Zwischen Molotowcocktails und Shakespeare von Curupira ================================================================================ Kapitel 17: Kapitel 16. ----------------------- Mit vollgepackten Reisetaschen, sitzen Juli und ich, gemeinsam mit Martha, Rati und Uma im Schatten des Internatsgebäudes, auf einer steinernen, kleinen Mauer und warten darauf, dass unsere Taxis eintreffen. Die Geschwister haben mir sehr schnell verziehen. Haben mich angegrinst und mir erklärt, dass sie mir mein Schauspiel nie abgekauft haben. Nicht gerade eine tolle Bestätigung für mein schauspielerisches Ego und dennoch bin ich froh, dass sie es mir nicht schwerer gemacht haben. »Viel Spaß. Macht keinen Mist, zu Hause. Bis Sonntag«, verabschieden sich die Beiden von Martha, Juli und mir und verschwinden ins Gebäude, zum Vesper. Juli und ich sitzen sittsam nebeneinander und versuchen in der Öffentlichkeit nicht allzu offensichtlich zu zeigen, dass wir mehr als nur Freunde sind. Zum Einen, weil wir uns eben in einem katholischen Internat befinden und zum Anderen, weil wir kein Gerede oder Anfeindungen provozieren wollen. »Es fühlt sich an, als wäre ich erst gestern hier angekommen«, murmle ich und blicke in den bewölkten Himmel, als Martha in das Auto ihrer Familie steigt. Juli winkt und auch ich hebe meine Hand zum Abschied. »Ich war ziemlich überrascht, dich hier zu sehen«, erinnert sich Juli, als wir den Rücklichtern nachsehen, bis sie um die Ecke biegen. »Und du hast Frau Kramer gleich auf die Nase gebunden, was für Eine ich bin, hm? Wegen dir habe ich extra Benimmregeln bekommen«, erzähle ich Juli und grinse sie an. »Was? Nein, ich habe Frau Kramer nichts erzählt«, erwidert Juli und sieht mich verblüfft an. »Aber woher wusste sie dann von meiner Einstellung? Die Deppen vom Jugendamt sollten eigentlich nichts davon wissen.« »Bist du dir da sicher?«, fragt Juli und ich kann nicht hundertprozentig sagen, dass ich mir sicher bin. Aber hätte man meine Eltern dann nicht darüber informieren müssen? Denn die waren definitiv unwissend, bis sie mich im Krankenhaus abgeholt haben. »Und die anderen Schülerinnen? Ich weiß doch, wie sie mich angesehen haben und es immer noch tun.« »Das war ich. Meine Schuld«, nickt Juli und spricht flüsternd weiter: »Aber Frau Kramer oder den Lehrern habe ich nichts erzählt. Stell dir vor, ich hätte von dem Asylantenheim erzählt, meinst du nicht, man hätte schon längst die Polizei alarmiert? Die suchen nämlich noch immer die Leute, die für diesen Brand verantwortlich sind.« »Wenn nicht du«, beginne ich und der Gedanke lässt mich erschaudern, »dann gibt es hier mindestens noch eine Person, die über meine Vergangenheit Bescheid weiß, wenn es nicht doch das Jugendamt war.« Juli starrt mich an und ich sehe in ihren Augen, dass die Idee auch in ihr Unwohlsein hervorruft. »Lass uns über etwas anderes reden«, murmelt Juli und rutscht näher zu mir. Ich kann sie verstehen, mich beunruhigt der Gedanke auch, denn was, wenn diese Person Kontakt zu Paul hat oder herstellen kann? »Seit wann wissen deine Eltern eigentlich, dass du lesbisch bist, das bist du doch?«, stelle ich leise eine Frage, die mich schon länger beschäftigt, nur habe ich nie einen passenden Moment gefunden, um sie Juli zu stellen. »Und seit wann wusstest du es?