Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 7: Erinnerungen und andere Probleme ------------------------------------------- Luzifer hatte aus dem Palast gemusst. Die Wände hatten ihn nach dem Gespräch mit Metatron beinahe erdrückt und er fühlte sich gefangener als jemals zuvor. Dabei war dies nun sein Palast, zumindest vorübergehend. Es war irgendwie komisch, er genoss den Flug durch den Himmel. Ein Gefühl, welches er lange nicht mehr verspürt hatte. Zuerst war diese bedrückende Enge und nun? Er fühlte sich frei. Frei tun und lassen zu können was er wollte, selbst wenn Gott nun auftauchen sollte, diesen Moment, konnte selbst dieser ihm nicht mehr nehmen. Nach einer Weile hielt Luzifer inne. Er war so lange nicht mehr hier gewesen, dass er für einen Moment die Orientierung verloren hatte. Nach genauerem umsehen, brach er beinahe in schallendes Gelächter aus. “Dies ist ein schlechter Scherz”, sprach er zu sich selbst und landete auf den Treppenstufen des Windpalastes. Die Winde heulten um das Gebäude und umspielten sie wie eh und je. Es hatte sich nichts geändert, ausser das der Besitzer gerade in einem Kerker hing. “Wieso?” Luzifer getraute sich beinahe nicht, die Stufen empor zu gehen und sich in den Palast zu wagen. Nach einigen Momenten, gab er sich dennoch den Ruck und durchschritt die Tore. Nun stand er in der Eingangshalle. Ein beinahe eisiger Wind umhüllte ihn und Luzifer hätte schwören können, dass dies verlorene Erinnerungen waren. Nur an was? An was sollte er sich erinnern? Langsam, beinahe bedächtig, schritt er durch die Halle. Es hatte sich nichts verändert. Wie war es möglich, dass er sich an die Einrichtung erinnerte, obwohl es tausende Jahre her war, als er sich zuletzt hier aufgehalten hatte? War Raphael wirklich so konstant? Sein Weg führte ihn in die obere Etage, wie von alleine trugen ihn seine Füsse in die Gemächer Raphaels. Erneut umspielte ihn ein eisiger Wind. Es wirkte beinahe so, als sollte er nicht hier sein, als wäre er nicht willkommen. Bei dem Gedanken lachte Luzifer auf. Natürlich war er hier nicht willkommen. Kurz schüttelte er den Kopf und ging auf dessen Bett zu, als er sich auf dieses setzte, durchfuhr ihn einen eiskalten Schauer. “Jetzt reicht es aber”, knurrte Luzifer bedrohlich in den leeren Raum, wohl wissend, dass er alleine hier war. Zumindest hatte er keinen anderen Engel ausmachen können und ein Dämon hätte sich nicht hier her verirrt. Raphaels Palast lag viel zu westlich und er hatte ihnen ausdrücklich verboten, den Himmel zu erkunden. Luzifers Blick haftete auf dem Bett und ihn überkam das Bedürfnis sich hineinzulegen. “Nein, nein, deswegen bin ich nicht hier”, ermahnte er sich selbst und sprang beinahe von der Schlafstätte auf. Dieses Gefühl, er konnte es nicht einordnen. Diese Vertrautheit. Sie machte ihn beinahe wahnsinnig, dabei gab es hier nichts mehr Vertrautes. Raphael hatte sicherlich keinen Gedanken mehr an ihn verschwendet, seit er weg war und doch fühlte es sich an, als wäre seine eigene Präsenz nie aus diesem Raum verschwunden. “Wie? Raphael, wie?” Luzifer war sichtlich verwirrt und ziemlich froh drüber, alleine hier zu sein. Er hatte ja nicht einmal hier her gewollt und nun war es beinahe so, als wäre er zu Hause. Nein, er war hier nach wie vor nicht willkommen und dennoch fühlte es sich richtig an. Irgendwas stimmte hier nicht, irgendetwas war in ihrer Vergangenheit schief gelaufen, da war er sich langsam ziemlich sicher. Abrupt setzte er sich in Bewegung und verliess den Palast, zwar hatte er nicht dieses einengende Gefühl wie in Gottes Palast und doch überkamen ihn immer mehr Schauer. Es konnten unmöglich die Winde sein, welche den Palast umspielten und er konnte und wollte nicht daran glauben, dass sich Erinnerungen manifestieren konnten und ihm seine Vergangenheit aufzeigten. Nicht hier, nicht