Track or Treat. von Usagi_Jigokumimi (Auf deiner Spur?) ================================================================================ Kapitel 17: Fragen ------------------ ‘Some boys get too much, too much love, too much touch Some boys starve themselves Stand in the mirror and wait for the feedback Creature comfort makes it painless Bury me penniless and nameless Born in a diamond mine It's all around you but you can't see it Born in a diamond mine It's all around you but you can't touch it‘~ Arcade Fire, „Creature Comfort“ (2017) Kurz nach halb Acht am Montagmorgen stand ich vor Kims Haustür und schrieb ihr schlecht gelaunt, dass sie ihren Hintern raus bewegen sollte. Aufstehen war einfach nicht meins und am Montagen noch weniger. Das änderte auch nicht mein Schätzchen, mit der ich jetzt zur Schule endlich fahren konnte, wenn ich zu gegebener Maßen doch definitiv weniger missmutiger war als sonst. Eine gefühlte Ewigkeit später, zwei Minuten, kam Kim schließlich nach draußen und grinste mir zu, ich verzog nur das Gesicht. „Hallo Sonnenschein!“, begrüßte sie mich, als sie endlich auf dem Beifahrersitz saß und sich anschnallte. „Mah“, war meine Antwort, sie lachte. „Ich schreib Bob, das wir gleich da sind!“, sagte sie nun und ich stellte demonstrativ die Musik meines Radios lauter. „Born in a diamond mine. It's all around you, but you can't touch it.“ Sie lächelte milde und tippte auf ihrem Handy rum. „Wie lange war Vins gestern eigentlich noch bei dir?“, fragte sie mich viel zu betont beiläufig und ich schaltete etwas zu grob in den höheren Gang. „Warum fragst du?“ „Nur so…“, meinte Kim, immer noch in ihr Handy vertieft, „Er hat ziemlich spät auf meine Nachricht geantwortet.“ „Ja, naja, ich hab ganz schön gekatert, keine Ahnung also, wenn ich ehrlich bin!“, wich ich der Frage aus und sie nickte vor sich hin. „War es spät?“ „Was heißt für dich spät?“, wich ich wieder aus, „Es war wieder hell und das schon ‘ne Weile…“ Einen kurzen Augenblick sah sie mich an, ich sah an der Art und Weise, wie sie den Unterkiefer bewegte, dass sie gerne etwas weniger Nettes sagen wollte, doch plötzlich meinte sie: „Das mit Leonie und Glen hast du gesehen?“ Ihr abrupter Themenwechsel hatte Schleudertraumapotenzial. „Ja, ich hab die frohe Kunde schon erfahren!“, verdrehte ich die Augen. Glen und Leonie waren anscheinend nun zusammen, wie das halt so geht nach einer durchknutschten Partynacht und einem Tag chatten. Ich war erleichtert über den Themenwechsel, wenn auch irritiert. Kim hatte mir gestern nicht mehr geschrieben, und auch jetzt ihre Nachfrage zu Vins und meiner unfreiwilligen Pyjamaparty war eher desinteressiert. Gespielt desinteressiert. Hatten die beiden sich gestritten, oder war Kim so betont nicht interessiert, wegen ihrem und Vins Gespräch. Sollte ich mehr sagen? Hätte ich ihr schreiben sollen? „Glaubst du, dein Cousin meint es ernst?“, fragte sie nun in meine wirren Gedanken und ich schnaufte überfordert. „Woher soll ich das den wissen?“ „Naja, du kennst ihn doch- Also länger! Ihr teilt DNA. Wie war er in der Beziehung davor?“ „Kim…“, stöhnte ich, doch sie kannte kein Mitleid und geschlagen analysierte ich mit ihr die Gefühlswelt Glens. