Equals von Minami ([KiriBaku; Fantasy AU, Dragon!Kirishima]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Bakugou war ein Einzelgänger, immer schon gewesen. Menschen waren ihm zuwider. Zu anstrengend und zu schwach. Die Mühe einfach nicht wert.   Doch die Person, deren Rücken er mit gefletschten Zähnen zu Boden pinnte, fing sein Interesse.   Große rote Augen, die trotz der deutlichen Niederlage ein unübersehbares Funkeln in sich trugen. Ein Feuer. Leidenschaft.   Außergewöhnliche spitze Zähne, an einigen Stellen blutbefleckt, die durch ein breites, aufgeregtes Grinsen entblößt wurden.   Rotes, spitz geformtes Haar, beschmutzt mit Schlamm, das von zwei weißen, beindruckenden Hörnern gekrönt wurde.   Und vor allem diese majestätischen, braungefärbten Flügel, die aus seinem Rücken hervor ragten.   Menschen waren ihm zuwider, doch die Person, die er gerade in diesem Kampf besiegt hatte, war eindeutig kein Mensch.   Es war ein Gestaltenwandler. Ein Drachenwandler, um genau zu sein. Bakugou hatte schon von ihnen gehört. Natürlich hatte er das, es gab schließlich zahlreiche Legenden über sie, aber er hatte ihnen nie Glauben geschenkt. Bakugou war nicht naiv. Er glaubte nur das, was er auch sah.   Und das, was er hier sah, war eindeutig kein normaler Mensch. Er hatte schließlich mit eigenen Augen beobachten können, wie sich der mittelgroße, rotbeschuppte Drache in eine menschenähnliche Gestalt verwandelt hatte.   „Lass mich mit dir kommen“, drang die Stimme des Drachenwandlers an sein Ohr, tief und eindringlich. „Bitte.“   Seine Worte waren so aufrichtig, dass Bakugou angewidert die Zähne bleckte. „Ziemlich dreist von dir, nach deiner erbärmlichen Leistung solch eine Anforderung zu stellen, huh?!“   „Das war keine Anforderung“, stellte der Gestaltwandler klar, „sondern eine Bitte.“   „Ach, jetzt willst du für deine Niederlage auch noch eine verfickte Belohnung?!“ Knurrend verhärtete Bakugou den Griff, den er um seine Handgelenke hatte, und drückte sie mit noch mehr Kraft in den schlammigen Boden. „Solch ein Schwächling wie du wäre mir nur ein Klotz am Bein.“     Es war kein einfacher Kampf gewesen, im Gegenteil. Bakugou konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal mit solch einem hartnäckigen Gegner zu tun gehabt hatte. Trotz seiner guten Reflexe hatte er den einen oder anderen harten Treffer nicht abwehren können. Das Blut, das ihm in regelmäßigen Abständen aus der Nase und auf die Brust des Rothaarigen tropfte, war schließlich Beweis genug. Trotz allem hatte Bakugou die Schlacht gewonnen. Er war der Sieger und das Ergebnis war schließlich das, was im Endeffekt zählte.   „Dann trainiere mich!“, rief der Gestaltwandler aus. „Ich habe noch nie zuvor solch einen erbarmungslosen Krieger wie dich getroffen. Ich will auch so männlich sein wie du!“   „Tch!“, entkam es Bakugou. Er drehte den Kopf zur Seite, die Unterlippe leicht vorgeschoben, und betrachtete sein Gegenüber aus dem Augenwinkel.   Auch er hatte noch nie zuvor solch eine Person getroffen. Ein Wesen aus uralten Legenden. Seine Neugierde war geweckt. Es wäre dumm von ihm, solch eine Seltenheit einfach gehen zu lassen. Also warum sollte er ihn nicht mit auf seinen Reisen nehmen? Vielleicht war er ihm ein guter Diener. Im schlimmsten Fall konnte Bakugou ihn immer noch verkaufen. An einen Freak-Zirkus. Oder vielleicht sogar an ein Bordell. Er konnte jedenfalls nicht abstreiten, dass er ein attraktives Gesicht hatte.   Es war eine interessante Mischung. Diese großen, beinahe treudoofen Augen, gepaart mit einer markanten Nase und einer kleinen, dennoch deutlich sichtbaren Narbe an seinem Augenlid. Dazu dieser durchtrainierte Körper… Ja, in einem verdammten Puff würde er sicherlich ein halbes Vermögen für diesen Kerl bekommen.     Entschlossen richtete Bakugou sich auf, rieb das restliche Blut von seiner Nase mit seinem Arm ab, und setzte sich in Bewegung. Dabei konnte er einen stechenden Blick in seinem Rücken spüren. Wahrscheinlich wusste der Rotschopf mit seiner Reaktion und seiner Stille nichts anzufangen.   Bakugou ließ einen tiefen Atemzug aus seiner Nase aus. „Dann beweg deinen verdammten Arsch oder bleib hier. Wer nicht mithalten kann, wird verfickt nochmal zurück gelassen, verstanden?! Ich hab dir gesagt, dass ich keinen elendigen Klotz am Bein brauche.“   Ein aufgeregtes Keuchen, dann das Geräusch von nackten Füßen im Schlamm, die schnell an seine Seite eilten. „Ich bin übrigens Kirishima!“, stellte er sich vor und das mit solch einem Strahlen im Gesicht, das Bakugou unwillkürlich die Augen etwas zusammen kniff. „Kirishima, Eijirou!“   „Geh hinter mir, verdammt!“, fuhr Bakugou ihn an und schubste ihn mit der Hand grob einige Meter zurück. „Du wirst mir dienen, also verhalte dich verdammt nochmal auch so!“   „Sorry!“ Kirishima rieb sich den Nacken und streckte die Zunge ein wenig heraus, blieb aber artig hinter Bakugou. Gut, da gehörte dieser Scheißkerl nämlich auch hin. Hinter ihn, nicht neben ihn. „Wie heißt du?“   „Bakugou.“   „Bakugou“, wiederholte Kirishima. Er hatte einen leichten Akzent, fiel dem Blonden auf. Höchstwahrscheinlich kam er nicht von hier, sondern nannte eine andere Gegend sein Zuhause. Vielleicht hatten Drachenwandler auch eine andere, ganz eigene Sprache und Kirishima hatte sich die des gewöhnlichen Volkes angeeignet.   „Bakugou, Bakugou. Gefällt mir! Der Name hat etwas Männliches. Bakugou!