Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 38: Alte Bekannte? -------------------------- Tsorn hatte sich ebenfalls ohne Umschweife auf den Weg zu Metatron gemacht. Es kam ihm sogar ziemlich gelegen, aus Luzifers Schussbahn zu kommen. Zwar schien dieser gerade gute Laune zu haben, aber welcher Mann wollte schon auf seine körperlichen Defizite aufmerksam gemacht werden? Es wunderte ihn sowieso, dass Bager so mutig gewesen war, dies auszusprechen und noch mehr, dass nicht mehr als ein Brummen als Reaktion kam. Entweder wurde ihr Boss wirklich weich oder es war ihm wirklich egal. Sie alle wussten, was dieser auf dem Schlachtfeld leisten konnte, auch wenn er manchmal zu Mitteln griff, die nicht sonderlich fair waren. Tsorn lachte leise auf, bei ihnen auf Fairness zu hoffen, war allerdings auch ziemlich naiv, egal wer ihnen gegenüber stand. Noch immer amüsiert öffnete er Metatrons Zellentür und betrat diese. «Ich hatte ein Buch zu meinem Gesprächspartner bestellt», begrüsste dieser ihn ruhig und brachte er Tsorn augenblicklich aus dem Konzept. Eine Tatsache, die Metatron zu einem minimalen Grinsen bewegte. «Davon hat mir Luzifer nichts gesagt», verteidigte sich Tsorn augenblicklich, selbst nicht wissend, wieso eigentlich. Er hatte doch nichts falsch gemacht und doch fühlte er sich direkt so, als wäre er wieder in der Schule und sein Lehrer rügte ihn. Eine Tatsache, die ihn kurz Kopfschütteln liess. «Es ist mühsam, sich zu erinnern und dennoch rein gar nichts zu wissen, hm?» «Wie bitte?» «Wie fühlst du dich?» Tsorn war sichtlich verwirrt. Sein Blick ruhte auf Metatron und er wusste nicht so genau, was er hier sollte. «Ich bin ein sehr schlechter Gastgeber, tut mir leid. Schliess die Tür und setz dich zu mir. Ich kann gerade schlecht zu dir kommen.» Bei den Worten kam ein wenig Leben in Tsorn, auch wenn er genau dies tat, was Metatron von ihm wollte. «Unsere erste Begegnung war nicht so schweigsam. Es ist wohl ein wenig Zeit vergangen und du selbst wirst bemerkt haben, dass Dinge sich verändern, oder?» Tsorns Blick ruhte nach wie vor auf Metatron. Für einen Moment schloss er die Augen und schüttelte erneut den Kopf. «Was für ein Spielchen versuchst du hier zu treiben?», wollte er dann ein wenig zu energisch wissen. Luzifer hatte ihm gesagt, er solle Ruhe bewahren, doch wie sollte er dies anstellen, wenn Metatron ihn offensichtlich herausforderte? Wobei er sich nicht einmal sicher war, ob dieser wirklich eine solche Absicht hatte. Sein Misstrauen war geweckt, ohne jeglichen Grund, allerdings war er der oberste Engel. Metatrons Lachen war es, das Tsorn wieder ins Hier und Jetzt zurückholte. «Ich sollte dich wohl aufklären, wieso ich dich hier haben will. Es sind deine Gedanken, ich kann sie hören.» «Und?» Tsorn war nach wie vor verwirrt. Engel konnten doch untereinander kommunizieren, wieso sollte ihn diese Information überraschen. «Ich bin offensichtlich ein Engel», stellte Metatron fest. Er würde Tsorn die Antwort nun nicht vorkauen. «Wenn du irgendwelche Spielchen mit mir spielen willst, dann bist du bei mir absolut an der falschen Adresse. Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Natürlich weiss ich, dass du ein Engel bist, einer, der mir gerade unglaublich auf die Nerven geht mit seiner Rätselraterei. Es interessiert mich auch nicht, wieso du meine Gedanken lesen kannst …» «Sollte es aber, da ich nur diejenigen, der Engel lesen beziehungsweise hören kann», unterbrach Metatron den minimalen Wutausbruch seines Gegenübers. «Wie bitte?» «Soweit waren wir schon. Denk nach!», forderte Metatron Tsorn einmal mehr auf. «Ich bin kein Engel», fiel der Groschen wenigstens halbwegs bei Tsorn. «Sicher?» Tsorn war sich in diesem Moment vieles, aber definitiv nicht sicher, kein Engel zu sein. «Ich weiss noch nicht, wer du früher warst, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du ein Engel warst und bist. Du veränderst dich. Du passt dich an. Dein gesamtes Handeln ist zum Wohle des Himmels ausgelegt. Deinem ehemaligen Zuhause. Genauso wie Luzifel es tut. Wie er suchst du Antworten, sowohl auf deine eigenen Fragen, aber auch auf seine. Du bist ihm treu ergeben, warst du wohl schon immer.» Tsorn hörte Metatron zu und konnte kaum glauben, was er zu hören bekam. Er sollte ein Engel gewesen sein? Daran konnte er sich wirklich nicht erinnern und doch fühlte sich vieles vertraut an. Hatte Bager mit ihrer Vermutung recht? Hatte Raziel mit seiner Vermutung Recht? Er hätte sich wirklich Gedanken machen sollen. «Himmel, ich versuche wirklich dir nicht zuzuhören, aber es ist nicht einfach, wenn du deinen Gedanken freien Lauf lässt.» Tsorn blickte in Metatrons amüsiertes Gesicht. Natürlich, dieser konnte ihn lesen, wie in einem Buch. Ein Fakt, der ihn nun doch kurz auflachen liess, bekam dieser doch, wonach er verlangt hatte. «Du konntest alles hören, seit ich hier angekommen bin?», wollte Tsorn dann doch wissen. «Interessante und zugleich sehr schwierige Frage. Ich versuche sie dir zu beantworten. Mit eurem Eintreffen strömten auf einmal sehr viele verschiedene Gedankenströme durch den Himmel. An sich könnte jeder Engel die abfangen, sollten sie wissen, dass einige von euch ehemalige Bewohner von hier sind. Erst dachte ich, es wären nur die von Luzifel, aber es waren eindeutig mehrere und ich habe versucht, sie zu trennen und zuzuordnen.» «Moment, dann weisst du über meine Pläne Bescheid?», unterbrach Tsorn Metatron beinahe ein wenig nervös. «Ja und über einige andere Dinge auch. Ich unterstütze eure Suche nach Antworten. Sie sind längst überfällig. Dennoch solltet ihr eure Gedanken unter Kontrolle haben, gerade du.» «Wir?» Tsorn versuchte nicht daran zu denken, WAS Metatron alles mitbekommen hatte. «Du und Luzifel, wobei er weiss damit umzugehen, er erinnert sich und er nutzt es selbst. Es vereinfacht die Kommunikation um vieles und ich kann dir versichern, nicht jeder kann alles von euch hören, es ist leider mein Leid es zu können. Eine Fähigkeit, die mir als oberster Erzengel gegeben wurde, um allfällige Probleme schnell erkennen zu können.» Tsorn konnte gar nicht anders als aufzulachen. «Du hast offensichtlich versagt.» Nun war es allerdings an Metatron, den Kopf zu schütteln. «Nein. So wie einige von euch es nicht zu kontrollieren wissen, gibt es welche, die sich komplett verschliessen können. Selbst eine Anfrage kann abgeblockt werden. Jedes System hat Fehler, selbst wenn es von Gott persönlich erschaffen wurde.» «Sollte es nicht gerade dann ohne Fehler sein? Er der Unfehlbare?» «Wenn er dies wäre, dann wäre es ziemlich langweilig, oder? Wir Erzengel, aber auch ihr Sünden hättet dann doch nichts zu tun, wir würden nicht einmal existieren. Darum geht es allerdings nicht. Ich will dir helfen, deine Gedanken zu verschliessen und sie lediglich als Kanal der Kommunikation nutzen zu können. Zu deiner Sicherheit.» «Wieso?» «Weil du ein Schüler von mir warst und ich versage ungern.» «Woher bist du dir sicher, dass ich ein Schüler von dir war?» Tsorn verstand es nicht. Obwohl Metatron ihm deutliche Antworten gab, hatte er das