Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 25: Ein wenig Ruhe -------------------------- Luzifer war weg und Tsorn wollte ebenfalls gehen. “Hey, du haust jetzt nicht ab, wir haben hier eine Leiche zu entsorgen.” Tsorn zuckte mit den Schultern. “Ich habe vorhin Inersha entsorgt, ich bin doch nicht euer dämlicher Lakai. Auf irgendeiner stinkenden Müllhalde hat es auch für diesen Abschaum noch Platz, werdet kreativ. Wenn ich Bager wäre, würde ich ihm zuvor noch alle Körperteile abschneiden”, antwortete er relativ kühl. “Und erwarte bloss kein Mitgefühl von mir Bager. In einem gebe ich Mekane recht, du hättest es verdient. Du wusstest um seine Gefühle und hast es immer wieder für dich ausgenutzt. Er war einer der obersten Dämonen, ein General Luzifers, seine Moralvorstellungen waren tiefer als die der kleinen Dämonen, die du beschissen hast. Du hast mit dem Feuer gespielt und ohne Grid hättest du dich in meinen Augen, zurecht daran verbrannt. Solltest du Mitleid oder Mitgefühl erwarten, geh zu einem der Engel, aber erwähne diesen Vorfall nicht einmal in meiner Gegenwart, verstanden?” Bager nickte. Sie konnte Tsorns Wut verstehen und noch schlimmer, nachvollziehen. Andererseits, irgendetwas veränderte sich. Sie verhielten sich nicht wie immer, weder Tsorn, noch Grid, ja selbst sie selbst nahm andere Verhaltensmuster an, war dies wirklich der Himmel? “Ich habe noch ein Date. Nachdem Luzifer über alles Bescheid weiss, werde ich noch weitere Informationen beschaffen, die ihm irgendwie nützlich sein könnten. Es existieren ja noch andere Engel, ausser Uriel und Michael und zufälligerweise, bin ich einem sehr interessanten zugeteilt.” Weder Grid noch Bager konnten etwas auf die Worte erwidern, da Tsorn bereits das Zimmer verlassen hatte. “Ich werde hier nicht länger schlafen”, teilte sie Grid umgehend mit, als dieser anfing Mekane aus dem Zimmer zu entfernen. “Willst du tun was Tsorn vorgeschlagen hat, oder kann ich ihn runterwerfen, sobald wir draussen sind?”, wollte dieser stattdessen wissen und Bager schaute weg, was eine deutliche Antwort war. “Es gibt hier ausserdem genug Zimmer und stell dich nicht so an, wie viele Männer hast du schon getötet, du bist ein Scheiss Sukkubus, da ist das hier lächerlich.” Bager schnaubte leise und zog die Decke über sich. Natürlich hatte sie schon viele Männer getötet und doch war es etwas komplett anderes. Luzifers Weg führte ihn ohne Umwege zu Raphael. Er brauchte jetzt einen Ruhepol und er wusste selbst, dass er in seinem Zimmer, nicht lange alleine sein würde. Beinahe erschöpft liess er sich neben ihn auf die Pritsche sinken und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. Er war für heute am Ende seiner Kräfte angelangt. “Wie geht es dir?”, wollte er von Raphael wissen, welcher sich nicht die Mühe machte ihn anzusehen oder sich ihm zuzuwenden, was ihm in diesem Moment aber auch egal war. “Der Himmel ist ein Nest voller Intrigen und Lügen, ich fühle mich beinahe wieder heimisch.” Raphael öffnete langsam seine Augen und sein Blick war skeptisch. “Schau mich nicht so an, gerade du solltest doch am besten wissen, wie falsch und verlogen hier einige sind, oder hast du wirklich alles und jeden ignoriert?” Luzifer konnte es fast nicht glauben, aber hatte er schon vernommen, dass Raphael wohl eher Abstand hielt. “Du wirst nicht nur hier sein, um mit mir zu plaudern, oder?”, wollte dieser wissen und entlockte Luzifer ein angespanntes Seufzen. “Doch, eigentlich bin ich genau deswegen hier. Ich hatte gehofft, dass ich mich bei dir ausheulen kann und mich wie ein kleines Kind benehmen und wieder Kraft tanken, damit ich noch mehr töten kann”, antwortete er ihm dann allerdings ziemlich sarkastisch, was Raphael ein minimales Lächeln aufs Gesicht zauberte. “Gut, dann schlafe ich weiter und behaupte später, ich hätte nichts mitbekommen”, antwortete er ihm dann auch schmunzelnd und wollte die Augen wirklich wieder schliessen. Nur das mittlerweile genervte Brummen Luzifers hielt ihn davon ab. “Weisst du, der Himmel rühmt sich damit, dass alles super toll ist, sich