Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 27: Gedanken -------------------- Raphael hatte in dieser Nacht absolut kein Auge zugetan. Kaum war Luzifer weg, fuhren seine Gedanken eine wilde Achterbahn, die er kaum noch aufzuhalten vermochte. Schon wieder hatte er ihm ein Angebot unterbreitet, schon wieder kam er ihm ungefragt näher und zum Glück schien Luzifer absolut nicht auf ihn zu achten.  Es schien, dass dieser so verwirrt war und zeitgleich so von ihm besessen, dass er wesentliches gar nicht wirklich wahrnehmen konnte. Zu seinem Glück und zeitgleich zu seinem Bedauern. Langsam setzte er sich auf und öffnete langsam die Augen. Da Luzifer bei ihm war, war es unwahrscheinlich, dass er so schnell wieder kam. Ein wenig Zeit wurde ihm nun geschenkt und die musste er nutzen. Mit einem tiefen Atemzug liess er sämtliche Schilde und die dazugehörigen Illusionen fallen. Er wusste bereits, dass seine Freunde sie nicht mehr benötigten und er konnte spüren, dass es ihnen gut ging, zumindest körperlich, daher brauchte er diese Kraft wirklich nicht mehr aufzuwenden. Bei sich selbst hingegen … Ganz langsam strich er sich über die Seite und zog scharf zischend die Luft ein. Die Wunde wurde nur langsam besser. Kein Wunder, wenn er sich erst um alle anderen kümmerte, anstatt um sich selbst. Seine Hand wanderte ein wenig tiefer und auch die Schnittwunde an seinem Oberschenkel sah nicht besser aus. Dabei hatte er gute Selbstheilungskräfte, normalerweise wäre dies in einem Tag erledigt gewesen.  Normalerweise. Es war nur gerade nichts normal und dies war ihm sehr wohl selbst bewusst. Die Kraft, die er dafür aufwendete, damit Luzifer nichts mitbekam, war eigentlich eben diese, die er benötigt hätte, um sich selbst zu regenerieren.  Ein leises Lachen verliess seine Kehle und er lehnte sich gegen die Steinmauer. Die Kühle, welche von ihr ausging, war gerade unfassbar angenehm. “Wieso?”, fragte er sich leise und strich sich dann kurz durchs Haar. Wieso war eine sehr gute Frage und er hatte so viele davon. Wieso waren sie so unterlegen? Wieso hatte er sie nicht einfach getötet? Wieso wurde er so verhätschelt? Wieso erzählte ihm Luzifer alles? Wieso wollte er seine Hilfe? Wieso kam er ihm dauernd ungefragt näher? Und wieso konnte er sich einfach an nichts erinnern? Auf keine dieser Fragen hatte er eine Antwort. Er konnte spüren, dass eine Vertrautheit da war und durch Erzählungen wusste er genau, dass Luzifer und er gute Freunde waren. War es diese Vertrautheit, welche Luzifer dazu bewog ihm alles anzuvertrauen? War es nicht dumm von ihm? Er konnte es gegen ihn verwenden, sich bei ihm einschleimen und ihn endgültig zu Fall bringen und doch verspürte er absolut keinen Drang danach dies zu tun. War es eben diese Vertrautheit die ihn daran hinderte? Die seine Wut, seinen Hass und seine Schmerzen einfach zur Seite schoben? Seinen Hass, auf wen? Auf Luzifer? Er wusste es nicht. Ebenso die Wut, er war wütend, sehr sogar.  Allerdings nicht nur auf ihn, sondern auf gefühlt jeden. Jeder der ihn nicht ernst nahm, jeder der ihn behandelte wie ein rohes Ei und eigentlich war er es auch auf sich selbst. Er hätte längst etwas tun können, längst Antworten einfordern, er hatte bisher nur bei den Falschen gefragt. Gott war nicht seine Ansprechperson. Dieser wusste offensichtlich genauso wenig was hier vor sich ging, wie alle anderen. Wie alle ausser Michael und wenn er Luzifer glauben wollte, Uriel. Hatte er sich wirklich so sehr in ihnen getäuscht?  