Odaxelagnia - Bite me von Bettyna ================================================================================ Erster Akt: Andante ------------------- "Die Situation kann bedauerlicherweise nicht geändert werden. Du musst weiterhin ausharren und abwarten, bis das Wetter sich bessert. Dann bringst Du die Gefangene wie geplant zum besprochenen Ort." Die Illusion verblasste und der dunkle, geheimnisvolle, schier endlos wirkende Raum wurde durch das Innere der eintönigen, karg eingerichteten Hütte ersetzt, in der der junge schwarzhaarige Mann schon seit mehreren Tagen festsaß. Das Zimmer, in dem er sich befand, hatte die Ausmaße einer mittelgroßen Gefängniszelle mit dem einzigen Luxus eines getrennten Waschbereiches – mehr Räumlichkeiten besaß das winzige Blockhaus nicht. Warum ihm der Vergleich mit einem Verlies als Erstes in den Sinn kam, war leicht zu erraten: Es war beinahe unmöglich, mehr als zwei Schritte nach draußen zu tun. Es hatte die letzten zwei Tage und Nächte ununterbrochen geschneit und zusammen mit eisigen Temperaturen hatte sich die Umgebung in eine meterhohe weiße Wüste verwandelt. Er war nicht allein in der Hütte - und nein, es war nicht sein eigentlicher Partner Hoshigaki Kisame, mit dem er sich die wenigen Quadratmeter teilte. Er hatte den Blick der anderen Person bis jetzt weitestgehend ignoriert, die ihn nicht aus den Augen ließ. Ihr Ausdruck verriet, dass sie die letzten Nächte kaum geschlafen hatte. Trotzdem hielt sie sich tapfer wach und blieb achtsam; nichts anderes hätte er von einer Kunoichi wie ihr erwartet. Der Schnee machte alle Pläne der Akatsuki zunichte. Pain, der Anführer der Organisation, hatte von Itachi gefordert, die Mission schnell hinter sich zu bringen und genauso rasch wieder nach Amegakure zurückzukehren. Gerade eben hatte der Schwarzhaarige die Nachricht überbringen müssen, dass das Wetter immer noch keine Aussicht auf Besserung gab und er somit auch seine Reise nicht fortführen konnte. Unter normalen Umständen hätte er der Witterung ohne zu zögern getrotzt, doch leider waren die Umstände diesmal anders, sodass er hier in der Enge der kleinen Hütte verharren musste. Das Glück war auf seiner Seite, denn er hatte diese Unterkunft nur durch Zufall gefunden. Im Schnee hätten sie die draußen herrschenden Minusgrade nicht lange überlebt. Hier gab es alles, was man brauchte, um ein paar Tage durchzukommen. Wahrscheinlich gehörte die Hütte einem Jäger oder einem anderen naturverbundenen Menschen, der sich öfters hier aufhielt und die Einsamkeit genoss. Ein Tank enthielt einen großen Vorrat an sauberem Wasser, welches durch den Ofen, der im Inneren des Häuschens für eine angenehme Wärme sorgte, erhitzt werden konnte, damit es nicht gefror. Gehacktes Feuerholz gab es vor der Tür zu Genüge. Ein schmaler Schrank in der hinteren Ecke des kombinierten Wohn- und Schlafraumes war vollgestopft mit Vorräten. An einer Wand stand ein schmales Bett, an der anderen ein kleiner Tisch und es gab sogar ein enges, absolut zweckmäßiges Badezimmer. So konnte man es in der Not wenigstens gut aushalten. Was der Besitzer davon halten würde, dass sich Fremde an seinem Eigentum bedienten, das war Itachi reichlich egal. Seltsamerweise war Pain nicht verärgert gewesen. Er hatte die Gegebenheiten hingenommen und Itachi freie Hand gegeben. Das irritierte ihn ein wenig. Er hatte mit größeren Schwierigkeiten gerechnet, doch die waren ausgeblieben – nicht, dass er sich darüber beschwerte. Der Schwarzhaarige war momentan genug mit einigen eigenen