jeder mit jedem versteht, ein jeder Wunsch wahr werden kann. Die Marketingexperten eurerseits haben wesentlich bessere Arbeit geleistet als die der Hölle, aber sie labern absoluten Bullshit. Mein Wunsch als ich hier her kam, war es, Gott zu stürzen, seinen Platz einzunehmen und der wurde mir nicht erfüllt. Nicht einmal im Ansatz.” Raphael lachte bei Luzifers Worten, was dessen Aufmerksamkeit erregte. “Nun, Gott ist nicht da und du herrscht gerade über das Himmelreich, also ist dein Wunsch schon irgendwie in Erfüllung gegangen. Du scheinst nur niemanden zu haben, der auch auf dich hört”, stellte Raphael dann das für ihn Offensichtliche fest. “Sehr witzig, wenn ich nicht irgendwelche sentimentalen Gefühle für dich hätte, wärst du der erste den ich windelweich prügeln würde. DAS war es, was ich tun wollte, euch schreien zu hören, euch leiden zu lassen, wie ich gelitten habe und nun? Dieser Ort, er ist verflucht.” “Er ist heilig”, korrigierte ihn Raphael und stellte Luzifers Geduld nun wirklich auf die Probe. “Ich sagte doch er ist verflucht. Ich verspüre nicht mehr die geringste Lust Gott zu stürzen, euch zu quälen, stattdessen suchen mich Erinnerungen heim, Fragen tun sich auf die beantwortet werden wollen und keiner scheint irgendetwas zu wissen.” Luzifer strich sich genervt durchs Haar und über sein Gesicht. Er konnte gerade einer seiner grössten Fehler machen, in dem er sich Raphael offenbarte, aber irgendwie vertraute er sonst niemandem mehr. “Ich weiss nicht, ob es klug von dir ist, damit zu mir zu kommen. Du gibst mir damit ziemlich viel Wissen über dich und somit auch Macht.” “Und doch denke ich, du wirst es nicht ausnutzen. Es ist allerdings nur so ein vages Gefühl.” Luzifer betrachtete Raphael einen Moment und strich ihm leicht über die Seite. Es war unglaublich, wie sehr er ihn vermisst hatte und er kannte das ganze Ausmass vermutlich noch nicht einmal. “Bist du den Antworten näher?”, wollte Raphael dann wissen und riss Luzifer aus seinen Gedanken. “Ich weiss es nicht”, beantwortete er ihm die Frage ehrlicherweise und lehnte sich wieder an die kühle Steinmauer hinter sich. “Meine Generäle sind effektiver im beschaffen von Antworten als ich, vielleicht weil sie weniger emotional an die Sache heran gehen.” Nun war Raphael ein wenig überrascht und er konnte diese auch nicht verbergen. “Deine Dämonenschar hilft dir dabei? Ohne eigenen Nutzen daraus zu ziehen?” Luzifer konnte sich ein leises Lache nicht verkneifen. Es wunderte ihn nicht einmal, dass Raphael so überrascht war, ihm ging es ja nicht anders. “Ich weiss es nicht. Ich habe eben zwei von ihnen getötet, weil sie sich meinen Befehlen widersetzt haben. Während ich andere genau deswegen am Leben lasse. Ich messe mit zweierlei Mass und ich sollte es nicht gut finden, aber andererseits bin ich Luzifer, oberster General des Teufels, meine Moralvorstellungen dürfen im Keller sein, oder?” Er lachte bei seinen Worten und Raphael erkannte, dass dieses Lachen gespielt und nicht ehrlich war. Luzifer schien wirklich mit sich selbst zu hadern. Er seufzte und irgendwie war er sich sicher, dass er dies noch bereuen würde und doch konnte er nicht anders. “Ich bin hier eingesperrt und verstehe nur Bahnhof, wenn du wirklich willst, dass ich dich verstehe, dann erzähl mir, was passiert ist und was du weisst, ansonsten kann ich dich nicht verstehen noch dir helfen.” “Du willst mir helfen? Du hast auf mein Angebot noch nichts erwidert, vielleicht überdenkst du es noch einmal, wenn du alle Informationen hast, die ich schon erhalten habe, sie könnten dich auch interessieren, da sie dich genauso betreffen wie mich.” Luzifer konnte nicht anders als leicht zu grinsen. Raphael auf seiner Seite zu wissen, war vielleicht das Beste an diesem Tag. Sofern er sich wirklich für seine Seite entscheiden würde. Ihm war dabei durchaus bewusst, dass er es nicht seinetwegen tun würde, sondern nur für sich und vielleicht um Gott eins auswischen zu können. Er würde es selbst nicht anders tun. “Fordere nicht zu viel, ich bin bereit dir zuzuhören, auch wenn ich eigentlich gar keine