«, schiebe ich hinterher, weil ich selbst nie etwas geahnt habe, bis Juli in mein Leben getreten ist. Auch wenn Uschi sagt, dass ich auf Konzerten immer nur Augen für die Frauen hatte. Juli sieht mich an, als ob sie sich nicht sicher ist, ob das Thema besser ist. »Seit ungefähr zwei Jahren. Ich war in eine ehemalige Mitschülerin unglücklich verliebt und habe meiner Mutter ganz aufgelöst davon erzählt, als mir die Mitschülerin einen Vogel gezeigt und mir erklärt hat, dass Mädchen nur mit Jungen gingen. Ich hab gar nicht daran gedacht, dass es falsch sein könnte, weshalb ich ja so aufgelöst war. Meine Mutter hat mich dann getröstet und mir gesagt, dass es völlig egal ist, ob Mädchen oder Junge, so lange ich mir sicher bin. Mein Vater hat es nicht so locker hingenommen und hofft glaube ich immer noch, dass ich irgendwann einen Schwiegersohn nach Hause bringe und alles nur eine Phase ist«, erzählt Juli in derselben, gedämpften Lautstärke und ich bin echt baff, dass Julis Eltern kein großes Fass aufgemacht haben, wenn ich daran denke, was man in den Medien über Ehrenmorde und Zwangshochzeiten hört. »Du siehst überrascht aus«, lächelt Juli und stößt mich spielerisch an. »Du darfst nicht vergessen, dass meine Familie schon lange in diesem Land lebt und um einiges angepasster ist, als andere Menschen aus meinem Land.« Wir blicken zeitgleich zur Auffahrt, als wir Motorgeräusche hören, die sich dem Internat nähern. »Sind sie das?« »Ja, endlich«, nicke ich. Ich könnte Ralfs Klapperkiste unter tausend anderen Autos wiedererkennen. Erfreut springe ich auf und winke meinen Freunden und schnappe mir Julis und meine Tasche und eile zu dem Auto, das gerade erst angehalten hat. Bevor Ralf auch nur aussteigen kann, habe ich den Kofferraum geöffnet und unsere Taschen in den Kofferraum geschmissen. Juli taucht zögernd neben mir auf, als ich die Autotür öffne und bevor sie mir widersprechen kann, scheuche ich sie auf die Rückbank und folge ihr. »Endlich seit ihr da«, begrüße ich meine beiden Freunde und sehe zu Juli und deute nach vorne.«Darf ich vorstellen, Uschi und Ralf.« Ralf dreht sich zwinkernd zu Juli um und hält ihr seine Hand hin. »Ich bin Uschi und meine Freundin ist Ralf, alles klar?« »Alles gut«, grinst Juli, ergreift seine Hand und sieht von Ralf zu Uschi und zurück. »Freut mich, euch endlich kennenzulernen, ich bin Juliet. Danke, dass ihr so einen guten Einfluss auf Romy habt.« »Juli den größten Einfluss hast du, wir sollten also dir danken«, erwidert Ralf und sieht mich ernst an, bevor er wieder nach vorne sieht und den Motor startet. Durch den Rückspiegel sieht er mich fragend an. »Direkt zu dir nach Hause?« Ich nicke lediglich und Ralf bedeutet mir, mich anzuschnallen. Julis Eltern holen uns morgen früh, bei mir zu Hause ab. »Habt ihr wieder das Gästezimmer?«, frage ich, um die Stimmung, die etwas steif ist, zu lockern. Uschi dreht sich zu mir um und grinst, als sie sieht, wie Juli meine Hand ergreift und festhält, als Ralf seinen Wagen auf die Straße bringt. »Natürlich, außer du willst, dass wir bei dir im Zimmer pennen? Nina pennt übrigens bei Lari. David meint, Nina sei mittlerweile bei euch zu Hause Stammgast, weißt du, was da läuft?« »Vielleicht«, nicke ich grinsend, gebe aber nichts weiter Preis. Weil es Ninas Sache ist und ich nicht sicher sagen kann, was Lari an Nina findet, denn so weit ich weiß, interessiert sich meine Schwester eher für Jungs. Allerdings ist es wirklich seltsam, wie schnell sich die Beiden verstanden haben, als Nina das erste Mal bei mir zu Hause war. »Paul wurde seit einigen Tagen nicht mehr in der Stadt gesehen, was ein gutes Zeichen ist, aber an eurer Stelle würde ich dennoch nicht alleine durch die Straßen ziehen«, wechselt Uschi das Thema und Ralf sieht mich durch den Rückspiegel warnend an. Als er wieder auf die Straße sieht, blicke ich zu Juli, die meine Hand festdrückt, als ob sie mir sagen will, dass wir das schon schaffen. »Hatten wir nicht vor«, erwidere ich und drücke Julis Hand meinerseits kurz. »Habt ihr irgendetwas geplant, so lange ihr in der Stadt seid?