Reminiszenz von Maginisha ================================================================================ Kapitel 7: Professionalität --------------------------- Mamoru atmet heftig aus und lässt seinen Blick über die Papiere streifen, die quer über den ganzen Schreibtisch verteilt sind. Er muss irgendwie eine Ordnung in dieses Chaos bekommen, wenn sie mit dem Fall weiter kommen wollen. Aber wie? Er denkt an Nagis Vorschlag zurück. Viel war aus dem schweigsamen, jungen Mann nicht herauszukriegen, aber er hat gemeint, dass es am besten wäre, sich auf die Identifizierung von Epitaph zu konzentrieren. „Eszett lebt in strengen Hirarchie-Strukturen. Die Befehle eines Vorgesetzten dürfen niemals infrage gestellt werden. Wenn du Epitaph findest, kannst du damit alles aushebeln.“   Er liest noch einmal Absyssinians Bericht über den Kampf mit dem Z-Klassler durch. Es ist zu vermuten, dass ihre Gegner um die Existenz von Weiß wissen und dass dieser Sagiri Aya als eines der Mitglieder identifiziert hat. Wahrscheinlich wäre es besser ihn abzuziehen, aber Mamoru zögert. Er weiß, dass Aya der Beste von ihnen ist. Er wird ihn in der Hinterhand behalten für alle Fälle. Immerhin zeigt Ayas neuester Bericht, dass sich die Dinge an der Schule wieder beruhigt haben. Trotzdem... Irgendwo muss es noch Mitglieder dieser geheimnisvollen Z-Klasse geben. Ken hat berichtet, er hätte im Keller der Weinrot-Schule in Europa einen Raum gefunden, der voller Leichen war. Irgendjemand hatte alle diese Leute getötet und die Vermutung liegt nahe, dass es ein oder mehrere Z-Klassler gewesen sind. Allerdings gab es außer den toten Körpern keinerlei Spuren. Irgendwo müssen die genetisch veränderten Elitekämpfer geblieben sein und wenn er sie findet, wird er vermutlich auch auf Epitaph stoßen. Da Weinrot durch ein Feuer vernichtet wurde, ist Koua der beste Ort, um mit dem Suchen anzufangen.   Er fängt an, die Papiere zusammenzusammeln und in einem geordneten Stapel in die Mappe zu legen. Es wird Zeit, Weiß ihren neuen Auftrag zu geben. Ken und Yoji sind mittlerweile ebenfalls rund um Koua verteilt. Yoji hat eine Anstellung als Kunstlehrer an der Schule und Ken gibt sich im nahegelegenen College als Sportstudent aus. Die Figuren auf dem Feld sind somit in Stellung gebracht, jetzt muss er auf den nächsten Zug des Gegners warten. Er überlegt, denn es gibt noch einen Mitspieler, dessen Rolle er entscheiden muss. Sena. Der Junge ist eigentlich bis auf Weiteres von Aufträgen suspendiert, da er durch seine leichtsinnige Aktion, den ehemaligen Schulleiter Inagaki auf eigene Faust umzubringen, die ganze Mission in Gefahr gebracht hat. Inagaki war nur ein Strohmann und sein Tod hatte zur Folge, dass sich die Ereignisse überschlugen, was nicht zuletzt zum Tod von Kyou geführt hat. Allerdings gibt es etwas, das die anderen Mitglieder von Weiß nicht wissen. Senas richtiger Name ist Takeru Kisagari. Seine Mutter war vormals die Leiterin der Kisaragi Akademie. Aus ungeklärten Gründen sind alle anderen Mitglieder von Senas Familie bei einem Überfall getötet worden. Kurz darauf wurde die Schule in Koua Akademie umbenannt, vermutlich zu dem Zeitpunkt, als sie in Eszetts Hände geriet. Der Verdacht liegt nahe, dass dort ein Zusammenhang besteht und Mamoru hat keine Zweifel, das Sena dies ebenfalls annimmt. Er weiß, dass der Junge weiter nach Antworten suchen wird, ob nun mit oder ohne seine Erlaubnis.   