Problemen beschäftigt. Er hätte sich nicht einfach so durch den Schnee kämpfen können, auch wenn er es gewollt hätte. Alleine wäre ihm diese mühevolle Reise vielleicht gelungen, doch nicht gemeinsam mit der Gefangenen, die er zwangsläufig an seiner Seite hatte. Und der zweite Grund: Er war verletzt. Die Kunoichi hatte sich nicht einfach so entführen lassen und ihm einen kurzen, dafür jedoch recht effektiven Kampf geliefert. Itachi fasste sich unwillkürlich an den linken Ellenbogen und wandte seinen Kopf zu der jungen Frau hin. Ihr Name war Tanemono Atsuka. Sie saß auf einem Stuhl in der Nähe des warmen Ofens. Er hatte ihre Füße an ihren Knöcheln mit einem chakradurchzogenen Seil zusammengebunden und auch ihre Handgelenke waren fixiert und mit geringem Abstand aneinander gefesselt, sodass sie noch ein wenig Spielraum hatten, damit sie sich etwas bewegen konnte. Ihr Haar war zu einem unordentlichen Knoten nach oben gebunden. Ihre Kleidung war ein bisschen staubig, jedoch nicht allzu sehr verdreckt. Sie saß ein wenig steif auf dem harten Möbelstück, da sie wegen der glatten ungepolsterten Sitzfläche wohl schon alle Knochen in ihrem Hintern spürte. Hunger musste sie sicher auch haben. Wenn sie ihre Notdurft verrichten wollte, musste sie zu Toilette hüpfen, so gut es ging ("Ich muss mal." – "Was?" – "Zur Toilette." – "Hinter der Tür da." – "…" – "Was?" – "Ich bin gefesselt." – "Aber nicht angebunden."). Trotzdem hatten ihre Augen nicht den Ausdruck von Würde verloren. Wahrscheinlich trug sein Anblick maßgeblich dazu bei. Sie hatte sich gewehrt und sofort den Umstand genutzt, dass er sie im ersten Augenblick unterschätzt hatte. Sobald er nahe genug an sie heran gekommen war, hatte sie ihn gepackt und auf den harten Boden geschleudert. Itachi hatte nicht mit einer solchen körperlichen Kraft gerechnet. Er selber war durch sein Sharingan ein Meister des Genjutsu und auch Ninjutsu zählte zu seinen absoluten Stärken, doch das hatte ihn nicht gegen die überraschende Attacke gefeit. Glücklicherweise war sein Verstand ebenfalls nur allzu wach und schnell. Obwohl die Kunoichi sofort an ihre eigene Verteidigung gedacht hatte, hatte er die Situation zu schnell erkannt und nur mit einem einzigen Blick seines aktivierten Doujutsu wieder unter seine Kontrolle gebracht. Mit einer einfachen Illusion hatte er ihr das Bewusstsein geraubt und sie dadurch effektiv ausgeschaltet. Nicht zu früh. Durch den Aufprall auf den Boden hatte er sich jedenfalls seinen Ellenbogen geprellt. Mittlerweile war er so angeschwollen, dass er seinen Arm nicht richtig bewegen konnte und jedes Zucken seiner Muskeln ihm einen stechenden Schmerz verursachte. Dementsprechend war seine Haltung eher starr und er war vorsichtig, damit er sie sich nicht irgendwo anstieß. Sein Betragen schien der Kunoichi, die ihn die ganze Zeit beobachtete, eine gewisse Genugtuung zu geben, obwohl sie hier gefangen war. Doch Itachi gab nichts auf ihre Gedanken. Sollte sie glauben, was sie wollte. Sie würde jedenfalls noch eine Weile auf dem Stuhl sitzen bleiben müssen, denn das sollte vorerst ihre – zugegebenermaßen mickrige – Strafe sein. Doch die Situation war trotz alledem ausweglos. Itachi wusste nicht, was er tun sollte. Pain hatte ihm keine konkreten Anweisungen gegeben und es gab hier nichts, womit man sinnvoll beschäftigt wäre, womit man sich ablenken könnte. Er hatte noch nie in so einer festgefahrenen Situation gesteckt. Mit einem Anflug von Müdigkeit ging der Schwarzhaarige zu dem Vorratsschrank, um ihn nach der nächsten