Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 8: Ein Gespräch ----------------------- Luzifer lehnte sich gegen die kühle Wand des Kerkers. Einmal mehr stellte er sich die Frage, wozu Gott eigentlich einen benötigte. Er selbst hatte ihn zumindest nie von innen gesehen. “Seit wann gibt es dieses Kellergewölbe?” Luzifer blickte beinahe starr gegen die Decke und bekam Raphaels irritierten Blick nicht mit. “Leidest du unter Gedächtnisschwund? Dein Aufenthalt hier, mag schon ein paar Jahrtausende her sein, aber so einen Ort vergisst man doch nicht einfach.” Luzifer lächelte. “Ich war nie hier, ich bekam nicht mal einen richtigen Prozess.” Raphael schnaubte belustigt auf. “Deswegen dieses Theater?” Luzifer lachte leise. “Du nennst es Theater, ich will lediglich meine Antworten. Da ich bezweifle, dass du sie mir geben kannst, werde ich meine Art und Weise nicht ändern, Raphael.” “Ich kenne die Fragen nicht”, stellte dieser leise lachend fest. “Selbst wenn, du spielst den Märtyrer für die Drecksbande, ich erwarte nicht, dass du mir die Antworten geben würdest.” Luzifer stand wieder auf und begutachtete Raphael einen Moment lang. Dieser lehnte sich, wie er selbst zuvor, gegen die Wand und hatte die Augen geschlossen. “Müssen wir weiter darüber diskutieren oder hörst damit von selbst auf?” Raphael verzog seine Lippen zu einem kaum merkbaren Lächeln. “Wieso ist es dir so wichtig? Sollte nicht deine Rache an Gott an erster Stelle stehen? Die Suche nach diesem? Stattdessen scheint es dich mehr zu kümmern, was ich hier tue, hast du Angst?” - “Angst vor was? An sich würdest du mir einen Gefallen tun, wenn ich einen weniger beseitigen müsste, aber wo bliebe dann mein Spass? Ausserdem bin ich nicht dumm. Deine Kräfte mögen gross sein, aber du bist der Schutzengel der Menschen, einen deinesgleichen zu heilen, erfordert viel mehr Kraft und ich bin mir ziemlich sicher, die Wunden sind nur oberflächlich weg. Eine Täuschung deinerseits, hab ich recht?” Raphael öffnete seine Augen und sah Luzifer direkt an. “Vielleicht kennst du meine wahre Kraft nicht?” - “Wenn dem so wäre, würdest du mir diese Frage nicht stellen. Wie schwer sind die anderen verwundet?” Raphael wandte seinen Kopf ab und schloss seine Augen wieder. “Ich weiss es nicht.” Luzifers Blick haftete nach wie vor auf Raphael und er spürte, dass dieser die Wahrheit sagte. “Du bist entweder wahnsinnig oder komplett dämlich”, stellte Luzifer weniger überrascht fest, als er eigentlich war. “Du sprichst einen Schutz aus, ohne zu wissen, wie stark verletzt sie sind? Es hätte dein direkter Tod bedeuten können.” “Meine Aufgabe ist es zu beschützen.” - “Willst du draufgehen?” - “Nein, ich werde dir meine Gründe nicht verraten, Luzifer.” Luzifer seufzte resigniert, aus Raphael würde er vorerst nichts herausbekommen, was ihm an sich schon klar war. Es änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass er ihn nicht verstand. “Du hast meine Frage nicht beantwortet.” - “Ich dachte nicht, dass du darauf wirklich eine Antwort willst.” Luzifer verlor langsam aber sicher die Geduld. “Du bist nicht in der Lage, Spielchen mit mir zu spielen. Ich lasse dir jetzt noch die Wahl, denk darüber nach, sollte ich mitbekommen, dass du diesen Schutz weiterhin ausübst, werde ich dich zwingen, damit aufzuhören.” - “Dann sehen wir uns bestimmt bald wieder. Du solltest dich allerdings nicht wundern, sollte die Freude meinerseits nicht allzu gross sein.” - “Treib es nicht zu weit, Raphael. Der einzige Grund, wieso ich noch nett zu dir bin, liegt in einem kleinen sentimentalen Erinnerungsbrocken, überstrapaziere meine Nerven nicht und schon gar nicht meine Geduld.” Ohne Raphaels Antwort abzuwarten, verschwand er aus dessen Zelle und ging schnurstracks in diese von Michael. Gadles hatte seinen zugewiesenen Erzengel einen