« Meine Freunde erzählen uns von ihren Plänen und ich rede ununterbrochen mit ihnen, irgendwann nur noch über Belanglosigkeiten. Juli hält sich zurück und sieht die meiste Zeit aus dem Fenster. Eigentlich habe ich sie nicht so schüchtern eingeschätzt. Weil Uschi gerade einen Monolog über Wickeltaschen hält, beuge ich mich zu Juli und küsse sie sanft auf den rechten Mundwinkel, weil ich es nicht ganz zu ihren Lippen schaffe. Julis Augen funkeln, als sie mich ansieht und am liebsten würde ich sie noch einmal küssen, als ich die Röte auf ihren Wangen entdecke. Statt Julis Lippen, küsse ich Julis Handrücken und spüre, dass sie sich langsam in der Gegenwart meiner Freunde entspannt, auch wenn sie noch immer nichts sagt. »Hey ihr Turteltauben«, grinst Ralf in den Rückspiegel und ich bemerke verspätet, dass Uschis Monolog schon lange vorüber ist. War ich so lange mit Julis Handrücken beschäftigt? Juli will ihre Hand aus meiner ziehen und sieht verlegen aus dem Fenster. Es dauert einen Moment, bis ich begreife, was ich getan habe und ihre Hand loslasse. »Wir sind gleich da. Wollt ihr noch irgendwo halten und etwas einkaufen?« »Ich glaube, du solltest auf direktem Weg zu Romy nach Hause fahren, sonst vernascht sie Juli noch auf deiner Rückbank«, grinst Uschi ihn an und ich spüre, wie die Hitze auch in meine Wangen fährt. »Brauchst du etwas?«, frage ich Juli tapfer und sehe, wie sie ihren Kopf schüttelt, ohne mich anzusehen. »Nein, wir brauchen nichts, Ralf. Du kannst direkt zu mir fahren, sofern ihr nichts mehr braucht.« Zehn schweigsame Minuten später, in denen ich aus dem Fenster gestarrt habe, parkt Ralf vor meinem Zuhause und ich hole Juli und meine Tasche aus dem Kofferraum. Die Haustür steht weit offen und Papa strahlt Juli entgegen. »Es ist schön, dich wieder hier zu haben«, begrüßt Papa Juli, bevor er zu mir blickt. Ich verschließe den Kofferraum und folge allen ins Haus. »Deine Mutter ist noch unterwegs. In zwei Stunden gibt es Abendessen. Richtet euch so lange gut ein, okay?« Wir gehen alle gemeinsam die Treppen hinauf und verabschieden uns mit einem Nicken von Ralf und Uschi, die sich ins Gästezimmer zurückziehen. »Und was denkst du?«, frage ich Juli, als ich meine Zimmertür hinter uns ins Schloss drücke und die Taschen achtlos neben mir auf den Boden abstelle. »Worüber?«, fragt Juli mich zerstreut und sieht mich noch immer nicht an. Warum sieht sie mich nicht an? Die Tür abschließend, was zu einer Angewohnheit geworden ist, seit Juli regelmäßig nach dem Unterricht in meinem Zimmer ist, drehe ich Juli meinen Rücken zu und frage mich, ob ich irgendetwas falsch gemacht habe. »Über Uschi und Ralf natürlich«, lächle ich und gehe auf Juli zu und ergreife ihre Hand. »Seit wann bist du so schüchtern?« Juli antwortet mir nicht verbal. Sie zieht mich in eine Umarmung und küsst mich stürmisch, drückt mich zu meinem Bett und schubst mich sanft darauf. »Frag mich das noch einmal, wenn ich sie näher kennengelernt habe«, murmelt Juli gegen meine Lippen und küsst mich, bevor ich etwas darauf erwidern kann. Küsst mich voller Verlangen. Küsst mich so, dass mein Denkapparat aussetzt und ich mich fest in Julis Rücken kralle. Bevor mehr geschehen kann, klopft es an meiner Zimmertür und Juli knurrt gegen meine Lippen. »Wenn du immer noch warten willst«, flüstert Juli, »dann mach mich nicht noch einmal so verrückt nach dir, wie im Auto.