“   „Halt die verfickte Schnauze!“, blaffte Bakugou ihn an, während sie gemeinsam einen Wald betraten. Der Wald aus dem er geeilt war, als er den lauten Schrei eines Drachen vernommen hatte. Verdammt, er bereute es jetzt schon, dem Kerl seinen Namen gegeben zu haben. „Fuck, wer hätte gedacht, dass Drachenwandler solche Quasselstrippen sind!“   „Sorry, ich bin nur so schrecklich glücklich!“, gab Kirishima von sich. „Ich hab so lange nicht mehr mit einem Menschen geredet! Oder generell mit jemanden geredet!“   Ein dumpfer Schlag war zu hören. Direkt darauf noch einer. Sofort alarmiert drehte Bakugou sich um, bereit zum Kampf, nur… Nur um im nächsten Moment festzustellen, dass das Geräusch vom Schweif des Gestaltwandlers kam. Der Schweif, der wie der eines verdammten Hundes aufgeregt hin und her wedelte und dabei gegen den einen oder anderen Baum schlug. Und das mit solch einer Wucht, dass er Abdrücke im Stamm hinterließ.   Ungläubig starrte Bakugou ihn an. „Ich dachte, du bist ein Drache und kein verfickter Köter, verdammt!“   „Ich bin auch ein Drache!“, bestätigte Kirishima und flatterte einmal, wie zur Bestätigung seiner Worte, mit den Flügeln. „Aber auch Drachen können aufgeregt sein!“   „Oh mein verfickter Gott.“ Stöhnend schlug sich Bakugou gegen die Stirn und drehte seiner neuen Begleitung wieder den Rücken zu. „Ich bereue es jetzt schon, dich mitgenommen zu haben.“   Kirishimas erheitertes Gelächter schallte durch den gesamten Wald.   ~xXx~   Und so war es um Bakugous geliebte Ruhe geschehen.   Kirishima plapperte ohne Punkt und Komma, tagein und tagaus. Dass Bakugou sich nicht am Gespräch beteiligte, schien ihn nicht einmal zu stören. Unbeirrt quatschte er weiter und immer weiter.   Es war ungewohnt. Soweit Bakugou sich erinnern konnte, war er immer alleine auf Reisen gewesen. Die Stille war bisher sein einziger Begleiter gewesen. Und jetzt hatte er einen hyperaktiven Gestaltwandler bei sich, der ihm die Ohren blutig laberte.   Es war ungewohnt, aber nicht unbedingt… schlecht. Es war durchaus interessant, ab und an etwas über den Anderen zu erfahren. Wie zum Beispiel, dass Kirishima bei einer alten, liebevollen Dame aufgewachsen und seit ihren Tod komplett alleine war. Oder dass Drachenwandler nicht gerne gesehen wurden, weder bei Menschen, noch bei Drachen. Sie waren schließlich nichts Halbes und nichts Ganzes.   Es war eine Abwechslung, diesen Geschichten zu lauschen. Auf Dauer konnte er solch ein teilweise nerviges Gequatsche sicherlich nicht ertragen, aber für den Moment… Für den Moment war es auszuhalten.   Zudem hatte es auch einige Vorteile, einen halben Drachen mit auf seiner Reise zu haben. Kirishima kümmerte sich um das Fangen und Erlegen der Beute, während Bakugou sich um die Zubereitung kümmerte.   Etwas, von dem Kirishima schier begeistert schien.   Die letzten Tage hatten sie sich nur von Früchten und Pilzen ernährt, da das Waldgebiet, in dem sie sich zurzeit befanden, weitestgehend unbewohnt zu sein schien. Aber heute hatten sie Glück und tatsächlich ein Tier antreffen können, das Kirishima prompt gerissen hatte.   Er hatte sich dafür nicht mal umwandeln müssen, seine Zähne und Nägel waren so spitz, dass sie völlig ausreichend waren, um Beute zu erlegen.   „Wow“, hauchte Kirishima, beinahe ehrfürchtig. Die Flammen spiegelten sich in seinen großen, begeisterten Augen wieder, während er zusah, wie Bakugou den Hasen häutete und an einem Spieß über ihr Lagerfeuer hing.   „Was“, brummte Bakugou und entledigte sich seines Mantels, um ihn auf dem Waldboden auszubreiten und sich gemütlich hinzusetzen.   „Ich hab noch nie gebratenes Fleisch gegessen“, erwiderte Kirishima. „Baa-chan hat sich Fleisch nicht leisten können und nach ihrem Tod hab ich meine Beute einfach so verschlungen.“ Fasziniert beobachtete er, wie die Flammen am Fleisch leckten. Er konnte kaum den Blick abwenden, fast so, als würde er irgendeine spannende Wendung erwarten.   „Hast du den Scheiß roh gefressen oder was?“   „Jepp!“   Bakugou betrachtete ihn, erinnerte sich daran, wie sich diese spitzen Zähne skrupellos in ihre frische Beute gebohrt hatten und an das Blut, das über seine Lippen sein Kinn entlang gelaufen war. Manchmal vergaß er, dass sein Gegenüber tatsächlich zur Hälfte ein Drache war. Eines der brutalsten Wesen überhaupt.   Doch Kirishima strahlte solch eine kindliche Naivität aus, etwas, was er nie mit einem Drachen in Verbindung gesetzt hätte. Aber er durfte sich von seinem Verhalten nicht zu sehr täuschen lassen. Egal, wie unschuldig und liebenswürdig Kirishima auch erschien, er war immer noch eine Bestie. Etwas, das Bakugou nicht vergessen durfte. Denn sonst würde er irgendwann als Beute enden.   Ihre Blicke trafen sich. Als Kirishima bemerkte, dass Bakugous Aufmerksamkeit auf ihm ruhte, fing er sofort an freudig mit dem Schweif zu wedeln, dabei ein kleines Lächeln auf den Lippen. An seinem Mundwinkel klebte immer noch ein wenig getrocknetes Blut.   „Tsk“, entkam es Bakugou. Er brach den Blickkontakt, um sich stattdessen einen Zweig zu schnappen und damit im Lagerfeuer herum zu stochern. „Du bist ein verfickter Drache, oder nicht?! Du hättest die Beute ganz leicht braten können. Idiot.“   Sofort schlich sich ein verlegenes Grinsen auf Kirishimas Züge. „Ich kann mein Feuer noch nicht so gut kontrollieren“, gab er zu und rieb sich den Nacken. „Ich bin noch ziemlich jung, weißt du? Für einen Drachenwandler, mein ich.