Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 30: Ein angeschlagenes Ego ---------------------------------- “Ich habe gesagt, du sollst mich los lassen” Raphaels Stimme wurde immer dunkler und Gadles ahnte, dass er den Engel gerade ziemlich reizte und doch wollte er wissen, wie weit er gehen konnte. Raphael war immerhin angekettet, zwar hatte er Bewegungsfreiheit, dennoch konnte er ihm letzten Endes nichts tun. “Vielleicht habe ich gerade keine Lust dazu? Was willst du schon tun? Ich bin eindeutig in einer besseren Position als du”, spottete Gadles und fühlte sich wirklich überlegen. Er stand hinter einem angeschlagenen Engel, presste diesen gegen eine kalte Steinwand und raubte ihm praktisch alle Bewegungsfreiheit. “Falsch”, stellte Raphael kurz und knapp fest und Gadles konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Raphael es tat. Dieser liess wie aus dem nichts seine Flügel erscheinen und spannte sie in der kleinen Zelle. Gadles wurde von der Wucht gegen die geschlossene Kerkertür geschleudert, welche sich mit einem lauten Knall öffnete und ihn aus der Zelle beförderte. Die Wucht war so stark, dass Gadles durch den schmalen Flur flog und direkt vor den Füssen Glatanis landete. “Ich wusste nicht, dass wir fliegen können, muss am Himmel liegen”, war dessen erste Reaktion, ehe er dem verdutzten Gadles die Hand reichte. Dieser schlug das Angebot harsch aus und rappelte sich von selbst wieder hoch. “Sehr witzig”, knurrte er leise und klopfte sich den imaginären Staub von seinen Klamotten. Diese Schmach würde Raphael ihm noch büssen, allerdings musste er zugeben, dass er ihn unterschätzt hatte. “Ich habe dir gesagt, du sollst Luzifer nicht reizen, aber wer nicht hören will, lernt augenscheinlich fliegen”, reizte ihn nun Glatani weiter. “Hat dir eigentlich irgendwann mal irgendwer gesagt, dass du einem so richtig auf den Zeiger gehen kannst?”, wollte Gadles knurrend wissen. “Du meinst abgesehen von dir? Lass mich mal überlegen.” Glatani stemmte eine Hand in seine Hüfte und biss in ein Stück Brot, welches er aus dem Speisesaal hatte mitgehen lassen. Eine Geste, die Gadles beinahe zur Weissglut brachte. Er wollte offensichtlich keine Antwort auf diese Frage und genau deswegen liess er den Idioten einfach stehen. “Ich bin nur von hirnlosen Trotteln umgeben, unglaublich”, fluchte er leise vor sich hin und wollte sich auf den Weg in sein Zimmer machen. Seine Seite schmerzte, gut, sein Brustkorb wurde auch ziemlich hart getroffen und von seinem Ego wollte er gar nicht erst sprechen. Wie hatte er dies nicht kommen sehen können? Natürlich hatten diese dämlichen Engel Flügel und bei Michael hatte er jederzeit darauf geachtet, ihm nicht zu nahe zu kommen. Wieso also hatte er diese Vorsicht bei Raphael fallen gelassen? In seinen Gedanken versunken, bemerkte er gar nicht, wohin er eigentlich lief. Irgendwann fand er sich ausserhalb des Palastes wieder und stellte überrascht fest, dass dies definitiv nicht sein Schlafgemach war. Wieso brachte ihn dieser Engel so durcheinander? Er hatte einen Fehler gemacht, Ja. Doch noch einmal würde ihm dieser definitiv nicht passieren und vermutlich hatte Raphael recht mit dem, was er sagte. Sein Leben stand auf dem Spiel und das Gefühl, dass ein Teil seiner Kraft fehlte, wurde ausserhalb des Palastes noch ein wenig verstärkt. Gadles lachte leise auf. Hatte er eben zugegeben, dass ein Engel recht haben könnte? Mit ihm stimmte anscheinend wirklich etwas nicht. “Ich hasse diese Pest so dermassen, wenn ich könnte, wie ich wollte…” “Für die Pest ist jemand anderer zuständig und nicht du oder willst du den Reitern ihre Arbeit wegnehmen?” Grids Stimme liess Gadles kurz zusammenzucken. Ein Blick auf diesen und er konnte keine Veränderung feststellen, betraf es nur ihn? Spürte nur er, dass etwas anders war? “Du hast mir gerade noch gefehlt”, seufzte er entnervt auf, machte allerdings keine Anstalten zu gehen. “Na, was für ein Glück, dass ich hier