Oak's Heir von Sopha ================================================================================ Kapitel 2: Team Rockets Comeback -------------------------------- Leere, Stille und Dunkelheit um ihn herum, so wie in seinem Kopf. Er wusste nicht, wann er zum letzten Mal vernünftig geschlafen hatte, aber es war verdammt lange her gewesen. Seit Tagen lag er wach und versuchte sich irgendwie abzulenken, bis die Bilder im Kopf wieder zu dem Gesicht seines Großvaters abdrifteten. Seine mittlerweile schmerzenden Augen starrten auf den flimmernden Fernseher und seine Finger bewegten sich mechanisch in irgendeine Richtung. Er wusste nicht, wie der Spielspand bei seinem aktuellen Spiel war oder wann es ihm jemals egal gewesen war, wenn er verlor, aber er konzentrierte sich auch nicht eine Sekunde lang auf FiFa. Auch interessierte es ihn nicht, wie spät es war. Irgendwo in einem Zeitraum von null bis sieben Uhr machte alles für ihn irgendwie Sinn. Ein lautes Klirren unterbrach die nachgemachten Stadiongesänge und den Kommentator des Spiels. Er pfefferte seinen Controller irgendwo auf sein Bett und schlich sich im Dunkeln aus seinem alten Kinderzimmer, denn er brauchte keinen Lichtschalter, um die Tür zu finden. Danach ging er nach unten zu dem Raum, aus dem er glaubte, das Geräusch wahrgenommen zu haben, das sich irgendwie nach einer zersprungenen Glasscheibe angehört hatte. Entweder Sarah oder Blue wanderten nachts durch das Haus, oder jemand brach ein. Sein Weg führte ihn zu dem alten Labor seines Großvaters, den er notdürftig mit dem grellen Licht seines Handys beleuchtete. Als er eine Person davor stehen sah, stolperte er vor Schreck einige Schritte zurück. „Schon gut, kein Grund mich gleich zu blenden“, hörte er Blues Stimme, und als er seine Taschenlampe erneut auf sie hielt, merkte er, dass sie es tatsächlich war. „Was zur Hölle machst du hier mitten in der Nacht?“, fragte er, und merkte erst jetzt, dass ihn die Kopfschmerzen einholten. „Ich denke dasselbe, was du auch tust“, sagte sie, und musterte ihn eindringlich. Vielleicht bildete er sich das ein, aber ihr Blick blieb ungewöhnlich lange an seiner Brust hängen, vermutlich, weil er kein Oberteil trug. Instinktiv verschränkte er die Arme vor seinem Brustkorb. „Du schleichst dich also nachts durch die Gegend und wirfst Vasen um, oder was genau tust du hier?“ „Klar, das mache ich gerne.“ Ein Grinsen umspielte ihre zarten Lippen, doch dann wurde sie direkt wieder ernst. „Eigentlich wollte ich nur ins Labor um zu gucken, woher das Klirren kam, aber es ist mit einem Code gesichert...“ Gary schnaubte. „Natürlich ist es das.“ Sie trat wortlos zur Seite und ließ ihn somit an das Eingabegerät heran, gegen das sich sein Großvater immer gewehrt hatte, weil er meinte, mit einem einfachen Schlüssel käme man genauso weit. Es hatte jahrelange Überzeugungskraft gekostet, bis er nachgegeben und Gary das codegesicherte Schloss einrichten hatte lassen. Dementsprechend wusste er auch den Code auswendig. Die Tür öffnete sich mit einem Surren und offenbarte somit viele ansteigende Reihen von Regalen und mehrere Schreibtische mit PC's. Aus dem Augenwinkel nahm Gary eine schwarze Silhouette wahr, welche schnell davonrannte. Ohne nachzudenken sprintete er hinterher, musste sich aber bald eingestehen, dass der Vorsprung, den die Person gehabt hatte, viel zu groß gewesen war. Bald schon hatte er sie wieder aus den Augen verloren. „Hier ist noch nie jemand eingebrochen“, stieß er schließlich hervor, und starrte auf den Punkt, an dem er den Einbrecher aus den Augen verloren hatte. Fahrig fuhr er sich