Woher wusste er, dass nicht auch die anderen mehr wussten? Oder war dies ein Plan von Luzifer? Er wusste es nicht, er konnte nicht klar denken und er brauchte einen Rat. Nur wem sollte er vertrauen? Er lachte erneut kurz auf. Ihm fiel auf, dass er schon einmal an diesem Punkt war. Er wollte Luzifer helfen, weil er selbst Antworten wollte, nur war er bisher keinen Schritt weiter gekommen. Es war offensichtlich, dass er etwas tun musste, nur ohne Vertrauen war dies schwierig. ‘Metatron?’, versuchte Raphael es bei der einzigen Person, die ihn noch nie enttäuscht hatte. Eine ganze Weile kam keine Antwort und gerade als Raphael sich an Raziel wenden wollte, spürte er dessen Präsenz. ‘Du solltest dich schonen und nicht noch mehr Kraft aufwenden, Raphael”, war die beinahe schroffe Antwort seines Lehrmeisters. ‘Ich weiss was gut für mich ist und wann ich aufpassen muss’, konterte er ihm beinahe eingeschnappt und er konnte das Lachen in seinem Kopf deutlich hören. ‘Etwas, das mir komplett neu wäre und ich dir so leider nicht glauben kann, Raphael. Du hattest immer deinen eigenen Kopf und sobald man dir sagte, tue etwas nicht, hast du es getan. Es war einfach dich so zu manipulieren und deswegen warst und bist du einer meiner besten Schüler, aber genau deswegen kenne ich dich auch so gut und es ist an der Zeit, dass du auf mich hören solltest, Raphael.” Zum Glück konnte Metatron nicht sehen, dass er mit den Augen rollte. Diese Belehrungen, er hatte sie definitiv nicht vermisst, auch wenn er wusste, dass dieser vollkommen recht hatte. ‘Wie tief sind deine Wunden?’, kam nach einer Weile die Frage, die Raphael natürlich nicht hören wollte und er konnte ihn auch nicht belügen. Selbst wenn er es gewollt hätte. ‘Ich werde es überleben’, antwortete er ihm ausweichend. ‘RAPHAEL! Du gibst mir jetzt eine ordentliche Antwort auf meine Frage oder ich werde dir die deinigen nicht beantworten, haben wir uns verstanden?’ Raphael zuckte beinahe ein wenig zusammen, nur der Schmerz in seiner Seite hinderte ihn daran. Metatron war offensichtlich nicht so gelassen, wie er ihn eingeschätzt hatte und es ehrte ihn irgendwie, dass dieser sich wirklich Sorgen um ihn machte. ‘Es sind zwei tiefe Wunden und ein paar Kratzer’, gab er dann ehrlich zu und seufzte leise. ‘Soll ich?’ ‘NEIN! Du tust gar nichts alter Mann. Du wirst nicht deine Kraft aufwenden, nachdem ich meine für dich gebraucht habe, du weisst, ich kann sie verweigern und du bist trotzdem wieder geschwächt. Ich brauche einfach ein Frühwarnsystem’ Bei seinen Worten lachte er leise. ‘Gabriel wäre praktisch, der könnte mich vorwarnen, wenn Luzifer auf dem Weg zu mir ist’, scherzte er leise lachend. ‘Er ist kein Hellseher’, stellte Metatron trocken fest. ‘Lass die Illusionen bleiben, früher oder später wird er es bemerken. Luzifer ist nicht dumm. Er ist augenblicklich ziemlich verwirrt. Erinnerungen überkommen ihn. Erinnerungen, die er verdrängt und verloren hat, nachdem er von hier gehen musste. Ich bin mir nicht sicher, was mit dir passiert ist, Raphael, ob es ein Trauma ist oder eine Einmischung, aber letzten Endes wird er mehr wissen, als du. Solltest du wirklich nach Antworten suchen, dann wirst du dich an ihn halten müssen’, riet ihm Metatron, ohne das er ihn danach gefragt hatte. ‘Gabriel ist vielleicht kein Hellseher, aber offensichtlich bist du einer’, kommentierte Raphael die Worte und Metatrons Lachen erklang in seinem Kopf. ‘Ich habe bereits erwähnt, dass ich dich besser kenne, als du dich selbst, Raphael.’ ‘Denkst du, ich kann ihm vertrauen?’, hakte er dann unsicher nach und er war sich sicher, dass er diese Unsicherheit gerade nicht überspielen konnte. ‘Du tust es doch bereits oder irre ich mich? Du willst von mir nur die Erlaubnis, dass es keine Konsequenzen für dich haben wird, aber was soll dir noch gross passieren?’ ‘Ich könnte das gleiche Schicksal erleiden wie er’, stellte Raphael ein wenig verbittert fest. ‘Und? Wäre es schlimmer, als dein Aktuelles? Raphael, wir alle sehen, dass du leidest und keiner kann dir helfen, es wird Zeit, dass du tun musst, was du tun musst.’ Die Antwort überraschte ihn.  ‘Ich würde euch niemals verraten’, entgegnete er ohne zu zögern. ‘Davon gehe ich auch nicht aus, aber wer weiss, was du tun musst, um an deine Antworten zu kommen. Luzifers dunkler Pfad … Vielleicht ist er nicht so dunkel, wie wir annehmen, aber es liegt an dir, dies herauszufinden und Raphael? Verschliesse dich nicht vor deinen Erinnerungen, sie werden dir vermutlich am meisten helfen und nun ruh dich aus, du wirst deine Kräfte brauchen.’ Raphael spürte gut, wie die Verbindung gekappt wurde und auch das Metatron recht hatte. Wer sollte ihn jetzt aufhalten?  Gott? Selbst wenn dieser erfuhr was hier vor sich ging, war er dann nicht selbst Schuld? War es nicht dessen Fehler, sie alleine zurück zu lassen und dass sie sich eigene Wege suchten, um die Unterwelt wieder los zu werden?  Er würde Luzifer vertrauen und sich seinen Erinnerungen nicht mehr verschliessen, zumindest war dies sein Plan.  Sobald er fitter war, würde er versuchen mit Uriel zu sprechen, dieser schuldete ihm wohl mit am meisten eine Antwort, wobei ihm da noch ein ganz anderer Gedanke in den Sinn kam. Unter diesen Gedanken, vergass er sein Schild wieder hochzufahren und schlief ein. Das erste Mal, ohne Kraftanstrengung.    “Bist du sicher, dass dies eine gute Idee ist?”, wollte Luzifel mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen wissen. “Nein, aber du bringst mich selten auf gute Ideen”, erwiderte Raphael an seine Lippen flüsternd, ehe er sie zu einem innigen Kuss verschloss. “Dir ist klar, dass wir Ärger bekommen, wenn wir HIER erwischt werden?”, hakte Luzifel nach und schloss geniesserisch die Augen, als Raphael sich seinen Weg mit gefühlt tausend Küssen, nach unten bahnte. “Willst du etwa in deinen Palast, Luzifel?”, neckte Raphael ihn und biss ihm verspielt in die Brustwarze und genoss den geniesserischen Laut, welchen Luzifel von sich gab. “Um himmels Willen, nein”   Raphael schrak aus seinem Schlaf und verzog kurz das Gesicht. Seine Wunde war jetzt zweitrangig, aber wie kam es zu diesem Traum?  Nein, dies war kein Traum, das fühlte sich zu real an. War es eine Manipulation? Schnell schüttelte er den Kopf. Er hatte ihn bei seinem Engelsnamen genannt. Dies war echt. Plagten Luzifer dieselben Erinnerungen? Näherte er sich ihm deswegen? Hatte Metatron dies gemeint? Raphael war vollkommen verwirrt und schloss erneut die Augen. Nun schossen ihm weitere Bilder durch den Kopf, ohne dass er schlief. Es war offensichtlich, entweder er drehte langsam aber sicher durch oder seine Vergangenheit mit Luzifer war sehr viel tiefergehend, als er bisher gewusst hatte. “Ok, ich habe ein Problem”, stellte er dann seufzend fest und sein Blick galt seiner Körpermitte.  