Gefühl, gar nichts zu verstehen. «Du bist ein Krieger, oder?» Ein Nicken folgte, was Metatron als Zeichen nahm, weiter sprechen zu können. «Es war meine Aufgabe, euch auszubilden. Ich nehme es dir nicht übel, dich nicht daran zu erinnern. Eine Schutzmassnahme seitens Gottes ist es wohl, jegliche Erinnerung an den Himmel auszulöschen, aber auch da arbeitete er offenbar mit einem Hintertürchen. Die Erinnerungen kommen zurück, je länger man sich hier aufhält. So ergeht es dir und auch anderen.» «Bin ich deswegen nicht mehr so wütend?» «Vermutlich. Allerdings bin ich nicht allwissend, vieles, was ich dir erzähle, beruht auf Vermutungen meinerseits. Ich habe gerade viel Zeit um gewisse Dinge zu überdenken und wie ich bereits sagte, ich bin für euer Vorhaben. Unter der Voraussetzung, dass niemand unnötig verletzt wird.» Tsorn glaubte Metatron, auch wenn er sich noch nicht sicher war, inwieweit er ihm wirklich vertrauen sollte. Dabei war er sich aus irgendeinem Grund sicher, dass Luzifer es tat. «Und was solltest du dagegen tun können, sollten wir über die Stränge schlagen?» Er war neugierig, rechnete allerdings nicht mit einer Antwort. «Ich habe vernommen, dass Raphael einen Teil seiner Kräfte präsentiert hat und dies trotz der Abwesenheit Gottes. Was denkst du, wozu ich dann in der Lage wäre?» «Ihr spielt mit uns, richtig?» «Nein. Nicht jeder Erzengel hat eine solche Kraft in sich. Eure Theorie, sie ist nicht falsch.» Tsorn verstand mittlerweile rein gar nichts mehr. Metatron gab ihm gerade zu viele Informationen ohne für ihn erkennbaren Zusammenhang und leider kam ihm dies bekannter vor, als er zugeben wollte. «Ich denke, ich verstehe halbwegs, was du mir sagen willst, aber ich muss einige Gedanken ordnen.» «Dann solltest du dies in Ruhe tun und mit Luzifel sprechen, er kann dir helfen, sag ihm, es ist ein Auftrag von mir.» Das Grinsen in Metatron's Gesicht gefiel Tsorn nicht unbedingt. Zu gerne hätte er dessen Gedanken gelesen. Stattdessen stand er auf und ging zur geschlossenen Tür, um diese zu öffnen. «Ich habe ziemlich viele Fragen…» «Ich weiss, du bist jederzeit willkommen. Ich habe ja nach wie vor nicht sonderlich viel zu tun.» Tsorn nickte und verabschiedete sich dann von Metatron. Er würde wirklich mit Luzifer sprechen müssen und irgendwie musste er wieder einen klaren Kopf bekommen. Grids verspürte nach all den Erlebnissen und insbesondere neuen Informationen tatsächlich ein wenig mehr Tatendrang als zuvor, sofern dies überhaupt möglich war. Nur Lust, mit Gabriel zu sprechen, verspürte er tatsächlich überhaupt nicht. Dieser Engel hatte bisher noch nichts zu der Lösung ihrer Probleme beigetragen und er hatte auch irgendwie das Gefühl, dass er es nach wie vor nicht tun würde. Allerdings hatte er ja schon das Gefühl gehabt, dass dieser reden wollte, aber das Gefühl konnte auch täuschen. Vielleicht wollte er sich einfach nur aufspielen und sich wichtig machen, was sollte Gabriel schon wissen? Nun, er würde es früher oder später herausfinden und sollten ihm die Antworten nicht passen, dann fand er bestimmt eine Ablenkung, die ihm besser gefiel. Er öffnete die Zellentür zu den Engeln und begrüsste diese wie immer. Er war eine nette Sünde, zumindest seit er hier im Himmel verweilte und einen gewissen Grad an Anstand konnte er eindeutig aufbringen. Allerdings ging er sehr schnell zu Gabriel und obwohl er mit ihm alleine sprechen sollte, verliess er nicht mit ihm die Zelle. Vielleicht motivierte es ihn ein wenig mehr, sich zu öffnen, wenn die anderen in Hörweite waren. So