Track or Treat. von Usagi_Jigokumimi (Auf deiner Spur?) ================================================================================ Kapitel 9: Näher ---------------- ‚So baby pull me closer in the backseat of your Rover That I know you can't afford Bite that tattoo on your shoulder Pull the sheets right off the corner Of the mattress that you stole From your roommate back in Boulder We ain't ever getting older We ain't ever getting older We ain't ever getting older‘ ~ FigureItOut „Closer“ (2016) „Und dann lässt du die beiden tatsächlich schwänzen!“, meinte Mom kochend vor Wut zu Dad, sie hatte sich ziemlich beeindruckend vor mir aufgebaut, sie wirkte zwei Meter groß und nicht wie 1,60 Meter, „Wie glaubst du habe ich mich gefühlt, als der Direktor angerufen hat, dass du nicht in der Schule bist, genau wie dein Freund Vincent!“ „Das war meine Schu…“, wollte Vins ansetzte, der neben mir am Küchentisch saß und genauso durch den Kakao gezogen wurde, wie ich, doch Mom war in Fahrt: „Und dann gehst du nicht an dein verfluchtes Handy ran! Sonst kannst du dieses Scheiß-Ding keine fünf Sekunden aus der Hand legen…“ „Es war auf lautlos wegen der…“ „Und dann Rufe ich deinen Vater an und der meint, ihr beide seid in der Werkstatt! In der Werkstatt!“, nichts schien Mom so zu pikieren wie dieser Fakt, „Anstatt die Bildung zu bekommen, die deine Zukunft entscheidet, schraubst du an irgendeinem Schrotthaufen rum!“ „Hey!“, sagte ich nun doch getroffen, „Sie ist kein Schrotthaufen, sie…“ „KINDER in Afrika würden ihr rechtes Bein opfern umso eine Ausbildung zu bekommen! Und deine Klamotten sind auch wieder voller Schmiere und Öl! Wie glaubst du soll ich das wieder rauskriegen? Aus den verdammten Markenshirts, die du nur trägst gehen kaum normale Flecken raus! Aber der Mister muss ja cool sein!“ „Liebes, die Jungs hatten einen wirklich guten Grund…“, setzte mein Vater an, der die Hände voller rohem Mett hatte und den Hackbraten nach Geheimrezept zubereitete, die Geheimzutat waren übrigens Ketchup und Senf. Aber es schmeckte wirklich verdammt gut! „Zu dir komme ich gleich!“, sagte Mom und drehte sich nun, wie ein kleiner Tornado aus roten Locken um die eigene Achse, „Wie kannst du mir freudestrahlend am Telefon erklären du wüsstest wo sie sind!“ „Du hast nervös gewirkt, weil du es nicht wusstest! Ich dachte du bist erleichtert, dass ich es weiß!“, ungerührt vom Feuer seiner Frau streute er Zweibelpulver in die Menge unter seinen Fingern. „Wie kannst du denken, dass ich erleichtert wäre!?“ „Oscar und Vincent…“ „Vins ist mir eigentlich lieber!“, sagte dieser nun und mein Dad deutete entschuldigend auf ihn, „Oscar und Vins haben eine mutige Entscheidung getroffen, weil sie an Prinzipien festgehalten haben! Wir haben keinen Ja- Sager erzogen! Willst du das Hühnerbein ein Ja- Sager ist?“ „Hühnerbein“, formte Vins stumm mit den Lippen in meine Richtung und ich formte genauso stumm „Fick Dich!“ „Natürlich will ich keinen Ja- Sager! Aber er hat erst vor einer Woche sich sehr dumm heldenhaft hervorgetan und jetzt boykottiert er den Unterricht!? Wenn wir nicht aufpassen wird er die nächste Nathalie! Wir wissen beide, wie das endet!“ „Nathalie ist in Harvard geendet!“, meinte nun Dad ganz stolzer Vater. „Sie ist eine tickende Zeitbombe! Ich warte jeden Tag darauf das ich den Anruf kriege, dass sie festgenommen wurde, weil sie einen Anschlag auf den Präsidenten geplant hat!“ „Ich vermute ganz stark, dass ist das irische Gen, dass in ihr so wütet!“, er kostete kurz die Mischung vor ihm und zwinkerte dann ganz alte Schule Mom an, „Sie hat dein unverhohlen sexy Feuer geerbt!