Escape the Fate [Dark-Netflix-Serie] von Green_Shoes (Gib nicht auf [Bartosz x Jonas]) ================================================================================ Kapitel 3: [003] Jonas ---------------------- Jonas Kahnwald, 04.November 2019 Erschrocken tief einatmend riss ich meine Augen auf, richtete meinen Oberkörper hastig auf. Mein Schlafanzug fühlte sich warm und feucht an meiner Haut an, meine Haaren klebten mir nass an der Stirn. Selbst nach fast 5 Monaten Aufenthalt in der stationären Psychathrie in einem Nachbarörtchen hörten meine Alpträume nicht auf. Immer wieder brannten sich die Szenen des Selbstmordes meines Vaters in meine Träume ein. Die Halluzinationen haben etwas nachgelassen, aber die Träume hören einfach nicht auf. Ich schmiss das helle kariert-bezogene Oberbett zur Seite um meine Beine zu befreien, welche ich nun an der Bettkante runterbaumeln ließ. Meine Atmung war noch etwas hastig, mein Mund verdammt trocken. Ich blieb kurz sitzen, mein Blick schweifte durch mein kleines Zimmer. Alles war aus Holz, so wie alles in diesem Haus. Nur mein Boden bestand aus einem hellen gräulich-blauen melierten Fußbodenteppich. Er war nicht sehr weich, aber immerhin bekam man keine kalten Füße. Meine Fußsohlen setzten sich vollflächig auf den rauen aus Polypropylen hergestellten Fußbodenteppich. Mein Blick hing an meinem Schreibtisch fest. Ein paar alte Spielfiguren aus Plastik von damals standen und lagen dort verteilt, aber sonst war er aufgeräumt. Mittig lagen meine Schulbücher gestapelt. Heute sollte mein erster Tag werden nach so langer Zeit. Was meine Mitschüler wohl denken werden? Über meinem Schreibtisch hing ein Regal mit weiteren Büchern, welche ich eigentlich nie wirklich gelesen habe. Vielleicht angefangen oder durchgeblättert, aber mehr auch nicht. Meine Lieblingsbücher standen auf einem Regalbrett über meinem Bett befestigt. Vor meinem Bett stand ein kleiner Fernsehtisch aus Holz. Die seitlichen Bretter waren mit Löchern gemustert. Auf der leicht überstehenden Holzplatte stand ein gräulicher sperriger Fernseher. Ein total altmodischer Röhrenbildschirm, nicht zu vergleichen mit dem überdimensionalen Hightech-Fernseher von Bartosz. Für solch ein großes Elektrogerät wäre in meinem kleinen Zimmer eh kein Platz. Neben meiner Kopfseite des Bettes, direkt neben meinem Schreibtisch, stand mein Nachttischschränkchen mit einer kleinen quergestreiften Schirm-Tischlampe. Ganz knapp an der vorderen Ecke erblicke ich das kleine transparente zylinderförmige Plastikdöschen in Orange, welches mit einem weißen Deckel verschlossen ist. Auf dem Döschen klebte ein weißes Etikett mit der Aufschrift "Amitriptylin forte 15 mg". Daneben steht ein Glas mit Wasser, welches ich mir am Vorabend zurecht gemacht hatte. Meine Gedanken überlegten nicht lange und mein Körper griff wie von selbst das Döschen und zog es zu sich hin. Hastig öffnete ich den Drehverschluss, kippte mir eine Tablette in meine Handfläche und warf diese sofort in meinen Rachen. Ich schluckte stark, bevor sich die weiße kleine Tablette durch meinen Speichel auf der Zunge zu zersetzen beginnen konnte. Der bittere Geschmack, der meistens dadurch entstand, konnte einem Übelkeit bereiten. Eine Weile saß ich noch da, atmete laut und wartete bis die Tablette ihre Wirkung zeigen würde. Die ganzen Negativgefühle, die einen versuchen aufzufressen, innerlich zu unterdrücken und fertig zu machen, lösten sich durch diese kleine Tablette in Luft auf. Das unwohle Ziehen im Magen verschwand. Gedanken an schlimme Dinge, die mich zum Durchdrehen bringen konnten, empfand ich nicht mehr so stark. Es fühlte sich so normal an, die Dinge, wie jeder andere auch, einfach objektiver zu Empfinden. Die Depression wurde erträglicher, der Alltag bewältigbarer. Langsam trampelte ich die hölzernen Treppenstufen hinab, welche direkt in einen öffenen Flur-Esszimmer-Küchen-Bereich führten. Mittig im Raum zierte sich ein runder Holztisch. Es schien, als hätte Mama gestern keine Lust auf aufräumen gehabt zu haben. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Ciabatta-Resten von ihrem Abendessen, so wie ein Weinglas, gefüllt mit der roten Flüssigkeit aus der grünen Weinflasche daneben. Eine kleine über Eck Küchenzeile verbirgte sich hinter dem Esstisch. In der Ecke befand sich der Kühlschrank. 90° zu dem Kühlschrank befand sich eine kleine Wand mit einer blumig-verspielten bläulichen Tapete an der ein quer-ovaler Spiegel hing. Daneben wurde ein kleines Gewürzregal befestigt, an dem unten drunter Haken waren, wo die Trockentücher aufbewahrt werden konnten. Mein Körper bewegte sich in Richtung Küche. Meine Hand wanderte zu einem Lichtschalter und selbst nach mehreren Betätigungsversuchen erstrahlte kein warmes Licht in den vom morgendlichen blau getauchten Raum. Seufzend bewegte ich mich zur Küchenzeile. Hier war das Spülbecken ein Chaos. Teller, Tassen und Besteck wurden einfach nur hineingelegt, irgendwie wild positioniert. Hauptsache freier Platz, so dass man noch Kaffe oder ähnliches zubereiten konnte ohne aufräumen zu müssen. Ich öffnete den dunklen Kühlschrank, griff nach der bräunlichen gläsernen Milchflasche und verzog meine Nase nach dem Öffnen: Sauer. Frustriert stellte ich die Glasflasche zurück in den nicht funktionierenden Kühlschrank. » Mama! « » Mama? « » Mama! Der Strom funktioniert schon wieder nicht! « Ich schrie mehrmals die Treppe hinauf, aber sie reagierte nicht. Entweder schlief sie noch oder sie war nicht da. * Ich fuhr mit meinem Fahrrad zur Schule. Es war draußen kalt-nass, grau und eine depressive Stimmung lag in der Luft. Ein typisches Spät-Herbst-Wetter im November. Es regnete grade noch nicht, aber der Himmel war mit einer grauen Wolkendecke zugezogen. Die Bäume rauschten im Wind, kein Auto fuhr an mir vorbei. Es fühlte sich merkwürdig an, postapokalyptisch irgendwie, plus wieder an diesen vertrauten Orten entlang zu fahren. Nachdem ich aus der stationären Anstalt entlassen wurde, wurde ich einem hier örtlichen Therapeuten anvertraut: Peter Doppler. Der schmale, lange Mann mit mittelblonden Haaren, welche er seitlich gekämmt trägt, seiner hohen Stirn, den klar blauen traurig wirkenden Augen, den ausgeprägten Tränensäcken, der unauffällig normalen Nase, der stark gezeichneten trägen Mundwinkel, den schmalen Lippen umspielt von einem circa 1cm langen Vollbart, welcher zwischendurch graue Härchen durchlässt, ließ mich 2 Wochen lang eine Integrationsphase, beziehungsweise eine Wieder-Eingliederungs-Phase meines natürlichen Umfelds durchführen. Ich sollte merken, dass mein zu Hause, mein zu Hause ist, dass dort meine mich liebende Mutter ist, dass ich dort hin kann, wenn es mir nicht gut geht, dass mein zu Hause mein Rückzugsort ist. Jetzt befand ich mich in der Sozialisierungsphase. Ich soll wieder zur Schule gehen, mich mit meinen alten Freunden zusammentun, vielleicht aber auch neue Leute kennenlernen. Innerlich war ich nervös. Wie würden die anderen auf mich reagieren? Würden sie mich anstarren und direkt abstempeln, als der Psycho aus der Irrenanstalt? Oder wäre ich für sie, der Vaterlose, dessen Vater ein Schisser war, der seine Familie einfach so alleine zurückgelassen hatte? Meine Gedanken