Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 33: Licht ins Dunkel ---------------------------- Luzifer war verwirrt. Kaum hatte Gadles sein Gemach verlassen, tigerte er unruhig in diesem hoch und runter. Schwarze Flügel. Dieser Fakt ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Dämonen hatten schwarze Flügel, aber doch nicht sein Raphael. Bei dem Gedanken lachte er dunkel auf. Sein Raphael. Vielleicht war er dies einmal gewesen, aber seine Erinnerungen waren offensichtlich ziemlich schwammig und Raphael erinnerte sich nicht einmal daran. Augenblicklich fiel ihm das Gespräch mit Metatron wieder ein. Vielleicht erinnerte er sich doch. Luzifer hatte das Gefühl, sein Kopf würde jeden Moment explodieren. Viel zu viele Informationen, die er nicht verarbeiten konnte, schwirrten durch diesen und einen klaren Gedanken konnte er seit Stunden nicht fassen. Die schwarzen Flügel drängten sich allerdings immer wieder in den Vordergrund. Vermutlich, weil es die aktuellste Information war. Mit einem lautlosen Seufzer stellte er sich vor den Spiegel und breitete seine eigenen Flügel aus. Weiss wie Schnee. Er war doch in der Unterwelt, er wurde aus dem Himmel verbannt, wieso hatten seine Flügel noch die Farbe der Reinheit? Wieso waren seine Flügel nicht schwarz? Eine nachträgliche Strafe? Ein wenig genervt schüttelte er den Kopf. Der Teufel hätte ihm die sicherlich erlassen, ausser er sollte immer daran erinnert werden, dass er eigentlich auch nicht in die Hölle gehörte. Es beantwortete ihm allerdings nach wie vor nicht die Frage, wieso Raphael schwarze Flügel hatte. “Ich brauche endlich Antworten”, stellte Luzifer für sich fest und musterte sich selbst noch einmal im Spiegel. Für einen Moment stellte er sich selbst mit schwarzen Flügeln vor, schüttelte dann aber den Kopf. Er sollte nun keine Zeit mehr vertrödeln. Nur wen sollte er fragen? Raphael? Raziel? Metatron? Die Auswahl war ziemlich gross und er wusste nicht wirklich, wer eine Antwort darauf haben könnte. Ein leises Lachen verliess seine Kehle. Vermutlich hatte jeder von ihnen eine andere Antwort auf Lager. Er würde einfach alle nach einer Antwort fragen und er würde mit Metatron damit anfangen. Raphael vertraute ihm, vielleicht wusste dieser ein wenig mehr, stand er Gott auch näher als alle anderen Engel. Mit grossen Schritten machte er sich auf den Weg. Die Antworten mussten jetzt her, ansonsten würde er noch durchdrehen. Bevor er selbst nicht einen klaren Gedanken fassen konnte, würde er bei Raphael auch nicht wieder auftauchen, zumindest war dies sein aktueller Plan. Bei Metatron angekommen, öffnete er beinahe leise die Zellentür. “Fehlt noch, dass du vorher anklopfst”, erklang es amüsiert aus der Zelle und Luzifer betrat diese nun ein wenig zügiger. “Woher diese Rücksicht?”, wollte Metatron dann ruhig wissen und Luzifer setzte sich neben ihn. Einmal mehr fiel ihm auf, wie Metatron gerade lebte und es gefiel ihm nicht. Ihm war sehr wohl bewusst, dass er dafür verantwortlich war, aber er konnte ihn nicht bevorzugt behandeln, oder? “Ich erkenne mich nicht wieder, Metatron”, kam nach einer Weile die Antwort und der Engel schüttelte den Kopf. “Du liegst falsch”, stellte er fest, und Luzifer musterte ihn erneut und dieses Mal sichtlich verwirrt. “Du bist ein Geschöpf des Himmels, Luzifel. Hier ist deine Heimat und dein Körper