löste er die Ketten zumindest soweit, dass sie sich in die am weit entfernteste Ecke zurückziehen konnten und der Blick des Engels war eindeutig. Er verstand es nicht. «Ich dachte, du könntest dich mit mir alleine unwohl fühlen, daher bin ich so nett und gebe dir ein minimal sicheres Gefühl.» Ihm war selbstverständlich klar, dass die anderen Engel nicht eingreifen konnten, sollte irgendetwas vorfallen, aber vielleicht gab es ihm wirklich ein wenig Sicherheit. Er konnte ja nicht in den Kopf Gabriels hineinsehen. Zumindest dachte er dies noch. «Deine Fürsorge ist ja schon fast eines Himmelsbewohner würdig», kam es derweil sarkastisch von Gabriel und liess Grid ein wenig schmunzeln. «Da wir die grundlegenden Dinge ja nun geklärt haben, komme ich direkt zum Punkt. Es ist offensichtlich, dass du nicht mit mir reden willst und meine Lust dazu hält sich ehrlicherweise auch in Grenzen. Doch glaube ich, dass du mehr zu erzählen hast, als wir bisher vielleicht dachten und hey, jetzt ist deine grosse Bühne gekommen. Erzähl mir, was immer du erzählen willst.» Gabriel verschränkte bei dem Angebot die Arme vor seiner Brust und musterte Grid ein wenig skeptisch. Es roch für ihn nach einer Falle und sollte Grid wirklich glauben, dass er ihm jetzt einfach alles auf dem Silbertablett servierte, hatte er sich geschnitten. «Oh, hab ich mich etwa geirrt? Dann muss ich dich wohl austauschen… Ich dachte wirklich, ich hätte mir den richtigen Engel ausgesucht. Schade.» Grid provozierte absichtlich, allerdings wirkte es wirklich so, als wäre er etwas enttäuscht darüber, dass Gabriel schwieg. «Und was denkst du, worüber ich dir etwas erzählen könnte?», wollte Gabriel dann doch wissen, änderte allerdings nichts an seiner Haltung. «Also, wie wäre es erst einmal darüber, dass Gott von dem Riss wusste und er uns einfach so rein marschieren liess?» Ja, er hatte eine ganz andere Aufgabe, aber vielleicht war die Frage auch ein Teil der Lösung ihres Rätsels. «Ich weiss es nicht, aber es war ihm auf alle Fälle bekannt. Michael und ich haben es ihm ein paar Mal gesagt, dass sich eine leichte Abnormalität aufgetan hat. Michael hat es als erster bemerkt, was im Nachhinein eigentlich komisch ist, da er in dem Teil des Himmels nicht sonderlich viel verloren hat. Nicht, dass es ihm verboten gewesen wäre, dort hinzugehen, er war nur nie dort, weil es in der Nähe von Uriels Palast war und deren Verhältnis auch nicht das Beste ist.» «Aber Uriel hat Michael doch geholfen? Vielleicht wollte er sichergehen, dass er nichts erzählt?» Gabriel schüttelte den Kopf. «Selbst wenn, Uriel ist oft unterwegs und sehr beschäftigt. Es ist einfacher, ihn in Gottes Palast zu erwischen, als in seinem eigenen. Daher ergibt es keinen Sinn.» Grid schien einen Moment zu überlegen, dabei musterte er Gabriel ganz genau und er glaubte ihm, allerdings kam ihm ein Gedanke, der ziemlich unfassbar war. «Es klingt beinahe danach, als wenn du glaubst, er habe den Riss verursacht», teilte er ihm seine Vermutung dann auch direkt mit und nun war es an Gabriel, den Kopf zu schütteln. «Nein, so mächtig ist nicht einmal Michael, aber ich glaube, dass Gott es wusste und ihn dahin schickte, um ihn zu entdecken. Wieso er ihn allerdings nicht geschlossen hat, weiss ich nicht. Es wirkt alles so, als wäre es geplant… Nur verstehe ich nicht wieso», gab Gabriel ehrlich zu und wirkte dabei fast ein wenig überfordert. «Ich habe da eine Vermutung…», gab er zu seinem Besten und blickte nun in sehr neugierige Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)