Mahlzeit zu durchforsten, denn kochen – ja, kochen! - war die einzige Tätigkeit, die ihn einigermaßen forderte. -- Atsuka verfolgte angestrengt aufmerksam, wie der junge Mann, der sie hier gefangen hielt, ziellos durch den Raum tigerte. Sie wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Er gehörte zu den Akatsuki. Auch wenn sie eigentlich in einer eher abgelegenen Gegend in Yuki no Kuni lebte, hatte sie als Kunoichi von der Organisation gehört, denn wenn es Reisende gab, die sich in diesen Teil des Kontinents verliefen, dann berichteten sie nicht nur von Wetterkapriolen oder politischen Geschehnissen, sondern auch von besorgniserregenden Vorfällen – wie sie zu dieser Zeit oft durch die Akatsuki verursacht wurden. Doch die Probleme und Konflikte der großen Shinobistaaten hatten ihr nie Sorgen gemacht – umso überraschter war sie gewesen, als sie dem berüchtigten Uchiha Itachi plötzlich gegenübergestanden war, dessen Name am häufigsten selbst bis hierher getragen wurde. Jedenfalls wusste Atsuka nicht, was man von ihr wollte und gerade deswegen war sie äußerst misstrauisch. Eines war ihr jedoch klar: Es lief nicht so, wie es laufen sollte. Der Winter, der über die Region hereingebrochen war, war kein seltenes Phänomen. Nicht umsonst bezeichnete sich dieses Fleckchen Erde als 'Land des Schnees'. Diese extremen Witterungsverhältnisse waren der Kunoichi nicht unbekannt, denn hier war ihr Zuhause. Vielleicht war das ihre Rettung. Es würde sicherlich noch etliche Tage dauern, bis man wieder daran denken konnte, sicher und trockenen Fußes zu reisen. Vielleicht hatten ihr Entführer und der entsprechende Auftraggeber nicht daran gedacht, dass diese Gegend zu der momentanen Jahreszeit sehr tückisch sein konnte. Und so präsentierte sich der Winter gerade jetzt von seiner übelsten Seite. Atsukas Blick war starr auf ihren Entführer gerichtet. Ihre Augen folgten ihm überall hin, obwohl er nicht weit gehen konnte in dieser kleinen Hütte, die mit fünf Schritten schnell durchquert war. Sonst gab es nichts, womit sie sich die Zeit vertreiben konnte – gefesselt an einen Stuhl, nicht allzu fest, doch trotzdem so stramm, dass sie sich nicht befreien konnte. Ein Blick aus dem Fenster offenbarte ihr Nichts als den strahlend weißen Schnee, der mittlerweile das Häuschen regelrecht unter sich begraben hatte. Sie wusste nicht, worauf sie noch hoffen sollte, auf eine rasche Schneeschmelze oder einen noch stärkeren Wintereinbruch. Würde der Schnee verschwinden, konnten sie auch von hier weg, ihr Ziel war jedoch ungewiss, jedenfalls für die junge Frau. Blieb das Wetter so wie es war, blieb Atsuka wahrscheinlich in Sicherheit – solange ihr Gegenüber weiterhin so die Ruhe bewahrte. Itachi war ihr ein Rätsel. Er hatte seine Mimik und Gestik so gut in seiner Gewalt, dass er kaum eine Regung zeigte, die Atsuka interpretieren konnte. Es war ihr unbegreiflich, wie er diese Maske pausenlos aufrechterhalten konnte. Die einzige Erklärung für sie war, dass er einfach keine Gemütsregungen hatte, oder aber er konnte sie so gut unterdrücken, dass es ihm keinerlei Mühe machte, das ohne Unterbrechung zu tun. Dass er kein Roboter war, erkannte sie nur daran, dass er tatsächlich schon 'Gefühlsausbrüche' gezeigt hatte. Und es wurde zu Atsukas einziger und durch die Herausforderung auch spannender Beschäftigung, ihn aus der Reserve locken zu wollen. Angefangen hatte es mit ihrem Kampf. Für einen Moment war sie im Vorteil gewesen, weil sie von Itachi nicht mit dem dringlichen Nachdruck angegriffen worden