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie alles Leonie weitergab und ich haargenau dieses Gespräch nichtsdestotrotz noch mal mit dieser führen würde. Weiber waren in der Hinsicht irre! Kurz schweifte ich zu meinem irgendwie Kuscheln und halb Kuss und halb Prügelei mit Vins, der der feste Freund meiner besten Freundin war und stellte fest, dass ich mich nicht weniger irre verhielt. Verdammt! Wahrscheinlich machte es einen einfach irre, wenn man auf Typen stand, weil wir dumm waren! Fünf Minuten später waren wir bei Bob. „Was geht, Bro?“, begrüßte er mich wie üblich, als er einstieg und wank Kim dann gechillt zu. „Wie fandst du das Ganze mit Leonie und Glen?“, quetschte Kim nun ein frisches Opfer aus. „Wem?“, fragte Bob ganz typisch. Mich würde ja eher interessieren, was er zu Ruth sagte, aber Kim schien das nicht auf dem Schirm zu haben, oder es im Suff vergessen zu haben, oder hielt sich die Krönung ihrer Folter für schlechte Zeiten auf. Bob stammelte sich nach Kims ungehaltener Zusammenfassung der Geschehnisse eine Antwort zu Recht und schließlich parkte ich ein. Ihre Laune schien immer schlechter zu werden. Ein paar Typen vom Footballteam begutachteten meine Wagen und nickten mir anerkennend zu, was meine Laune etwas steigerte. Mein Auto war toll. Doch Kims eisiger Blick ließ mich ahnen, dass dieser Tag noch mit einem Knall Enden würde. Zu dritt liefen wir zum Eingang, vor dem Leonie und Ruth bereits auf uns warteten. Leonie drückte mich viel zu breit grinsend an sich und meinte in hoher Klein-Mädchen-Stimme: „Danke, Danke, Danke!“ „Was?“, würgte ich hervor unter ihrem gekonnten Todesgriff. „Das du mir Gleniiii vorgestellt hast!“, sagte sie und seufzte verliebt. Oh weh! „Gleniii“, formte ich stumm mit den Lippen über Leonie hinweg und sah zu ihrer Zwillingsschwester, die gerade Kim begrüßte. Ruth nickte und tat dann sehr leidgeprüft so, als würde sie sich den Kopf wegschießen. „Er ist so wundervoll, er ist so…“, säuselte mich Leonie nun voll und hängte sich an meinen Arm, Kim ganz im beste Freundinnenmodus daneben. Mit einem kurzen Blick über die Schulter sah ich, wie Ruth und Bob sich zur Begrüßung sehr untypisch umarmten. Ich versuchte, ihn fragend anzusehen, doch Leonie zerrte mich bereits ins Innere der Schule. Natürlich stellte mir Leonie nun hundert verschiedene Fragen zu meinem Cousin, die mir einerseits Kim schon gestellt hat und die ich anderseits nicht beantworten konnte oder erst gar nicht wollte. Das schien Leonie aber leider nicht zu stören, also erzählte sie mir, wie toll er wäre, was irgendwie sehr merkwürdig war, weil ich nicht wissen wollte, wie sanft ein Familienmitglied von mir beim Küssen war. Üäh. Als wir bei meinem Schließfach ankamen, sah ich mich unverhohlen um, in der Hoffnung Vins irgendwo zu sehen. Ich hatte mir gestern nach unserer Auseinandersetzung verkniffen mich bei ihm zu melden und er hatte auch nicht von sich aus geschrieben. Im Gegensatz zu Alex, dem ich immer noch nicht wegen Freitag reinen Wein eingeschenkt hatte. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob das angebliche Freitagsdate mit Vins noch stand, da ich ja mein Auto bekommen hatte, vielleicht gehörte das mit zum Verwirrungsplan. Ich packte meine Bücher um und versuchte, Leonies geblubber zu einem Hintergrundsummen verkommen zu lassen, was nicht wirklich klappte. Kim hing schon wieder an ihrem Handy. Schon an ihrer Nasenspitze erkannte ich, dass sie eine Auseinandersetzung hatte, wer auch immer auf der anderen Seite da mit ihr Stritt. Obwohl, ich hatte eine Vermutung… „Wo ist eigentlich Vins?“, fragte Bob, was ich mich nicht getraut hatte, doch er sah nicht Kim, sondern mich an. Scheiße. „Keine Ahnung“, zuckte ich mit den Schultern und tat ganz lässig und üblich morgenmuffelig und überhaupt nicht interessiert und sah zu Kim. „Ist mir egal!“, sagte diese jedoch und steckte ihr Handy weg und wand sich wieder Leonie zu. Bob zog die Brauen hoch und sah mich entschieden verwirrt an. Doch ich hatte genau so wenig Plan, was gerade abging. „Ist alles okay bei…?“ „Sag du es mir!?“, fauchte Kim mich so überraschend an, dass selbst Leonie aus ihrem Monolog über Glen gerissen wurde. Wie eine Abrissbirne traf mich ihr Blick, und das schlechte Gewissen, das ich sowieso immer hatte, kralle sich in meine Eingeweide, riss sie auseinander. „Wie… wie meinst du…“ „Na ja, ihr seid doch neue beste Freunde, also sag du es mir!“, sie verschränkte die Arme vor der Brust und plötzlich fühlten sich ihr schönen blauen Augen mit Tränen. „Hey“, unschlüssig, was ich jetzt tun sollte, berührte ich sie leicht am Arm. Die Tränen niederkämpfend, sah sie zur Decke. „Wir müssen auch noch zum Schließfach!“, sagte Ruth sehr diskret und zerrte Leonie, die eindeutig auf Drama aus war mit sich, Bob verzog mitleidig das Gesicht und lief den beiden hinterher. „Wann ist Vins gestern bei dir los?“, fragte sie nun erneut, „Und komm mir jetzt nicht noch mal mit, es war hell!“ „Kurz nach halb neun.“, antwortete ich leise, „Am Morgen.“ Ich wusste, dass die gesamte Schule uns ansah und wer nah genug dran war, versuchte zuzuhören. Becky Fisher hatte wahrscheinlich einen Schlaganfall, wenn sie hier von erfuhr. Sie nickte, lächelte gequält und wischte eine Träne zittrig weg. „Kim! Was?“ „Betrügt er mich?“ „Was?!“, das schlechte Gewissen schlug die Zähne in mein Herz. „Wie…“ „Betrügt er mich?!“, Kim wischte noch eine Träne weg. „Nein, also… Was?“ Meinte sie mich, also… Nein quatscht, das konnte sie nicht, also… Zwischen uns war nichts, gar nichts! Außer das Vins jemand gebraucht hatte, der ihn in den Arm nimmt. Das war kein Betrügen, aber… War es das, warum er mir nicht gesagt hatte, wo er hinwollte? Gab es eine Neue in seinem Leben? Das… Nein. Ich… „Ich will, dass du ehrlich zu mir bist! Ich weiß, dass du ihn lieber magst als mich, aber deck ihn jetzt nicht! Also- hat er eine andere?“ „Ich…“, entschieden trat ich einen Schritt näher an sie ran, um leiser sprechen zu können, „Kim, DU bist meine beste Freundin! Denkst du wirklich, ich würde decken, wenn er eine andere hätte? Oder dass er sich trauen würde mir DAS zu sagen?