“ Ich verdrehte die Augen und Vins sah fast beschämt zu Boden. Mom sah ihn zehn Sekunden an bevor sie sich Kopfschüttelnd wieder zu uns wand. „Ich will nicht, dass ihr alles hinnehmt, aber es gibt nicht umsonst eine Schulpflicht!“, dann sah sie Vins einen Augenblick näher an, „Hast du ein Veilchen? Habt ihr euch jetzt auch noch geprügelt?“ Bevor ich es verhindern konnte hat sie Vins Kopf gepackt und zur Seite gedreht. „Nein… Also…“, ich hatte Angst, dass es zu viel für ihn wurde, „Das war Sam aus der Schule, aus dem Footballteam, der Idiot hat Lisa schikaniert, wir sind dazwischen und…“ „Das ist das nächste…“, lies Mom, Gott sei Dank, von Vins wieder ab, „An dieser Schule herrscht anscheinend das Faustrecht! Das ist da alles viel zu gewalttätig und diese Footballspieler sind sowieso alle Idioten!“ „Ich war Footballspieler!“, sagte nun Dad. „Wie ich sagte!“, Mom ging an den kleinen Erste- Hilfe- Kasten im Waschraum und kam mit einer Salbe wieder, die sie knurrend Vins reichte. „Dreimal täglich dünn auftragen!“ „Äh… Danke…“, der Dunkelhaarige schien hochgradig überfordert und ich wusste, dass es keine Sekunde mehr dauern konnte bis er die Flucht ergriff. Nach dem Jeff um halb zwei meint, er müsse heute noch richtig arbeiten waren wir gemeinsam zum Bus gelaufen und hatten weiter über Autos gequatscht. Ohne dass wir wirklich darüber gesprochen hatten, war Vins mit in die Linie gestiegen, die mich nach Hause brachte. Ich war fürchterlich nervös gewesen, ihn in unser kleines Haus zu bringen. Doch hatte ich nicht damit gerechnet, dass Mom bereits wie ein Drachen auf uns warten würde. Ich wusste selbst nicht, was ich mir von einem Sturmfreien zu Hause erhofft hatte, dass ich und Vins rummachen würden? Dumm, ich war einfach nur dumm! Fünf Minuten später, als Mom uns längst wütend in die Küche gescheucht hatte, war Dad gutgelaunt mit allen Zutaten fürs Abendessen hereingekommen. „Ich werde mit Finnick reden, und auch mit Keller!“, sagte Dad nun wieder und formte einen riesigen Klumpen aus der Hackmischung, „Und die beiden werden morgen wieder zur Schule gehen und das Nachsitzen, was sie definitiv kassieren, wie echt Männer ertragen!“ Mom schnaufte so laut das sie mich, Vins und jeden anderen Mann auf diesen Planten bis in die Steinzeit beleidigte. „Ich versteh einfach nicht, was in dich gefahren ist!“, wand sich meine Erzeugerin wieder ihrem Ehemann zu, welcher mir mit einem eindeutigen Kopfnicken zu verstehen gab, dass wir verschwinden sollten. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich zog Vins an seiner Lederjacke aus der Küche. Er folgte mir sich neugierig umsehend die Treppe hinauf in mein Zimmer. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Es war lächerlich aufgeregt deswegen zu sein, aber Vins in meinem Zimmer, meinem Rückzugsort zu haben war, keine Ahnung… Mein Körper schauderte erwartungsvoll. Als ich in mein Zimmer glitt, trat Vins schnell nach mir ein und ich schloss die Tür. Gedämpft drang Moms Getobe zu uns hoch. „Es tut mir leid!“, sagte ich schnell und sah beschämt auf die kleine Cremetube, die der Größere immer noch in der Hand hielt. „Am besten warten wir kurz bis sie sich beruhigt hat und dann kannst du abhauen!“, ich zerwühlte mich die Haare, ich wusste das Moms Zorn gerechtfertigt war, aber dass sie mich vor Vins so zur Sau machte hätte ich nicht gedacht, „Oder wenn du gleich weg willst lenke ich sie schnell ab, dann…“ „Was?“, Vins schien mir nicht folgen zu können. „Du willst doch bestimmt weg, nach dem sich meine Mom so aufgeführt hat…“, meinte ich geknickt, „Ich wusste nicht, dass sie schon hier ist oder sie dich gleich mit in die Mangel neben würde…“ Der andere lachte und haute mir leicht mit der Creme auf den Kopf, verdutzt sah ich auf. „Alles gut, sie hat ja recht!