überschlugen sich, malten Szenarien, welche bis hin zum üblen Mobbing gingen bis meine Gedanken bei Bartosz angelangten. Ob er heute da sein würde? Es würde mein Gemüt um einiges beruhigen. An einer Kreuzung sprang die Ampel auf Rot. Ich presste meine Finger um die vordere und hintere Bremse bis meine Bremsschläuche mein Rad zum Stillstand brachten. Ich setzte meinen Fuß von der Pedale, schaute erst nur zur Ampel, welche aber nach gefühlten 5 Minuten immer noch nicht wieder auf grün umsprang. Daraufhin schweifte mein Blick durch die grüne Umgebung, Felder und Wälder. Hinter den hochgewachsenen Baumspitzen konnte ich die Türme des Kraftwerks, welches wir als AKW bezeichneten, sehen. Mein umherirrender Blick blieb an einer hölzernen Laterne rechts neben mir am Straßenrand hängen. Ein Din-A4-großes Blatt, etwas zerknittert mit ganz viel Klebeband an dem hölzernen Untergrund befestigt, umfasste die fettgedruckte Überschrift "Vermisst", darunter ein Bild von einem naturrothaarigen Jungen mit braunen, fast schwarzen Augen und weißer Haut mit leichten Sommersprossen, welchen ich kannte. » Erik Obendorf. «,las ich flüsternd vor mich her. Es war ein Vermissten-Aushang der Windener Polizei. Ich kannte Erik, flüchtig. Er war ein Drogen-Dealer aller Art. Was ihm wohl wiederfahren ist? Ob er beim dealen jemanden beschissen hat und jetzt irgendwo Tod, verbuddelt unter der Erde liegt? Oder hat er mit dem Dealen genug Kohle gemacht um Winden zu entkommen, in einer neuen Stadt neu anzufangen? Vielleicht sollte ich hier auch verschwinden... Bei grün setzte ich meinen Fuß wieder ins Pedal und fuhr weiter Richtung Schule. Ein naturfarbener verwinkelt gebauter, kastenförmiger mehrstöckiger Komplex mit steinigen Wänden. Sie waren sehr fein, glatt, aber die Wand als ganzes war rau zu ertasten. Farblich setzten sich die Türen- und Fensterrahmen in einem knalligen gelb ab. Ich stand vor ihr und blieb einfach nur stehen. Ein paar Schüler unterschiedlichen Alters liefen mal hier und dort rum, vereinzelte Grüppchen standen rechts an der Eingangstür. Alle starrten mich an, oder hatte ich nur das Gefühl? Ich schaute kurz an mir runter. Na klar! Wie dumm konnte ich auch sein und meine gelbe, alles überstrahlende Regenjacke anzuziehen, welche förmlich nach "schaut mich alle an! Hier bin ich!" riecht. Die ganzen Blicke verbreiteten in mir diese nervöse leichte Angst, als ich plötzlich durch einen leichten Hinterkopfklatscher und einem lauten freudigen "Heeeeeyyy!" aus meinen Gedanken gerissen wurde. Ein Blick in die Richtung der Stimme und ich erblickte Bartosz, den braunhaarigen, grün-braun-äugigen 17-Järigen besten Freund, den ich je hatte. Ein Lächeln zauberte sich unkontrollierbar in mein Gesicht. Er durfte mich nicht besuchen, obwohl er mein bester Freund war. Ich sollte mich komplett auf mich und meine Genesung konzentrieren. Impulse von außerhalb könnten diese wohl beeinträchtigen hieß es. Einmal hab ich meine Mutter nach Bartosz gefragt, ob ich ihn sehen könnte oder er herkommen dürfte, aber sie verneinte es jedes Mal und dieses eine Mal bin ich dann aus meiner Haut gefahren, habe sie weinend angeschrien, ihr fiese Dinge an den Kopf geschmissen. Ich habe mich später dafür entschuldigt. Immerhin hatte sie mir gesagt, dass sie Bartosz manchmal schreibe, weil dieser sich wohl Sorgen mache. Das war zwar nicht komplett erfüllend, aber es beruhigte mich, dass mein bester Freund sich weiterhin für mich interessierte und ich nicht in Vergessenheit geriet. » Willkommen zurück im Irrenhaus! War Scheißen-Langweilig ohne dich. « Ich spürte Bartosz' Lächeln, wie er mich