“ Ich war vielleicht ein verliebter Vollidiot und ja, ich hatte gewollt, dass wir uns küssen, dass es irgendwie mehr wird, aber ich hatte niemals gewollt,- niemals! -, Dass Kim wehgetan wird! Ich wollte Kim nicht wehtun, ich könnte es gar nicht. In meinen Fantasien hatten beide eingesehen, dass sie nicht zusammenpassten, waren dann Freunde. Und nicht, dass er Kim für mich bescheißen würde, dass ich Kim beschiss! Außerdem würde ich ihm tatsächlich welche verpassen, wenn er mir erklären würde, er würde eine andere als Kim bumsen… Sie schluchzte leise. „Wie kommst du darauf?“, fragte ich sie nun und sie presste die Lippen fest zusammen und wischte sich unwirsch übers Gesicht. „Wir haben keinen Sex mehr!“, flüsterte sie und ich strafte mich leicht. „Ich hab das Gefühl, er will nicht, dass ich ihn anfasse, und er fest mich auch nicht an und…“, sie sah wieder zur Decke, „Ich hab das Gefühl, wir sind nur noch zusammen, weil ihr beide dann befreundet sein könnt!“ Ich schluckte. „Ich… Ich glaub, du steigerst dich da in was rein!“, meinte ich und versuchte, nicht wie angeschossen zu klingen, „Und Vins und du, ihr lasst doch kaum die Finger von einander!“ „Er fest dich genauso oft an, wie mich! Es tut mir leid, ich…“, Kim sah mich nun direkt an, „Ich wollte ja, dass ihr euch anfreundet! Und ich war total begeistert, dass er sich dir so offen zeigte und am Anfang dachte ich auch, dein guter Einfluss, ist gut für ihn und für unsere Beziehung… Und…“, sie sah jetzt auf meine Schulter, „Und ich dachte, du könntest bei Vins deinen Helferkomplex ein bisschen ausleben, du warst so merkwürdig drauf nach dem ganzen mit Miguel, also…“, sie biss sich auf die Unterlippe, „Sei nicht sauer! Bitte! Ich bin doof, aber ich hab das Gefühl, ihr versteht euch besser als Vins und ich jemals haben und er vertraut dir und… Gott, ich bin so dumm, aber… Ich kann dieses Gefühl einfach nicht beschreiben, wenn du eine Tussi wärst, wüsste ich, ihr hättet was am Laufen aber so…“ Sie raufte sich die Haare und ich sah sie völlig perplex an. „Wenn ich eine Tussi wäre,“ wiederholte ich in meinem Kopf. Wenn ich… „Ich hab oft überhaupt keine Ahnung, wo er ist und er sagt auch nicht, wo er dann war oder was er gemacht hat und er hängt oft ganz untypisch am Handy und wenn ich dann frage, mit wem er schreibt, meint er, es geht mich nichts an. Und gestern hab ich ihm sieben Mal geschrieben, und er hat mir dann gestern Abend um 10 geantwortet. Er war angeblich so lange bei dir und sein Akku war alle. Und du sagst, dass er morgens gegangen ist. Warum lügt er mich an… Ich habe das Gefühl, wenn du nicht mein bester Freund wärst, hätte er mich längst abgeschossen!“ „Hast du mit ihm darüber geredet?“, fragte ich sie nun, „Und ich meine richtig vernünftig geredet, ohne dass ihr euch gegenseitig belöffelt?“ Ihre Worte lösten eine merkwürdige Flut an Gefühlen an mir aus, die ich einfach nicht ordnen wollte. Noch immer war ich entsetzt, wie sehr man mir meine Schwärmerei anmerken müsste, wenn Kim meinte, dass wen ich eine Vagina hätte, hätten Vins und ich was am Laufen. Anderseits tat es Scheiße weh, dass nur wenn ich eben kein Junge wäre, es eine Chance gäbe, dass wir mehr als eine merkwürdige Freundschaft hätten. „Ich habs versucht, ich…“, sie verschränkte wieder die Arme vor der Brust, „An deinem Geburtstag! Ich weiß nicht das richtige Timing, aber er hat eh abgeblockt und dann wurde ich wütend und er hat gesagt, ich stelle mich lächerlich an. Er hat ja auch recht, ich bin eifersüchtig auf meinen besten Freund… Oder auf ihn, weil er so gut mit meinem besten Freund kann, ich also ...