in Raphaels Palast. Es dauerte nicht lange, bis er einen gewissen Abstand gewonnen hatte und langsam das Gefühl bekam, die Winde würden ihn in Ruhe lassen. Es konnte nicht sein. Raphael war der Herrscher über seine Winde, dieser war angekettet in einem Kerker, es konnte einfach nicht sein. Luzifer beschloss in den Palast Gottes zurückzukehren. Raphael schuldete ihm Antworten und sollte dieser ihm keine geben können, würde ein anderer Erzengel ihm welche liefern, wer war ihm dabei vollkommen egal. Dort angekommen wurde er bereits von einer kleinen Gruppe Dämonen erwartet. Sofort wuselten sie um ihn herum und einer wagte es sogar ihn am Handgelenk zu packen und ihn in den Palast ziehen zu wollen. “Stopp, was soll das werden?”, fauchte er den Dämonen beinahe an und dieser hielt sofort inne. “Grid sucht dich, er hat jedem von uns mit dem Tode gedroht, sollten wir dich nicht schnellst möglich zu ihm führen. Es scheint wichtig zu sein, Luzifer.” Luzifer schüttelte die Hand erst einmal ab. Er wollte nicht angefasst werden, nicht ohne seine Erlaubnis, zumal er selbst gehen konnte. “Gut, wo ist er?”, wollte Luzifer direkt wissen und einer der Dämonen beschloss vorzugehen, was lediglich ein Augenrollen hervorbrachte. “Ich habe was gefragt”, stellte dieser nun deutlich genervter fest. Nicht nur, dass er von Erinnerungen beinahe überfallen wurde, nein, seine Dämonen schienen zu dumm zum sprechen zu sein. “Er ist bei Raphael, er ist nicht von dessen Seite gewichen, wie du es ihm aufgetragen hast.” Luzifer nickte. Dies war eine Antwort, mit welcher er etwas anzufangen wusste. “Holt ihn und schickt ihn mir in den Thronsaal, am besten schon vor fünf Minuten.” Luzifer schob sich nun an seinen Dämonen vorbei und machte sich auf den Weg in den Thronsaal. Für einen kurzen Moment, überlegte er sich, vielleicht einen anderen Raum als sein Hauptaudienzsaal zu verwenden, verwarf den Gedanken allerdings wieder. Jetzt war er der Herrscher und er würde es bleiben, bis Gott sich dazu bequemte wieder aufzutauchen. Mit einem entnervten Seufzen setzte er sich auf den Thron und wartete. Es dauerte nicht lange, bis Grid auftauchte und dessen Mimik passte ihm überhaupt nicht. “Wo zur Hölle warst du? Du kannst uns nicht als Babysitter beauftragen und dann nicht erreichbar sein, sobald es einen Notfall gibt, gerade wenn es um deinen persönlichen Lieblingsengel geht.” Luzifer hob eine Augenbraue und deutete Grid an weiter zu sprechen, um die Ausdrucksweise würde er sich später kümmern. “Wie soll ich es dir erklären? Einer deiner Generäle baut Scheisse.” Die Antwort war so nichtssagend, dass Luzifer darauf gar nicht erst reagierte, im Gegenteil. Sein Blick wurde noch durchdringender und Grid fing an zu Schmunzeln. “Hast du das Pergament angesehen?”, wollte dieser wissen und deutete auf das Schriftstück, welches noch immer auf einem Tisch in mitte des Raumes stand. “Wieso?” - “Tu es”, forderte Grid seinen Boss heraus und dieser ging mit den Augen rollend zu dem Stück Papier. “Wieso stehen hier keine relevanten Infos?”, zischte Luzifer gefährlich und hielt Grid das Schriftstück unter die Augen. “Findest du nicht relevant, dass alles was hier ausgesagt wird, mit Raphael zu tun hat?”, fragte Grid interessiert nach. “Ich stelle mir die Frage, welcher der Erzengel, hier am ehesten gegen die Regeln verstossen würde und wenn ich nach diesen Aussagen gehe, würde ich sagen, der Heiler ist es.” Luzifer legte die Schriftrolle wieder auf ihren Platz und sein Blick durchbohrte Grid beinahe. Er konnte seinen Impuls gerade noch unterdrücken, diesen zu packen und ernsthaft zu verletzen. Er wusste immerhin immer noch nicht, was dieser ihm sagen wollte und langsam ging seine Geduld auch dem Ende entgegen. “Du solltest langsam aber sicher mit der Sprache rausrücken, ehe ich dich zerquetsche und einen Nachfolger suche”, drohte