Wahl habe. Dann entscheide ich, ob ich dich darüber aufkläre, was hier passiert ist, seitdem du weg warst.” Luzifers Grinsen wurde noch ein klein wenig breiter. Diese Geschichte hatte er bisher nicht gehört, da keiner mit ihm sprechen wollte und vielleicht sollte er auf diesen Deal eingehen und hoffen, es reichte, was er Raphael zu berichten hatte. “Wo fange ich nur an.” Luzifer war sich wirklich unsicher, er hatte absolut keine Ahnung wo er anfangen sollte, was relevant sein könnte und ob es Raphael wirklich interessierte. Er war aufgeregt und irgendwie, war dies ein Gefühl, was er ewig nicht mehr in diesem Ausmass verspürte. “Am besten, ich fange mit dem erfreulichen an. Raziel, Chamuel, Haniel, Gabriel und Metatron haben augenscheinlich nichts mit der Farce und der Komödie zu tun, die sich hier seit meiner Verbannung abspielen”, fing er mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen an, zu erzählen. “Uriel und Michael hingegen schon”, stellte er dann beinahe ein wenig verbittert fest. “Du wirst mehr Informationen haben, als nur die Namen, wenn du so etwas sagst, oder?”, hakte Raphael dann nach und entlockte Luzifer ein leises Knurren. “Natürlich. Ich komme doch nicht hier her, weil ich dich überzeugen will und dann habe ich nichts. Mein Pokerface funktioniert bei dir einfach nicht”, gab er dann zu und seufzte. “Uriel hat sich wohl manipulieren lassen. Michael hat ihm irgendeine Geschichte aufgetischt, die dieser Volltrottel geglaubt hat. Er war so in Sorge um dich, dass er dir dein Gedächtnis gelöscht oder versiegelt hat, dass weiss Michael selbst nicht, aber war ihm sicher auch egal. Er bekam seinen Willen, du hast dich an nichts erinnert und ich wurde verbannt.” Raphael schien Wort für Wort interessierter zu werden und setzte sich langsam auch richtig hin. “Und Michael hat dir das einfach so erzählt?”, wollte er dann wissen. “Natürlich. Ich bin zu ihm in die Zelle und habe ihn nett nach den Informationen gefragt, er war so freundlich und hat sie mir ohne lange zu bitten gegeben. Natürlich nicht!” Den Sarkasmus verstand sogar Raphael und schüttelte leicht den Kopf. “Du bist ein Phänomen, du schaffst es mein Interesse zu wecken, aber gleichzeitig ein Idiot zu sein.” “Ich würde mich ja entschuldigen, aber du stellst selten dämliche Fragen, die ich gerade nicht ernst nehmen kann und ich bin mir nicht sicher, ob ich dir erzählen soll, wie ich an die Antworten gekommen bin. Sie würden dir nicht gefallen.” Luzifer hatte wirklich Skrupel. Er verstand nur selbst nicht, wieso? Raphael war kein Kind von Traurigkeit, da war er sich sicher und er würde bestimmt einiges an Informationen aushalten. Wovor wollte er ihn also beschützen? Nein, er wollte nicht, dass dieser ein falsches Bild von ihm bekam. Doch war es so falsch? Er war Luzifer, er war kein guter Engel mehr. Im Gegenteil. Er war einer der mächtigsten Generäle in der Hölle. Raphael hatte sicherlich genug Geschichten über ihn gehört und seine Grausamkeit. Es sollte ihn eigentlich nicht wundern, wenn dieser schlecht über ihn dachte. Es wäre normal. Und genau diese Tatsache störte ihn. “Meine Todsünden, sie kamen an die Informationen”, gab er letzten Endes das Nötigste zu und hoffte es würde so angenommen. “Du machst dir die Finger also nicht selbst schmutzig?”, hakte Raphael nach und in seiner Frage schwang beinahe etwas hoffnungsvolles mit, als würde er nicht nur diese Aktion meinen. “Selten, wozu hab ich meine Lakaien. Ich hab mir einen Namen gemacht, mich hochgearbeitet und geniesse jetzt das Privileg, dass alle tun was ich will. Ich bin lediglich dem Teufel unterstellt und dieser hegt so viel Vertrauen in mich, dass ich freie Hand habe, in dem was ich tue.” “Weiss er hiervon?” Luzifer stockte kurz. Mit dieser Frage hatte er absolut nicht gerechnet und zeitgleich wunderte es ihn, wieso es Raphael interessierte. “Natürlich. Nicht in dem Ausmass, aber ja, es fällt auf, wenn seine ranghöchsten Dämonen nicht da sind.” Raphael schmunzelte leicht, was Luzifer sichtlich irritierte. “Schade, dass wir hier alle gefangen sind, wäre doch witzig, wenn