anschaute, selbst sein Irrenhaus-Witz warf mich nicht aus der Spur, doch diese ganzen Blicke hingegen schon. Bartosz schien meinem Blick zu folgen, desnn kurz darauf zählte er mit seiner furchteinflößenden Art ein paar Mitschüler an, dass diese nicht so Glotzen sollten. » Hast du es irgendwem erzählt? «, rutschte es meinen Lippen einfach heraus. Bartosz blickte mich erst entsetzt an, so wie "Wie kannst du nur so was von mir denken?", als dieser dann aber ein lachendes Geräusch von sich gab. » Ich hab jedem erzählt du seist in Frankreich gewesen für so ein Schüleraustuasch-Programm… und hast Baguette verstecken gespielt. « Er glaubte nicht wie dankbar ich ihm war. Ich konnte zwar grade nicht über seinen Witz lachen, aber das lag einfach nur an dieser Nervösität. Bartosz' Blick war immer noch auf mich gerichtet. Seine Mundwinkel entspannten sich langsam wieder, erschlafften. Sein Lächeln wurde wieder zur ernsten mitfühlenden Miene. Es war der Ausdruck in seiner Stimme, der mir damals sagte, dass er immer für mich da seien werde. Ich erinnerte mich an seinen Handdruck und biss mir leicht auf einen inneren fleischigen Teil meiner Unterlippe auf der linken Seite, wo Bartosz nicht stand. Er sollte es nicht merken. Es war damals sicher nur die beistehende Geste eines besten Freundes. Nicht mehr und nicht weniger. » Entspann dich, Jonas. «, beruhigte er mich. » Komm. « Bartosz stupste mich an meinen rechten Arm und ging einen Schritt vor. Mein Blick wanderte kurz zu ihm. Der 17-Jährige hatte seine Hände in die Taschen seiner hellbrauen Jacke versteckt und schaute mich nun erwartungsvoll an. Zusammenreißen Jonas. Mantraierte ich mich selber, versuchte alles gut zu reden, ehe ich mit Bartosz mitging. Die gelbe Eingangstür kam immer näher. Einige Schüler hatten sie geöffnet um selber durchzugehen, so dass wir ebenfalls einfach durchgehen konnte. Wir schlenderten Richtung großer Theaterraum, welcher auch für Ansprachen und Großversammlungen genutzt wurde. » Und was ging hier so? «, fragte ich den Braunhaarigen nach ein paar Metern durch die Schulflure laufend. » Du hast nichts verpasst, außer das mit Erik halt. « Ich wollte weiter nachfragen, aber dann kamen wir auch schon im großen Raum des Theaters an. Überall standen Stühle fein säuberlich nebeneinander und hintereinander gereiht, mittig wurden circa 2-3 Stühle breit Platz gelassen, um rein- und rausgehen zu können, so wie als Fluchtweg für den Fall der Fälle. Bartosz zog mich mit sich in eine der hinteren Reihen und warf sich einfach auf einen der Stühle. Ich tat es ihm gleich, aber wahrscheinlich etwas eleganter als er. » Solche Versammlungen sind doch der größte Scheiß! «, murrte er und beobachtete den wilden Trubel der platzsuchenden Schüler. Ich wustte nicht mal um was für eine Art von Versammlung es hier ging, weshalb mir nichts zu seiner Aussage einfiel. Plötzlich zwängte sich ein Mädchen mit langen braunen Haaren an mir vorbei und nahm neben mir Platz, sie versuchte es zumindest. Sie hätte sich auch neben Bartoz setzen können, aber sie musste sich unbedingt an uns vorbeiquetschen. Vielleicht wegen einer Freundin. » Hallo Martha. «, begrüßte Bartozs das dunkelhaarige Mädchen neben mir etwas schroff. » Martha? «, fragte ich total entsetzt und blickte zu ihr. Das Braunhaarige Mädchen, wandte sich nach ihrem wilden Kampf mit dem Stuhl und ihrer Kleidung, welche sich immer irgendwo verfing, zu uns. Ich blickte in zwei dunkle Augen und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. » Hallo Jonas. Schön, dass du wieder da bist. « Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)