er seiner Sünde dennoch. “Schade, ich dachte du hättest mehr Geduld, nun gut, ich verlange allerdings eine kleine Belohnung, dafür, dass ich deinen Liebling rette … “ - “GRID!” - “Ist ja gut.” Die Habgier hob beschwichtigend die Hände. “Raphael scheint eine Art Schutzzauber ausgesprochen zu haben, er hat jegliche Schmerzen der anderen Erzengel auf seine Schultern geladen, deswegen geht es ihm so miserabel und wenn du den anderen weiter erlaubst, ihre zugewiesenen Engel zu foltern, wird er sterben.” Luzifer schien sehr genau über die Worte nachzudenken, ehe er anfing zu fluchen. “Dieser Idiot. Wieso kann er sich nicht einfach einmal an die Regeln des Himmels halten?” Nun war es an Grid ein wenig verwirrt zu sein. “Wie?” - “Es ist ihm verboten einzugreifen, er darf seine Kräfte nicht auf andere Engel anwenden, da er sie ebenfalls einer Gefahr aussetzt, zumindest bei Niederrangigen Engeln, bei seinesgleichen ist die Gefahr kleiner, aber nicht für ihn.” Grid verstand nach wie vor nicht, was Luzifer meinte, vielleicht weil es ihm auch egal war, er hatte seine Arbeit vollbracht und diesem mitgeteilt, dass es ein Problem gab. “Hol die Anderen her, sofort”, befahl Luzifer seiner Sünde und dieser nickte lediglich, ehe er aus dem Thronsaal verschwand und seine Mitgeneräle holte. Es dauerte nicht sonderlich lange, tauchte Grid mit allen im Schlepptau auf. Wirklich erfreut war kaum einer von ihnen, hatten sie sich doch auch eine kleine Pause gegönnt und Grid wollte einfach nicht sagen, um was es ging. “Sollen wir Tag und Nacht bei den Drecksengeln bleiben?”, wollte Mekane ohne Umschweife wissen und flog direkt gegen die nächste Wand. “Noch jemand, der seine Meinung kund tun möchte? Ich erinnere euch nur ungern daran, aber ich bin auch einer, dieser Drecksengel, nur weil ich euer Boss bin, bedeutet dies nicht, dass ich nicht weiss, woher ich ursprünglich komme und dies solltet ihr auch nicht vergessen. Es ist mir ein leichtes ein jeder von euch zu töten und einen Nachfolger auszuwählen. Verstanden?” Keiner der Anwesenden traute sich auch nur ein Wort zu sagen und Mekane rappelte sich langsam aber sicher wieder auf. Sein Fluchen unterdrückte er, wollte er nicht noch einmal mit Luzifers Kraft in Berührung kommen. “Wer von euch hat seinen ‘Schützling’ gefoltert?”, forderte er harsch und es war Luzifer beinahe ein Vergnügen mit anzusehen, wie nervös sie alle wurden. “Soll ich selbst nachschauen?”, hakte er dann ein wenig bestimmter nach und nach einmal tief durchatmen, trat Gadles vor. “Du hast es mir erlaubt, Michael ein wenig zu foltern, also wozu die Aufregung?”, entgegnete dieser in seiner hochmütigen Art. “Nun, die Lage hat sich ein klein wenig geändert, weil nicht alle Engel nach Gottes Regeln spielen. Eine Tatsache, die mich eigentlich erfreuen sollte, gerade aber sehr kontraproduktiv ist. Ehe ich nicht mit Raphael gesprochen habe, wird keiner der Engel mehr gefoltert, klar?” Die Sünden nickten und auf Luzifers Andeutung hin verschwanden sie aus dem Saal. Keiner wagte es sich nachzufragen, keiner ausser Gadles. “Und wieso?” - “Weil er einen Schutzzauber gesprochen hat und jeglichen Schmerz auf sich nimmt. Du kannst Michael foltern, solange du willst, er wird nichts spüren und falls doch, nur kurzzeitig. Es ist also komplett sinnlos und arbeitet gegen uns”, beantwortete Luzifer ihm die Frage, während er sich auf den Weg zu Raphael machte. “Nicht unbedingt, wenn er weiss, dass Raphael für ihn leidet, vielleicht redet er dann?” Luzifer brach in schallendes Gelächter aus. “Michael? Der würde seine Seele verkaufen, wenn es ihm einen Vorteil erbringen würde, seine und all derer die er liebt.” Gadles war kurzzeitig irritiert über Luzifers Reaktion, bei dessen Worten hingegen nickte er. “Also, dann muss ich dir ein Geständnis machen, ich wusste, dass Raphael die Erzengel