« »Es war nicht meine Absicht«, murmle ich. »Ich habe mich hinreißen lassen. Uschis Monolog war so langweilig. Allerdings habe ich nie etwas davon gesagt, dass ich warten möchte, ich hielt nur den Zeitpunkt nicht für perfekt, als wir uns ausgesprochen haben.« Erneut klopft es an meiner Zimmertür und Juli will von mir steigen, doch ich halte sie fest, ziehe sie zu mir und küsse sie heftig. Als ich den Saum ihres T-Shirts, zufassen bekomme, überlege ich nicht lange und ziehe es ihr über den Kopf. Dabei stelle ich enttäuscht fest, dass sie einen BH trägt - soviel zu verboten, grinse ich in mich hinein. »Ignoriere das Klopfen einfach«, hauche ich in ihr Ohr und drehe mich so, dass sie von mir rutscht und wir nun Beide auf der Seite liegen. »Was wird das?«, flüstert Juli, als ich ihren Bauch streichel und viele, kurze Küsse auf ihrem Hals verteile. »Wonach sieht es denn aus?«, frage ich zurück und Juli lächelt mich an, als es abermals klopft und schüttelt ihren Kopf. »Mach auf, wir haben noch genügend Zeit, das hier fortzuführen.« Bevor ich protestieren kann, hat sie ihr T-Shirt wieder angezogen und mich sanft aus dem Bett gestoßen. »Kalte Füße bekommen, hm?«, grinse ich, beuge mich zu ihr und küsse ihre Nasenspitze. Schmunzelnd schüttelt sie ihren Kopf und deutet zur Tür. Ergeben nicke ich und gehe zur Tür. »Ihr wisst, dass ihr stört?«, frage ich und blicke in die Gesichter von Lari und Nina, als ich die Tür aufgeschlossen und geöffnet habe. Nina sieht mich entschuldigend an und wird rot, als ich ihr bedeutungsschwer zuzwinkere und sie versteht, was Lari und sie gerade unterbrochen haben. »Bei was denn?, fragt Lari, sieht mich ahnungslos an und drückt sich an mir vorbei ins Zimmer, um Juli mit einer Umarmung zu begrüßen. »Schön, dass du wieder hier bist, Juli.« Kopfschüttelnd lasse ich Nina an mir vorbei und schließe die Tür grinsend, als ich Julis feindseligen Blick gegenüber Nina bemerke. »Nina, das ist Juli«, stelle ich vor und deute auf Juli, bevor ich Juli ansehe und auf Nina deute. »Nina.« »Freut mich«, grinst Nina und ich ergreife die Hand meiner Schwester und ziehe sie unter Protest in mein Badezimmer. Nina und Julis verwirrte Blicke folgen uns. »Sag, was macht Nina ständig bei dir?«, frage ich meine Schwester neugierig und setze mich an den Rand der Badewanne. »Und deswegen ziehst du mich hier rein?«, fragt Lari verwundert. »Sie ist mein Kontakt zu dir, da Mama und Papa mir noch immer kein Facebook erlauben und mein Handyguthaben schon lange leer ist.« »Sonst nichts?«, frage ich irritiert und zucke bedeutungsvoll mit meinen Augenbrauen. »Wie lange kommt sie jetzt schon täglich hier her? Fast zwei Monate? Und da gibt es keinen anderen Grund?« Lari schaut mich ungehalten an. »Wir verstehen uns eben gut. Hören viel Musik, reden und seit ein paar Tagen, bringt sie mir Gitarre spielen bei.« »Okay, vergiss, dass ich gefragt habe«, seufze ich und will wieder in mein Zimmer gehen, als Lari mich an meinem Arm zurückhält. »Warum fragst du, hat Nina etwas zu dir gesagt?« In mich hinein lächelnd, gehe ich ohne ein weiteres Wort zurück in mein Zimmer, wo Nina und Juli augenblicklich verstummen und ich werde das unangenehme Gefühl nicht los, dass ich bis eben, das Thema war. »Na, genug über mich gelästert?