“   Bakugou verengte die Augen und betrachtete ihn. Äußerlich betrachtet erschien Kirishima kaum älter als er selbst, aber anscheinend hatten diese Wesen wohl ihre eigene Altersrechnung. Drachen konnten schließlich sehr, sehr alt werden, also lag es nur nahe, dass auch Kirishima länger leben würde als ein gewöhnlicher Mensch.   „Wie alt bist du, huh?“   „Ich bin 58!“, erwiderte Kirishima aufgeregt und auch das Wedeln seines Schweifs wurde schneller und intensiver. So wie immer, wenn Bakugou ihm persönliche Fragen stellte. Musste echt scheiße sein so ein Ding zu haben, das immer so deutlich die Laune seines Besitzers verriet. „Und du, Bakugou?“   „Fuck, du bist ja ein alter Mann“, brummte Bakugou. Er richtete sich auf seinen Knien auf, um den Spieß zu drehen. „Ich bin 16.“   „Eh?! Ich bin nicht alt!“, stellte der Rothaarige sofort entrüstet klar. „Wir sind ungefähr gleich alt!“   „Ist das so? Davon merke ich aber nichts.“   „Natürlich ist das so!“ Bestimmt schlug Kirishima mit dem Schweif auf den Boden. „Ich würde dich doch nicht anlügen, das ist unmännlich!“     Der selbstgebaute Spieß mit dem Hasen wackelte daraufhin gefährlich, also warf Bakugou dem Anderen einen drohenden Blick zu und richtete ihn schnell wieder. „Pass auf, Arschloch! Du hast vielleicht nichts dagegen rohes, blutiges Fleisch zu fressen, aber ich zwing mir so einen Scheiß bestimmt nicht rein!“   Kirishima zog einen Schmollmund. „Bringst du mir bei, wie man Fleisch brät? Und Tiere häutet? Ich möchte dir beim nächsten Kochen helfen! Ich soll dir ja schließlich dienen, richtig?“   „Wenn’s sein muss.“   „Cool!“   Kurz darauf war ihr Abendessen auch schon angerichtet. Der Duft des Fleisches ließ ihnen beiden das Wasser im Munde zusammen laufen und entlockte ihren Mägen ein vorfreudiges Knurren. Gierig, wie sie waren, warteten sie erst gar nicht lange darauf, dass das Essen abkühlte und schlugen sich sofort den Bauch voll.   Lange dauerte es allerdings nicht, bis Kirishimas Magen ein seltsames Geräusch von sich gab. „Oh, oh“, kommentierte der Gestaltenwandler dies und verzog das Gesicht.   Irritiert hob Bakugou eine Augenbraue in die Höhe. „Was?“, wollte er mit vollem Mund wissen und wischte sich den Speichel vom Kinn.   Kirishima öffnete den Mund, doch anstatt ihm eine Antwort zu geben, entkam ihm stattdessen ein Rülps. Begleitet von einem kleinen Schwall Feuer.   Erschrocken zuckte Bakugou zusammen. „Was zum Fick?!“   „Urghs“, erwiderte Kirishima, die Miene angestrengt. Dann entkam ihm ein weiterer Feuer-Rülpser.   Bakugou starrte ihn fassungslos an. „Ich dachte, du kannst kein Feuer speien?!“   „Kann ich auch nicht“, meinte Kirishima mit belegter Stimme.   „Willst du mich verarschen?! Was kommt denn da bitte aus deinem Maul, du kleiner Scheißer?!“   „Ich hab Sodbrennen!“, jammerte Kirishima. „Das tut verdammt weh!“   „… Du bist so etwas von erbärmlich, Kirishima. Fuck.“   „Bakugou… Hilf mir!“   „Du wirst schon nicht sterben, also entspann dich!“, schnauzte Bakugou ihn an, schnappte sich aber nichtsdestotrotz den Wasserbehälter, um ihn Kirishima ihn die Hand zu drücken.   Dankend nahm er ihn an und trank. Und das so schnell und gierig, dass er sich prompt verschluckte und anfing zu husten.   „Verfickter Idiot.“ Seufzend schlug Bakugou ihm auf den Rücken, erst grob, dann immer sanfter, bis er mit seiner Handfläche kleine Kreise malte. Dies schien Kirishima soweit zu beruhigen, dass er wieder vorsichtig am Wasser nippen konnte. Er musste noch ein paar Mal aufstoßen, immer mit einer kleiner Flamme begleitet, bis er schließlich geschafft in sich zusammensackte.   „Danke“, sagte er und schenkte Bakugou ein kleines Lächeln.   Zungenschnalzend blickte der Blonde zur Seite und nahm seine Hand weg. „Was zur Hölle war das? Hast du das öfter?“   „Eigentlich nicht? Keine Ahnung, vielleicht habe ich das Essen nicht so gut vertragen? Mein Magen ist ja schließlich nur rohes Fleisch gewöhnt.“   „Dann friss das nächste Mal auch verficktes rohes Fleisch. Gebratenes Fleisch ist viel zu wertvoll, um es an dich zu verschwenden.“   „Nein! Bakugou!“   „Was? Du verträgst den Scheiß doch eh nicht.“   Seufzend streckte Bakugou die Hände aus. „Mund auf“, befahl er und umfasste Kirishimas Gesicht.   „Huh?“ Rote Augen blinzelten verwirrt, während Kirishima seine Wange mit mehr Kraft an Bakugous Hand schmiegte. Ohne zu hinterfragen, warum er ihn überhaupt angefasst hatte. Oder sich zu beschweren. Im Gegenteil. Er schien diese Berührung sogar zu genießen.   Bakugou spürte, wie sein Nacken heiß wurde. „Mund auf, verdammt!“   Kirishima zog die Augenbrauen zusammen, tat aber, wie ihm befohlen wurde. Neugierig warf Bakugou einen Blick hinein. Für einen Moment verharrten seine Augen auf diesen spitzen Zähnen, bevor er seine Mundhöhle abcheckte, auf der Suche nach irgendeiner Drüse oder ähnlichem.   „Brauchen Drachen nicht eine Drüse oder so einen Scheiß, um Feuer zu produzieren? Woher ist der Mist hergekommen?“ Irritiert runzelte Bakugou die Stirn.   „Keine Ahnung.“ Kirishima zuckte mit den Schultern. „Hat sich angefühlt wie aus dem Bauch oder der Magenröhre oder so. Hat auf jeden Fall wehgetan!“   „Weichei“, murrte Bakugou. Er drehte Kirishimas Gesicht in verschiedene Richtungen, konnte aber auch aus verschiedenen Winkeln nichts Auffälliges erkennen. „Du Freak.