Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 28: Rätselstunde ------------------------ Die Stille, welche in seinem Raum herrschte, war für Luzifer ein Traum. Keiner wollte etwas von ihm wissen, niemand störte und belästigte ihn mit Fragen, welche ihn aktuell absolut nicht interessierten. Vielleicht sollte er sich um Bager kümmern. Er war sich allerdings sicher, dass Tsorn und Grid dies schon hinbekommen hatten, wobei Luzifer da tatsächlich eher an Grid glaubte. Luzifer war durchaus auch bewusst, dass er sich um die Belangen hier kümmern sollte, dass er schneller zu einem Ergebnis kommen musste, aber seine Kraft war aktuell nicht auf dem Höhepunkt und seine Lust hatte sich nach dem gestrigen Tag längst verabschiedet. Bisher hatte er nie Probleme, sich selbst zu motivieren, Gründe zu finden, wieso er etwas tat, aber jetzt? In diesem Moment war es in seinen Augen ein Kampf, der zu lange dauern würde. Sein primäres Ziel war nicht erreichbar und verschollen. Wobei sich dieses offensichtlich geändert hat. Er wollte Antworten und ihm war mittlerweile bewusst, dass nicht Gott derjenige war, welcher ihm diese geben konnte. Ein Seufzen entglitt seiner Kehle und die Decke wurde einmal mehr über den Kopf gezogen. Wie gerne wäre er in diesem Moment ein Mensch. Ein dummer kleiner Mensch mit seinen alltäglichen Sorgen. ‘Luzifel?’, erklang auf einmal eine Stimme in seinem Kopf, welche er zu ignorieren versuchte. ‘Luzifel!’, erklang sie ein zweites Mal und ein Brummen war die Folge. ‘Ich spreche mit dir.’ Ein wenig entnervt setzte sich Luzifer auf und schaute sich in dem Zimmer um. Es war niemand zu sehen. Langsam schien er den Verstand zu verlieren. Der Himmel machte ihn wahnsinnig und offensichtlich schien er langsam aber sicher fortzuschreiten. ‘Du wirst nicht verrückt. Um Himmels Willen, du hast Engelsblut in dir, denk ein wenig nach’, erklang die Stimme erneut. ‘Ich dachte, diese Art der Kommunikation wäre mir verwehrt, wieso kann ich dich hören?’ Luzifer konnte die Überraschung nicht einmal in seinen Gedanken vermeiden und ein dunkles Lachen ertönte. ‘Nun, dir dies zu erklären, würde deine Geduld überstrapazieren. Bist du bereit?’ ‘Wofür?’ ‘Na für die Erklärung …’ Luzifer seufzte tief auf. Metatron spielte mit ihm. Entweder war diesem in seiner Isolation langweilig, oder er wollte ihn wirklich in den Wahnsinn treiben, was dieser vermutlich auch aus purer Langeweile getan hätte. ‘Deinem Seufzen entnehmen ich, dass du nicht an einer Erklärung interessiert bist, sie würde dir allerdings helfen, gegebenenfalls auch mit den anderen Engeln kommunizieren zu können und in Anbetracht der Entwicklungen, wäre die Verbindung zu einem von uns, in deinen Augen bestimmt erwünschenswert.’ Luzifer zog die Decke wieder über seinen Kopf. Er konnte Metatrons Redeschwall auch über sich ergehen lassen, indem er sich einkuschelte, war er ja nicht im gleichen Raum und dementsprechend war es egal, wie er da lag. ‘Ich habe offensichtlich eine Verbindung zu dir, reicht die nicht? Ausserdem, sollten die anderen erfahren, dass ich eure Kommunikation ebenfalls beherrsche, redet ihr bestimmt nicht mehr untereinander.’ Ein erneutes Lachen erklang. ‘Du wirst die Gespräche doch nicht belauschen können. Du warst lange genug ein Teil von uns und bist es offensichtlich immer noch. Nur derjenige, den du ansprichst, wird dir zuhören und antworten können, sofern er empfänglich ist. Deine Verbindung zu mir ist nach all den Jahren noch immer so stark. Sie überrascht mich selbst. Sollte ich recht behalten, dann dürfte die Verbindung zu Raphael noch um einiges stärker sein, sofern er empfänglich für deine Belange ist.’ Luzifers Interesse war tatsächlich geweckt. Nicht nur aufgrund der Erwähnung Raphaels, auch weil er schon so lange nicht mehr in dieser Form gesprochen hatte. ‘Du warst mein Lehrmeister und hattest es immer gut mit mir gemeint. Ich mag nachtragend sein, aber selbst ich weiss, wann du nichts mehr tun kannst, Metatron.’ Luzifer konnte spüren wie dieser ihm zustimmte, ohne ein Wort zu sagen. Es war unglaublich. ‘Reden wir nicht über die Vergangenheit, auch wenn sie offensichtlich genau das ist, was dich mit am meisten beschäftigt. Wir sollten über die Zukunft sprechen, über alles, was noch passieren wird. Mit dir und deinen Mitstreitern.’ ‘Könntest du aufhören in Rätseln zu sprechen, Metatron. Ich will meine Antworten und dann verschwinden, wie oft denn noch?’ ‘Nehmen wir an, du bekommst jegliche Antwort, die du dir wünscht, was dann? Deine Erinnerungen werden unweigerlich zurückkommen, tun sie bereits, oder? Dein Schicksal ist unweigerlich mit dem von Raphael und Michael verknüpft. Eure Fäden, sie waren schon immer miteinander verwoben und sobald sie entwirrt sind, wenn Klarheit geschaffen wird, welche Konsequenzen wirst du daraus ziehen?’ Es war eindeutig zu früh für Luzifer, um sich solchen Fragen zu stellen, allerdings stellte Metatron sie nicht aus Willkür. ‘Woher soll ich die Konsequenz wissen, ohne die Antworten zu kennen?’ ‘Kannst du ihn alleine lassen?’ Die Frage brachte Luzifer komplett aus dem Konzept. Was wusste Metatron? ‘Ich beginne nun mit meiner Erklärung, meiner Theorie und solltest du mich nicht unterbrechen, mit meiner Lebensgeschichte …’ Da Luzifer auf diese Drohung nicht reagierte, war Metatron klar, wie sehr er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. ‘Als ich ein kleiner Engel war …’ Begann Metatron mit seiner Geschichte und nach gefühlt einer Ewigkeit reagierte Luzifer endlich. ‘Was? Wieso erzählst du mir, bist du, was?’ ‘Oh, jetzt wäre es gerade spannend geworden, aber schön dich wieder am Gespräch beteiligt zu wissen. Bekomme ich eine Antwort auf meine Frage oder hast du dir den Kopf darüber zermartert, wen ich meinen könnte?’ Die Unschuld in Metatrons Stimme provozierte Luzifer unnötigerweise und ihm war bewusst, dass genau dies Metatrons Ziel war. ‘Wieso sollte ich bei ihm bleiben wollen?’, stellte Luzifer die Gegenfrage. ‘Dafür hast du nun so lange gebraucht? Ich hätte eine weitaus speziellere Frage erwartet, aber nun gut, dein Geist scheint müde zu sein. Entwicklung, Luzifel, alles hat mit Entwicklung zu tun, der Stärke zu erkennen, wie sehr man an sich selbst und an gewissen Situationen wachsen kann.’ ‘Was keine Antwort auf meine Frage ist’ ‘Sicher? Du solltest ein wenig in dich gehen und dir bewusst machen, was du willst, ein Rat, den ich jedem von euch geben würde und vermutlich sollte, nur gehörst du zu den verlorenen Seelen, welche sich nirgendwo zugehörig fühlt und damit bist du nicht alleine, Luzifel.’ ‘Was weisst du?’ 'Nichts, was nicht offensichtlich wäre, setze deinen Verstand ein, lass dich nicht täuschen. Deine Geduld, bringe sie auf, dann bekommst du Antworten auf Fragen, die du nicht gestellt hast. Ich bin ein alter Mann und kann dir nur bedingt helfen auf deiner Suche nach der Wahrheit, aber ein anderer kann es, sobald er sich nicht mehr selbst im Weg steht.’ ‘Du meinst, er wird sich erinnern, sobald er dies zulässt? Nach meinen Informationen könnte dies nur Uriel bewerkstelligen und nicht einmal dann, wäre es sicher.’ ‘Es kommt ganz darauf an, welche Erinnerung dir wichtiger ist. Die Zeit vor deiner Verbannung oder die Zeit währenddessen. Sollte das Zweitere deine Priorität haben, dann hast du vermutlich recht, doch sollte dies noch nicht deine Priorität sein. Die Zeit kommt, sie arbeitet für dich, für euch und eure Antworten, aber sie arbeitet langsam.’ Luzifer brummte leise. Sein Schädel würde noch explodieren. ‘Ich denke, du wirst verstehen, wenn du das nächste Mal mit ihm sprichst. Persönlich, nicht über diesen Kommunikationsweg. Ich lasse dich über unser Gespräch nachdenken, aber eine Bitte hätte ich noch.’ ‘Hm?’ ‘Könnte ich meine Zelle aufwerten mit einer für mein Alter angemessenen Unterlage und sofern ich keine Gesellschaft bekomme, ein Buch?’ Luzifer konnte Metatrons Lachen laut und deutlich hören und wollte daraufhin etwas erwidern, spürte jedoch im selben Moment, dass dieser ihre Verbindung gekappt hatte. “Was will dieser alte Mann eigentlich von mir?”, hörte er sich selbst brummen. Konnte es wirklich sein, dass Metatron ihm helfen wollte? In Anbetracht der Situation glaubte er allerdings eher daran, dass er ihn in den Wahnsinn treiben wollte, um ihn damit auszuschalten. Doch konnte er sich da sicher sein? Vielleicht vertraute Raphael Metatron wirklich und sie sprachen miteinander. “Die machen mich fertig”, motzte er leise und beschloss, nun doch aufzustehen. Gadles hatte ein komisches Gefühl, als er aufstand und durch den Palast schritt. Irgendetwas stimmte nicht und mit jedem Meter, den er ging, wurde dieses Gefühl stärker und stärker. Er fühlte sich schwächer. Doch dies konnte nicht sein. Michaels Hochmut war ausreichend und normale Nahrung benötigte er nicht zum Überleben, auch wenn sie eine willkommene Abwechslung war. Wieso also fühlte er sich schwächer? Ging es den anderen auch so? Gadles beschloss, in den Speisesaal zu gehen. Ebenfalls eine Einrichtung, welche die Engel vermutlich nicht benötigten, allerdings schienen sie sich gerne mit Essen zu beschäftigen. Sie waren sich nicht so unähnlich, wie er einmal mehr feststellte. Wie erwartet traf er dort auf Glatani, welcher sich bereits Unmengen an Speisen einverleibte. “Ist gestern irgendetwas passiert?”, wollte er ohne Umschweife wissen und setzte sich in sicherer Entfernung hin. “Luzifer war gestern ziemlich wütend. Ich kam mit einem blauen Auge davon, aber ich glaube Inersha nicht, habe ihn seit gestern auch nicht mehr gesehen”, beantwortete er ihm die Frage, soweit er nun einmal konnte. “Was habt ihr angestellt?” Eigentlich interessierte es Gadles nicht, allerdings war etwas komisch und ehe er mit Tsorn oder Grid sprach, tat es auch Glatani. “Ich an sich nichts, ich hatte Inersha gewarnt, falsche Gerüchte zu streuen. Doch er wollte nicht auf mich hören.” Gadles nickte verstehend. Sie hatten sich also selbst in Gefahr gebracht. Doch erklärte es nicht, woher dieses komische Gefühl kam. “Kennst du die Strafe?”, hakte er nach und bekam ein nicht sonderlich motiviertes Schulterzucken seines Gegenübers. “Nein, nachdem Luzifer mich ermahnt hatte, zog ich es vor, nicht weiter in dessen Nähe zu sein, wie du sicherlich verstehen kannst. Du solltest ihn in nächster Zeit nicht reizen, ich bin mir sicher, seine Laune wird nicht besser.” Gadles konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Ohne etwas gegessen zu haben, erhob er sich vom Tisch und verliess den Speisesaal wieder. Luzifer war gereizt? Dann sollte er ihm vielleicht ein wenig die Laune versüssen und endlich an Informationen gelangen. Sein Weg führte ihn nun ohne Umwege zu Michaels Zelle, kurz davor hielt er allerdings inne und beschloss, einem anderen Erzengel einen Besuch abzustatten. Luzifer wollte Informationen. Michael hatte ihm bisher nicht weiter geholfen, zwar machte es Spass ihn ein wenig zu reizen, aber ohne jeglichen Effekt verging ihm auch dieser. Es dauerte nicht lange, befand er sich vor Raphaels Zelle wieder. Sein Gefühl sagte ihm zwar laut und deutlich, dass diese Idee nicht sonderlich gut war, aber er wollte Luzifer beeindrucken und seine Sünde sprach eine ganz andere Sprache. “Ich wünsche einen guten Morgen”, begrüsste er Raphael in einem sehr sarkastischen Tonfall und erhielt wider Erwarten keine Reaktion. “Ich spreche mit dir, Abschaum”, wurde sein Ton direkt ein wenig harscher und schloss die Tür mit einem Knall hinter sich. Nachdem Raphael erneut nicht reagierte, knurrte Gadles leise auf. Sie sollten den Engeln nicht weh tun, aber er wurde nicht ignoriert. Die Wut, sie stieg langsam in ihm hoch und sein Verlangen, diesen Engel vor ihm zu foltern, wurde grösser und grösser. Solange er keine Spuren hinterliess, würde Luzifer davon nichts mitbekommen, zumindest war dies Gadles Gedankengang. Mit einem Grinsen auf den Lippen beugte er sich über den scheinbar schlafenden Engel und legte seine Hände um dessen Kehle. “Du solltest mit mir sprechen, solange