«, frage ich und grinse die Beiden an und bin froh, dass Juli Nina nicht erwürgt hat. Beim Abendessen hat Mama den Küchentisch ausgezogen und ich sitze zwischen Lari und Nina, während Juli zwischen Uschi und Ralf sitzt. Mama und Papa sitzen jeweils am Kopfende des Tisches. »Wie läuft es in der Schule?«, fragt Papa mich neugierig. »Geht so. Ihr bekommt zwei Wochen vor den Weihnachtsferien noch eine Einladung zu unserem Schauspiel«, erzähle ich und Mama schaut mich interessiert an. »Nina hat uns schon etwas davon erzählt. Spielst du da nicht eine Hauptrolle? Mal sehen, ob wir uns dafür freinehmen können, Liebes.« »Ihr müsste«, begehrt meine Schwester auf. »Ich will Romy und Juli unbedingt sehen, wie sie Romeo und Juliet aufführen.« Papa lacht und Mama grinst mich an, als sie den Titel des Schauspiels hören. Uschi, Ralf und Nina wollen sich das Schauspiel definitiv ansehen. »Wenn ihr euch nicht freinehmen könnt, können wir Lari ja mitnehmen«, schlägt Uschi vor, als Lari ihren Kopf hängen lässt. Als Mama den Tisch abräumt, schaut Papa mich ernst an. »Heute früh, hat jemand vom Staatsschutz angerufen. Sie wissen nicht, wo sich Paul im Moment aufhält, nur das er gefährlich ist. Ihr sollt keinen Schritt alleine tun und euch am besten immer von einem von uns fahren lassen. Die Polizei wird vermehrt Patrouille fahren in unserem Teil der Stadt, aber sie kann eben nicht überall sein. Also seit bitte vorsichtig. Ihr alle.« Als er jeden von uns ernst angesehen hat, lächelt er wieder. »Irgendwelche Pläne, für den Abend?« »Meine Band spielt heute Abend im Jugendzentrum. Habt ihr Bock, hinzugehen?«, platzt es aus Nina heraus, bevor wir etwas sagen können. Ich nicke und sehe zu Nina. »Ich würde euch gerne einmal mit Instrumenten erleben. Deine Singstimme ist ja schon toll. Allerdings kann ich nicht für uns alle entscheiden, was wir machen.« »Sorry, wir stehen nicht so auf Punkrock«, entschuldigt Uschi sich und Ralf. »Außerdem ist heute Mitternachtsschwimmen im Erlebnisbad, da wollten wir hin.« »Yo, ist nicht schlimm«, murmelt Nina und sieht zu Lari. »Was ist mit dir?« »Ich darf so spät nicht mehr weg«, erwidert Lari traurig. »Wenn ich euch bringe«, wirft Mama überraschend ein. »Und wieder abhole, wäre es okay, Larissa.« »Was ist mit dir«, frage ich Juli. »Hast du Bock?« Juli zuckt mit den Schultern. »Ich bin ein bisschen müde, aber wenn du hin willst, können wir gerne gehen. Ich hab nichts gegen ein gutes Konzert.« Ich will nicht, dass sie sich zwingt, aber will auch nicht am Tisch noch einmal fragen, ob sie sich sicher ist. »Wann musst du los, um pünktlich anzukommen?«, fragt Mama Nina und blickt auf die Uhr, bevor sie das Geschirr in die Spülmaschine räumt. »Es ist jetzt kurz nach 19 Uhr.« »Wir fangen um 21 Uhr an und spielen bis Mitternacht. Also müssten wir spätestens eine halbe Stunde vor Konzertbeginn da sein, weil ich mit meinen Bandkollegen die Instrumente checken muss und ihr euch Tickets kaufen müsst. Keine Sorge, die kosten kein Vermögen. Ich glaub einen Fünfer plus ein Freigetränk.« »Dann will ich, dass ihr viertel nach Acht im Auto sitzt«, lächelt Mama und sieht zu Papa. »Lust, auf ein Konzert?« »Und meinen Töchtern die Lust nehmen, da hinzugehen? Liebes, ich glaube nicht, dass dort Erwachsene erwünscht sind. Aber wir können, ein paar alkoholfreie Cocktails trinken gehen, bis wir die Kinder wieder aufsammeln.