanden gemacht?“ „Das meine ich nicht. Ich will damit sagen, dass Sie zurück fliegen können, sofern Sie sich dafür in der Lage fühlen.“ „Na jetzt kann ich ohnehin fürs Erste nicht arbeiten! Was ist mit meiner Freundin, wenn ich gehe?“ „Sie bleibt bis zur vollständigen Genesung hier.“ „Und wieso sollte ich dann gehen, Doktor? Was, wenn sie mich sehen will?“ Langsam aber sicher ging mir der Typ auf die Nerven. Mich interessierte überhaupt nicht, was er da quasselte. Ich wollte eigentlich nur noch zu dem Mädchen, mich vergewissern, dass er mich nicht anlog und wieder gehen. Aber gerade jetzt wäre es keine gute Idee, das offen so auszusprechen, so würde alles auffliegen. „Die Akten des Mädchens haben wir, Ihre nicht, Sie haben keine amerikanische Staatsangehörigkeit und es würde zu lange dauern, die nötigen Formalitäten abzuwickeln, damit wir Sie hier behandeln können. Bevor sich das alles geklärt hätte, sind Sie schon zehnmal hin und her geflogen.“ „Verstehe. Kann ich meine Freundin noch einmal sehen, bevor ich abreise?“ „Selbstverständlich. Ach bevor ich es vergesse. Falls wir Informationen über Ihre Freundin haben, was ihre gesundheitlichen Fortschritte angeht, würden wir Sie gern telefonisch kontaktieren. Dafür wäre eine Nummer vorteilhaft, unter der wir Sie erreichen können.“ Auch das noch! Mir blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen, sonst wäre das ganze Schauspiel umsonst gewesen. Nachdem dieses Gespräch beendet war, gingen wir gemeinsam zum Empfangstresen und ich gab die Telefonnummer von Elias an. Ich behauptete, er sei mein Ziehvater, da meine Eltern verstorben seien. Zu einem gewissen Teil war das nicht einmal gelogen. Danach führte mich der Arzt in einen kleinen Behandlungsraum, in dem er mir einen festen Verband um meine Rippen wickelte. Danach lief ich kurz zu dem Mädchen, welchem ich, ohne es zu wollen, das Leben rettete. Im Zimmer der Kleinen war niemand zu finden. Sophie schlief, was man an ihrer regelmäßigen Atmung erkannte. Mir war schleierhaft, warum ich sie nicht einfach in der Bruchbude liegen gelassen hatte. Aber die Frage beantwortete sich schnell. Es war mein Gerechtigkeitssinn. Obwohl es so etwas nicht in meinem Wortschatz gab, und ich auch noch gegen all meine Prinzipien verstieß, war ich der Meinung, dass dieses Mädchen eine Chance verdiente. Schließlich gab man mir auch einen Neuanfang, auch wenn er nicht ganz so verlief, wie es andere gern gehabt hätten. Das war mir allerdings egal. Das Mädchen sollte das Leben führen, wie es ihr gefällt, ohne Zwänge oder Einflüsse von außen. Ich hinterließ ihr einen Notizzettel und ein wenig Geld, damit Sophie erst einmal um die Runden kommen konnte. Ein Blick auf meine Uhr verriet, dass es Zeit war zu gehen. Schließlich war das sie wieder ganz allein in dem Krankenzimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)