Zyklon von ShindaHotaru ================================================================================ Kapitel 1: Erdrutsch -------------------- Feuchtigkeit tropfte von oben herab, ein einziger Tropfen schaffte es zu ihm durch und sammelte sich auf seiner Stirn. Demnach regnete es wieder so sehr, dass es durch den Boden sickerte. Eine plötzliche Idee des Gefühls, ausgetrocknet zu sein, wanderte durch seine Knochen, doch er war sich nicht so sicher; flüchtige Empfindungen hatten ihre Bedeutung verloren, als die Zeit stehen geblieben war. Wenn es da nicht den gelegentlichen Regen gäbe, gab es nichts mehr für ihn zu fühlen außer der Angst, die nun auf seinem Brustkorb saß. Wie sehr dieses Gefühl den Platz so viel kleiner machte; er hatte vergessen, wie sehr ihn das störte.   Und wie der Regen floss und vertrocknete, niemals mehr als ein paar Tropfen für ihn, so schrumpfte seine Seele zu der dichtesten und schwersten Emotion. Jene, die sich von ihrem Eigenfett noch weit über das geistige Verhungern hinaus ernähren konnte. Er war schon einmal an diesem Punkt gewesen. Was sich angefühlt hatte wie eine zeitlose Dimension, hatte es doch nicht einmal hundert Jahre angedauert. Nur fast.   Er war schon einmal dort gewesen. In der Dunkelheit, in der Leere, in einem tauben Körper. Durch ein Nichts treibend, aber zumindest mit einem Plan, der in seinem Kopf herumspukte. Etwas, das ihn antrieb, wenn auch nur durch die vernebelte Leere, die sein Leben geworden war. So sehr hatte es sich wie die schlimmste Form der Hölle für ihn angefühlt, und für jeden Anderen wäre es dasselbe.   Was könnte schlimmer sein als eine schwimmende Hölle, aus der man ihn vor nicht allzu langer Zeit gerettet hatte?   Nun, eine Hölle sechs Fuß unter der Erde.   —————   Das amüsierte Glitzern in ihren Augen öffnete Türen für seine Verunsicherung. Nichts Neues, wenn er ihr Urteil erwartete, trotzdem fragte er: „Was ist so lustig?” Denn keines seiner Worte sollte komisch klingen.   „Dass ein Ausflug zum Müllcontainer tatsächlich deine Produktivität gefördert hat. Ich kann mich kaum erinnern, wann du mir das letzte Mal so viele Wörter gegeben hast”, lächelte Robin. „Und es ist lustig, dass du nach deinem Ausflug scheinbar aufgehört hast, Zeilen immer wieder neu zu schreiben.” In ihrer Stimme hallte Stolz wider, zum einen hatte ihr Vorschlag funktioniert, zum Anderen, so wusste Ruffy, gebührte ihm das Meiste von diesem Stolz.   Von Anfang an war es ihre Idee gewesen. Als eines Tages seine Erinnerungen ihn erblinden ließen, er unfähig war einen Sinn in allem zu sehen, und ihre lauten, tobenden Wellen seinen Kopf mit imaginärem Meerwasser füllten, hatte Robin gesagt: „Schreib es auf. Wenn es auszusprechen zu sehr schmerzt, flüstere es dem Papier.” Später hatte Ruffy bemerkt, dass es zu lesen für sie auch weniger schmerzhaft war.   Aber Schreiben war so schwer. Ruffy hatte niemals einen Grund zum Schreiben oder zum Lesen, denn dafür hatte er Robin. Obwohl man ihm beides beigebracht hatte, hatte die Zeit diese Fähigkeiten zu einem miserablen Zustand verkommen lassen. Mit Hilfe und etwas Unterricht von Robin, hatte er schließlich gelernt mit Worten seine Gedanken und Gefühle so auszudrücken, dass sie für andere verständlich wurden.   „Es hat vielleicht was gebracht”, gab Ruffy Augen rollend zu und lächelte. Ihr Stolz auf seine Entwicklung und die Ergebnisse, die er ihr jeden Abend zu lesen gab, bedeuteten ihm so viel, dass sie an manchen Tagen der einzige Grund zum Aufstehen waren.   „Dann schlage ich vor, du wiederholst das. Die frische Luft und die Bewegung würden dir gut tun.” Einer ihrer mütterlichen Ratschläge, die Ruffy zu lieben, aber genauso zu hassen begonnen hatte. Manchmal machten sie es schwer für ihn, sich zu erinnern, wer sie wirklich war.   „Es wird nächsten Monat einen Wettbewerb geben, du solltest auf jeden Fall eine deiner Geschichten einreichen.” Aus ihrer Arbeitstasche zog sie einen zerknitterten Flyer, den sie zuerst glatt faltete, bevor sie ihn Ruffy übergab. „Es gibt keine Einschränkungen beim Schreibstil oder Genre. Keine große Sache, nur ein kleiner lokaler Wettbewerb – aber die Preise sind nützlich.”   Stirnrunzelnd beäugte Ruffy den Flyer. Von der Arbeit Flyer mitzubringen war nicht unüblich für Robin, doch meistens waren es Jobangebote für kleinere Tätigkeiten wie Fegen oder Babysitten. Ihr Gehalt reichte aus, um dieses winzige Apartment mit gerade so viel Platz für sie beide zu finanzieren; sie hatte vor allem Angst, ihn jeden Tag allein mit seinen Erinnerungen zu lassen. Ruffy verstand, dass all ihre Belehrungen und Regeln lediglich Robins Art waren, Verantwortung über die Situation zu übernehmen und ihre starke Loyalität zu ihm auszudrücken. Trotz der Lage, in der sie sich befanden.   Erster Platz: Gutschein im Wert von 1500 Beli stand neben dem Logo des lokalen Einkaufszentrums. Zweiter Platz würde mit einem Gutschein im Wert von 500 Beli für den Schreibwarenladen ausgezeichnet werden. Auch wenn dickeres Papier und ein besseres Notizbuch auf seiner Wunschliste standen, wollte er natürlich den Hauptpreis gewinnen, sollte er teilnehmen. „Muss ich mich da nicht mit meinem richtigen Namen anmelden?”   Robin schüttelte den Kopf: ”Schriftsteller nutzen auch Pseudonyme. Das ist ganz üblich und laut den Teilnahmebedingungen auch erlaubt.”   Tatsächlich stand alternativ können Teilnehmer ihre Werke auch unter einem Pseudonym einreichen unten im Kleingedruckten. „Und… du glaubst, ich könnte gewinnen?”   „Ich bin davon überzeugt.”   Hosted by Animexx e.V. 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