« Als meine Zimmertür hinter mir ins Schloss fällt, sehe ich Juli ernst an. »Wenn du keine Lust hast, können wir auch hier bleiben.« »Nein, ist schon okay«, lächelt sie mich an. »Ich bin nur ein bisschen besorgt, dass wir Bekannten von dir begegnen könnten.« »Ich glaube nicht, dass die auf ein Punkrockkonzert gehen, was auch noch vom örtlichen Jugendverein unterstützt wird.« Ich stehle mir einen Kuss und öffne meinen Kleiderschrank und krame ein paar meiner alten Klamotten hervor, als es an meiner Tür klopft. »Machst du auf?«, frage ich Juli und inspiziere meine Klamotten. Ich blicke flüchtig zur Tür und sehe wie Nina ins Zimmer kommt. »Romy, ich muss mit dir reden.« »Tust du doch schon. Wo brennt es denn?« »Können wir das nicht unter vier Augen besprechen?« Ich halte inne und sehe Nina an. »Geht es um meine Schwester?« »Erinnerst du dich, dass du mir versprochen hast zu reden? Leider bist du an dem Wochenende nicht nach Hause gefahren«, seufzt Nina leise. Ich denke kurz nach und erinnere mich schließlich, wie Nina mir von ihrer Vermutung erzählt hat. »Rede einfach mit Lari«, grinse ich und setze mich auf mein Bett. »Oder küss sie heute Abend einfach, wenn wir wieder zu Hause sind.« »Das ist nicht hilfreich«, seufzt Nina und sieht von mir zu Juli und zurück. »Woher wusstest du, dass du auf sie stehst, dass du mit ihr zusammen sein willst?« Neugierig sieht nun auch Juli zu mir und grinst mich an. »Nachdem sie mich flachgelegt hat, war mir alles klar«, sage ich und weiß, dass es eine Lüge ist, schließlich ist noch nicht geschehen. Ich kann keinen vernünftigen Moment benennen, weiß nur, dass Juli mir unter die Haut geht. »Vielleicht solltest du das mit Lari langsamer angehen«, schmunzel ich und sehe zu Juli, deren Augen mir sagen, dass ich nicht lügen soll. »Nina, sprich mit Larissa. Sie vergöttert dich und wird dir ihre Freundschaft nicht kündigen, nur weil du auf sie stehst.« »Das hast du gut gemacht«, flüstert Juli, als Nina gegangen ist und setzt sich neben mich. »Warum hast du ihr nicht die ganze Geschichte erzählt, anstatt sie zu belügen?« Ich seufze und drücke meine Stirn an ihre. »Weil ich noch immer nicht weiß, was du mit mir machst, Juli. Du gehst mir unter die Haut, ich will dich jede Sekunde, mit Haut und Haaren und doch weiß ich nicht, ob mich das lesbisch macht, oder ob ich nur auf dich stehe. Dich liebe«, hauche ich und Juli schaut mich mit großen Augen an. »Das ist neu«, lächelt sie dann aber und küsst mich sanft. »Kannst du ohne Herz lieben?« »Ich habe doch das Deine? Ich dachte das hatten wir geklärt. Wenn verlieben mit deinem Herzen geht, kann ich dich auch lieben. Und vergiss nicht, sobald das mit Paul vorbei ist, gehen wir aus und bis dahin, das schwöre ich dir, werde ich mir sicher sein, was ich will und was du mit mir machst. Jetzt küss mich bitte und halt mich fest«, flüstere ich und Juli küsst mich, drückt mich auf mein Bett und knurrt wütend, als es abermals an meiner Zimmertür klopft und Lari ihren Kopf ins Zimmer steckt. »Ups, entschuldigt die Störung«, murmelt sie und will die Tür schon wieder schließen, als ich Lari mit einem »Halt«, aufhalte. »Komm rein.« Juli setzt sich wieder auf und lächelt Lari entgegen, die ihr ein entschuldigenden Blick zuwirft. »War Nina eben hier? Sie meinte, sie wolle kurz mit dir reden und würde dann wieder kommen.« »Ist sie nicht wieder zu dir rüber?« »Würde ich sonst hier stehen?«, fragt Lari mich genervt und ich muss lachen. »Sorry. Vielleicht ist sie schon runter und wartet bei Mamas Auto?