war, den er sicherlich an den Tag gelegt hätte, wenn er sie für besonders bedrohlich gehalten hätte. Das hatte sie für sich nutzen können. Bis das Glück – leider sehr schnell – die Seiten gewechselt hatte. Weil sie im ersten Moment nicht realisiert hatte, 'was' für einem Gegner sie gegenüberstand, hatte sie völlig unvoreingenommen reagiert. Erst Augenblicke später hatte sie erkannt, mit wem sie es zu tun hatte, und all die Gedanken, die daraufhin auf sie eingeströmt waren, hatten sie völlig blockiert. Er hatte ihr kurzes Zögern ausgenutzt und völlig professionell reagiert, obwohl sie ihn zuvor verletzt hatte. Rasch hatte er sie überwältigen können. Und nun, nun war sie hier. Die Verletzung war eine Sache. Unter den Vorräten gab es wohl keine Schmerzmittel oder anderes medizinisches Equipment. Manchmal konnte Itachi seine Schmerzen nicht unterdrücken, das erkannte Atsuka leicht. Dann runzelte er die Stirn oder hielt bei einer Bewegung inne. Was sie nie bei ihm entdecken konnte, waren Langeweile oder Erschöpfung. Der junge Mann wirkte immer aufmerksam und ausgeruht, obwohl er nur wenig schlief; eine Tatsache, deren Atsuka sich nur deshalb bewusst war, weil es ihr ähnlich ging. Im Gegensatz zu Itachi war sie jedoch müde, denn sitzend auf diesem harten Stuhl fand sie kaum Schlaf. Doch auch, wenn ihr die Augen zuzufallen drohten, mahnte sie sich, wach zu bleiben, um für alle Situationen gewappnet zu sein. Doch was dann? Was würde sie ihn ihrem Zustand schon ausrichten können? Es war frustrierend, doch Atsuka blieb keine andere Wahl, als der Dinge zu harren, die da kommen würden. -- Es war eine sehr verzwickte Situation. Mehrere Tage waren bereits vergangen, ohne dass sich das Wetter ändern wollte. Ja, man konnte sogar sagen, dass es überhaupt keine Aussicht auf Besserung gab. Manchmal zog der Himmel zu und es wurde fast vollkommen Dunkel, wenn ein Schneesturm über die Gegend hinweg fegte und noch mehr weiße Flocken auf sie herab regnen ließ. Dann verzogen sich die Wolken wieder und die Sonne schien sogar – doch die Temperaturen sanken dann auf empfindliche Minusgrade, sodass kein einziger Schneekristall schmolz, sondern die ganze weiße Decke nur noch härter durchfror. Die Gegebenheiten hatten etwas von Schikane, denn so viel Pech konnte man eigentlich nicht haben. Selbst dem geduldigen Itachi wurde es langsam zu bunt. Er war vieles gewohnt und hatte ebenso vieles mitgemacht. Aber das Nichtstun laugte auch ihn langsam aus. Nun, er gab zu, dass es auch hätte schlimmer kommen können. Er hätte auch zusammen mit seinem Partner Kisame in diesem Schlamassel stecken können, denn der Haimann würde doch nur meckern und maulen und sich endlos beschweren. Oder es hätte auch ein anderes Akatsuki-Mitglied sein können. Oder ein aufmüpfiger, rastloser Gefangener. Doch so hatte er wenigstens seine Ruhe. Denn eigentlich hatten die Kunoichi und er bisher kaum ein Wort miteinander geredet, wenn es nicht sein musste. Das einzig Gute an der nur langsam verstreichenden Zeit war, dass Itachis Verletzung langsam heilte und nun bereits nicht mehr so schlimm wie vor ein paar Tagen schmerzte. Die Schwellung war zurückgegangen und die Prellung stellte sich als nicht allzu akut heraus, weswegen sie auch ohne Behandlung abklang. Doch obwohl er nun körperlich wieder fast vollkommen fit war, brauchte er über ein Aufbrechen nicht nachzudenken. Itachi hielt sporadischen Kontakt zu Pain, eigentlich nur, weil es nichts anderes zu tun gab und der Klang einer anderen Stimme beinahe etwas Erfreuliches