durch das Haar, unfähig, irgendetwas zu machen. „Ich rufe die Polizei“, bot Blue an, und zog sofort das Handy aus ihrer Hosentasche. Garys Blicke fuhren panisch über die Regale, und schließlich rannte er zu einem Tresor, um die Sicherheitscodes einzugeben. Die Sicherheit der Daten im Labor hatte oberste Priorität, denn immerhin ging es um unverkäufliche wissenschaftliche Erkenntnisse, die in den falschen Händen Schlimmes anrichten könnten. Nicht, dass Gary in alles eingeweiht wäre – er war zu lange weg gewesen und hatte Alabastia zu selten besucht, um wirklich jede Einzelheit zu erfahren. Der Tresor war leer, und Gary brauchte einige Augenblicke, um dies zu verarbeiten. Team Rocket hatte also das Gift geklaut, das sein Großvater gefunden und dessen Existenz er so lange geheimgehalten hatte, weil er genau gewusst hatte, dass das Gift einen für kurze Zeit stärker, schneller und besser machte, vor allem die Pokémon. Auf eine lange Sicht allerdings wurden sie krank davon; nicht nur körperlich, sondern auch physisch. Es war wie bei echten Drogen. Gary wollte sich gar nicht vorstellen, was Team Rocket erst mit einem solchen Gift anstellen würde... es schien genau das zu sein, was sie schon seit Jahren gesucht hatten. Dann war sein Großvater seit drei Tagen tot, und schon wurde das geklaut, was er stets versucht hatte mit seinem Leben zu beschützen. Es dauerte einige Zeit, bis die Polizei eintraf, und die Spuren absicherte sowie Blue und Gary als Zeugen befragte. Inzwischen war Sarah auch eingetrudelt und lief panisch herum, da auch sie wusste, was der Diebstahl für das Labor und womöglich für die ganze Region bedeuten könnte. Gary allerdings fand, dass das nur verschwendete Zeit war – er wusste genau, wer dahinter steckte, und, dass derjenige die Daten nie wieder herausrücken würde. Das, was soeben geschehen war, war unumkehrbar. „Gab es Hinweise darauf, dass Team Rocket zurückgekehrt ist?“, fragte Gary und unterbrach somit den Polizisten, der gerade versucht hatte ihm zu erklären, was die Spurensicherung ergeben hatte. „Bitte?“, fragte dieser perplex. „Na ja, also...“ Er sah sich ratlos im Labor um, so, als würde irgendetwas hier drinnen ihm antworten, ob er die vertraulichen Dinge der Polizei Kantos erzählen durfte, oder nicht. „Lass mich das mal regeln“, mischte sich Officer Rocky in das Gespräch ein, und sah Gary dabei eindringlich an. „Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann, Gary. Aber nur um noch einmal ganz sicher zu gehen: das ist vertraulich, ja?“ „Natürlich. Das alles hier war auch vertraulich, und ich habe es dreiundzwanzig Jahre lang niemandem erzählt.“ Officer Rocky seufzte. „Also gut... du hast recht, es gibt einige Indizien dafür, dass Team Rocket wieder zurückgekehrt ist. Vor einigen Tagen wurde bereits in das Museum von Marmoria City und in die Pokéballfabrik eingebrochen...“ „Die Fabrik steht in Kalos“, sagte Gary mit gerunzelter Stirn. „Ja... aber da es drei Einbrüche in vier Tagen waren und zwei davon in Kanto stattfanden, gehen wir davon aus, dass es Team Rocket war.