“   Bakugou schlug ihm auf die Wangen, nicht unsanft. „Sieh dich nur an mit deinen spitzen Zähnen und deinen spitzen Ohren und deinen verfickten Hörnern.“   Bestimmt wanderte seine Hand höher und umfasste eins der weißen Hörner. Es war glatt, wie Schlangenleder. Ungewohnt, aber nicht unbedingt unangenehm. Die Spitze des Horns war dünn, während es in Richtung Basis immer breiter wurde. So breit, dass Bakugou es nicht komplett mit einer Hand umfassen konnte.   „Hng?“ Kirishima keuchte.   Bakugous Blick, der bis dahin das Horn in seiner Hand begutachtet hatte, wanderte tiefer, zu Kirishimas Augen. „Was?“   „Nichts, das fühlt sich nur… komisch an.“ Kirishima biss sich auf die Unterlippe.   „Hm“, summte Bakugou. Er fing an, die Hand in einer obszönen Geste auf- und abzubewegen. „Spürst du das?“   „Bakugou…!“   „Was? Spürst du das oder nicht?“   Eine feine Röte schlich sich auf Kirishimas Wangen. „Natürlich spüre ich das, Mann!“   „Huh“, machte Bakugou leise. „Fühlt es sich gut an? Ist das eine erogene Zone oder so ein Scheiß?“   „Fühlt sich… komisch an. Aber nicht unbedingt… schlecht.“   Bakugou konnte nicht verhindern, dass sein rechter Mundwinkel für ein süffisantes Schmunzeln in die Höhe zuckte. „Hol ich dir gerade einen runter?“, wollte er wissen und erhöhte die Bewegung seiner Hand. „Ist das wie Drachenwandler ficken?“   Kirishima musste lachen, aber es klang leicht atemlos. „Das ist mein Horn und nicht mein Schwanz!“, stellte er klar. Grinsend schlang er seinen Schweif um Bakugous nackten Oberkörper. Er war warm, beinahe Körpertemperatur, und leicht beschuppt, dementsprechend rau fühlte er sich auf seiner Haut an. „Das“, sagte Kirishima mit funkelnden Augen und zog Bakugou näher an sich heran, die Spitze seines Schweifs in gefährlicher Nähe zu Bakugous Schritt, „ist mein Schwanz. Dummkopf.“   Bakugou schnaubte. Kirishima war ihm nun so nah, dass er seinen regelmäßigen, warmen Atem an seinem Kinn spüren konnte. Das Bedürfnis, ihm das Blut vom Mundwinkel zu wischen, war groß, aber er behielt seine Finger bei sich. „Erbärmlich. Mein Schwanz ist größer.“   Kirishima blinzelte verdutzt und brach dann in Gelächter aus. Der Griff seines Schweifs lockerte sich langsam, während sein gesamter Körper vor Freude bebte, bis er gänzlich von ihm abließ.   Bakugous Mundwinkel zuckten erneut, während er nach dem Hasen griff und sein Abendessen fortsetzte.   ~xXx~   Bakugou konnte es wirklich kaum erwarten, bis sie aus diesem Dreckswald heraus waren. Doch leider erstreckte sich dieser über mehrere Kilometer und war zudem so verworren, dass es leicht war vom rechten Weg abzukommen. Besonders, wenn man so eine Begleitung wie Kirishima hatte, die sich gefühlt alle fünf Minuten verlief und dann so lange „Bakugou!“ rief, bis der Blonde ihn orten und wieder aufgabeln konnte. Eine komplette Zeitverschwendung.   Kirishima hingegen schien der Wald zu gefallen. Es war Herbst, was hieß, dass immer mehr braune Blätter von den Ästen auf den Boden und auf sie herab rieselten. Begeistert fing der Gestaltenwandler jedes Blatt auf und verstaute es in seiner Tasche. Aber nicht nur Blätter wurden aufgesammelt und bewahrt, sondern auch… Steine.   Stinknormale, verfickte Steine.   Doch diese wanderten nicht in Kirishimas überfüllte Tasche. Oh nein. Die Steine, die Kirishima fand, wurden Bakugou mit einem beinahe schüchternen Lächeln übergeben.   Mit erhobener Augenbraue rollte Bakugou den eckigen, schwarzen Stein in seiner Handfläche. „Was soll ich mit dem Scheiß?“, fragte er und warf ihn wieder zurück in den Wald.   „Bakugou! Nein!“ Hastig eilte Kirishima dem Stein hinterher und sammelte ihn auf, um ihn Bakugou erneut in die Hand zu drücken. „Behalt ihn, okay?“   Bakugou rollte mit den Augen, hielt den Stein aber solange in seiner Hand, bis Kirishima ihm wieder den Rücken kehrte. Dann schmiss er ihn weg. Was sollte er auch schon mit einem scheiß Stein anfangen?   Er wusste zwar, dass Drachen gerne Gegenstände horteten. Aber in den Legenden, die er gehört hatte, war es meist Gold und nicht so etwas Nutzloses wie verdammte Steine. Das teilte er Kirishima auch prompt mit, als dieser einige Stunden mit dem nächsten Stein ankam.   „Kannst du nicht etwas Nützliches aufsammeln?!“, fuhr er ihn an und warf auch diesen Stein weg. „Was soll ich bitte mit Steinen?!“   Kirishima zuckte zusammen, als seien diese Worte eine verbale Ohrfeige für ihn gewesen. „Tut mir leid“, sagte er, ein Lächeln auf den Lippen, das nicht seine Augen erreichte. „Kommt nicht wieder vor, Bakugou.“   Und das tat es auch tatsächlich nicht.   ~xXx~   Einige Tage später hatten sie es tatsächlich aus diesem verdammten, schier endlosen Wald heraus geschafft. Doch wirklich darüber freuen, konnte sich Bakugou allerdings nicht. Denn nun hatten sie das nächste Problem:   Regen.   Im Wald waren sie noch einigermaßen geschützt gewesen, aber nun, wo ihre Reise sie erst einmal durch ein ungeschütztes, offenes Feld führte, fielen sie ihm zu Opfer.   Leichter Regen war sogar noch ganz angenehm auf der Haut, doch momentan herrschte solch ein heftiger Starkregen, dass Bakugou kaum sein eigenes Wort verstand.   „Fuck!“, brüllte er und blickte zu Kirishima, der wie ein begossener Pudel hinter ihm stand, die sonst so wilden Haare platt in seinem Gesicht hängend. „Wollen wir zurück in den scheiß Wald? Verdammt, warum ist hier aber auch weit und breit kein Unterschlupf?!