Moment lang beobachtet. Michael war stark und stolz. Eigenschaften, die durchaus nützlich waren und doch so falsch. Sich Fehler einzugestehen würde diesem wohl nie einfallen. Nicht einem Erzengel der sich wohl über allen anderen sah. Diese Haltung schien Michael nie abzulegen. Nicht einmal jetzt, angekettet an einer grauen Kerkerwand, mit Wunden über den gesamten Oberkörper verteilt und seinem Blut in sich. Es war eine Schande, dass er auf Luzifer hören sollte, aber vielleicht hatte dieser ja Erfolg bei Raphael und er konnte sein Spielchen bald weiter spielen. Diesen Engel zu brechen wäre sein Ziel und er würde es mit dessen eigenen Mittel tun. Sich über ihn zu stellen. “Brennt es?”, wollte er nach einer gefühlten Ewigkeit wissen und Gadles trat Nahe vor den geschundenen Körper Michaels. Mit seinen Fingern strich er über die frischen Wunden, den Drang unterdrückend sie ihm wieder aufzureissen und ihn bluten zu sehen. “Du musst nur lieb bitte sagen, dann erlöse ich dich”, raunte er ihm leise ins Ohr und spürte wie Michael leicht erschauderte. “Interessant, körperliche Nähe bist du wohl nur gewohnt, wenn es um einen Kampf geht, nicht in dieser Art und Weise. Eigentlich traurig, du bist ein ansehnlicher Mann, aber ich kann mir gut vorstellen, woran dies liegen könnte.” Gadles entfernte sich ein paar Schritte von Michael, allerdings nur um diesen wieder komplett mustern zu können. “Soll ich Bager herholen? Sie könnte dir im Nu die fleischliche Lust beibringen und dir zeigen, wie gut es tut, sich auszutoben, wobei Bager es vermutlich nicht zu schätzen wüsste.” Gadles lachte beinahe höhnisch. Niemals würde er Bager zu Michael lassen. Luzifer würde sie Beide töten. Ihm war durchaus bewusst, dass Michael leiden und nicht noch durch die Fleischeslust belohnt werden sollte. Es stellte sich ihm allerdings einmal mehr die Frage, ob dies für Michael wirklich eine Belohnung wäre. “Verzieh dich”, knurrte Michael leise. “Oh, diese Gastfreundschaft, ich fühle mich beinahe wie zu Hause.” Die Sünde machte wieder einen Schritt auf den Erzengel zu und strich ihm erneut über die Brust. “Du kannst noch so stark sein, Michael. Ich sehe, dass mein Blut deines zum Kochen bringt, es bedarf nur ein paar Worte und ich erlöse dich und du solltest mein grosszügiges Angebot annehmen. Ich weiss aus sicherer Quelle, dass Luzifer gerade bei Raphael ist und er weiss Bescheid. Es gibt also zwei Möglichkeiten, entweder leidet er oder du und wenn du einmal in deinem Leben …” - “Halt dein Schandmaul, du hast keinerlei Ahnung. Werte sind bei euch Dämonengesocks völlig fremd”, unterbrach Michael Gadles ziemlich hart, was diesen nur wenig beeindruckte. “Werte? Was für Werte? Ihr habt nur Glück hier im Himmel zu sein, mehr nicht. Werte, dass ich nicht lache. Gerade DU willst mir etwas von Werten erzählen? Wirklich? Michael … Ein wenig enttäuschst du mich jetzt schon, dabei habe ich nicht einmal etwas von dir erwartet.” Gadles schüttelte amüsiert den Kopf. “Interessiert mich nicht”, knurrte Michael leise. “Oh, mich auch nicht, trifft sich ja super. Michael, Michael, Michael, du solltest es nicht versuchen, dich mit mir anzulegen, mich anzugreifen, selbst mit Worten, ist kaum möglich. Ich steh über dir, solange du meine Sünde auslebst. Ich werde dich bestimmt nicht aufhalten, weisst du? Es ist gut zu sehen, wie ein Erzengel, gegen die Regeln des Himmels verstösst. Was mich allerdings wundert, wieso wurdest du bisher nicht bestraft? Bist du ein guter Schauspieler? Wobei, widerspricht dies nicht der Regel, dass ihr nicht lügen könnt? Fragen über Fragen, Michael. Dabei sollte ich herausfinden was du über den Verbleib von Gott weisst und nun habe ich noch mehr Fragen an dich, schon ärgerlich, wie wenig du mich los wirst, oder?” Gadles war mittlerweile dazu übergegangen um Michael herum