war. Nun hatte er jedoch von dem Anführer der Akatsuki erfahren, dass die gesamte Gegend, in der sie sich befanden, von der Außenwelt abgeschnitten war. Die einzigen Pässe, die über die Bergkette führten, die dieses Land vom Rest des Kontinents trennte, waren von Schnee und Eis regelrecht zugemauert. Es schien, als würde die Zeit zu einer zähen Substanz schmelzen, die es unmöglich machte, genau zu zählen, wie viele Stunden, wie viele Tage und Nächte wirklich vergangen waren. Itachi war sich nicht mehr ganz sicher, wie lange sie nun schon hier fest saßen, er wusste nur, dass es viel zu lange war. Er stand in der kleinen Kochnische, am warmen Ofen, und rührte in einem Topf herum. Die Vorräte waren zwar noch gut gefüllt, doch der Schrank war keine unendliche Quelle, die ewig reichen würde. Auch würde sich das Feuerholz nicht von selber auffüllen, wenn sie keine Möglichkeit hatten, hinauszugehen. Dass sie bisher erst so wenig von den Nahrungsmitteln verbraucht hatten, lag daran, dass sie nicht viel zu essen brauchten, weil sie sich kaum bewegten und es warm war, weshalb sie keine zusätzliche Energie benötigten. Doch es gab auch einen anderen Grund. Itachi musste nicht über seine Schulter sehen, um sich dem Blick seiner Gefangenen bewusst zu werden. Atsuka war eine Art Hungerstreik getreten. Er konnte nicht verstehen, warum sie das tat, denn er behandelte sie nicht schlecht. Er kochte ja auch freiwillig, um sie Beide zu versorgen. Er hatte auch keinen Grund, sie zu vergiften, wenn sie das befürchtete. Vielleicht schwächte sie sich absichtlich, damit sie nicht in der Lage zu reisen wäre, sollte das Wetter es zulassen. Der junge Mann dachte mehr darüber nach, als es ihm lieb war, denn es gab sonst nichts anderes, womit er seinen Geist beschäftigen konnte. Er wunderte sich sowieso darüber, dass sie so ruhig und beinahe unbekümmert war. Selten hatte er eine Person getroffen, die so ausgeglichen auf ihn wirkte, vor allem nicht in so einer Situation. Er musste zugeben, dass er beeindruckt war, denn so einen starken Willen konnte man nur sehr schwer erlangen – gerade er konnte aus Erfahrung sprechen. Doch über die Ereignisse, die sich in einer Kindheit abgespielt hatten, wollte er in diesem Moment noch weniger nachdenken, weswegen er den Topf von der Kochplatte herunternahm und vom Feuer stellte. Itachi hatte eine einfache Misosuppe zubereitet, die er nun in zwei Schalen füllte. Viele Zutaten hatte er dafür nicht gefunden, doch trotzdem hatte er ein passables Gericht gekocht – so empfand er es jedenfalls, als er von seiner Portion kostete und sich Zeit dabei ließ. Er wollte zuerst essen, da er befürchtete, dass das Essen kalt sein würde, wenn er sich erst der jungen Frau widmete. Damit ihm der Appetit nicht verging, schloss er die Augen und atmete noch einmal tief durch. Eigentlich gab es nichts, worüber er sich Gedanken machen musste. Es war nicht seine Schuld, wenn die Gefangene mit ihrer Gesundheit spielte, indem sie dieses kindische Spielchen trieb. Von Pain würde Itachi sich nichts vorwerfen lassen, das hatte er noch nie getan. Doch er war sich sicher, dass sie jetzt etwas essen würde. Niemand konnte es lange ohne Nahrung aushalten. Außerdem erfüllte die Brühe die kleine Hütte mit ihrem würzigen Duft und er selber aß hier vor ihren Augen. Wahrscheinlich würde sie nun von selber danach verlangen, dass er ihr das Essen brachte. Doch als er sich schließlich umdrehte, um ihr ihre Ration zu bringen, sah er bereits deutlich in ihren Augen, dass er sich wieder täuschen