erinnert sich daran, er fühlt sich heimisch, dein Kopf wehrt sich dagegen, weil er weiss, dass dieser Fakt nicht mehr gegeben ist und dann kommt noch der Faktor deines Herzens dazu. Du bist verwirrt und es ist in Ordnung. Deine Situation ist nicht einfach und wird sie nie sein.” “Und wie kann ich sie einfacher machen? Ich habe das Gefühl, immer wenn ich eine Antwort bekomme, tun sich zehn neue Fragen auf. Es ist eine Kette, die immer länger und länger wird und ich wende mich gegen meine Leute. Ich habe aus Wut zwei meiner Generäle getötet, weil sie mir nicht die Antworten liefern konnten, die ich von ihnen verlangt habe, sollte sich meine Wut nicht gegen euch richten? Ich …” “Luzifel, Stopp”, unterbrach ihn Metatron beinahe ein wenig harsch. “Eine Kettenreaktion ist nichts Unübliches, schon gar nicht bei so einem komplexen Thema. Es sind Fragen offen, die hier nicht jeder beantworten kann oder will. Du warst immer für deine Ungeduld bekannt und ich verurteile dich nicht, dafür, was du bist und tust. Dein Platz ist aktuell nun einmal in der Unterwelt und ihr regelt eure Dinge so. Ich glaube auch nicht, dass du sie einfach getötet hast, da steckt mehr dahinter und ein schlechtes Gewissen zeigt, dass du nicht verdorben bist. Ein Umstand, der mich sehr freut.” Luzifer seufzte und schüttelte kurz den Kopf. “Ich wollte sie nicht mehr sehen. Jedes Wort von ihnen war eines zu viel. Der eine log mich an und der andere? Er wollte sich nehmen, was ihm nicht gehört, mit Gewalt. Es sind Gottes Gebote, welche sie gebrochen haben und ich habe sie dafür bestraft, obwohl wir dies in der Hölle definitiv nicht so eng sehen. Liegt es am Himmel?” “Nein, an dir, Luzifel. Du warst immer ein sanftmütiger und Gerechtigkeit liebender Engel. Manchmal bist du über das Ziel hinausgeschossen, was dir öfter Ärger eingebracht hat. Offensichtlich hast du es nie abgelegt oder verdrängt, die Frage, die du dir stellen solltest, ist wieso?” Luzifer hatte wieder unzählige neue Fragen und langsam hatte er wirklich keine Nerven mehr dazu. “Hm, du hast mir gerade so gar nicht geholfen”, stellte er ernüchtert fest und seufzte lautstark auf. Metatron sollte ruhig merken, dass er keine Lust mehr auf all das hatte, auch wenn er selbst es lanciert hatte. “Du hast nur zwei Möglichkeiten, Luzifel. Du ziehst es nun durch oder du gehst. Du hast Dämonen an deiner Seite, die dir helfen wollen, ich spüre ihre Energie und den Willen und ich denke, du würdest sie enttäuschen. Selbst die Engel, ein Teil davon, will dir helfen, also glaube ich, dass die zweite Möglichkeit nicht einmal eine ist.” Luzifer reagierte nicht auf die Worte. Er wusste, dass Metatron recht hatte und es ärgerte ihn. Allerdings war er auch nicht deswegen zu ihm gekommen, sondern weil er eine andere Frage hatte. “Warst du bei der Verhandlung?” Metatron schien ein wenig verwirrt von dem Themenwechsel zu sein, nickte dann allerdings. “Du hattest keine richtige Verhandlung, aber ja, ich war dabei, wieso fragst du?” Luzifer schien einen Moment zu überlegen, ehe er sein Augenmerk wieder auf Metatron richtete. “War etwas seltsam? Also abgesehen davon, dass Raphael wohl schon unter Uriels und Michaels Einfluss stand?” Nun schien Metatron zu überlegen. “Wenn ich genau darüber nachdenke, hätte es uns auffallen müssen, dass mit ihm etwas nicht stimmt, aber nicht nur mit