bin”, antwortete Grid mit einem Lächeln auf den Lippen. “Allerdings bin ich nicht hier, um dein Händchen zu halten, im Gegenteil. Ein paar Dämonen haben berichtet, dass die Tür zu Raphaels Zelle offen ist und der Letzte, der da gesehen wurde, warst wohl du.” “Und was willst du nun von mir hören?” “Die Wahrheit wäre mal ein Anfang. Wir haben definitiv nicht dieselbe Wellenlänge und ich kann dich auch überhaupt nicht ausstehen, aber letzten Endes arbeiten wir zusammen und noch einen zu verlieren aus reiner Dummheit…” Gadles hatte absolut keine Lust, Grid zuzuhören und dementsprechend tat er es auch nicht. Nur die letzten Worte liessen ihn aufhorchen. “Noch einen zu verlieren?”, hakte er nach und sein Blick ruhte auf Grid. “Wir dezimieren uns. Luzifer mag es nicht, wenn seine Befehle missachtet werden, wie du eigentlich wissen solltest und ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht den Befehl hattest Raphael einen Besuch abzustatten. Selbst wenn ich nichts sagen werde, was seinen Preis hat selbstverständlich, wird es ein anderer tun. Du wurdest gesehen und der Knall war nicht zu überhören, Gadles.” Gadles hatte noch immer keine Lust, Grid wirklich zuzuhören, aber offensichtlich hatte er mal was Sinnvolles zu berichten. “Sind wir schon soweit ja? Du erpresst mich? Du? Dass ich nicht lache. Wobei ich schon sagen muss, dass du ziemliche Eier beweist. Ich würde ja sagen Tsorns Einfluss auf dich trägt Früchte, aber ich weiss, dass du eine hinterlistige Schlange bist und vermutlich auch ihn verkaufen würdest, wenn der Preis stimmt, oder?” “Eine sehr interessante Einschätzung eines Arschkriechers dessen Leben an einem seidenen Faden hängt”, stellte Grid beinahe amüsiert fest. “Ich habe heute einen guten Tag und denke, du wirst dir genug Gedanken darüber machen was passiert ist. Vergiss allerdings nicht, dir auch eine verdammt gute Ausrede für Luzifer einfallen zu lassen. Seine Hand rutscht aktuell ziemlich schnell aus, aber vielleicht hilft es, wenn du endlich Michael zum Reden bringst”, führte er seine Antwort weiter fort und wandte sich ab. “Wer?”, vernahm Grid die Frage und ein weiteres Lächeln schlich sich auf seine Lippen. “Inersha und Mekane. Du stehst in seiner Gunst weiter oben, als die beiden es zusammen jemals getan haben, daher wird er dich vermutlich lediglich bestrafen, was schade ist, deine Fresse nicht mehr sehen zu müssen wäre eine Genugtuung, aber man kann nicht alles haben.” Gadles knurrte bei Grids Worten leise. Er war Hochmut, ER und nicht diese falsche Schlange. Erst wurde er von Raphael gedemütigt und nun von Grid. Er spürte, wie die Wut in ihm hoch zu kochen begann und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Er war die Hochmut, er würde nicht auf Tsorns Niveau gehen und explodieren. Diese Angriffsfläche würde er Grid nicht auch noch liefern. “Wieso?”, zischte er leise und versuchte nach wie vor zu beherrschen. An sich hatte er keine Lust mit Grid weiter zu plaudern, aber dieser schien gerade Antworten liefern zu können und bevor er Tsorn fragte oder sich gar bei Luzifer die Blösse gab, hakte er lieber bei Grid nach. “Inkompetenz, Unzuverlässigkeit, Unzulänglichkeit, Dummheit … such dir was aus, du liegst eigentlich immer richtig, aber ich gehe davon aus, dass du Details willst und mich wundert es ehrlicherweise, dass du nichts mitbekommen hast. Inersha hat Luzifer belogen und blieb wohl auch auf Nachfragen bei seiner Geschichte. Beinahe ironisch, wenn man bedenkt, dass es dem achten Gebot Gottes entspricht und Luzifer ihn dafür bestraft, oder?”, fragte Grid rein rhetorisch nach und fuhr mit seiner Antwort fort. “Mekane hingegen … Er ging in die Hölle zurück ohne Erlaubnis, was Luzifer ihm vermutlich noch verziehen hätte, aber er wollte sich an Bager vergreifen, bei einem eh schon schlecht gelaunten Luzifer, eine ganz üble Idee.” Gadles seufzte lediglich und langsam wurde ihm klar, wieso seine Kräfte schwächer wurden, sie waren nicht mehr