Wieder hört er Nagis Stimme in seinem Kopf. „Eszett wird Weiß früher oder später aus dem Weg haben wollen, aber sie werden ihre Deckung nicht freiwillig verlassen, da ihr keine akute Bedrohung seid. Entweder provoziert ihr sie also mit einem frontalen Angriff, was ihr momentan nicht könnt, da ihr gar nicht wisst, wo ihr zuschlagen sollt, oder...“ Er hat Omi bei diesen Worten direkt ins Gesicht gesehen und in seinen Zügen ist keinerlei Mitleid gewesen. „Oder ihr zeigt eine kalkulierte Schwachstelle.“   Ein Bauernopfer. Ihm gefällt diese Vorstellung nicht, aber die Realität zeigt deutlich, das ihm keine andere Wahl bleibt, wenn er verhindern will, dass sich der Feind von seinen derzeitigen Rückschlägen erholt. Sollte das passieren, würde Weiß komplett aufgerieben, daran hegt er keinen Zweifel. Er hat jedoch nicht vor, es möglichen Angreifern zu leicht zu machen. Er wird Sena erlauben, seine Waffen zu tragen, um ihm wenigstens ein Mindestmaß an Schutz zu geben. Und er hofft sehr, dass Aya ein wachsames Auge auf den Jungen haben wird. Der schweigsame Mann war ihm oft genug einen Schritt voraus, wenn es um die Einschätzung einer solchen Situation ging. Hat selbst ausweglose Situationen noch zu ihren Gunsten entscheiden. Er musste sich darauf verlassen, dass Aya wie immer auf die Mitglieder von Weiß aufpassen wird.         Das Klopfen an Nagis Tür ist lauter als sonst. Er öffnet die Tür und nur Momente später steht Mamoru in seinem Zimmer. Seine sonst so sorgfältig gelegte Kleidung ist in Unordnung geraten, die Haare zerzaust, das Gesicht leicht gerötet, als wäre er gerannt. Seine Augen blitzen wütend und er presst die Kiefer zusammen, als wolle er damit Nüsse knacken. Nagi fühlt sich nicht verpflichtet, seinen Zustand zu kommentieren und beobachtet mit einigem Amüsement, wie der andere sich ohne zu fragen etwas zu trinken aus dem Kühlschrank holt und sich neben ihn auf das Sofa fallen lässt. „Harter Tag?“, fragt er schließlich spöttisch, als Mamoru die halbe Dose zuckerhaltige Limonade in einem Zug hinunter gestürzt hat. „Mein Großvater ist so blind“, knurrt der andere und nimmt noch einen Schluck aus der Dose. „Er will, dass ich Weiß von Koua abziehe. Sagt, es lohnt sich nicht, dort weiter nachzuforschen. Die unterirdischen Anlagen waren leergeräumt, als wir sie untersucht haben, und ich konnte ihm keinen Beweis vorlegen, das Epitaph sich überhaupt in Japan aufhält. Daher will er, dass wir uns um andere Dinge kümmern. Es ist so...“ Er gibt einen frustrierten Laut von sich. „Es sind Menschen gestorben bei diesem Fall. Und jetzt will er, dass alles umsonst war? Nur weil es sich für die Takatoris nicht mehr lohnt, dort weiterhin Geld zu investieren? Weil es unseren Profit schmälern würde? “ Seine letzten Worte hat er geschrien und sein Atem geht heftig, als er die Getränkedose auf den Tisch knallt. Ein wenig der Flüssigkeit schwappt auf die Tischoberfläche und Nagi lässt einen Lappen herbei schweben, um die Tropfen abzuwischen. Das Stück Stoff wringt sich selbst über der Spüle aus, bevor er sich wieder ordentlich zusammenlegt. Mamoru betrachtet es schweigend. Er lässt sich gegen Nagi sinken und schließt die Augen.   „Du verstehst das, oder?“, fragte er leise. „Du weißt, warum ich das nicht zulassen kann. Du weißt, dass wir Eszett vernichten müssen. Sie müssen aufgehalten werden. Ich weiß ganz genau, dass wir kurz davor sind. Wir brauchen nur noch ein wenig mehr Zeit.