zu tigern. Sein Blick klebte förmlich an dem Erzengel und schien jegliche Reaktion in sich aufsaugen zu wollen. “Keine Antwort? Ich war mir so sicher, dass du dich gerne selbst reden hörst”, flüsterte er ihm plötzlich ins Ohr. “Aber ich verstehe, wieso du nicht mit mir sprichst, es muss verdammt hart sein, sich darauf zu konzentrieren, nicht durchzudrehen oder? Stell dir mal vor, du hättest mein Blut getrunken, Michael”, schnurrte er ihm weiterhin ins Ohr und strich ihm einmal mehr über die Brust. “Ich könnte jetzt mit dir machen, was immer ich will. Vielleicht werde ich das noch tun, sobald Luzifer es mir erlaubt, oh, es wird mir eine Freude sein, dich zu demütigen und zu erniedrigen.” Gadles biss dem Erzengel kaum merklich in den Hals und leckte ihm anschliessend über die Stelle. “Bist du fertig?”, unterbrach ihn eine Stimme und sein Blick wanderte direkt zur Tür. “Wann bist du denn reingekommen?” - “Ich stehe hier schon länger, es ist durchaus interessant, was du mit Michael so vor hast und die Fragen die du ihm stellst, sind sogar sehr gut. Nun verschwinde aber.” Gadles schnaubte über den Rauswurf, kam Michael allerdings noch einmal ein wenig näher. “Du hättest mit mir kooperieren sollen”, raunte er diesem noch ins Ohr, ehe er die Zelle verlassen wollte. “Geh zu Raphael, melde mir jede Kleinigkeit, umgehend!” Gadles nickte und verschwand. “Nun zu dir”, Luzifers Blick huschte nur kurz über Michael, wie gern er diesen Engel einfach töten würde und doch hielt er sich zurück. Die Gefahr, dass Raphael nicht auf ihn hörte, war einfach zu gross und zudem hatte Michael keinen einfachen Tod verdient. Luzifer war ausserdem davon überzeugt, dass dieser mehr über seine Geschichte wusste, als er selbst es tat. Er brauchte ihn, leider. “Ich werde auch dir nicht sagen, wo Gott ist”, knurrte dieser sogleich und erhielt zur Antwort ein amüsiertes Auflachen. “Du, das interessiert mich auch nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du keine Ahnung hast, wo sich Gott aufhält. Ich habe da eine Theorie und sollte sich diese bestätigen, bist du nutzlos, dann ist ein jeder von euch nutzlos und ich werde mir ein paar Tage Zeit nehmen, mir zu überlegen wie ich euch los werde, ein für alle Mal.” Michael hob nun doch den Kopf und die Überraschung war ihm deutlich anzusehen. “Du schickst deine Lakaien zu uns und willst Informationen, die dich gar nicht interessieren?” - “Nicht ganz, Michael, einer verplappert sich immer und ja, mir ist klar, dass nicht du derjenige sein wirst, aber wir Beide haben noch was zu klären, dementsprechend trifft es mit dir auch nicht den Falschen.” Luzifer zuckte weiterhin amüsiert mit den Schultern und legte für einen kurzen Moment den Kopf schief. “Von dir will ich nur eines wissen: Wie habt ihr Raphael dazu bekommen?” Auf Michaels Lippen schlich sich ein kleines Lächeln. “Ich dachte, ein paar tausend Jahre hätten gereicht, dass sich deine Gedanken nicht nur um Raphael drehen, aber da habe ich mich wohl geirrt.” Michael grinste Luzifer nun an und bekam direkt die Quittung. Eine Ohrfeige die sich gewaschen hatte. “Ich mag viel vergessen haben, aber ich kenne eure Charaktere und der Raphael von damals, hätte nicht gegen Gottes Regeln verstossen. Sein Sinn für Gerechtigkeit war grösser als der von euch allen zusammen. Gut, bei dir nicht schwierig, du hattest nie einen, was bei mir immer und immer wieder die Frage aufkommen lässt, wie du es geschafft hast, diesen Posten zu bekommen.” Luzifer wurde augenblicklich ein wenig nachdenklicher. Sein Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Damals ist etwas schief gelaufen und er wollte immer mehr heraus finden, was genau. Allein deswegen konnte er Michael nicht beseitigen. Deswegen und weil Raphael offensichtlich auch diesen schützte. “Nun, ich wusste zu überzeugen, im