“   Er drehte sich bereits um, da spürte er eine warme Hand auf seiner sonst so kalten und nassen Haut. „Warte!“, meinte Kirishima. „Ich hab eine bessere Idee!“   Der Rotschopf ging ein paar Schritte zurück, dann stieg plötzliche eine Schwade heißer Luft auf, die ihn umhüllte und dann blickte Bakugou auch schon in die riesigen, schlitzförmigen Augen eines Drachen.   Kirishimas andere Form.   Instinktiv wich Bakugou einen Schritt zurück, die Haltung bereit zum Angriff. Es war so lange her, seitdem er Kirishima das letzte Mal als Drachen gesehen hatte. Es war ein ungewohnter Anblick, dementsprechend groß war auch Bakugous Respekt.   Normalerweise befand sich Kirishima in seiner menschlichen Form, die er auch eindeutig bevorzugte. „Weil ich dann mit dir reden kann!“, hatte er Bakugou einst erklärt, als er ihm die Frage gestellt hatte. Ein lächerlicher Grund in seinen Augen, aber gut. Das war ja immer noch Kirishimas Entscheidung.   Umso überraschter war er nun über die plötzliche Änderung seiner Gestalt. Kirishima schien seine Reaktion allerdings als Angst zu interpretieren, da er ein tiefes, beruhigendes Geräusch von sich gab und den Blonden liebevoll mit seiner Schnauze anstupste.   Sofort liefen Bakugous Ohren rot an. „Ich hab keine Angst, du Scheißvieh!“, stellte er sofort klar und legte die Hände auf Kirishimas Schnauze. „Fuck, für wen hältst du mich?!“   Der Drache schnaubte; ein Geräusch, das beinahe nach einem Lachen klang. Die warme Luft, die dabei aus seinen Nüchtern ausgestoßen wurde, traf Bakugou mitten ins Gesicht und ließ ihn erschrocken einen Schritt zurück taumeln.   „Arschloch!“, brüllte er. „Was soll die Scheiße überhaupt? Du spürst den verfickten Regen als Drache doch wohl auch oder nicht?!“   Kirishima schüttelte sich, wie ein nasser Hund, bevor er seine Flügel ausbreitete und Bakugou sanft in Richtung seines Körpers schubste. Ah, das war tatsächlich gar keine schlechte Idee. Zumindest Bakugou konnte so trocken bleiben. Eine Einladung, die er nur allzu gerne annahm.   Nickend presste er sich an Kirishimas Seite und blickte nach oben, betrachtete den Flügel, der wie ein Regenschirm über seinem Kopf ausgebreitet war. Komplett und von allen Seiten konnte er ihn so nicht vom Regen abschirmen, aber die paar Tropfen waren auszuhalten.   „Wer hätte gedacht, dass in deinem Dickschädel tatsächlich ein Gehirn steckt?“ Bakugou schnalzte anerkennend mit der Zunge und legte seine Hand auf Kirishimas schuppige Haut. Gedankenverloren fing er an, über seine Seite zu streicheln. „Danke, schätz ich. Du kannst ja doch ein guter Diener sein.“   Kirishima gab ein glückliches Gurren von sich. Ein Geräusch, das immer lauter und intensiver wurde, bis der Boden unter Bakugous Füßen tatsächlich anfing zu beben.   „Fuck! Was zur Hölle?!“ Erschrocken drückte sich Bakugou vom Drachen ab. „Willst du ein verficktes Erdbeben auslösen, du Idiot?!“   Kirishima gab ein wehleidiges Wimmern von sich. Bakugou hob eine Augenbraue. Das Wimmern ertönte erneut, diesmal noch länger, noch erbärmlich klingender. Es war nervtötend. „Was?!“, fuhr der Blonde ihn an. „Ich bin kein verfickter Drachenflüsterer, ich hab keine Ahnung, was du von mir willst!“   Sanft wickelte der Drache seinen Schweif um seine Hüfte. Bakugou war schon so oft von diesem Ding umklammert worden, dass er nur noch müde blinzeln konnte. Obwohl der Schweif, den Kirishima in seiner menschlichen Form hatte, natürlich bei weitem nicht so gewaltig war wie dieser hier. Kirishima presste ihn erneut an seinen Körper heran. Grummelnd stützte sich Bakugou an seiner Haut ab.   „Was, verdammt?!“, wollte er wissen, immer noch völlig ratlos, und tätschelte ihn.   Da. Da war es wieder. Dieses gurrende Geräusch. Bakugou hielt für einen Moment inne und zog die Augenbrauen zusammen. Moment, dieses Geräusch… Könnte es vielleicht sein, dass… Entschlossen tätschelte Bakugou ihn erneut und- jepp. Das war eindeutig ein Schnurren, das Kirishima da von sich gab.   „Verdammt…“ Schnaubend schüttelte Bakugou den Kopf, dann benutzte er auch die andere Hand, um Kirishima zu streicheln. „Bist du eine verfickte Katze oder was?! Ein schnurrender Drache, tsk!“   Kirishima beachtete ihn nicht, schnurrte nur weiterhin zufrieden vor sich hin. Es dauerte nicht lange, bis der Boden erneut anfing zu beben, doch jetzt, wo Bakugou wusste, was es mit diesem Geräusch auf sich hatte, störte es ihn nicht weiter.   Irgendwie musste er sich ja dafür revanchieren, dass er einen verdammten Drachen als Regenschirm missbrauchen durfte.   ~xXx~   Jetzt, wo sie nicht mehr von Bäumen umzäunt waren und mehr Bewegungsfreiheit hatten, konnten sie endlich ihr Sparring fortsetzen. Oder viel eher richtig damit beginnen. Kirishima hatte ihn darum gebeten, ihn zu trainieren, also tat Bakugou auch genau dies. Wer wollte schließlich schon einen verdammten Drachenwandler an seiner Seite haben, der schwach im Kampf war? Bakugou sicherlich nicht!   Obwohl er sich immer und immer wieder ins Gedächtnis rufen musste, dass Kirishima tatsächlich etwas auf dem Kasten hatte. Er hatte ihm schließlich einen verdammt harten Kampf geboten, damals, als sie sich zum ersten Mal gesehen hatten.   Er war nur inzwischen so sehr an den liebenswürdigen, verspielten Kirishima gewöhnt, dass seine Umwandlung beim Sparring Bakugou im ersten Moment immer wieder den Atem raubte.   