“ Nagi nickt leicht und weiß, dass der andere seine Bewegung spüren kann. Er fühlt das Gewicht von Mamorus Kopf an seiner Schulter und überlegt, was er tun soll. Er weiß, dass der andere sich gegenüber nicht ganz ehrlich ist. Es geht nicht nur um die allgemeine moralische Verpflichtung, eine finstere Untergrund-Organisation wie Eszett auszuhebeln. Mamoru fühlt sich auch denjenigen gegenüber verpflichtet, die ihr Leben dabei gelassen haben. Er nimmt das Ganze viel zu persönlich. Wäre Nagi an seiner Stelle, würde er nicht zögern, die Befehle seines Großvaters auszuführen. Andererseits kann er nicht leugnen, dass er selbst ein Interesse daran hat, Mamoru weiter mit der Vernichtung Eszetts zu beschäftigen. Persönliche und geschäftliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen, war noch nie eine einfache Sache.   Die körperliche Nähe des anderen lässt ihn noch über etwas anderes nachdenken. Könnte es sein, dass Mamoru...? Vielleicht ist es nichts. Vielleicht ist es einfach nur seine Art, Freundschaft zu zeigen, von der sich Nagi immer noch nicht ganz klar ist, warum er sie verdient hat. Er seufzt innerlich und würde gerade nur zu gerne seine gegen Schuldigs Gabe tauschen. Ein Blick in den Kopf des anderen wäre sicherlich eine interessante Sache.         Das Hotel in Venedig quoll über vor elegantem Putz und Prunk. Fließende Stoffe an den Fenstern, Möbel aus edlen Hölzern im Foyer, goldene Griffe an den Türen und kristallene Lüster an den Decken. Elegante Menschen umgaben sie mit dem gewissen Hauch von elitärem Schick. Alles in diesem Hotel schrie reich und mächtig. Und teuer. Crawford warf Schuldig einen langen Blick zu. Der Telepath zuckte nur mit den Achseln. „Vielleicht gab es einen Fehler bei der Reservierung“, grinste er. Crawford ließ sich nicht zu einer weiteren Bemerkung hinreißen, sondern übergab seinen Koffer dem Pagen, den dieser pflichtbewusst auf den bereitstehenden Wagen hieven wollte. Der Junge war nicht gerade kräftig und hatte sichtlich Schwierigkeiten, das schwere Gepäckstück unter Kontrolle zu bringen. Ohne lange zu überlegen, trat Nagi hinzu und half ihm, den Koffer auf den Wagen zu legen. Der Page, der etwas in seinem Alter sein musste, sah ihm direkt ins Gesicht und strahlte ihn an. „Grazie!“, sprudelte er los. „Il mio capo mi fa una testa più corta, se faccio cadere di nuovo una valigia.“ Nagi lächelte ein wenig schief und warf einen hilfesuchenden Blick auf Schuldig. Der streckte nur grinsend die Hände in die Hosentaschen. „Das ist dein Freund, nicht meiner.“ Nagi fühlte, wie die Hitze in sein Gesicht kroch. Der Page mit dem dunklen Wuschellocken und den blitzend weißen Zähnen warf einen abschätzenden, aber nicht unfreundlichen Blick auf Schuldig. Wenn man es genau nahm, fraß er ihn gerade zu mit den dunklen Augen auf. Der Telepath grinste noch breiter und zwinkerte dem Jungen zu. Er sagte etwas auf Italienisch, das den anderen zum Erröten brachte. Der Junge grinste und murmelte eine Erwiderung. Als er sich wieder zu Nagi umdrehte, leuchteten seine Augen. „Se hai bisogno di qualcosa, chiamami. Mi chiamo Luca“, sagte er mit einem Lächeln, das Nagi dazu veranlasste, ihm auf die sinnlichen, vollen Lippen zu starren. Die Gedanken, die ihm dabei kamen, ließen ihn ebenfalls erröten. Der andere Junge lachte ein volles Lachen, rückte seine Pagenmütze gerade und eilte diensteifrig zu den nächsten Gästen, die in diesem Augenblick aus einem Taxi stiegen.   „Na du bist mir ja ein Schwerenöter“, tönte Schuldig und legte vertrauensvoll den Arm um Nagis Schultern. „Kaum hier angekommen, schon schleppst du jemanden ab. Ich bin beeindruckt.“ Nagi machte sich von ihm los und knurrte: „Das warst doch du. Halte dich gefälligst aus meinem Kopf raus, Schuldig.“ „Was denn?“, lachte der Telepath. „Ich habe dir nur projiziert, was er sowieso schon gedacht hat. Wer weiß, wie lange wir hier sind. Du kannst nicht alle Chancen auf sexuelle Abenteuer ungenutzt verstreichen lassen, nur weil du nicht rechtzeitig schnallst, dass dein Gegenüber scharf auf dich ist.“ „Und du bist natürlich ein Experte darin“, ätzte Nagi und folgte Crawford in die Empfangshalle des Hotels, den Telepathen dicht auf seinen Fersen. „Na sagen wir mal, mir bleibt es nicht verborgen, wenn jemand nicht so ganz unschuldige Gedanken hegt. Auch in Bezug auf dich. Sei froh, dass wir nicht mehr in Japan sind. Du glaubst ja nicht, wie viele dieser Schlips-und-Anzug-Träger heimliche Shota-Fantasien haben. Muss an diesen verdammten Mangas liegen.“ „Bah!“, machte Nagi nur. Allein der Gedanke, mit einem dieser alten Säcke...nein, ganz und gar nicht gut. Dieser Luca allerdings... „Schuldig! Hör auf damit!“ Nagi war kurz davor, dem Telepathen hier und jetzt eine Szene zu machen. Seit sie auf der Flucht vor einer Entdeckung vor Rosenkreuz waren, glich sein Leben einem chaotischen Wildwasserritt und Schuldig war darin eine der Stromschnellen, die ihn immer wieder aus dem Gleichgewicht brachten. Er konnte schon gar nicht mehr sagen, durch wie viele Länder sie in den letzten Monaten gereist waren, seit sie Hamburg per Fähre Richtung Helsinki verlassen hatten. Alles danach verschwamm zu einem bunten Strom aus Bildern und fremden Sprachen, bei denen er sich irgendwann nicht mehr die Mühe gemacht hatte, sie lernen zu wollen. Sie würden ohnehin bald weiterziehen.   Crawford kam auf die beiden zu und runzelte die Stirn. „Macht hier nicht so einen Aufstand. Ich habe die drei Zimmer zu einer Suite umbuchen können. Das ist günstiger. Kümmert euch darum, dass sie sauber ist.“ „Und was machst du derweil?“, wollte Schuldig wissen. „Ich gehe Kaffee trinken“, antwortete Crawford. „Es ist Ewigkeiten her, seit ich das Vergnügen hatte, einen echten, italienischen Espresso genießen zu können. Also macht euch an die Arbeit.“ Nagi sah ihrem Anführer mit offenem Mund nach, während sich Schuldig auf seine Schulter lehnte. „Tja, sieht so aus, als hätten wir beide sturmfrei. Lust auf Kissenschlacht, Nagilein?“ Nagi schubste ihn grob zur Seite und machte sich auf den Weg zum Aufzug. Schuldig schweig dankenswerterweise, aber Nagi konnte aus den Augenwinkeln sehen, dass er grinste. Er dachte ein paar finstere Beleidigungen und erntete nur ein noch breiteres Grinsen. Na herrlich!   Sie durchsuchten die Zimmer auf mögliche Wanzen und fanden natürlich nichts, wenn man mal von einem winzigen Loch in der Badezimmerwand absah, das Schuldig sofort zum Anlass nahm, sich in einem Erguss über die Nutzungsmöglichkeiten eines solchen Guckloches zu ergehen. „Nicht jeder ist so pervers wie du“, schnaubte Nagi irgendwann. „Du hast ja keine Ahnung“, gab Schuldig belustigt zurück. „Ich spreche es nur aus, was euch allen durch den Kopf geht. Besonders dir, wenn du an diesen Luca denkst.