“ Erst jetzt bemerkte Gary, dass Officer Rocky völlig übermüdet aussah mit ihren tiefen Augenringen und der fahlen Haut. Sie schien tatsächlich in der letzten Zeit einiges zu tun gehabt und sich vollkommen überarbeitet zu haben. Gary schwieg. Es war ungewöhnlich für Team Rocket, außerhalb der Region zu agieren, die sie damals schon fast erobert hatten. Aber fast blieb eben fast – und warum sollte man zusätzlich noch eine andere Region in Angst und Schrecken reißen, wenn man schon an bloß einer gescheitert war? „Gut, ich denke, wir haben dann hier alles“, nutzte Rocky die Stille aus, um einen Schlussstrich zu ziehen. „Okay“, erwiderte Gary gedankenverloren, denn er hatte nichts dagegen, dass Rocky endlich in ihren wohlverdienten Feierabend ging. Allerdings bezweifelte er, dass die Polizei irgendetwas unternehmen konnte, denn das letzte Mal, als Team Rocket aufgetaucht war, hatten sie alles einer einzigen Person überlassen, die dann die gesamte Region gerettet hatte. - Unsanft wurde er von einem schrillen Klingeln aus dem Schlaf gerissen. Seine Hand tastete schlaftrunken den Nachttisch nach seinem Handy ab, bis er es letztendlich fand und den grünen Hörer drückte, ohne bis hierhin überhaupt die Augen geöffnet zu haben. „Ja?“, fragte er, unterbrach sich dann aber selbst wegen eines Gähnens. „Wie immer bist du vollkommen unbrauchbar, wenn man dich anruft“, hörte er eine Stimme am anderen Ende der Leitung, die ihm sehr bekannt vorkam. Ash öffnete schlagartig die Augen, und warf einen Blick auf die Uhrzeit des Handydisplays. „Erzähl' mir bitte mal, wer um 04:46 Uhr wach ist!“, erwiderte er, und war schon jetzt genervt von dem Telefonat, das erst geschlagene sechs Sekunden dauerte. Dann aber rief er sich wieder ins Gedächtnis, dass Garys Großvater erst vor Kurzem gestorben war, und man ihm deshalb nicht für sein egoistisches Verhalten maßregeln sollte. „Sarah, die gesamte Polizeistation Alabastias und ich“, antwortete Gary trocken. „Team Rocket ist gerade ins Labor eingebrochen.“ „Bitte, was?“, wiederholte Ash verwirrt. Er war zwar vielleicht wach, aber sein Gehirn befand sich noch im Halbschlaf. Deswegen machten die Worte, die er hörte, irgendwie keinen Sinn. „Team Rocket. Ist. Ins. Labor. Eingebrochen“, wiederholte Gary so langsam, als hätte Ash irgendeine geistige Störung. Ash brauchte ein paar Sekunden, um die Worte zu verarbeiten. „Ich hab Team Rocket zerschlagen.“ „Ich weiß, aber anscheinend hat deine Heldentat nicht so lange angehalten.“ Wieder dauerte es seine Zeit, doch bevor Gary sich über ihn beschweren konnte, ergriff Ash das Wort: „Das... kann nicht.“ Vielleicht wäre es doch besser gewesen, zu schweigen. Gary schnaubte. „Wenn du mir nicht glaubst können wir auch gerne warten, bis sie wieder zuschlagen. Allerdings haben sie laut Officer Rocky bereits vor einigen Tagen das Museum in Marmoria City und die Pokéballfabrik in Kalos ausgeraubt, also geht es vermutlich sehr schnell.“ „So schnell agieren sie normalerweise gar nicht“, murmelte Ash überfordert, „und erst recht nicht außerhalb Kantos...“ „Sie scheinen stärker geworden zu sein“, erwiderte Gary. „Gibt es denn konkrete Hinweise darauf, dass jede Tat von Team Rocket stammt?“ Ash konnte sich einfach nicht vorstellen, dass der Haufen von Vollidioten, den er als Fünfzehnjähriger bezwungen hatte, zu solchen Taten in so kurzer Zeit in der Lage war. Zumal sie schön öfters versucht hatten, das Labor auszurauben, aber immer gescheitert waren. „Angeblich wohl. Aber auch, wenn sie für irgendetwas nicht verantwortlich waren, ist es genau die Vorgehensweise, die sie normalerweise immer hatten. Und ich glaube wir sind uns einig, dass wir sie auslöschen müssen, oder?“ „Ja, natürlich.“ Ash gähnte noch einmal demonstrativ. „Aber bitte nicht um viertel vor fünf!“ „Gut, dann treffen wir uns eben in zwei Stunden.“ „In zwei...“, wiederholte Ash, während er in seinem Kopf ausrechnete, wie spät das sein würde. „Gary, verarsch' mich nicht!“ „Tu ich nicht. Also, wir sehen uns dann um sieben bei mir.“ Bevor Ash Einspruch erheben konnte, hatte Gary bereits aufgelegt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)