Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 40: Zweifel ------------------- Es dauerte selbstverständlich nicht sehr lange, bis die anderen Engel über Gabriel herfielen. Kaum war Grid aus der Zelle draussen, musterten sie den Auserwählten einen Augenblick lang. Sie hatten die Hoffnung, er würde von sich selbst anfangen zu sprechen, doch hatten sie die Rechnung ohne Gabriel gemacht. Es war Chamuel, der die Geduld verlor und endlich aussprach, was alle in ihren Gedanken hatten und selbst die hätte Gabriel hören müssen. «Und? Was wollte er ausgerechnet von dir?» Dabei provozierte Chamuel ein wenig absichtlich. Sie hatten bereits festgestellt, dass Gabriel eine Sonderbehandlung wünschte und vielleicht nahm er diese Einladung sehr gerne an. «Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht so genau. Er hat öfter betont, dass ich bestimmt der falsche Engel bin, da ich bisher zur Lösung absolut nichts beigetragen habe. Da habe ich ihm ein wenig von dem Riss erzählt, da ich darüber eindeutig Bescheid wusste.» Die Engel schauten sich untereinander an und waren ein wenig verwirrt. «Und was genau hast du ihm erzählt? Du hattest den Riss Gott gemeldet und er wollte sich darum kümmern, zumindest hast du uns das so erzählt.» Gabriel war die Frage sichtlich unangenehm, da er in dem Punkt einfach davon ausging, dass Gott sich kümmern wollte. So wie es halt üblicherweise der Fall war. «Naja, ich hab es ihm gesagt und damit war die Sache für mich erledigt, aber ich war nicht der Einzige, auch Michael hat es ihm mitgeteilt und ich glaube, es war schon vorher bekannt. Zumindest war die Information nicht überraschend.» Raziel seufzte leise. Ein wenig komisch fand er die gesamte Geschichte mittlerweile auch, ob es an Tsorns Einfluss lag, oder insgesamt an den Geschehnissen, konnte er in diesem Moment nicht sagen, aber für ihn benahm sich Gabriel nicht weniger komisch, wie Uriel oder Michael. «Aber die Frage, die sich letzten Endes stellt, ist, wieso hast du ihn nicht öfter darum gebeten, den Riss zu schliessen? Es war doch eine klare Gefahr.» Gabriels Blick wanderte zu Haniel und er schüttelte den Kopf. «Nein, war er nicht, als ich ihn gemeldet hatte, war er nicht sonderlich gross und es hätte gerade mal ein Apfel durch gepasst. Von aussen vergrössern geht nicht, haben wir doch selbst schon mal ausprobiert, daher ging ich davon aus, Gott würde es beobachten und handeln, sollte es gefährlich werden, hat er aber nicht.» Chamuels Blick war eindeutig am skeptischsten und die Worte davor gingen ihm ebenfalls nicht aus dem Kopf. «Warte, du sagtest, Michael wusste auch davon? Woher weisst du das?» Gabriel fand dieses Verhör eindeutig schlimmer, als jenes von Grid zuvor. Vielleicht hatte er ihm doch ein wenig Unrecht getan und die Sünde war an sich doch ganz nett, zumindest netter als Chamuel in diesem Moment. «Ja, Michael wusste definitiv davon Bescheid. Er hatte mich darauf angesprochen, ob ich Gott davon berichtet hätte, weil er ihn per Zufall gesehen hatte und ich dies bejaht hatte. Ich gehe davon aus, er wusste davon, weil er daran vorbei kam.» Chamuel nickte lediglich, war aber eindeutig nicht davon überzeugt, dass Michael einfach irgendwo vorbei kam. Zuviel war in den letzten Tagen vorgefallen. «Absolut unmöglich», warf nun auch Raziel ein. «Michael hatte einen ganz anderen Auftrag, er hätte rein theoretisch nicht mal hier sein dürfen, als der Angriff stattfand. Gott hat ihn gebeten, Ordnung zu schaffen, wobei, weiss ich nicht so genau, aber er schien genau zu wissen, was er zu tun hatte.» Chamuel schüttelte bei Raziels Worten allerdings mit dem Kopf und lachte dann auch wissend. «Nein, er hatte keine Ahnung, was Gott damit meinte, er glaubte es zu wissen, und genau das ist mittlerweile das Gefährliche an Michael. Ich werfe jetzt eine Theorie in den Raum, die absolut utopisch ist, selbst für unsere Verhältnisse. Gott hat Michael den Auftrag gegeben, Ordnung zu schaffen, wobei auch immer. Er hat absolut keine Ahnung bei was, da er wohl schon länger nicht mehr zu wissen scheint, was seine Aufgabe ist und fängt an, Dinge zu tun, die er nicht tun sollte. Wie nach Rissen suchen, dies für sich auszunutzen, um hier eine neue Ordnung zu schaffen. Vielleicht dachte er sich sogar, der Teufel käme persönlich und Gott würde ausgelöscht, damit er…» «Halt, das glaubst du doch selbst nicht, oder?», unterbrach ihn nun Raziel ein