Es war eigentlich pure Ironie. Bei dieser Sünde, Bager, hatte sich absolut nichts getan und ein Traum aus seiner Vergangenheit bewirkte so etwas? Raphael schloss erneut die Augen und versuchte an ganz andere Dinge zu denken. Ein Plan der absolut nicht funktionierte, da ihm augenblicklich die Küsse in den Sinn kamen. Sie waren so voller Leidenschaft. Es ging Luzifer ähnlich und er hielt sich zurück. Er hatte ihm sogar gesagt, dass er ihn sich einfach nehmen könnte, wenn er denn wollte …  Ein Gedanke, der ihn kurz zum Lachen brachte und kurze Zeit später leise zum keuchen. Der Stoff war gerade unnötig und die Reibung machte es nicht besser. Er brauchte wirklich andere Gedanken, komplett andere Gedanken, vielleicht sollte er jetzt ein Gespräch mit einem seiner Freunde suchen. Da würde sicherlich nicht mehr lange ein Problem bestehen.  ‘Hört mich einer von euch?’, öffnete er seine Gedanken einfach komplett und hoffte einer der Erzengel würde antworten. Nichts. Stille. Ein leises fluchen entglitt seinen Lippen und seine Hand suchte sich ziemlich zielsicher den Weg in die Tiefe. Wie tief war er eigentlich gesunken?  Wann hatte er sich das letzte Mal selbst angefasst? Hatte er dies überhaupt getan? Er konnte sich absolut nicht mehr daran erinnern, es war aber auch egal. Seine Gedanken drifteten sowieso komplett ab und ohne dass es ihm bewusst war, stellte er sich eine ganze bestimmte Person vor. Raphael hatte letzten Endes keine Ahnung wie lange er mit sich selbst beschäftigt war. Er hoffte allerdings sehr, dass niemand davon mitbekommen hatte oder würde.  Allerdings war er viel zu erschöpft, um sich darüber noch weitere Gedanken zu machen und sein Körper holte sich, was er brauchte. Schlaf.   “Raphael, ich muss dir was sagen.” Luzifel zog an dessen Hand und Angesprochener kam eher widerwillig mit. “Dann tu es doch, wohin schleppst du mich eigentlich?” Luzifel verdrehte ein wenig genervt die Augen. “Wenn ich es dir hier sagen könnte, würde ich es tun, aber zu viele Ohren die mithören, du verstehst?” “Absolut rein gar nicht”, antwortete Raphael auf die Frage und wurde von Luzifel weiter gezogen. Es dauerte eine gesamte Weile, bis sie an dem Ort ankamen, an welchem Luzifel sie haben wollte, was allerdings an Raphaels fehlender Kooperation lag. “Du hättest einfach sagen können, dass wir in deinen Palast sollen, dann wäre es schneller gegangen.” Es war offensichtlich, dass Raphael keine Überraschungen mochte und erst jetzt Luzifel aus freien Stücken folgte.  “Und?” “Und was?” “Du wolltest mir etwas sagen?” Luzifel grinste lediglich und führte Raphael in sein Zimmer. Dort angekommen schloss er die Tür hinter sich und verschloss diese. Mit grossen Schritten war er bei Raphael und umarmte ihn, anders bekam er ihn nicht dazu sich zu bewegen und es dauerte nicht lange, hatte er ihn aufs Bett geschubst. “Was wird das?” “Finden wir es heraus, oder?” Raphael konnte auf die Worte nicht antworten, da Luzifel ihn vorsichtig küsste.    Erneut wachte Raphael auf und sofort war ihm klar, was dies für eine Erinnerung war. Ihr erster Kuss. Danach war nichts weiter passiert. Wieso konnte er sich jetzt daran erinnern? War es, weil er sich erinnern wollte? Wieso war dies früher nicht möglich? Und wie sollte er jetzt mit Luzifer umgehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)