ihm, auch mit Uriel. Ist es aber nicht und ich frage mich wieso. Allerdings ist es schon so lange her, an jede Einzelheit kann ich mich nicht erinnern. Wieso fragst du?” Luzifer seufzte und bekam augenblicklich das Gefühl, bei Metatron an der falschen Adresse zu sein, wobei es niemand bemerkt hatte und vermutlich nicht einmal Uriel wusste, was genau falsch gelaufen war. “Raphael hat schwarze Flügel”, beantwortete er die Frage. “Diese Tatsache ist mir bewusst, wir sehen ihn tagtäglich”, kam es von Metatron ein wenig verwirrt. “Dir ist klar, dass wir Dämonen …” “Du bist kein Dämon”, unterbrach Metatron ihn beinahe ein wenig harsch. “Aber auch kein Engel mehr”, fiel Luzifer ihm dann ins Wort. “Aber zurück zu dem, was ich eigentlich sagen will. Dämonen haben schwarze Flügel, wieso hat Raphael welche?” “Hast du welche?” Luzifer seufzte. Metatron würde ihn noch in den Wahnsinn treiben, einmal mehr. Ihm war zwar bewusst, dass dieser die Fragen absichtlich so stellte, aber letzten Endes nervte es ihn einfach nur. “Ich habe keine schwarzen Flügel”, murrte Luzifer dann dementsprechend. “Hättest du gern welche?” “Wollte sie Raphael?” “Das war nicht meine Frage, aber um deine zu beantworten, natürlich wollte er das nicht. Sie sind eine Bestrafung Gottes an ihn. Wieso genau kann ich dir nicht sagen.” Luzifer hatte Metatron nicht einen Moment aus den Augen gelassen und der kleine Schlagabtausch hatte ihm irgendwie Spass gemacht, auch wenn die Antworten doch ernüchternd waren. “Ich denke auch, deine weissen Flügel sind nicht korrekt, gemäss den Gesetzen des Himmels bist du ein Abtrünniger, ein Gefallener, du solltest ebenso pechschwarze Flügel haben, wie Raphael sie hat.” “Aber Raphael ist kein Abtrünniger, oder?” Metatron schüttelte den Kopf. “Nein, ist er nicht. Er hat härter gearbeitet als alle anderen. Er wollte Gott beweisen, dass seine Strafe nicht gerecht ist, zumal er sie nie verstanden hat. Mittlerweile lebt er damit, es bleibt ihm nichts anderes übrig, aber er ist definitiv nicht glücklich damit. Dabei macht es ihn einzigartig, viele junge Engel bewundern ihn, etwas, das er nicht leiden kann. Wie auch, für eine Strafe bewundert zu werden, die er nicht versteht. Ich weiss nicht, ob er sich daran erinnert, aber du solltest ihn selbst danach fragen.” “Und wen frage ich, was meine Flügel betrifft? Ist Michael etwa ein Fehler unterlaufen?” Metatron lachte dunkel auf. “Wäre möglich. Immerhin hat er dich verbannt und es ist seine Aufgabe, dies korrekt durchzuführen, hätte er das getan, wärst du ebenfalls gezeichnet. Ich würde dir wirklich gerne helfen, aber ich habe in die Aufgabenbereiche keinen Einblick, insbesondere Michael lässt sich nicht reinreden. Wir sollten unsere Organisation definitiv ein wenig überdenken, hm?” Luzifer schnaubte beinahe belustigt und Metatron fiel in ein lautes Gelächter. “Lachst du dich gerade selbst aus?”, wollte Luzifer wissen und musste selbst ein wenig schmunzeln. “Nein, eher die Tatsache, dass dein Besuch solche Missstände erst aufdeckt. Dabei hätten wir tatsächlich aufgrund Kleinigkeiten schon gewisse Dinge hinterfragen müssen.” “Ich weiss nicht, ob ich seine Antwort hören will”, wechselte Luzifer das Thema. Der Himmel an sich war ihm egal, zumindest versuchte er, sich dies einzureden. “Dann frag Raziel oder Michael, ich glaube allerdings nicht, dass