“, er zuckte mit den Schultern und ging dann weiter in mein Zimmer hinein und sah sich um. Sofort wurde mir der Berg dreckige Wäsche bewusst, der Mülleimer, der überquoll und die peinlichen Bilder aus Kindertagen an der Wand neben meinem Fernseher, die mir Kim immer zum Geburtstag schenkte. „Du willst nicht weg?“, fragte ich um auf Nummer sicherzugehen, mein Herz klapperte kläglich. „Willst du das ich gehe?“, fragte er zurück. Wir standen zwei Meter voneinander entfernt, irgendwie hatte ich das Gefühl, das wir uns beide sehr dumm anstellten. „Nein!“, sagte ich etwas zu energisch und schnell, „Also… Ich kann verstehen, wenn du willst, aber der Hackbraten ist echt gut!“, ich stellte mich eindeutig alleine dumm an. „Sie macht sich halt sorgen um dich.“, sagte er und betrachtete jetzt die Bilder, „Ich denke, du hast echt Chancen auf ein Stipendium.“ „Jetzt fang du nicht auch noch an!“, seufzte ich sehr bestimmt. „Du solltest deine Zukunft nicht so aufs Spiel setzten!“ Theatralisch verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Ich hab einen Tag Blau gemacht, ruft das FBI!“ Er lachte. „So fängts an!“ „Und du, versaust du dir nicht auch was?“, ich trat neben ihn und folgte seinen Blicken. Er musterte ein Bild von mir und Kim als wir vielleicht 13 waren. Sie trug ein hübsches rotes Kleid und ich einen viel zu großen grauen Anzug. Das Bild war auf Jeromes Hochzeit entstanden, Kims ältester Bruder. „Ich wüsste nicht, was ich mir versauen könnte!“, meinte er so ehrlich, dass es wehtat. „Vielleicht gibt dir ja Marlboro ein Stipendium…“, scherzte ich, er zog die Brauen hoch, „Ja, als Dankeschön dafür, dass du es geschafft hast, dass die amerikanische Jugend wieder cool beim Rauchen aussieht!“ Natürlich boxte er mich. Ich ging zur meiner Couch und Vins wanderte interessiert weiter zu meiner Spiele- und DVD- Sammlung. „Bist du ein Zocker?“, fragte ich und nahm meinen einen Controller in die Hand. „Nein, nicht wirklich.“, sagte er schlicht, „Ich verbring nicht sonderlich viel Zeit zu Hause.“ Sofort ließ ich den Controller wieder aufs Sofa fallen. Schließlich lief er an meinem Bett vorbei, was meine verdammten Hormone zum Tango tanzen veranlasste. Der Tag in dem Vins warum auch immer in meinem Bett wäre, würde ich wahrscheinlich elendig zu Grunde gehen. Schließlich kam er bei meinem Bücherregal an, das außer aus ein paar Klassikern, die irgendwie jeder hatte, nur aus Comics bestand. „Du stehst auf Deadpool?“, er zog eins der Hefte raus. Ich nickte und wusste nicht, ob mir das peinlich war oder nicht. „Wer nicht? Und ich steh auf Spiderman. Und auf Captain America…“, ich trat neben ihn, „Und Batman auf der DC Seite…“ „Der nette Spinnenjunge aus der Nachbarschaft.“, zitierte er aus dem Film vom letzte Samstag, den wir mit den anderen gesehen hatten. „Er ist definitiv mein Lieblings Held!“, ich zog meinen persönlichen Favoriten unter den Heften hervor und reichte es Vins, „Er ist einfach irgendwie am realsten,- Abgesehen von dem Mutanten Scheiß halt!- ein Teenie der Superkräfte kriegt, von denen niemand etwas wissen darf. Er ist kein Millionär oder Ex- Soldat. Er ist nur clever und will Leuten helfen…“ „Vielleicht sollte dein Dad dich lieber Spinnenbein nennen, das klingt nämlich sehr nach dir!“, überlegte Vins und erinnerte mich daran, dass mein Dad meinen fürchterlich peinlichen Spitznamen vor ihm genannt hatte. Ohne zu zögern zog ich ihm das zweite Heft, das ich rausgezogen hatte, über den Schädel. Er schlug mich mit dem, was er noch hielt zurück und ich nahm es ihm schnell ab. „Nicht, das mag ich wirklich!