ihr bei uns und wir bei euch einmarschiert wären. Du hattest das bessere Timing, Glückwunsch.” “Und ihr keinen Grund, also was willst du mir eigentlich sagen?” Luzifer war nicht dumm. Raphael war ein guter Schüler von Metatron und diese Antworten und insbesondere die Fragestellung kam ihm sehr bekannt vor. “Ich hatte hier viel Zeit nachzudenken. Immerhin bekomme ich nicht viel Gesellschaft und da habe ich mir Fragen gestellt, unter anderem, was wenn alles geplant war?” Luzifer erinnerte sich an Metatrons Worte und starrte Raphael förmlich an. Was diesem unangenehm zu werden schien und seinen Blick abwandte. “Metatron liess auch so etwas fallen, nicht in deinem Wortlaut, aber …” Er unterbrach sich selbst. Gott war nicht da und er wusste von dem Riss, den er nicht geschlossen hatte. Wieso? “Aber?” “Nichts, ich kann den Gedanken noch nicht fassen”, antwortete Luzifer ein wenig genervt. “Und? Hilfst du mir nun?”, wollte er dann völlig aus dem Kontext gerissen wissen und liess Raphael bei der Frage nicht aus den Augen. “Ich wüsste nicht wie ich dir helfen könnte, Luzifer. Du hältst mich hier isoliert. Deine Glaubwürdigkeit würde sich in Luft auflösen, solltest du mich auf einmal frei rumrennen lassen oder gar zu den anderen stecken.” Luzifer knurrte einmal mehr auf. Dieser Kerl machte ihn wahnsinnig. “Meine Glaubwürdigkeit ist mir doch scheiss egal, wenn ich endlich Antworten bekomme.” “Auch bei deinen Sünden? Die offensichtlich deine Arbeit erledigen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht nur hier im Himmel einen Aufstand angezettelt hast, sondern dann auch gegen dich einer stattfindet, solltest du anfangen Nachsicht zu zeigen. Versteh mich nicht falsch, dein Ruf ist mir egal, du solltest es auch sein, aber aus irgendeinem Grund bist du es nicht.” Luzifer war überrascht von den Worten und haderte mit sich, ob er Raphael auch den Rest erzählen sollte. Er entschied sich dagegen. Zwar glaubte er Haniel jedes Wort, aber selbst sie hatte nicht bestätigt, dass ihre Beziehung tiefer gehend war. Es war zu verwirrend und ehe er sich selbst nicht sicher war, was damals zwischen ihnen lief, wollte er keine schlafenden Hunde wecken, auch wenn er dies mit dem Kuss vielleicht schon getan hatte. “Ich kann deine Gedanken nicht lesen, nicht mehr, ist dir schon klar, oder?”, wollte Raphael nach einem sehr langen Moment der Stille wissen. “Besser ist es”, antwortete Luzifer noch immer in Gedanken verloren, ehe er seinen Blick wieder auf Raphael richtete. Es war egal, wie ihre Beziehung war. Sein Körper sprach eine Sprache, die er eigentlich nicht ignorieren konnte und doch tat er es. Raphael war nicht irgendwer, er würde es sich selbst nie verzeihen, ihm weh zu tun. Ein Gedanke der ihn kurz auflachen liess. Rein körperlich wäre er vermutlich nicht in der Lage ihm weh zu tun, aber in der jetzigen Position … “Fuck, du machst mich irre. Entscheide dich einfach, meine Geduld ist bald zu Ende und dann werde ich andere Saiten aufziehen. Das ist ein Versprechen, Raphael. Nutz meine Sympathie nicht endlos aus.” Luzifer erhob sich und Raphael verstand definitiv die Welt nicht mehr. Er hatte gerade nichts getan, um so eine Reaktion hervorzurufen. “Dir ist klar, dass ich nichts tue?”, hakte er dann nach und zog Luzifers Aufmerksamkeit wieder auf sich. Er kam ihm schnell ein wenig näher und hielt dessen Gesicht in seinen Händen. “Das könnte ja das Problem sein, du tust nichts und es scheint dir auch egal zu sein, was war. Deine Resignation macht mich wahnsinnig, mehr als es die Hölle je getan hatte. Ich mein es ernst, denk darüber nach, ich gebe dir noch eine Chance. Wie ich es dann regel, ist meine Sache.” Ehe Raphael antworten konnte, kam er ihm so Nahe als möglich und verschloss dessen Lippen zu einem stürmischen Kuss. Er konnte nicht anders, diese Nähe machte sein Verlangen nicht besser. Er zwang sich dann dazu, sich wieder zu lösen und verliess die Zelle mit schnellen Schritten. Raphael war ein Problem, er vernebelte seine Gedanken und dies war nicht gut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)