“ Nagi schloss die Augen und zählte leise bis zehn. Dann öffnete er sie wieder und sagte: „Ich will nichts von diesem Luca. Crawford würde das auch gar nicht erlauben. Außerdem weiß ich doch gar nicht, ob er überhaupt interessiert ist.“ Er hätte sich mit der Hand gegen die Stirn schlagen können, als ihm auffiel, dass das quasi ein Eingeständnis war. Aber Schuldig hatte das sicherlich ohnehin schon aus seinen Gedanken gelesen. „Ach, dafür hast du doch mich“, strahlte der Telepath, bevor er sich in einem goldverzierten Spiegel betrachtete, der einen Großteil der mit einer teuren Tapete verzierten Wand einnahm. „Ich sage dir, er ist interessiert. Sehr. Und falls du mich mal nicht dabei hast, lass dir gesagt sein, dass du mit der Zeit ein Gespür dafür entwickeln wirst, von welchem Ufer dein Gegenüber ist. Alles eine Frage der Erfahrung.“   Nagi, der gerade seinen Koffer auspackte, hielt in der Tätigkeit inne und warf Schuldigs Rücken einen misstrauischen Blick zu. Konnte es sein, dass er nicht der Einzige war, der hier gerade unfreiwillige Geständnisse machte? „Das klingt, als hättest du da Erfahrung“, sagte er möglichst beiläufig. „Mhm-mhm“, machte Schuldig unbestimmt und fing an, sich sein Hemd auszuziehen, um es gegen ein weißes Poloshirt auszutauschen. Als er auch noch Anstalten machte, seine Hose zu wechseln, drehte Nagi sich schnell um und verfluchte in Gedanken Crawford, dass er kein Einzelzimmer hatte. Und dafür, dass es an dieser Wand des Zimmers auch einen Spiegel gab, in dem ihn Schuldig jetzt über seine Schulter hinweg ansah. Er musste ganz schnell das Thema wechseln oder den Telepathen zumindest von seinen Gedanken ablenken.   „Gab...gab es denn mal einen Mann in deinem Leben?“, fragte er, bevor er noch lange überlegen konnte. Schuldig hob eine Augenbraue. „Neugierig, eh?“ Er trat an die Balkontür um hinauszusehen. „Ja, es gab mal einen. Während meiner Ausbildung.“ „Bei Rosenkreuz?“, fragte Nagi überrascht. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so etwas erlauben.“ „Haben sie auch nicht. Er war einer meiner Ausbilder. Ein Telepath. Wir haben es eine ganze Weile geheim halten können, bevor sie uns erwischt haben.“ „Was ist passiert?“ Schuldig gab einen undeutbaren Laut von sich. „Was denkst du? Sie haben uns den Arsch aufgerissen. Das Ganze passte nicht in ihr tolles Zuchtprogramm. Unfruchtbare Beziehung, wenn du verstehst, was ich meine. Ein braver Soldat hat nur dann hart wie Kruppstahl zu sein, wenn er einem zeugungsfähigen, weiblichen Wesen gegenübersteht.“ Er grinste und trat zurück in den Raum, um sich aus der Minibar etwas zu trinken einzuschenken. Nagi überlegte eine Weile, bevor er die Frage stellte, die Schuldig vermutlich ohnehin schon in seinen Gedanken gelesen hatte. „Wo ist er jetzt? Hast du ihn mal wiedergesehen?“ Schuldig setzt das Glas ab und sah Nagi direkt ins Gesicht. „Ich hab ihn erschossen. Eine Kugel genau zwischen die Augen.“ Weder aus Schuldigs Gesichtsausdruck, noch aus seiner Stimme war irgendeine Emotion abzulesen. Beiläufig, neutral, als ginge ihn das alles nichts an. Nagi wusste nicht, wie er das finden sollte. „Was?“ Schuldigs Grinsen war zurück. Er lehnte sich zurück und steckte die Daumen in die Hosentaschen. „Hast du gedacht, ich würde jetzt in Tränen ausbrechen und mich dir an den Hals werfen? Es war eine logische Entscheidung damals. Er oder ich. Hab nicht lange überlegt. Er hat sich nicht mal gewehrt, der Idiot.