“, vorsichtig legte ich es zurück und seufzte. Er gluckste. „Autoschrauber und Nerd… Tatsächlich ungeahnte Tiefen…“ Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich schließlich auf meine Couch fallen. Er setzte sich neben mich und betrachtete jetzt die Cremetube. „Soll ich das machen?“, fragte ich und mir wurde erst beim Hören bewusst, dass das vielleicht komisch rüberkommen könnte. Doch er nickte. „Ja, mach mal, du siehst das im Gegensatz zu mir.“ „O…Okay!“ Erstaunt nah ich ihm die Creme ab. Ich hätte nicht gedacht, der er mich seinen Bluterguss berühren lassen würde, ich war schon vorhin mit Mom der Meinung gewesen, dass es zu viel für ihn gewesen war. Jetzt setzte er sich gerade vor mir hin und ich tat mir zittrig eine kleine Menge der Salbe auf die Finger. Ich hoffte inständige er merkte nicht, wie sie zitterten. Behutsam strich ich über den lilaroten Fleck, seine Haut war glatt und warm. Leicht verzog er das Gesicht. „Sorry“, nuschelte ich. „Du hast mir keine verpasst!“, lächelte er schwach. Ich presste die Lippen zusammen, er wollte nicht das ich was dazu sagte. „Es ist alles gut, ich hatte schon schlimmeres…“ „Das ist doch kein Grund sich zu freuen!“, ich spürte wie Wut in mir hochkam, „Das ist…“ Doch ich presste wieder meine Lippen zusammen, er wollte ja nicht, dass ich was sagte. Ich strich nochmal über den Bluterguss und wollte meine Hand schon runternehmen, als er mich am Handgelenk packte. „Oscar!“, setzte er an, „Ich…“ Doch meine Mutter hatte schon immer das beste Timing der Welt. Wütend klopfte es und sie riss die Tür auf. „Ihr beide fegt die Terrasse ab! Es ist schönes Wetter und wir essen draußen!“ Hastig ließ Vins mich wieder los, doch meine Mom war schon wieder weg, dafür steckte Dad jetzt den Kopf durch die Tür. „Ihr solltet lieber schnell runterkommen, ich hab sie erstmal beruhigt, aber man weiß bei der Frau nie!“, ein Glucksen, „Ein richtige Vulkan!“ Er schien eher belustigt als wirklich besorgt und meinte dann zu Vins: „Ist du Süßkartoffeln, Vins?“ „Ja, ich denke schon.“ „Sehr gut, ich mache Spezialsüßkartoffelpüree!“, als wäre er der Meistkoch persönlich zwirbelte er seinen Bart. „Du bratest Bacon an, schneidest ihn klein und mischt ihn unter…“, verdrehte ich die Augen. „Ja, das ist ja das Spezielle!“, er schien stolz. „Du musst nicht mit aufräumen.“, sagte ich zu Vins als ich mich erhob, „Ich mach das schnell alleine.“ Doch er erhob sich ebenfalls. „Ich kriege Spezialpüree und Hackbraten, ich denke dafür kann ich schon was machen!“ „Das die richtige Einstellung, mein Junge!“, Dad klatschte begeistert in die Hände und zu dritt liefen wir die Treppe runter. In der Küche roch es schon ziemlich gut, doch Mom scheuchte uns gleich raus. Während ich den Tisch abschrubbte fegte Vins um mich herum und machte sogar ein Spinnennetzt an der Seite weg, doch zuvor fragte er mich aber ob das nicht meine geheime Festung als Spinnenbein sein, wofür ich ihm den nassen Lappen um die Ohren warf. Gerade als er sich trockenwischte und ich den Besen abfuselte schien sein Handy zu vibrieren, erstaunt zog er es sich aus der Tasche und verzog dann tatsächlich leicht schuldbewusst das Gesicht. „Hey Kim…“, ging er ran und ich wusste sofort, warum sie anrief. Hastig zog ich mein Hady hervor, dass ich den ganzen Tag völlig ignoriert hatte. Vins Gesellschaft war das einzige gewesen, dass für mich wichtig gewesen war. Tatsächlich die verpassten Anrufe von Mom, und welche von Kim, aber auch Bob hatte mich versucht zu erreichen. Leonie und Ruth hatten mir geschrieben. Alle schienen etwas verstimmt… „Naja… Weißt du, das war so in Mathe das…“, setzte er an wurde aber genauso unterbrochen wie ich vorhin mit Mom, „Das weißt du schon…“ Kim war sehr laut und anscheinend sehr pissig. „Dann weißt du auch, dass ich aus ‘nem guten Grund gegangen bin, und eigentlich ist Oscar Schuld!