sollte. Sie wollte schon wieder nichts essen. Obwohl sie Hunger hatte, was er ihrem trotzigen Ausdruck ablesen konnte. Trotzdem hielt sie durch, obwohl er ihr die dampfende Schüssel mit heißer Misosuppe fast ins Gesicht hielt. Sie weigerte sich immer so lange, bis Itachis Geduld langsam zu schwinden begann – und das passierte keineswegs allzu schnell. Der Schwarzhaarige war ein Meister darin, seine Fassung zu wahren und auch in den brenzligsten Situationen ruhig zu bleiben. Die unbegründete Sturheit der jungen Frau jedoch knackte seine Gelassenheit mit Leichtigkeit – auch jetzt wieder, als er vor ihr stand und sie mit einem kühlen, unerbittlichen Blick bedachte. Er wusste nicht, wie sie es schaffte. Vielleicht war es die Tatsache, dass er hier schon seit Tagen untätig herumsitzen musste. Vielleicht machte ihm auch seine Verletzung zu schaffen. Wer weiß. Und dann plötzlich, als sie ihren Kopf zur Seite drehte und sich dadurch demonstrativ von ihm abwendete, war das der Tropfen, der das Fass, die ruhige, unbewegte Wasserfläche, zum Überlaufen brachte, und einen tosenden Sturzbach verursachte. Jedenfalls war seine Geduld nun vollkommen ausgereizt. Plötzlich, wie im Affekt, schöpfte er von der heißen Suppe und führte den Löffel in einem fordernden Ruck an ihren Mund, um ihr endlich etwas von der Mahlzeit einzuflößen. Die junge Frau erschrak, die empfindlich warme Flüssigkeit brannte auf der dünnen Haut ihrer Lippen und sie zuckte so sehr zusammen, dass sie gegen Itachi stieß und dieser beinahe das Essen verschüttete. Seine ruppige Tat löste in der Kunoichi, der die Verweigerung der Nahrung schon einiges an Nerven und Beherrschung abverlangte, einen Reflex aus, der durch eine Mischung aus Panik und Wut verursacht wurde: Sie reckte ihren Kopf nach vorne, schnappte mit ihren Zähnen nach seiner Hand – und biss zu. Sie hörte laut und deutlich, wie Itachi scharf nach Luft schnappte. Sofort versuchte er, seine Hand zurückzuziehen, doch ihre Kiefer gaben nicht nach. Der salzige Geschmack seiner Haut und sein metallisch schmeckendes Blut breitete sich auf ihrer Zunge auf wie das üppige Bouquet einer exquisiten Speise. Sie hatte nicht nur bereits seit einigen Tagen nichts mehr gegessen, auch Itachis stechender Blick ließ ihren Magen sich zusammenziehen. Diese plötzliche Explosion von Geschmäckern auf ihrer Zunge, nachdem sie so lange nichts anderes als ihren eigenen Speichel gekannt hatte, berauschte sie deshalb innerhalb weniger Sekunden. Sie wusste nicht, was mit ihr geschah. Einerseits war sie überrascht von der ruppigen Handlung, zu der ihr Entführer sich plötzlich hinreißen ließ, nach all den Tagen, in denen er gewirkt hatte, als könnte nichts sein eisern gelassenes Gemüt trüben. Dann war da das kribbelnde Gefühl des Adrenalins, das einen süßen, fast körperlich spürbaren Schmerz in all ihren Gliedern verursachte, der regelrecht wohltuend wirkte, nach der langen Zeit die sie hier beinahe reglos sitzend verbracht hatte. Andererseits sehnte Atsuka sich so eine Reaktion von ihm nahezu herbei. Sie wollte eine Emotion sehen, sie wollte ihn aus der Reserve locken. Ihr Kopf hatte sich in den letzten Tagen mit Dingen beschäftigt, an die sie sonst niemals dachte und eigentlich hatte sie auch keinen Grund dafür. Sie befand sich in einer gefährlichen Situation, entführt von der gefährlichsten Organisation überhaupt, und sie hatte keine Ahnung, was sie von ihr wollten und was sie mit ihr vorhatten. Und trotzdem sah sie den schwarzhaarigen jungen Mann nicht als Bedrohung an. Er