Kirishima wirkte wie ein anderer Mensch bei ihrem Training. Oder nein, nicht wie ein Mensch. Wie ein Biest. Bei der Art und Weise, wie er kämpfte, wurde deutlich, dass auch das Blut eines Drachen durch seine Adern floss. Kirishima war gnadenlos und brutal, aber trotz allem immer fair. Er benutzte keine schmutzigen Tricks, keine ausgeklügelte Taktik. Er verließ sich auf seine geballte Kraft.   Ein Blick in seine Augen, in die pure Leidenschaft, die in diesen zu sehen war, brachte Bakugous Puls zum Rasen, wie es schon lange zuvor keiner mehr geschafft hatte. Mit Kirishima zu trainieren war aufregend, es machte sogar Spaß zu sehen, wie er sich immer weiter verbesserte, wie er Bakugous Tipps und Tricks annahm und immer stärker und stärker wurde. Immer besser.   Bakugou war ein sehr selbstverliebter Mensch, aber wenn es Kirishima tatsächlich einmal schaffte ihn auf den Boden zu pinnen und bewegungsunfähig zu machen, dann war der Blonde nicht gekränkt, oh nein. Er verspürte sogar einen gewissen Stolz in seiner Brust aufschwellen.   Genau wie auch in diesem Moment. Kirishima hatte es geschafft, ihn auf den harten Boden zu bringen, platzierte sein gesamtes Körpergewicht auf Bakugous Oberschenkeln, während er seine Handgelenke mit unbarmherzigen Griff umfasste und ins Gras drückte.   Seine Zähne waren in einer Drohgebärde gefletscht und sein Gesicht so sehr herunter gebeugt, dass sie dieselbe Luft atmeten. „Gibst du auf?!“, entkam es ihm knurrend.   Bakugou ließ einen tiefen Atemzug aus seiner Nase aus, knirschte einmal mit den Zähnen und dann entspannte er seinen kompletten Körper. Er gab dem Rotschopf keine verbale Antwort, seine Niederlage kratzte trotz des Stolzes, den er empfand, zu sehr an seinem Ego, um die Frage zu bejahen. Glücklicherweise kannte Kirishima ihn inzwischen gut genug, um die nonverbalen Zeichen deuten zu können.   „Gut.“   Auch Kirishima entspannte sich wieder. Das Lächeln war zurück in seinem Gesicht, während er den Griff um Bakugous Handgelenke lockerte. Doch er ließ nicht von ihm ab, stattdessen wanderte er mit den Händen höher, um seine Finger mit Bakugous zu verschränken.   Bakugou zuckte. „Was soll das werden, eine neue Umklammerungstechnik?!“   „Jepp“, war die grinsende Antwort.   Und dann sah Bakugou nur noch rot, buchstäblich, da Kirishima sich nach unten beugte, ihre Stirnen aneinander lehnte und sich sein Sichtfeld so auf Kirishima allein minimierte. Es gab weitaus schlimmere Ansichten, also ließ Bakugou es geschehen.   Eine Zeit lang sahen sie sich an, beide nach Atem ringend aufgrund ihres anstrengenden Kampfes. Es war Bakugou, der die Stille schließlich brach: „Dein Gesicht.“   „Mh?“, machte Kirishima. Sie waren sich so nah, dass Bakugou seine Worte nicht nur hörte, sondern beinahe spüren konnte. Es war nur noch ein Hauch, der ihre Lippen trennte. Eine einzige, minimale Bewegung und die Distanz wäre überbrückt. „Was ist damit?“   „Es ist eine deiner größten Waffen“, erklärte Bakugou ihm. „Ich hab noch nie so verdammt riesige Kulleraugen wie deine gesehen. Dein Gesicht ist weich. Deine Gegner werden dich unterschätzen. Doch du bist alles andere als weich, ein verficktes Biest schlummert in dir, aber das sieht man dir auf den ersten Blick nicht an. Mach dir das zunutze.“   Kirishimas Mundwinkel zuckten in die Höhe. „Wow. War das ein Kompliment? Heißt das, du findest mich hübsch?“   „Tch“, machte Bakugou daraufhin nur und blickte zur Seite. „Du bist so verfickt dumm. Das ist eine deiner größten Schwächen. Du verlässt dich allein auf rohe Gewalt. Das mag in den meisten Fällen gut ausgehen, denn viele Krieger, denen du begegnen wirst, sind dumm wie Scheiße. Aber nicht alle sind so. Es gibt auch Menschen mit einem verfickten Hirn, die dich austricksen werden. Nicht jeder kämpft so beschissen ehrenhaft wie du. Du solltest dir langsam auch ein paar Tricks aneignen.“   „Aber dafür hab ich dich!“ Kirishima drückte seine Hände, ein kleines Lächeln auf den Lippen. „Du wirst mir helfen, meinen Kopf zu benutzen.“   „Verdammt richtig.“   Ein Versprechen, das Bakugou mit einer sanften Kopfnuss besiegelte.   ~xXx~   Lange dauerte es nicht, bis sie erneut einen elendigen Wald betreten mussten. Allerdings war dieser nur halb so groß und verworren wie der vorherige, sodass sich Bakugou nur minimal darüber beschwerte.   Zudem war dieser voll von Leben. Nicht nur von Hasen, sondern auch Rehen und diversen Vogeltier, sodass sie sich abends nur selten in den Schlaf hungern mussten. Und auch heute hatte Kirishima ihnen eine fette Taube gefangen, der er nun mit angestrengter Miene die Federn rupfte.   Bakugou betrachtete ihn dabei mit gesenkten Lidern. Es war… seltsam, Kirishima so ruhig zu erleben. Normalerweise war er immer am Quatschen, immer am Summen oder am Pfeifen. Aber seit einigen Tagen war er deutlich… ruhiger geworden.   Bakugou mochte es nicht.   Nach all den Wochen, die sie nun schon miteinander reisten, hatte er sich an die Geräuschkulisse gewöhnt. Einst hatte er die Stille als angenehm empfunden aber nun, wo er Kirishima an seiner Seite hatte, hatte sich das geändert.   Er wusste nicht wann oder warum sich seine Meinung so grundlegend geändert hatte, aber Bakugou hinterfragte sie nicht. Er war nicht gut mit Gefühlen und all dem Kram. Also machte er sich gar nicht erst die Mühe, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, um zu Antworten zu kommen. Das brachte doch eh nichts und würde zu keinem Ergebnis führen.   