“, schob er mir den Schwarzenpeter zu und ich warf wieder den Waschlappen nach ihm, dem er diesmal auswich, „Er meinte, wenn wir Mathe schon schwänzen geht auch der Rest des Tages…“, kurz war er still, „Wir waren den Tag dann bei seinem Schätzchen!“, zitierte er mich, „Sie ist bezaubernd, fast so stur wie du!“ Er lachte als ihre Stimme knurrend durch den Hörer dröhnte. Es war seltsam ihn so zu sehen, fast gelöst, sonst war er jedes Mal explodiert, wenn es zu einem Streit mit Kim gekommen war. „Wenn du nicht weißt, wer das ist, musst du ihn fragen!“, kurz blinzelte mich Vins an, „Du kannst ihn nicht erreichen. Ich hatte mein Handy in der Jacke und die zur Seite gepackt, Sorry…Ob ich weiß, wo er abgeblieben ist?“, Vins grinste und sagte dann, „Warte mal kurz!“, und reichte mir das Telefon, obwohl ich meinen Kopf hektisch zu einem stummen „Nein“ schüttelte. Ihm die Pest an den Hals wünschend nahm ich sein Handy: „Hey Kim…“ „Warum zum Henker gehst du nicht ans Telefon?!“ „Es war lautlos und ich hab vergessen den…“ „Und dir,- Euch!-, ist nicht in den Sinn gekommen, mir mal zu schreiben?!“ „Also…“, setzte ich an und wusste gar nicht was ich sagen sollt. „Meine Mom stand neben deiner als sie den Anruf gekriegt hat, dass ihr beide schwänzt. Wie glaubst du hat meine Mom darauf reagiert, dass mein Freund den Goldjungen dazu bringt von der Schule zu türmen!?“ „Erstmal bin ich kein Goldjunge! Und zweitens hab ICH Vins überredet den ganzen Tag zu schwänzen…“, sie schnaubte, „Ich wollte nach der letzten Woche einfach nur raus, und dann das mit Keller. Das hat das Fass einfach zum überlaufen gebracht… Außerdem hat der Wichser Vins auf dem Kieker und Vins wollte mich so nicht alleine lassen!“ Vins Mundwinkle zuckten, ich verzog unsicher, ob die Ausrede klappt, das Gesicht. „Wer ist dein Schätzchen?“, fragte sie mich plötzlich recht leise. „Mein Auto, warum?“ „Ah, ihr wart bei Jeff!“, sie seufzte, „Ich dachte, das ist deine Schöne!“ „Dad nennt so Mom, das war irgendwie gruselig.“ Nun lachte sie sogar leise. „Ich hab mir echt Sorgen gemacht und…“, sie wurde noch leiser, „War ein bisschen eifersüchtig, dass ihr ohne mich unterwegs wart… Wo seid ihr überhaupt jetzt noch zusammen? In der Werkstatt etwa noch?“ „Ähm, wir sind bei mir… Dad macht Hackbraten und Vins ist eingeladen!“ „Ohhh!“, machte sie sehnsüchtig beim Wort Hackbraten. „Willst du auch kommen? Vielleicht ist Ian ja auch da, es ist locker genug für alle da!“, lässig spielte ich am Henkel des Eimers rum, Vins grüne Augen bohrten sich in meiner während ich sprach. Ich wollte nicht das sie kommt, aber Vins war ihr Freund und sie meine beste Freundin, also… Ich musste sie fragen, alles andere wäre… egoistisch und dumm. Ich wollte eigentlich egoistisch und dumm sein! „Eigentlich schon, aber wir gehen Essen. Wegen irgendeinem Jubiläum meiner Tante…“, sie klang traurig, aber auch besänftigt. „Oh Schade“, versuchte ich nicht erleichtert zu klingen. „Gibst du mir nochmal Vins?“, kommentarlos reichte ich das Telefon weiter. Sie redeten noch kurz und ich kippte in der Zeit das schmutzige Wasser weg und begann den Tisch zu decken. 30 lange Minuten später konnten wir nun endlich essen. Ich hatte tatsächlich ziemlich Knast. Wir hatten in der Werkstatt nichts gegessen und auch danach, Dank Moms Schimpftirade, auch nicht. Dad machte uns beiden riesige Portionen auf, doch diesmal beschwerte ich mich nicht, sondern schlang pustend und schnaufend mein Essen in mich rein, obwohl es noch viel zu heiß für meine Gier war. Vins lachte, begann aber auch hungrig zu essen. 