“, sie seufzte, „Ich glaub, deswegen hat er das mit eurem Flaschendrehen fast Geküsse gemacht, weil er mir damit ‘ne Schelle verpassen wollte.“ „Ah“, sagte ich und hätte jetzt am liebsten selber angefangen zu heulen. Warum hätte er das auch sonst machen sollen? „Was ich nicht ganz verstehe…“, setzte ich jetzt an, „Warum hast du mich den dann gefragt, ob er bei mir pennt? Du hast mich gefragt, ob er bleiben kann, also…“ „Ich weiß!“, sie warf die Arme hoch, „An dem Abend kam's mir wie ‘ne super Idee vor! Ich dachte, ich beweise ihm, dass mir das doch nichts ausmacht, aber dann war es irgendwie doch ‘ne dumme Idee… Außerdem dachte ich, wenn er bei dir ist, weiß ich wenigstens wo er ist, und dass er nicht bei irgendeiner Schlampe in den Armen die Nacht verbringt!“ Am liebsten hätte ich gesagt, dass er in meinen Armen die Nacht gelegen hatte, doch das war jetzt nicht hilfreich. „Es tut mir leid, dass ich dich so anpöble, und so Psycho bin und du zwischen die Fronten kommst, aber- Ich liebe ihn, und ich weiß, dass er mich nicht liebt!“, sie lachte trocken auf, sie hatte keine Tränen für dieses Gefühl übrig, „Zumindest nicht so, wie ich ihn liebe!“ Es klingelte zum Unterricht. „Ihr müsst noch mal miteinander reden, und er betrügt dich nicht, das kann ich mir nicht vorstellen, dass… Nein!“, sagte ich nun abschließend. Sie nickte schwach und drückte mich. „Danke!“, flüsterte sie und ging dann davon. Seufzend ging ich zu meinem Unterricht. Liebte Vins Kim? Warum hatte er sie angelogen? Warum sagte er ihr nicht, was Sache war? Warum wusste ich mehr als Kim, warum konnte ich mich nicht zusammenreißen? Warum musste ich so peinlich verliebt sein, dass man es merkte… Ich kam in den Klassenraum und Vins saß bereits weiter hinten und lächelte mir mit diesem verdammt wunderschönen schmalen Lächeln entgegen. Was sollte ich nur zu ihm sagen? Er zog den Stuhl neben sich zur Seite und ich ließ mich, meinem Schicksal ergebend, denn ich war wie vorhin schon festgestellt ein Idiot, neben ihm nieder. „Morgen!“, sagte er recht gut gelaunt und fuhr sich durch die Haare, in dem spärlichen Licht der Neonröhren über uns wirkten sie schwarz. „Hey…“, meinte ich gähnend. Ich war ehrlich gesagt erstaunt. Ich hatte gedacht, er wäre mega pissig, wo er doch eine Auseinandersetzung mit Kim hatte. „Ausgekatert?“, fragte er mich nun und begann mit dem Reißverschluss meiner Federtasche zu spielen, als ich meine Sachen auspackte. „Geht so.“, gestand ich ehrlich und kramte dann meine Hausaufgaben hervor. Vins schien keine gemacht zu haben. „Ich musste mich gerade mit den Nachwirkungen meines Geburtstags auseinandersetzen.“, informierte ich ihn, er zog nur schlicht eine Braue hoch. „Ist was mit dem Impala?“ „Nein. Oh Gott, nein! Er schnurrt wie ein Kätzchen. Nein.“, ich gluckste, „Ich meinte damit, dass Leonie jetzt mit Glen zusammen ist.“ „Deinem Cousin?“, er schien nicht überrascht. „Jup, und Bob und Ruth haben sich mit ‘ner Umarmung begrüßt!