vollzählig und vermutlich würde Luzifer so schnell auch keinen Ersatz besorgen. “Der Teufel?” “Wird es vermutlich mitbekommen haben, aber er vertraut Luzifer, sonst hätte er gar nicht erst zugelassen, dass wir hier hoch kommen und Chaos anrichten. Du hingegen solltest aufpassen, wenn du den Beiden nicht folgen willst, auch wenn ich es begrüssen würde.” “Hm”, mehr erwiderte Gadles nicht auf die Worte. Seine Gedanken waren längst an einem anderen Ort, wobei er Grid noch einmal musterte. “Was?” “Merkst du es nicht?”, wollte er wissen und Grids verwirrter Gesichtsausdruck machte ihm deutlich, dass er sich klarer ausdrücken musste. Die Frage war nur, wollte er dies auch? Wenn es nur ihm so ging, dann gab er einem seiner Feinde eine Schwäche preis und dies wollte er, wenn möglichst vermeiden. Vielleicht aber stellte sich Grid einfach nur dumm, wobei er sich dies nicht wirklich vorstellen konnte. “Wir sollten sieben sein, sind allerdings nur noch zu fünft. Wir sind geschwächt und sollte Luzifer nichts unternehmen, frage ich mich, was mit der Trägheit und dem Neid passiert.” Grid lächelte nach wie vor. Die Frage hatte er sich tatsächlich auch schon gestellt. “Wir alle haben unsere Schergen, die dafür verantwortlich sind, in der Menschenwelt für die entsprechenden Sünden zu sorgen, sie werden ein paar Tage ohne einen Befehlshaber auskommen, zumal das letzte Wort Luzifer hat. Es könnte allerdings sein, da er uns diese Sünden übertragen hat, um sich selbst zu entlasten, dass diese nun wieder vermehrt auf ihm lasten. Wir werden es merken, allerdings hoffe ich sehr, dass es nicht so sein wird. Sollte die Trägheit bei ihm wieder verstärkt werden, dauert es hier noch länger.” Grid lachte bei seinen letzten Worten. Er fand den Himmel gar nicht so schrecklich. Im Gegenteil, er fühlte sich tatsächlich irgendwie wohl, als würde die Last der Sünde weniger und er konnte sich entspannen. “Ich sage es ungern, aber in dem Punkt hast du wohl recht.” Im Gegensatz zu Grid, wollte Gadles schnellst möglich wieder nach Hause. Der Himmel schwächte ihn und es gefiel ihm nicht. “Ich verschwinde, ich habe dich gewarnt und ich hoffe, du weisst etwas damit anzufangen. Ich bin zwar nicht dein Boss, aber du solltest anfangen Ergebnisse zu liefern. Sogar Glatani ist nützlicher als du, zumindest aktuell.” Grid wusste genau, wo er Gadles treffen konnte und es war ihm ziemlich egal, dass dieser bereits angeschlagen war. Sie würden niemals Freunde und diese Tatsache musste immer und immer wieder gefestigt werden. Gadles blieb an Ort und Stelle zurück. Er war zwar schlauer als vorher, aber nicht im Bezug auf die Fragen, die er wirklich wissen wollte. Allerdings war auch eines sicher. Grid hatte leider recht und wenn er wirklich von mehreren gesehen wurde, blieb ihm eigentlich nur eine Option. Er musste ihnen zuvor kommen und Luzifer Bericht erstatten oder aber, er konnte endlich Ergebnisse liefern. Bei dem Gedanken schauderte es ihn. Beichten … Beichten taten die dummen Menschen in der Kirche, in der Hoffnung ihnen wurde vergeben, damit sie an diesen trostlosen Ort konnten. Einfach lachhaft. Trübsal zu blasen half allerdings auch nicht weiter. Doch sich noch einmal mit Raphael anlegen würde er jetzt bestimmt nicht, auch wenn er nun wusste, wie dieser sich wehren konnte und wenn er genauer darüber nachdachte, fiel ihm ein kleines Detail auf. Die Flügel. Zwar ging alles so schnell, aber die Flügel waren nicht weiss. Wieso hatte dieser Engel schwarze Flügel? War dies vielleicht eine Entdeckung, die zuvor keiner gemacht hatte? Es könnte ihm viele Probleme ersparen und ihm seinen Arsch für den Moment definitiv retten, nur wieso hatte er schwarze Flügel. Glatani hatte vorhin zwar im Scherz gefragt, ob sie nun fliegen konnten, aber es wunderte ihn auch nicht wirklich, dass dieser Schwachkopf absolut keine Ahnung davon hatte, dass sehr wohl einige Arten der Dämonen imstande waren dies zu tun und eben diese Dämonen hatten schwarze