du es noch kannst”, drohte er leise und begann langsam Druck auszuüben. Es war kein Wunder, dass Raphael nun aus seinem tiefen Schlaf aufwachte und überrascht in Gadles Augen blickte. “Oh, Dornröschen ist aus seinem Schlaf erwacht, ganz ohne Kuss”, spottete Gadles und liess ein wenig lockerer. “Verschwinde”, forderte Raphael auf, nachdem er einen tiefen Atemzug genommen hatte. “Wieso sollte ich?”, hakte Gadles überheblich nach und liess seinen Blick nicht eine Sekunde von dem Erzengel. “Um deines Lebens Willen. Mir ist es ja egal, was mit euch passiert, je weniger von euch, umso besser.” “Wie meinst du das?”, fragte Gadles nun seinerseits überrascht nach. Er konnte Raphaels Worte nicht deuten. “Frag Luzifer.” “Ich frage dich. In deinem Zustand wäre es mir ein Leichtes dich zu foltern und zu quälen, bis du mir die Antworten gibst, die ich von dir haben will. Keiner von euch könnte mir widerstehen, auch du nicht.” “Hast du Antworten von Michael?” Gadles zuckte zusammen und allein sein Blick hätte Raphael vermutlich getötet. Zielsicher hatte er seinen wunden Punkt getroffen und ihn beschlich langsam das Gefühl, dass Raphael sehr viel mehr wusste. “Wir reden hier von dir, nicht von Michael”, knurrte Gadles leise. “Also nein.” Raphael setzte sich langsam auf. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, seine Wunden mit einer Illusion zu verschliessen, da er Metatron leider recht geben musste. Allerdings schätzte er Gadles auch nicht intelligent genug ein, diese wirklich wahrzunehmen. “Woher weisst du, welche Sünde ich bin?”, wollte Gadles wissen. Er hatte sich nicht vorgestellt und er glaubte kaum, dass Raphael hellsehen konnte. “Ich habe geraten. Grid war mein erster Aufpasser, Bager und Tsorn hatten mir ebenfalls Gesellschaft geleistet, alle drei hatten nichts mit Michael zu tun. Dein Auftreten hingegen, nun, es passt zu ihm und ich schätze Luzifer so ein, dass er ein wenig mitgedacht hat bei der Aufteilung.” Gadles lachte abfällig auf. “Dann hätte er dir nicht Grid zugeteilt”, stellte er fest und tigerte ein wenig in der Zelle auf und ab. “Dein Leben ist dir nichts wert, oder?”, wollte Raphael ruhig wissen. Sein Blick ruhte auf der Sünde und beobachtete Gadles ganz genau. “Wieso?” “Wie gesagt, du solltest Luzifer fragen. Es ist allerdings erstaunlich, dass er mir mehr erzählt als euch”, provozierte nun Raphael die Sünde. Metatron hatte eindeutig recht, er musste etwas tun und wenn Gadles in sein Messer laufen wollte, dann sollte er dies ruhig tun. “Du lügst, niemals würde Luzifer dir mehr vertrauen als mir. Ich bin sein bester General”, antwortete Gadles daraufhin hochmütig und strafte Raphael mit einem ebensolchen Blick. “Wie hoch magst du in seiner Gunst noch stehen, solltest du ihm nicht bald Informationen von Michael beschaffen? Er ist derjenige von uns, der über alles Bescheid weiss, derjenige, der so tief in Gottes Allerwertesten steckt, dass er offensichtliche Narrenfreiheit geniesst. Doch du kommst zu mir und erhoffst dir Antworten. Zu mir, der für euch tabu ist.” Gadles schnaubte einmal mehr auf. Die Wut auf diesen Engel wuchs mit jeder Sekunde mehr. “Ich töte dich, sobald ich die Gelegenheit dazu bekomme. Ich werde Luzifer schon klar machen, dass jegliche Sentimentalität fehl am Platze ist und dann töte ich dich noch bevor ich Michael den gar aus mache.” Raphaels dunkles Lachen erklang im Raum und Gadles kochte vor Wut. Mittlerweile war er dazu übergangen, um den Engel herumzulaufen und somit stand er nun hinter Raphael. Er packte ihn im Genick und drängte ihn gegen die Wand. Dieser Engel, er sollte einfach den Mund halten. “Lass los oder du bereust es…” Raphaels Stimmlage hatte sich geändert und sie liess einen Schauer über Gadles Körper laufen. “Was willst du schon tun, du bist angekettet, weiter als zur Tür kommst du nicht”, spottete er leise und presste seinen Körper nahe gegen Raphaels. “Ich wiederhole mich ungern, lass mich los …” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)