“, erläuterte ich weiter. „Also läuft da echt was? Und was ist hier mit dem Typen, mit dem du mit in der Staffel bist und der aus deinem Informatikklub, Lisa?“ „Ich weiß nicht, ob da was läuft, ich werde Bob fragen. Wahrscheinlich hat er das noch gar nicht gecheckt!“ Durch Bobs allgegenwärtigen Pessimismus raffte er oft nicht, dass ihn wer anmachte. „Und ich hoffe das Henry und Lisa jetzt zusammen sind! Ach so, und eine Pärchen Konstellation hast du noch vergessen…“, flüsterte ich nun, da der Unterricht begonnen hatte. Er runzelte die Stirn. „Meinst du Ian und Kim?“ „Ich meine uns!“, er blinzelte mich überrumpelt an, „Ja, war mir auch neu!“, fügte ich hinzu. Ich wusste gar nicht, woher ich den Mut nahm, den ich gerade hatte. „Kim hat gerade mit mir geredet. Im Flur.“, ich linste zu ihm rüber, Vins Miene war ausdruckslos. „Sie denkt, du betrügst sie.“, flüsterte ich weiter, „Ich meinte, dass das Bullshit ist, aber sie ist…“ „Sie ist eifersüchtig, weil wir befreundet sind, aber das war ihre kack Idee, also…“, Vins hatte ziemliche Schwierigkeiten seine Stimme leise zu halten. „Ich weiß, nur warum hast du sie angelogen, was du gestern gemacht hast? Wenn ich gewusst hätte, dass du ihr ‘ne andere Version erzählt hättest, dann…“ „Hättest du sie angelogen?“, spottete er halb, schien aber auch erstaunt. „Ich hätte dich auf jeden Fall nicht ins Messer laufen lassen!“, sagte ich entschieden. Sein Blick wurde seltsam, nachdenklich. „Was hat sie sonst noch so gesagt?“ „Na ja, dass sie halt selber weiß, dass sie sich komisch verhält und halt Angst hat, dass ich dich lieber mag, wie sie und dass sie denkt, dass du nur noch mit ihr zusammen bist, wegen mir…“, ich war beim Reden immer leiser geworden, „Sie ist einfach verunsichert!“ „Wegen dir?“, fragte er nach. „Weil ich und sie beste Freunde sind, und… Keine Ahnung!“, ich seufzte und machte mir ziemlich schwammige Notizen. „Redet miteinander, ich will kein Scheidungskind werden!“, griff ich den Witz von vor ein paar Wochen auf. „Wären wir noch Freunde, wenn ich mich von Kim trenne?“, ging er nicht auf meinen Witz ein und ich erstarrte in der Bewegung. „Willst du dich von ihr trennen?“, fragte ich zurück und versuchte dieses merkwürdige glimmen in seinen grünen Augen zu entziffern. „Nein, also…“, er fuhr sich erneut durch die Haare, „Du hast nicht auf meine Frage geantwortet.“ „Wenn du sie bescheißen würdest, dann… Weiß ich nicht, was ich machen würde! Wenn du oder ihr oder sie… Wenn ihr einfach die Entscheidung trefft, dass es nicht geht, dann ist das eure Sache und klar, wären wir noch Freunde. Dann feiere ich halt zweimal Weihnachten!“ Er schmunzelte und sah dann nachdenklich nach vorne. „Denkst du darüber nach, dich von ihr…“, setzte ich wieder an. Er schüttelte leicht den Kopf, meinte dann aber. „Ich weiß nicht, ich weiß nicht ob ich ehrlich…“, er stockte beim Reden. „Ob du ehrlich sein kannst?“, half ich nach, doch er schüttelte wieder den Kopf. „Ob ich ehrlich sein will! Ich weiß nicht, ob ich überhaupt will, dass sie alles über mich weiß!“ Ich öffnete den Mund, wusste aber nicht, was ich sagen sollte. Warum vertraute er mir? Oder, tat er das? Vertraute ich ihm? Bevor ich mehr dazu sagen konnte, dröhnte ein schriller Ton durch die Lautsprecheranlage der Schule. „Was?