beschützt. Michael hatte keinerlei Narben, was für seine Position ein wenig komisch ist.” - “Und trotzdem hast du ihn gefoltert?” - “Ich wusste nicht, wie es sich auswirkt, nun, du solltest dich vermutlich um Raphael kümmern, ich habe mein Blut mit Michaels Wunden verbunden, die Auswirkungen kenne ich nicht.” Luzifer knurrte bedrohlich. Er konnte nicht einmal sauer auf Gadles sein, hatte er diesem Narrenfreiheit bei Michael gegeben, was er in diesem Moment bereute. “Sieh nach Michael, ich kümmer mich um Raphael”, herrschte er Galdes an und verschwand in der besagten Zelle. “Ich dachte, ich bin derjenige, der sich einen Dreck um die Regeln hier im Himmel schert, aber offensichtlich, hast du meinen Platz eingenommen”, begrüsste er Raphael amüsierter als eigentlich gedacht. “Ich muss dir ja wohl kaum sagen, wie dämlich es von dir ist, was du hier veranstaltest und hast du wirklich gedacht, ich bekomme es nicht mit? Nicht nur, dass du dich bei Grid offenbart hast, dein bester Freund, hat dich eiskalt ans Messer geliefert.” Luzifer spuckte die Worte beinahe vor Raphaels Füsse. Bester Freund, dass er nicht lachte. Michael würde niemanden als seinen besten Freund bezeichnen, dieser voreingenommene Engel war sich selbst am nächsten und dies würde sich nie ändern. “Was willst du?”, wollte Raphael kühl wissen, seine Augen nach wie vor geschlossen. “Nun, in erster Linie, würde ich es begrüssen, wenn du nicht den Märtyrer für deine Kollegen spielst. Ich sehe nämlich keinerlei Vorteile für dich, eher im Gegenteil. Du hängst hier wie ein nasser Sack, Raphael und es macht dich leider wenig attraktiv.” Raphael schnaubte bei Luzifers Worten unmerklich. “Ich habe meine Gründe”, erwiderte dieser lediglich und spürte Luzifers Präsenz hinter sich. “Interessant, stehst du in deren Schuld? Einen anderen Grund könnte ich mir nicht vorstellen, allerdings glaube ich dies eher weniger. Was ist es? Wieso nimmst du die Qualen auf dich?” Luzifer hatte sich so Nahe an Raphael gestellt, dass dieser dessen Atem an seinem Ohr spüren konnte. “Denkst du wirklich, ich verrate dir meine Gründe?”, wollte Raphael nach wie vor kühl wissen. “Du langweilst mich …” - “Dann geh einfach wieder?” Luzifer lachte leise und brachte Raphael zum erschaudern. “So einfach ist es nicht, Raphael. So einfach ist es nicht. Ich hätte meine Mittel und Wege, um dich mir gefügig zu machen, dies wissen wir beide, aber ich hoffe ja wirklich darauf, dass du vernünftig bist und wenigstens damit aufhörst, dich für Bande zu opfern. Sie haben es nicht verdient, keiner von ihnen.” Raphael schüttelte lediglich den Kopf. “In deinen Augen vielleicht.” Er schloss seine wieder und spürte die Sorge Raziels, wenn einer seinen Schutz verdient hatte, dann dieser. “Dann muss ich dich wohl dazu zwingen, ich werde nicht dabei zu sehen, wie du dich quälst.” Mit einem Ruck spürte Raphael den Boden unter seinen Füssen und wie er fest an Luzifer gepresst wurde. Dieser hatte ihn los gemacht und er selbst hatte keinerlei Kraft um sich gegen ihn zu wehren. Geschickt wurde er von seinem ehemaligen Weggefährten auf die Unterlage in der Zelle gesetzt und wieder angekettet, dieses Mal mit deutlich mehr Freiheiten als zuvor. “Wieso?” - “Wieso nicht?” Luzifer nahm neben ihm Platz und begutachtete die Wunden auf Raphaels Körper. Sie waren nicht tief, was vermutlich daran lag, dass Gadles nicht Ernst gemacht hatte. Dennoch dürften sie schmerzhaft sein. “Du vertraust mir nicht, ist dein gutes Recht, aber beantworte mir eine Frage, wie fühlst du dich?” Raphael war sichtlich verwirrt. Luzifer sah doch, wie es ihm ging, wozu wollte er das noch von ihm hören? Ehe es ihm dann wie Schuppen von den Augen fiel. “Nein, ich spüre nichts dergleichen, egal welche deiner Sünden etwas angestellt hat, ich habe es nicht übernommen.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)