wenig energischer. «Ich weiss es nicht. Wenn der Riss so klein war, wie Gabriel behauptet, dann konnte er nur von innen vergrössert werden und niemand hat einen Grund dazu, ausser Michael», führte Chamuel seine Gedanken weiter aus. «Aber was für einen Grund hätte er gehabt? Ihm ging es hier gut, besser als uns allen, da er, wie Luzifer sagen würde, in Gottes Allerwertesten steckte.» «So würde es Luzifer nicht ausdrücken und das weisst du ganz genau, Raziel», kam es dann doch leicht grinsend von Chamuel. «Was, wenn es nicht Michael war, der den Riss vergrössert hat», warf nun Haniel in das Gespräch der Beiden und hatte die Aufmerksamkeit erfolgreich auf sich gelenkt. «Es wirkt doch zu geplant, wenn Gott zu Michael meinte, dieser solle Ordnung schaffen, aber gesehen hat, dass er dies eben nicht tut, oder nicht dort wo er sollte, was, wenn Gott den Riss vergrössert hat, damit wir uns selbst darum kümmern. Was, wenn Gott damals einen Fehler gemacht hat, den er so nicht korrigieren kann?» Haniel hatte drei sehr ungläubige Augenpaare auf sich gerichtet. Bisher hatte niemand ausser Raphael Gott offen angezweifelt und nun war es ausgerechnet Haniel? «Wieso sollte Gott so viele Opfer wollen? Nur damit er selbst nicht sein Gesicht verliert?» Haniel schüttelte den Kopf. «Nein, ich glaube nicht, dass es ihm darum geht. Es ist nur ein Gefühl. Er hatte Michael ohne zu zögern geglaubt, als dies damals mit Luzifer war, hat er diesen bestraft und Raphael kurz danach ebenfalls. Er ist vielleicht unser Schöpfer, aber wir wissen alle, dass er nicht unfehlbar ist. Er hat uns und alle Geschöpfe nach seinem Ebenbild erschaffen und sind wir ehrlich, die Menschheit hat sehr viele Fehler… aber darum geht es jetzt nicht. Was, wenn er nach so vielen Jahren bemerkt hat, dass etwas nicht stimmt, vielleicht bekam auch er eine neue Information, aber ohne Beweise kann er selbst nichts ändern?» Gabriel schnalzte ein wenig verächtlich mit der Zunge. «Seit wann braucht Gott irgendwelche Beweise? Er dreht es sich doch immer so, wie es ihm gerade passt. Wie du selbst sagst, er ist der Schöpfer und er macht keine Fehler. Sollte er damals wirklich nicht achtsam genug gewesen sein, wäre es ein Leichtes, uns allen das Gedächtnis zu löschen und den Zustand von damals wiederherzustellen.» «Hm, aber vielleicht ist dieser Weg für ihn ausnahmsweise nicht der richtige, vielleicht will er ja wirklich, dass wir es selbst klären und Michael zur Verantwortung ziehen.» «Alles schön und gut, Haniel, aber hätte er dann nicht einfach nur mit Luzifer reden können?» Haniel schüttelte den Kopf. «Und du denkst, er hätte Gott zugehört, Chamuel? Luzifer kam mit dem Ziel hierher, Gott zu stürzen, ein Gespräch hätte daran nichts geändert, aber jetzt? Er scheint sich an sehr vieles zu erinnern und nicht nur er denkt wenigstens einmal über diese Möglichkeit nach.» «Diese Theorie sollte, wenn möglichst unter uns bleiben…», warf Chamuel dann ein. Sie war sehr gefährlich und könnte letzten Endes auch ihren Kopf kosten. «Zu spät, Grid hat diese Theorie bereits vor euch aufgestellt und er wirkte genauso überrascht, aber nicht abgeneigt, sie zu glauben», merkte Gabriel dann kurzerhand an. «Dann sollten wir vielleicht auch mal mit ihm sprechen», kam es dann von Chamuel und bekam ein zustimmendes Nicken. Bager hatte es sich nicht zweimal sagen lassen, als Gadles meinte, sie solle sich verziehen. Die Atmosphäre war angespannt und irgendwie… geladen. Es wirkte für sie beinahe so, als würde Gadles Michael beeindrucken wollen, aber wozu? Sie schenkten sich beide nichts und sie selbst war vom Verhalten beider ziemlich angewidert. Der einzige Grund wieso sie Gadles keine geklatscht hatte, war auch nur, weil dieser sie nicht ernsthaft belästigen würde, wobei die ihr eigentlich schon ausgereicht hatte, nach dem Erlebnis mit Mekane. Sie war sich allerdings nicht sicher, ob Gadles darüber bereits Bescheid wusste, oder eben nicht. Doch tat dies jetzt nichts mehr zur Sache, sie war dort raus und würde dieses Spiel nicht weiterspielen müssen, allerdings war ihr genauso klar, dass sie Luzifer darüber berichten sollten, bevor Michael redete. Sie würde später noch einmal mit Gadles sprechen müssen, doch vorerst, liess er ihn dies mit Michael klären, was auch immer er zu klären versuchte. Sie begab sich in ihr Zimmer und zog sich um, ehe sie in die Zelle der Engel ging, welche ein wenig zu vertieft