Gegensatz zu dir. Wie ist das Leben, in der Hölle? Wurdest du gut aufgenommen?” Die Gehässigkeit in Michaels Worten war kaum zu überhören und doch reagierte Luzifer nicht darauf. Zu sehr war er in seinen Gedanken gefangen, dass irgendetwas nicht stimmte. Nach mehreren Momenten widmete er sich allerdings wieder seinem Hausgast und trat endlich ein wenig näher. “Nun? Keine Antwort auf meine Frage? Auch gut, ich werde sie bekommen, egal ob von dir oder einem der anderen. Ist Raziel immer noch so ein Schwächling? Vielleicht sollte ich mit ihm anfangen? Oder doch mit Uriel?” Luzifer beobachtete Michaels Reaktion auf die einzelnen Namen und konnte rein gar nichts ablesen. “Eiskalt … Ich sollte dir einen Aufenthalt in meinem Haus spendieren, dann wird dir vielleicht ein wenig wärmer”, merkte er wie beiläufig an. “Kein Bedarf, mir gefällt es hier.” - “Natürlich tut es das, im Arsch von Gott ist es ja auch ziemlich warm. Wie du zum Schosshündchen werden konntest, unfassbar.” Luzifer schüttelte angewidert den Kopf. “Gadles hatte recht, keinerlei Narben, Gott scheint es gut mit dir zu meinen, allerdings sehe ich noch immer Kratzer auf deinem Körper, was nur zwei Dinge bedeuten kann. Raphaels Kräfte haben nachgelassen, was mir weniger gefallen würde oder er hat wirklich damit aufgehört, was ich natürlich begrüssen würde.” - “Wirst du kaum überprüfen können, du wärst nicht hier, hätte dein Gespräch mit Raphael ein Ergebnis ergeben. Du bist so durchschaubar, Luzifer, warst du schon immer und genau das wurde dir zum Verhängnis.” Angesprochener wandte sich ab und verliess einmal mehr den Raum, ohne ein Wort zu sagen. Michael regte ihn auf und er wollte es wirklich vermeiden, diesem weh zu tun, solange es nicht wusste, was Raphael genau tat. Diesem unnötige Schmerzen zu bereiten war nicht sein Ziel. Michael sollte leiden und er würde schon dafür Sorgen, dass auch Raphael dies einsah. Wütend wollte er sich auf den Weg, in eines der Schlafgemächer, machen. Der Tag zerrte an seinen Nerven. Er wurde allerdings von Tsorn aufgehalten, welcher vor der Tür seines auserwählten Zimmers stand und augenblicklich auf ihn wartete. “Ich hab weder die Zeit noch die Lust mit dir zu diskutieren, Tsorn”, versuchte er diesen direkt los zu werden. “Du brauchst nur zuhören. Ich habe über deine Worte vorhin nachgedacht und mir ist eingefallen, das Raziel ebenso erwähnt hat, das Raphael einen Zauber ausgesprochen hat.” - “Du wusstest davon und hast mir nichts gesagt?” - “Wann denn? Du hast uns zur Sau gemacht und danach hat Gadles das Gespräch gesucht, ich wollte mich nicht einmischen und dazwischen preschen. Zumal ich lediglich mit Raziel sprach, ich dachte Informationen von Michael wären für dich in diesem Augenblick ein wenig interessanter.” - “Mag sein, aber auch diese Information wäre wichtig gewesen, Tsorn.” Luzifer wollte sich an diesem vorbei schieben, was Tsorn jedoch zu verhindern wusste. “Raziel macht sich Sorgen, sowohl um Gott, als auch um Raphael. Er will nicht, dass Raphael ihnen hilft, da muss etwas dahinter stecken. Er wollte auch nicht, dass ich es dir sage, weil er Angst hat, dass du seinen Zustand ausnutzt. Wie damals …” Luzifer war sichtlich verwirrt über Tsorns Worte. “Was wie damals? Ich habe Raphael nie ausgenutzt, ich habe ihn immer beschützt und war an seiner Seite … Bis ich verbannt wurde.” Tsorn zuckte mit den Schultern. “Mehr bekam ich noch nicht aus ihm raus, er schien sich wirklich Sorgen um Raphael zu machen, wie wohl alle Engel …” - “Alle ausser Michael”, stellte Luzifer fest. “Du solltest die Einzelhaft überdenken, vielleicht sprechen sie miteinander, wenn sie das Gefühl haben unter sich zu sein”, schlug Tsorn vor. “Eine gute Idee. Ich denke darüber nach, allerdings erst, nachdem ich geruht habe.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)