« Lari schüttelt ihren Kopf und sieht uns besorgt an. »Da war ich schon.« »Und bei Uschi und Ralf?«, frage ich, stehe auf und schaue für Lari in jedem Raum nach. Nina war tatsächlich verschwunden. Ich ziehe mein Smartphone aus der Hose und gehe langsam die Treppen hinab um das Erdgeschoss zu überprüfen. Ich wähle Ninas Nummer und drücke mir das Smartphone ans Ohr. Es klingelt und irgendwann hebt Nina schließlich ab. »Wo bist du?« »Weg«, murmelt Nina. »Ich musste meinen Kopf freibekommen, wenn ich heute wirklich ein Konzert geben will.« »Dann komm wieder, wir wollen gleich los. Wo bist du hin?« »Auf dem Spielplatz, wo wir uns kennengelernt haben. Ich komme öfter hierher, um nachzudenken.« Ich setze mich auf die Stufe vor der Haustür und atme die kühle Luft des Abends ein. Ich höre, wie Nina über den Kies läuft. »Ich glaube, ich habe mich in deine Schwester verliebt.« »Dann rede mit ihr, Nina. Sie hat sich große Sorgen gemacht, als du nicht wieder kamst.« »Nach dem Konzert«, erwidert Nina bestimmt und lacht leise. »Ich glaube, ich muss mir dazu Mut antrinken. Weißt du, meine Eltern sind echt konservativ. Sie finden schon den Punkrock scheiße, wenn ich jetzt noch damit komme, dass ich auf ein Mädchen stehe, dann enterben die mich.« Als ich das höre, bin ich dankbar dafür, dass meine Eltern das so locker hingenommen habe. Für Mama war das ja dann auch okay. Besser  eine lesbische Tochter, als eine Nazitochter. Nicht meine Worte, sondern ihre. »Lass dich nicht von deinen Eltern aufhalten, deine Gefühle zu ignorieren, wie ich mich von meiner Einstellung habe aufhalten lassen«, flüstere ich und spüre, wie die Tür hinter mir geöffnet wird und Juli mit Lari hinaus kommt. »Wo bist du jetzt?« »Gleich wieder bei eurem Haus. Ist deine Mama schon draußen?« »Nein alles gut, du hast noch Zeit«, erwidere ich und stehe auf. »Und Lari?« »Mhm, gerade herausgekommen.« Nina legt auf und wenige Momente später steht sie neben uns in der Auffahrt. »Sorry«, murmelt sie und sieht niemanden an. »Ich musste meinen Kopf freibekommen.« »Jetzt bist du ja da«, lächelt Lari sanft und hängt sich an Ninas Arm, die sich für einen kurzen Moment unter der Berührung versteift. Ich sehe, dass es nicht nur mir aufgefallen ist, denn Lari blickt für einen kurzen Moment nachdenklich in meine und Julis Richtung, bevor sie sich noch näher an Nina drückt. Ich grinse in mich hinein und frage mich, ob Lari sich bewusst ist, was sie Nina damit antut. Fünf Minuten später geht die Haustür ein weiteres Mal auf und Uschi kommt mit Ralf heraus. Wir verabschieden uns von einander und wünschen uns gegenseitig viel Spaß. Als sie in Ralfs Auto die Auffahrt hinab fahren, kommen auch Mama und Papa aus dem Haus. »Na husch, auf die Rückbank mit euch. Eine kann neben mir sitzen. Papa fährt mit seinem Motorrad.« Nina nimmt freiwillig den Platz vorn, neben meiner Mama, den Lari und ich wissend verschmähen. Denn Mama kann an manchen Tagen reden wie ein Wasserfall, doch heute scheint sie nachdenklich zu sein. Als wir auf dem Parkplatz des Jugendzentrums anhalten und aussteigen, hält Mama Lari kurz zurück. Als meine Schwester mit geröteten Wangen, aber sichtlich erleichtert aussteigt, frage ich mich, was Mama mit Lari zu besprechen hatte. Neugierig werfe ich Mama einen Blick zu, doch sie ignoriert mich und wünscht uns allen viel Spaß, bevor sie sich wieder in ihr Auto setzt und vom Parkplatz fährt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)