“ „FEUERALARM!“, brüllte irgendwer und Panik ließ alle wild durcheinanderschreien. Schnell stand ich auf, während die Lehrerin vorne versuchte, Ruhe zu bewahren. „Vielleicht ist es nur ‘ne Übung!“, murmelte ich Vins zu, der mit den breiten Schultern zuckte. Als wir auf den Gang kamen, drängten Schüler panisch an uns vorbei. Vins packte mich am Arm und schob sich entschieden vor mich und zog mich dann hinter sich her. „Mach keine Dummheiten, Spinnenbein!“, nuschelte er und ich gluckste nicht unbedingt passend zur Situation auf. Selbst in halber Hysterie hatten die meisten Leute genug Respekt vor ihm, um zurückzuweichen. Zügig fanden wir uns auf dem Schulhof ein und stellten uns mehr schlecht als recht in den angewiesenen Gruppen auf. Ich konnte Kim und die anderen nicht entdecken. Ich hoffte, es ging ihnen gut! Ein paar Leute in unserer Nähe meinten, im Chemielabor hätte es gebrannt, andere sagten sie haben Schüsse gehört. In der Ferne konnte man die Sirene der Feuerwehr und Polizei hören, doch weder Rauch noch Flammen waren irgendwo zu sehen. „Mr. Lopez!“, hielt ich meinen Lieblingslehrer auf, als er an uns vorbeieilte, „Was ist los?“ „Oskar! Nichts, alles gut. Es ist nur ein Fehlalarm. Irgendwer hat sich wohl einen kleinen Spaß erlaubt, aber sicherheitshalber wird die Schule überprüft!“ Ich nickte und sah zu Vins, der auch beruhigt aussah. In letzter Zeit passierte eindeutig genug Scheiß. Schließlich bat Direktor Finnick mit tattriger Stimme, dass wir bitte Ruhe und Geduld haben sollten, bis die Einsatzkräfte das Gebäude wieder freigeben würden, alles deutet auf Fehlalarm hin. Vins packte mich erneut am Arm. „Lass und irgendwo hin, wo ich eine rauchen kann!“ Ich seufzte, sah kurz nach, ob kein Lehrer in der Nähe stand und wir verzogen uns. In einer Ecke, nahe dem Sportplatz, drehte sich Vins eine Kippe. Ich steckte die Hände in die Tasche und betrachtete kurz sein markantes Profil. Er hatte schwere Brauen und ein stolzes Kinn, er sah einfach verdammt gut aus. „Wegen vorhin…“, setzte er nun an und drehte die Kippe zwischen den Fingern, „Es ist jetzt nicht so, als hätte ich nichts… also, als wäre Kim mir nicht wichtig, sie ist…“, er grinste kurz, eindeutig bei einer Erinnerung, die ich nicht kennen wollte und seufzte dann. „Ich weiß nicht, ob ich der Richtige bin… Für sie!“ „Ihr müsst miteinander reden!“, sagte ich, was auch das Einzige war, das ich dazu sagen würde. Ich könnte sonst nicht garantieren, dass ich ihm riet, sie auf der Stelle abzuschießen. Was fies war, aber Kim war ehrlich verliebt und Vins wusste nicht, was er empfand. Wäre da ein schnelles Ende nicht das Beste? „Vincent Treasur?“, kam es plötzlich hinter uns. Ein Mann in Hemd und Anzug stand vor uns. Die Haare lässig nach hinten gekämmt und die Augen hinter einer spiegelnden Sonnenbrille versteck hatte er die Hände tief in den Taschen und beobachtete uns offensiv Kaugummi kauend. Er war Mitte 30 und ich hatte ihn noch nie gesehen, aber er machte mich fürchterlich nervös. „Bei dem ganzen Rauch ist es ja kein Wunder, dass ein Fehlalarm ausgelöst wird!