Nein. Bakugou… fühlte einfach. Und das, was er gerade fühlte, war eindeutig Missfallen. Also entschied er, etwas dagegen zu unternehmen.   „Hey“, unterbrach er nach einigen Minuten die Stille.   Kirishima, der immer noch mit der Taube beschäftigt war, neigte den Kopf leicht in seine Richtung. „Hm?“   Bakugou versuchte locker und ungezwungen zu wirken, aber seine Körperhaltung verriet seine Anspannung. „Entsprechen die Steine hier nicht deinem Sinn von Ästhetik oder was?“   Kirishima blinzelte. „Was?“   „Ich mein ja nur, weil…“ Bakugou knirschte mit den Zähnen. In Momenten wie diesem hasste er es, wie verdammt dumm Kirishima war und dass er ihm alles immer langatmig erklären musste. „Ein neuer Wald und ich hab noch keinen scheiß Stein von dir bekommen.“   „…Oh. Aber ich dachte-“   „Du hast falsch gedacht!“, unterbrach Bakugou ihn barsch und zog die Schultern hoch, fühlte sich plötzlich überraschend verlegen und… angreifbar. „Denken ist ja eh nicht so deine Stärke, was.“   Kirishimas Augen wurden kugelrund und groß. „Bakugou…“   „Tch“, entkam es dem Blonden zischend. Er blickte zur Seite. „Ich hab verfickten Hunger, also-“   Doch noch bevor er seinen Satz beenden konnte, war Kirishima bereits in die Höhe gesprungen, das Lächeln so weit, dass sich kleine Fältchen an seinen Augenwinkeln bildeten. „Ich bin sofort wieder da!“   „Was zum Fick, bleib hier, verdammt!“, brüllte Bakugou ihn hinterher, doch Kirishima beachtete ihn nicht und raste stattdessen mit einem Summen ins Innere des Waldes. „Verdammter… Idiot.“   Seufzend rieb sich Bakugou das Gesicht und kümmerte sich um die Taube. Es dauerte einige Zeit, bis Kirishima wieder kam. So lange, dass das Fleisch bei seiner Rückkehr bereits fertig gebraten war.   Bakugou, der gerade einen Schluck Wasser trank, verschluckte sich bei dem, was er in Kirishimas Armen vorfinden konnte. „Was zur Hölle?!“, konnte er röchelnd hervorbringen, während sich der Rotschopf strahlend neben ihn setzte, der Arm voller Steine.   „Die sind für dich, Bakugou!“, teilte er ihm mit einem Grinsen mit und verfrachtete die komplette Ladung in seinen Schoß.   „Wie viele sind das, verdammte Scheiße?! Das sind genug, um dich damit zu steinigen!“   Kirishima lachte und lehnte sich näher an ihn heran, ein abwartendes Funkeln in den Augen und der Schweif aufgeregt hin und her wedelnd. Er erinnerte Bakugou in diesem Moment so sehr an einen treudoofen Hund, dass er ohne groß darüber nachzudenken die Hand unter Kirishimas Kinn legte und ihn kraulte.   Scheinbar war das die richtige Reaktion gewesen, da Kirishima inständig anfing zu schnurren, die Augen zu entspannten Schlitzen verengt.   „Mehr Köter als Drache“, schnaubte Bakugou, hörte aber nicht damit auf, ihn unterm Kinn zu kraulen.   Kirishima rutschte näher an ihn heran, bis sich ihre Knie berührten. „Welcher Stein gefällt dir am besten?“   „Was zur…“   Das war lächerlich. Absolut lächerlich. Dennoch senkte Bakugou den Blick auf den Haufen Steine in seinem Schoß und wählte einen heraus. „Der hier, schätz ich“, brummte er und nahm ihn in die Hand. Er betrachtete ihn für einige Sekunden, dann steckte er ihn seufzend in seine Tasche. „Zufrieden?“   Kirishima antwortete nicht verbal, stattdessen schmiegte er seinen Kopf an Bakugous Schulter, weiterhin am Schnurren und das, obwohl der Blonde ihn gar nicht mehr kraulte. Mit einem sanften Ausdruck in seinen roten Augen rieb er seine Wange an Bakugous Haut.   Bakugou schluckte schwer und schnappte sich einen der kleineren Steine. „Mit dem scheiß Rest kann ich dich jetzt steinigen, richtig?“, brummte er mit belegter Stimme und warf den Stein gegen Kirishimas Brust.   Das Lachen, das Kirishima daraufhin von sich gab, konnte Bakugou nicht nur hören, sondern sogar spüren.   ~xXx~   Es war ein Fehler gewesen, diesen einen Stein zu akzeptieren. Denn nun brachte Kirishima ihm jeden Tag, während sie sich um das Abendessen kümmerten, einen Haufen Steine, aus dem Bakugou sich den schönsten heraussuchen sollte. Und jeden verfickten Tag suchte sich Bakugou tatsächlich einen Stein heraus und bewahrte ihn auf.   Kirishima war zwar vielleicht ein Idiot, aber er hatte wenigstens eine Ausrede. Drachenblut floss durch seine Adern, das Horten und Aufbewahren von Dingen lag tatsächlich in seiner DNA. Und Bakugou? Er war einfach nur ein verfickter Vollidiot, der einen Sack voll nutzloser Steine mit sich herum schleppte.   Also entschloss sich Bakugou eines Tages dazu, den Spieß umzudrehen. Kirishima bereitete gerade das Lagerfeuer für die Nacht vor, während sich der Blonde eine ruhige Ecke zum Pissen ausgesucht hatte. Und da, auf dem Weg zurück zu ihrem Camp, fiel er ihm ins Auge.   Normalerweise sahen alle Steine für ihn gleich aus, aber dieser eine war ihm tatsächlich aufgefallen, also entschloss er sich ihn mitzunehmen. Im Camp angekommen, marschierte er direkt auf Kirishima zu, schnappte sich seine Hand und legte den Stein hinein.   „Da.“   Kirishima runzelte die Stirn. „Huh?“   Bakugou schnalzte genervt mit der Zunge. „Jetzt guck nicht so, als ob du noch nie einen verfickten Stein gesehen hättest, du Heuchler.“   „Was ist mit ihm?“, wollte Kirishima wissen.   „Der ist für dich.“   Eigentlich hatte Bakugou sich nicht viel bei der ganzen Sache gedacht, doch jetzt, wo er Kirishimas Reaktion sah und er beobachten konnte, wie sich Röte auf seinen Wangen bildete, kam er sich plötzlich bescheuert war.   