Flügel. Engel hatten normalerweise weisse Flügel. Gadles hatte in diesem Moment das Gefühl, sein Kopf würde gleich zerspringen. Es machte absolut keinen Sinn. Raphael hatte keine dämonische Aura und wirkte er nun wirklich nicht, als würde er zu ihnen gehören, also woher kam dieser so offensichtliche Schönheitsmakel dieses Engels? Er wusste es nicht, aber er würde es herausfinden. Jetzt konnte er Ergebnisse liefern, die bisher sicherlich noch keiner hatte und er ahnte, dass Michael ihm bei dieser Frage sicherlich auch behilflich sein konnte. Dieser schien seine ganz eigene Besessenheit von Raphael zu haben und langsam ahnte er, woher die kam. Er war einzigartig, ausser es gab mehrere Engel mit schwarzen Flügeln, aber im Kampf gegen diese hatte er keinen bemerkt. Wenn er es genau nahm… Raphael hatte am Boden gekämpft, wollte er diese Tatsache vor ihnen verstecken? Es kamen immer mehr Fragen auf und sein Ehrgeiz, diese zu beantworten, wurde sekündlich mehr. Wieso war dies vorher keinem aufgefallen? Nicht einmal Luzifer. Er würde ihm dies so schnell als möglich erzählen, die Details konnte er später noch immer herausfinden. Es galt, erst einmal seinen Hintern zu retten und vielleicht auch sein Ego wieder ein wenig aufzubauen. Mit dieser Entschlossenheit machte er sich auf die Suche nach seinem Boss. Erfolglos. Gefrustet schnappte er sich einen Schergen und packte ihn am Kragen. “Wo ist Luzifer?”, herrschte er ihn wütend an und noch ehe der Dämon antworten konnte, hörte er hinter sich ein leises Lachen. “Die Sünden scheinen verrückt zu spielen.” Langsam drehte er sich um und nur langsam liess er den Dämonen wieder runter. Dieser verschwand, ohne ein Wort zu sagen. Ganz offensichtlich hatten sie Luzifer gefunden. “Hier ist einiges nicht so, wie es sein sollte, Luzifer”, stellte Gadles fest und war sich nicht sicher, ob er direkt mit der Sprache rausrücken sollte. Doch bevor es ein anderer tat, war es vermutlich besser. “Ich befürchte, ich muss dir etwas sagen, aber nicht hier, wo jeder mithören kann”, begann Gadles seufzend und Luzifer nickte. Ohne ein Wort zu verlieren, ging dieser an Gadles vorbei und in sein Gemach. Er hatte zwar keine Lust auf eine Unterredung, aber es schien wichtig zu sein. “Ich war bei Raphael”, kam Gadles direkt zum Punkt und er konnte deutlich beobachten, wie die Miene seines Gegenübers sich verfinsterte. “Wusstest du, dass er schwarze Flügel besitzt?”, setzte Gadles direkt hinterher und die düstere Miene wich einer verwunderten. “Wie bitte?” “Du hast mich richtig verstanden, Raphael hat schwarze Flügel, die er mir eindrucksvoll präsentiert hat, in dem er mich quer durch den Palast geschleudert hatte. Nachdem ich ein wenig darüber nachgedacht habe, fiel mir auch auf, er kämpfte nicht in der Luft wie andere Engel, als wollte er uns diese Kleinigkeit vorenthalten. Wieso?” Luzifer wusste es nicht und Gadles war klar, er hatte sich vermutlich ein wenig Zeit geschaffen. “Eine sehr gute Frage, die ich Raphael stellen werde”, beantwortete Luzifer Gadles Frage. “Kümmer du dich endlich um Michael, wir haben Infos von ihm, aber bei weitem nicht alle und es ist DEIN Job sie mir zu besorgen, nicht Bagers, hast du mich verstanden?” “Wieso Bagers?”, hakte er überrascht nach. “Hat dich nicht zu interessieren, kümmere dich um deinen Job, bevor ich vergesse, wie gut du eigentlich darin bist. Meine Geduld ist sehr strapaziert und ich würde ungern noch einen dritten General verlieren, haben wir uns verstanden?” Gadles nickte. Ihm war klar, dass er von Luzifer keine Informationen bekommen würde, demnach würde er sich Bager beizeiten auch vorknöpfen. Es sei denn, Michael würde ihm die nötigen Antworten geben, auch wenn diese Chance relativ gering war. “Worauf wartest du noch?!?” Luzifer hatte absolut keine Lust mehr auf weitere Gesellschaft und Gadles zog es vor, zu gehen, bevor es sich sein Boss doch noch anders überlegte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)