Michael dir Antworten geben wird, zumindest nicht die, die du hören willst.” Luzifer atmete einmal tief ein und aus. “Könntest du aufhören so offensichtliche Dinge auszusprechen? Michael würde sich eher die Zunge rausreissen, als mir irgendwelche Antworten zu geben.” “Du dir doch auch? Ihr habt euch da nie was geschenkt, ihr seid wie Feuer und Wasser, absolut inkompatibel.” “Nimmst du ihn gerade in Schutz?” “Nein, er hat Fehler gemacht, anscheinend ziemlich viele und welche die gesamten Existenzen verändert haben. ich wollte damit nur aufzeigen, dass ihr euch da leider sehr ähnlich seid. Vielleicht solltest du deine Strategie ändern. Michael ist eigen und wirkt unberechenbar, aber er hat auch eine Schwachstelle und du kennst sie besser, als jeder andere.” Luzifer konnte nicht anders als leicht zu lächeln. Metatron gab ihm nach wie vor Tipps, zwar auf seine eigene Art und Weise, aber er half ihm. “Ich versuche es, aber dafür muss ich mit Wissensvorteil in die Schlacht gehen und da bin ich aktuell unterlegen, eine Tatsache, die mich schwach macht.” Metatron lächelte ebenfalls und legte eine Hand auf Luzifers Schulter. “Ich sage es nur ungern, aber du kannst lügen, er nicht. Zur Not nimm einen deiner Schergen mit, soweit mir bekannt ist, können sie Lügen erkennen, oder?” Luzifer seufzte einmal mehr auf, daran hatte er nicht gedacht. “Nur teilweise, aber ich glaube leider, dass Michael lügen kann. Allerdings nicht, weil er es bewusst tut, sondern weil er es selbst glaubt.” “Da könntest du leider recht haben. Ich bin allerdings sehr zuversichtlich, dass du an deine Antworten kommst und ich werde dir helfen, soweit es mir möglich ist, aber meine Möglichkeiten sind leider begrenzt.” Luzifer nickte einmal mehr auf und erhob sich dann auch wieder. Er hatte schon wieder viel zu viel Zeit mit Metatron verbracht. “Könntest du mir zwischenzeitlich mal den Kerl vorbei schicken, denn du ganz zu Beginn dabei hattest?” “Tsorn?” “Wenn er so hiess, ja.” Luzifer war über diese Bitte sichtlich verwundert, was Metatron einmal mehr lächeln liess. “Wieso willst du mit Tsorn sprechen?” “Ich hatte irgendwie das Gefühl, ihn zu kennen, aber ich kann dir nicht sagen, woher dieses rührt, daher würde ich gerne alleine mit ihm sprechen. Ich werde ihn nicht vom Himmel überzeugen und ihn dir abtrünnig machen, Luzifel, keine Sorge. Ein einfaches Gespräch. Meine Gesellschaft ist nicht gerade sehr breit gefächert, da würde ich mich über ein wenig freuen und so sehr ich dich schätze, ein anderes Gesicht wäre schon mal schön und angenehm.” Luzifer schnaubte belustigt auf, nickte dann aber. “Wie du willst. Ich schicke ihn dir, sofern er denn will, versprochen.” Luzifer wandte sich dann endgültig ab und verliess die Zelle wieder. Das Gespräch war nicht verlaufen, wie er gedacht hatte, auch wenn er die ein oder andere Antwort erhalten hatte. Es gab nach wie vor Fragen, die er nicht beantwortet bekam und es schauderte ihn bei dem Gedanken daran, Michael fragen zu müssen. Dementsprechend machte er sich erst einmal auf den Weg zu den restlichen Engeln, vielleicht konnten sie ein wenig mehr Licht ins Dunkel bringen, ehe er das erneute Gespräch mit Raphael suchen würde. Dieser war ihm ebenfalls noch Antworten schuldig und dieses Mal würde er nicht gehen, ehe er sie erhalten hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)