Fuck, er hätte-   „Danke, Bakugou…!“   Kirishima grinste ihn überglücklich an. Er legte seine freie Hand auf Bakugous Gesicht, um ihn näher heran zu ziehen und rieb ihre Nasenspitzen aneinander.   Mit einem Schlag wurde Bakugous Kehle staubtrocken. „Was zur Hölle soll das werden, huh, du Pisser?!“   Der Blick, den Kirishima ihm zuwarf, war beinahe schüchtern. „So zeigen wir unsere Zuneigung. Also… Drachen, haha. Wir reiben unsere Gesichte aneinander.“   Bakugou bleckte die Zähne. „Ich bin aber kein beschissener Drache, oder?“   Bevor Kirishima darauf reagieren konnte, nahm Bakugou sein Gesicht zwischen seine Hände und brachte ihre Lippen zusammen. „Und so“, presste er mit einem deutlichen Kratzen in der Stimme hervor, „zeigen Menschen ihre Zuneigung. Kapiert?“   Mit einem dumpfen Geräusch fiel der Stein zu Boden und rollte zwischen ihre Füße, während Kirishima die Hände in Bakugous Mantel krallte, ihn so näher an sich heran zog, bis Bakugou sein wildklopfendes Herz spüren konnte, und ihn immer und immer wieder küsste.   ~xXx~   „Was ist deine Motivation, Bakugou?“, fragte Kirishima ihn eines Tages, während sie am Lagerfeuer saßen.   Inzwischen waren sie am Ende des Waldes angekommen, aber da es bereits dunkel war, hatten sie beschlossen, diese eine Nacht noch hier zu verbringen.   „Hah?“, erwiderte Bakugou und stocherte mit einem Ast im Feuer herum. „Was ist das für eine dämliche Frage?“   Kirishima zog einen Schmollmund. „Ich möchte mehr über dich erfahren. Warum du diese Reise angetreten bist. Wie du es so lange alleine durchgehalten hast.“   „Tch.“ Bakugou schnalzte mit der Zunge. „Ich hab keinen tiefsinnigen Grund, also musst du gar nicht erst mit der Psycho-Scheiße anfangen. Du weißt, was mein Ziel ist - ich werde den allmächtigen Berg besteigen. Weil Leute sagen, dass es unmöglich ist. Und ich diesen Schwachköpfen beweisen will, dass nichts unmöglich ist.“   „Hmm“, machte Kirishima und legte den Kopf schief. „Ich finde schon, dass es auf gewisse Art und Weise tiefsinnig ist.“   Bakugou brummte. „Schön für dich.“   „Warum alleine?“, fragte Kirishima weiter. „Ist es zu zweit nicht einfacher?“   „Sicherlich nicht.“ Bakugou entkam ein abschätziges Schnauben. „Andere Menschen halten mich nur zurück. Ich kann mich nicht auf sie verlassen.“   „Hm“, machte Kirishima erneut, diesmal ein trauriger Unterton mitschwingend.   Bakugou verdrehte die Augen. „Guck nicht so“, befahl er grummelnd und kraulte Kirishima gedankenverloren unterm Kinn. „Du bist kein Mensch, oder? Also musst du dich nicht angesprochen fühlen.“   Kirishima drückte sich an seine Seite. „Weißt du, das ist immer etwas gewesen, was mich belastet hat“, gab er zu. „Dass ich nirgendwo dazu gehöre. Ich bin weder Mensch, noch bin ich Drache. Ich bin… Ich weiß nicht, was ich bin. Aber ich wollte immer dazu gehören. Ich wollte immer ein Wesen finden, das mich so akzeptiert, wie ich bin. Mich als gleichwertig betrachtet. Das ist der Grund meiner Reise gewesen. Meine Motivation. Mein Traum sogar. Aber ich glaub…“   Er schnappte sich Bakugous Hand, vernarbt und groß und kräftig, und presste seine Lippen auf sie. „Ich glaub, mein Traum ist bereits in Erfüllung gegangen.“   Augenblicklich entriss Bakugou ihm seine Hand und hoffte inständig, dass die Dunkelheit verbarg, wie unfassbar heiß sich sein komplettes Gesicht anfühlte. „Was soll die kitschige Scheiße, huh?! Wann hab ich jemals gesagt, dass ich dich als ebenbürtig anerkenne, hah?!“   „Oh?“ Ein gefährlich spitzbübisches Funkeln schlich sich in Kirishimas Augen. „Und wann hab ich jemals gesagt, dass ich dich damit meine? Und trotzdem fühlst du dich angesprochen? Interessant.“   Das brachte das Fass zum Überlaufen. „Du elendiger Mistkerl!“   Kirishima lachte lauthals, als Bakugou ihn attackierte. Eine Zeit lange rollten sie rangelnd auf dem Boden herum, bis der Rotschopf Bakugou schließlich mit einem angestrengten Schnauben zu Boden pinnte.   Bakugou fletschte die Zähne. „Arschloch! Lass mich sofort los, du Ficker!“   Völlig unbeeindruckt lehnte sich Kirishima herunter und küsste ihn. So lange, bis Bakugous Wut gezügelt war und er Kirishima nicht mehr in Unterlippe und Zunge biss, und seine Küsse stattdessen erwiderte.   Kirishima lächelte. Ein Lächeln, das nur noch breiter wurde, als Bakugou in einer beinahe zufälligen Bewegung seinen Kopf minimal hin- und her bewegte und ihre Nasen so aneinander rieb.   ~xXx~   Sie hatten es geschafft.   Vor ihnen war er. Der allmächtige Berg, der noch nie zuvor von einen Menschen erklommen worden war. Bakugou kannte ihn aus Geschichten und Legenden, doch dies war das erste Mal, dass er tatsächlich an seinem Fuße stand.   Er war beeindruckend, von hier unten aus betrachtet. Er sah tatsächlich unbezwingbar aus, aber nicht für Bakugou. Er wusste, dass das Unmögliche möglich war.   Bakugou schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Schweigend bewegte er seinen Arm und streckte seine Hand nach hinten. Lange musste er nicht warten, bis sich eine kräftige, aber sanfte Hand in seine legte und er eine warme Präsenz neben sich spüren konnte.   Neben sich, nicht hinter sich.   An seiner Seite. Genau dort, wo Kirishima hingehörte.   Langsam atmete Bakugou wieder aus, öffnete die Augen und setzte sich in Bewegung.   Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)