“, ruckte er mit dem Kopf zu Vins Zigarette und wollte wohl witzig sein. Vins in des zog provokant an seiner Kippe und schnarrte dann: „Ein Fehlalarm ist auch ein guter Moment, das irgendwelche Perversen mit Schuljungen reden!“ „Ja, da hast du nicht unrecht!“, nickte der Typ nun lachend und griff in die Innentasche seines Jacketts. Er zog sein Portmonee hervor und sagte dann: „Gott sei Dank bin ich keiner! Ich bin Spezialagent Fortman vom FBI!“ Sein Ausweis schimmerte in der Sonne und mir wich alle Farbe aus dem Gesicht. „Wo ist ihr Partner?“, fragte ich mechanisch. „Bitte?“, sah mich der Beamte an. „Polizisten und auch Agents sind eigentlich immer mit Partner unterwegs, zur Sicherheit!“ „Nun selbst unsere Einrichtung bleibt vor Kürzungen nicht verschont, manchmal erledigen wir die ungefährlichen Sachen deshalb allein.“, er sprach mit mir wie mit einem kleinen Kind, doch musterte mich eindeutig argwöhnisch und spuckte schließlich seinen Kaugummi aus. Dies wirkte unerwartet vulgär, dabei zog er ebenfalls eine Schachtel Zigaretten raus. „Ich möchte jetzt mir auch kein Duell liefern, sondern hab einfach nur ein paar Fragen an dich Vincent!“ „Haben Sie die Erlaubnis von Vins Eltern?“, fragte ich sofort und verschränkte die Arme vor der Brust. Agent Fortman zog die Brauen hoch. „Er ist erst 17, also noch minderjährig. Sie können ihn nicht einfach verhören, außerdem weiß die Schule, dass sie hier sind?“ Ich spürte Vins erstaunten Blick auf mir. „Ich denke ich werde gerade den Sohn von Officer Sprout vor mir haben?“, schmunzelte der Beamte nun, es versetzte mir einen Stich, dass er meinen Vater kannte. Wollte er damit erreichen, dass ich ihn für offizieller hielt? „Und wenn so ist?“, fragte ich zurück. „Er ist ein guter Cop.“, nickte Fortman nun vor sich her, „Aber keine Sorge, ich will deinem Kumpel nur ein paar Fragen stellen, nichts schlimmes. Vielleicht hast du ja auch eine Antwort auf die eine oder andere Frage…“, überlegte der Ermittler nun und Vins schnitt ihm das Wort ab. „Nein, wenn Sie was von mir wissen wollen, bitte, aber lassen Sie Oscar daraus!“, sagte Vins scharf und meinte dann zu mir, „Am besten guckst du mal, ob schon aufgefallen ist, dass wir weg sind!“ „Du musst nicht mit ihm reden!“, sagte ich sofort, ich konnte es nicht fassen, dass er mich wegschickte. Er konnte doch nicht ernsthaft denken, dass ich ihn hier allein lassen würde? „Ich weiß!“, doch sein Blick sagte mir, dass er es trotzdem einfach hinter sich bringen würde. Langsam viel bei mir der Groschen, dass Vins wahrscheinlich fast froh war, dass der Typ so mit ihm sprach ohne seinen Eltern mit einzubeziehen. Oder eher seinem Vater, dem Schläger! „Ich komm gleich nach!“, meinte Vins nun eindeutiger als ich mich immer noch nicht bewegte und ich nickte mechanisch. Mit einem letzten wütenden Blick auf Agent Fortman ging ich los. Ich wusste nicht warum, doch der Typ behagte mir nicht. Vielleicht könnte mir Dad mehr zu ihm sagen heute Abend. Irgendwas stimmte hier gewaltig nicht. Nur was? Ich drehte mich um und wie Vins von Agent eine Zigarette angeboten bekam. Welche Fragen hatte der Agent an ihn, welche Antworten hatte Vins vor mir nicht geben wollen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)