in ihr Gespräch waren. Doch konnte sie nicht herausfinden, worüber sie sprachen, da ihr Eintreten bemerkt wurde. «Ich störe doch nicht, oder?», wollte sie dann amüsiert und interessiert zugleich wissen. Haniels Lächeln erwiderte sie wie von selbst und als diese den Kopf schüttelte, war es ihr an sich auch egal, ob es so war oder nicht. Dieser Engel lenkte sie zu sehr ab und sie musste aufpassen, dass Gadles dies nicht erfuhr. Ihr Blick wanderte dann allerdings zu Chamuel und sie trat dann auch vor diesem hin, um ihm die Ketten zu lösen und ihn mit sich mitzunehmen. Er war vermutlich stärker als sie selbst, aber sie hoffte einfach, dass die Engel mittlerweile so kooperativ waren und er sie nicht angriff. «Du wirkst unsicher», stellte Chamuel fest und folgte ihr, ohne jegliche Anstalten zu machen. Sie würden zusammen arbeiten müssen, ansonsten könnten sie dieses Rätsel nicht lösen und ihm schien, dass Bager auch ein Interesse daran hegte. «Ich würde nur lieber mit wem anderen sprechen», versuchte sie, die Unsicherheit einfach ein wenig zu überspielen und bekam ein wissendes Lächeln geschenkt. Vielleicht war es ein Fehler, aber sie vertraute ihm doch irgendwo. «Und was willst du von mir wissen? Ich bin der falsche Engel, wenn es um Tipps für…» «Nein», unterbrach sie ihn direkt und wurde fast ein wenig verlegen. «Deswegen doch nicht, nein», sie schüttelte den Kopf und setzte sich dann auch hin, nachdem sie ihn ebenfalls an die Wand gekettet hatte. «Ich will etwas über eure Lehrmeister erfahren, wer euch in was ausgebildet hat, da wir», sie überlegte kurz, aber sie ging davon aus, dass alle Engel mittlerweile über die Theorie Bescheid wussten. «Da wir glauben, dass der ein oder andere nicht seiner Bestimmung nachgeht und da wäre es doch gut zu wissen, in was ihr ausgebildet wurdet», erklärte sie ihm dann weiterhin. Chamuel nickte kurz und schien dann ernsthaft zu überlegen. «Wir hatten mehrere Lehrmeister, aber ich gehe davon aus, dich interessiert es nur, wer uns unterrichtet hat, als es ernst wurde?» Nun war es an Bager zu nicken. «Es waren auch mehrere, allerdings waren es tatsächlich Metatron und Raziel, welche die Leitung und die Aufsicht hatten. Man sieht es Raziel vielleicht nicht an, aber er ist wesentlich älter als er wirkt. Dabei haben sie sich die Aufgaben geteilt. Metatron ist zwar kein Krieger, aber sehr geschickt und er hat uns im Kampf trainiert, auch in anderen Dingen, aber das hat ihn von Raziel unterschieden und Raziel war eher der Gelehrte. Dabei denke ich, dass die beiden genau gleich weise sind. Doch Gott hatte entschieden und so wurde es wohl gemacht.» Bager hörte Chamuel zu und nickte am Ende seiner Erklärung, nur wusste sie dennoch nicht mehr als zuvor. «Und war jeder von euch bei beiden?», hakte sie nach. «Nein, also nicht, was die Kampfausbildung angeht. Dort waren Michael, Raphael, Luzifer und ich.» «Wieso du?» Chamuel lächelte lediglich und schien selbst kurz zu überlegen. «Ich habe keine Ahnung, bisher habe ich die Künste nicht benötigt, also im Kampf gegen euch waren sie hilfreich, aber um einen Streit zu schlichten oder dergleichen, bevorzuge ich die gewaltfreie Methode.» Bager schien ein wenig darüber nachzudenken, ihr Blick blieb dabei auf Chamuel haften. Es ergab einfach keinen Sinn. «Und wieso Raphael? Ein Schutzengel sollte sich auch nicht…» «Doch, als Schutzengel ist es schon von Vorteil, die können in sehr gefährliche Situationen kommen, aber ich denke, du willst ein wenig filtern, um eure Theorie ein wenig genauer unter die Lupe nehmen zu können?» Bager nickte, abstreiten brachte nichts und es war offensichtlich, was sie versuchte. «Ein guter Ansatz, aber wir kommen damit leider auch nicht weiter, vielleicht hat einer von euch die erleuchtende Idee.» «Wir geben unser Bestes, es ist einfach alles viel zu verwirrend und auch unlogisch», stellte Bager dann fest und erhob sich wieder. Sie hatte die Antworten, die sie vorerst benötigte und auch wenn es sie reizte, Chamuel über Haniel auszufragen, so musste sie noch mit Gadles sprechen und mit Tsorn und am besten auch mit Luzifer. «Ich bringe dich wieder zurück, danke für das Gespräch.» Sie machte ihn dann auch los und bemerkte nicht, dass Chamuel über das Danke ein wenig überrascht war. Bisher bedankte sich nur einer von ihnen, der Himmel schien wirklich etwas mit den Sünden zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)