20 Minuten später hatte ich meine erste große und die Hälfte einer zweiten Portion geschafft und war fürchterlich satt und rund und nicht mehr in der Lage Vernünftig zu sitzen. Vins hingegen stopfte sich noch immer Süßkartoffelpüree rein, er leerte seinen zweiten Teller und Dad machte ihm mit einer Mischung aus Belustigung und erstaunen noch eine Portion auf. „Der Braten ist gut, nicht wahr?“, fragte Dad Vins, der mit vollem Mund nickte und meinte dann hastig runterschlucken: „Das der beste Hackbraten, den ich je gegessen habe…“ „Gibt es bei euch selten Hackbraten?“, fragte Mom nun, langsam klang ihre Wut ab, sie hatte schon immer eine Schwäche für gute Esser gehabt. „Ehrlich gesagt, gibt es nie welchen…“ „Wir könnten deiner Mom das Rezept gerne aufschreiben.“, meinte Mom nun und Dad zischte unter der Hand: „Das ist Geheim, meine Schöne!“ „Ach“, funkelte sie meinen Vater an und wand sich wieder an Vins, „Er gelingt eigentlich jedem.“ „Nein, sie kocht nicht…“ „Oh, dann hat dein Vater das Küchenkommando?“ „Nein. Niemand kocht bei uns, es ist auch selten was Genießbares im Haus, was nicht Scotch ist.“, fügte er hinzu und war ganz in ein Stück Blumenkohl vertieft. „Oh!“, Mom und Dad sahen sich an, wie wohl Kinder sich ansehen würden, wenn sie beschließen ein Kaninchen zu adoptieren. Grummelnd erhob sich meine Erzeugerin nun und meinte dann: „Verdient habt ihr es zwar nicht, aber ich hol uns Eis und Karamellsoße!“ Eine Stunde und zwei Kilo Eis später brachte ich Vins zur Tür. In der Hand hatte er einen Beutel mit den Resten des Abendessens, also dem Teil, den er übriggelassen hatte. „Und du bist dir sicher, dass Oscar dich nicht nach Hause fahren soll?“, Mom stand in der Küche und weichte mein mit Motoröl beschmiertes Shirt ein. „Ja, Danke…“, tat er ab und hob den Beutel, „Für alles!“ Sie lächelte und ging zurück zu den Waschmaschinen. „Mir würde es wirklich nichts ausmachen…“, meinte ich und versuchte nicht sehnsüchtig oder gar traurig zu klingen, weil unser gemeinsamer Tag endete. Ich wusste nicht wirklich, wie wir uns verabschieden sollten und vor allem, wie es morgen weiter gehen sollte. „Ich weiß noch nicht, ob ich nach Hause gehe, deshalb weiß ich nicht wo du mich hinfahren solltest, also…“, er sah nach draußen, in die dunklen Straßen. Ich dachte an die vielen Dinge, die ich heute über ihn erfahren hatte, was er heute über mich erfahren hatte. Wir waren uns näher gekommen, näher als jemals zuvor. Wie merkwürdig mein zu Hause, meine Eltern, für ihn sein müssten. Er sah mich wieder an, lächelte sein schmales Lächeln und verwuschelte mir dann die Haare zum Abschied. „Bis morgen, spätestens beim Nachsitzen, Spinnenbein!“ Ich schmunzelte und verzog leicht das Gesicht, auf die Konsequenzen des heutigen Tages hatte ich weniger Bock. „Penner!“, rief ich ihm hinterher und er hob im Gehen noch mal die Hand. Wir waren uns so nah wie noch nie zuvor und doch trennten uns Dinge Meilen voneinander, von denen ich noch nicht mal ahnte, dass es sie gab… Nachdenklich schloss ich die Haustür. Kaum hatte ich einen Fuß auf die Treppe gesetzt, stand Mom wieder in der Küchentür, der Blick pure Sorge. „Oscar!“, sie klang ernster als gewöhnlich und ich erwartete, dass sie mich nochmal wegen dem Schwänzen zusammenfaltete doch es kam anders, „Wo hat der Junge das Veilchen wirklich her?“ „Ich…“, ich schluckte, „Ich kann dir das nicht sagen!“ Sie nickte wissend, meine Aussage reichte ihr. „Ich möchte das du Vins sagst, dass er jederzeit zum Essen kommen kann! Jederzeit!“ Ich nahm den Fuß wieder von der Treppe und umarmte sie. „Ich vergesse manchmal wie toll ihr seid!“ Sie tätschelte mir den Rücken und kniff mir dann in die Nase. „So lange du nicht vergisst, dass wir immer für dich da sind, vergebe ich dir den Rest!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)