“ „Und...und wenn er dich hätte erschießen wollen?“   „Die Kugeln, die Schuldig töten können, sind irgendwo im Vatikan unter Verschluss“, mischte sich Crawford in die Konversation ein. Er hatte nur den letzten Satz gehört, als er das Zimmer betrat. Schuldig bedankte sich mit einem breiten Grinsen. „Siehst du, Nagi, er kennt mich manchmal besser, als ich mich selbst kenne. Ich wusste gar nicht, dass ich ein Werwolf bin.“ „Werwolf, Vampir, Banshee, Dämon. Irgendwie so etwas muss es in deiner Ahnenlinie gegeben haben. Ich muss damals verrückt gewesen sein, ausgerechnet dich mit in mein Team zu nehmen.“ „Ach komm“, frotzelte Schuldig. „Das war von Anfang an unser Team. Kein anderer dieser Speichellecker hätte dir bei deinen Plänen, Eszett zu stürzen, geholfen. Jeder anständige Telepath hätte dich sofort gemeldet.“ „Und du brauchtest eine verdammte Wildcard, um überhaupt in ein Team zu kommen, nach deiner Affaire“, setzte Crawford dem entgegen. „Niemand wollte Schuldig in seinem Team haben. Also tu nicht so, als hättest du nur mir einen Gefallen getan.“ Schuldig verbeugte sich leicht. „Gut, einigen wir uns auf ein Unentschieden. Wir haben einander gegenseitig gebraucht, um aus diesem Scheiß rauszukommen. Ist doch so oder Oracle?“ Crawford schnaubte nur und winkte Nagi, ihm zu folgen. „Es gibt Arbeit für dich.“ Nagi erhob sich und ging hinter Crawford her aus dem Zimmer. Er fühlte Schuldigs Blick auf sich ruhen und es schien, als würden die blauen Augen seines Teamkollegen flammende Linien auf seine Haut brennen. Er hatte die Bestätigung bekommen, nach der er gesucht hatte. Die Frage war nur, was er jetzt damit anfangen sollte.           Mamoru lehnt immer noch an seiner Schulter und Nagi schiebt die Erinnerungen an Luca sehr weit von sich. Das Bild, wie der hübsche Italiener in der Wäschekammer des Hotels vor ihm auf die Knie sinkt und seine vollen Lippen sich Nagis Schritt nähern, sind nichts, was ihn in diesem Moment durch den Kopf gehen sollte. Was er jetzt braucht, sind nicht Schuldigs lüsterne Ideen, sondern Crawfords taktisches Geschick. „Wenn dein Großvater der Meinung ist, dass du Weiß abziehen solltest, tu es. Lass ihn in dem Glauben, er hätte dich unter Kontrolle.“ Mamoru knurrt unwillig. „Und was wird dann aus der Untersuchung?“ Nagi erhebt sich und sieht Mamoru an. „Du hast keine Wahl. Glaub mir, ich kenne Leute wie deinen Großvater. Wenn er erfährt, dass du ihn hintergangen hast, wird er einen Weg finden, dich auszuschalten. Und was wäre dann damit gewonnen?“ Mamoru sieht als, als wolle er noch etwas erwidern, dann aber nickt er langsam. „Du hast Recht. Ich kann mich nicht gegen ihn stellen. Nicht so offen. Vielleicht...vielleicht ergibt sich ja noch eine Gelegenheit. Ich kann den tatsächlichen Abzug von Weiß eventuell noch ein paar Tage hinauszögern. Wenn ich das neue Projekt ein wenig behindere, sodass uns noch etwas mehr Zeit bleibt, könnte ich...“ „Es wäre schlauer, wenn du das jemand anderen machen lässt. Jemand, den man nicht zu dir zurückverfolgen kann.“ Mamoru sieht ihn mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen an. „Ach ja? Ich weiß nicht, wem ich so eine schwierige Aufgabe übergeben sollte. Kritiker hat eine gute Firewall.“ Nagi rollt mit den Augen. „Und ich bin der Kaiser von China.“ „Ja aber kann ich dir vertrauen?“ „Natürlich nicht.“ „Machst du es?“ „Gib mir eine Stunde.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)