hatte etwas an sich, was die junge Frau faszinierte. Noch einmal versuchte Itachi, seine Hand zu befreien und als Atsuka merkte, wie ihre Zähne von seiner Haut rutschten, versuchte sie ihn noch einmal zu schnappen. Diesmal erwischte sie ihn knapp über dem Handgelenk, spürte dabei mit ihren Lippen die feinen Härchen an seinem Unterarm – und hörte ihn plötzlich nur mit mühsamer Beherrschung stöhnen. Mehr vor Verwirrung als vor Schreck ließ sie diesmal ganz von ihm ab, um ihn anzusehen – nur um von dem intensiven Blick seiner dunklen Augen gefesselt zu werden. Sein Ausdruck sprach Bände und es war kein Schmerz, der in seinen Zügen vorherrschte. Es war... pure Erregung. Itachi konnte sich nicht rühren. In einer normalen Situation, wenn er angegriffen wurde, hätte er seinerseits seinen Gegner sofort attackiert oder er wäre zumindest ausgewichen, um danach einen Gegenschlag durchzuführen. Doch die Situation war alles andere als normal. Einerseits hätte er nie damit gerechnet, dass die Kunoichi – Atsuka – immer noch einen so kämpferischen Willen hatte. Andererseits passierte plötzlich etwas mit ihm, was ihm noch nie widerfahren war und es überrumpelte ihn so, dass er unfähig war, etwas zu tun. Ihr Biss hatte im ersten Moment wehgetan, doch gleichzeitig mit dem Schmerz ließ eine völlig andere Sensation seine Nerven glühen. Das Gefühl, das sich in ihm ausbreitete ging ihm bis ins Mark und schockte ihn wie ein elektrischer Schlag, nachdem sie erneut zugebissen hatte. "Stop", befahl er, doch seine Stimme klang brüchig und ganz und gar nicht überzeugend. Sein Puls ging schneller, als er in so einer eigentlich belanglosen Situation tun sollte. Das alles war nicht typisch für ihn. Als Itachi das realisierte, stellte er die Suppenschüssel, die er immer noch in seiner anderen Hand hielt, beiseite, machte drei Schritte durch den Raum, öffnete die Tür der Hütte und trat nach draußen. Während Atsuka, im Inneren des Häuschens, nicht wirklich wusste, wie sie sich wieder von ihren widersinnigen Gefühlen beruhigen sollte, nahm Itachi draußen einen tiefen Atemzug von der klirrend kalten Luft. Sein nach vorne gerichteter Blick starrte direkt auf die weiße Schneewand, welche die Hütte mittlerweile bis zur Dachkannte hoch umgab. Vor der Tür war gerade mal so viel Platz, um sich um seine eigene Achse zu drehen und einen Schritt zur Seite zu machen, um an das Feuerholz zu gelangen. Doch Itachi wollte in diesem Moment nichts davon tun. Es war dermaßen kalt, dass seine ausgestoßene Atemluft weiße Wölkchen vor seinem Mund bildete und jedes Blinzeln wehtat, doch er spürte nichts von der eiskalten Umgebung. Sein Körper schien zu glühen, anders konnte er es nicht beschreiben, weil er noch nie etwas Derartiges gespürt hatte. Was war mit ihm passiert? Warum jetzt, warum in dieser Situation? Er hob seine rechte Hand, mit der er den Suppenlöffel gehalten hatte. Die blasse Haut seines Handgelenks trug leuchtend rote, perfekt angeordnete Male von Zahnabdrücken zur Schau. Er konnte sie nicht nur sehen, sondern immer noch spüren. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er wieder klar denken konnte. Nach der langen Zeit des eintönigen Nichtstuns hatte ihm der Adrenalinschub, verursacht durch Atsukas Attacke, einen bösen Streich gespielt. Dass ihn so ein simples 'Zwicken' so aus der Fassung brachte – unmöglich. Seine Sinne spielten verrückt, nichts anderes, das versuchte er sich jedenfalls einzureden. Wie zu seiner Bestätigung spürte er die Kälte plötzlich mit voller Wucht; seine Wangen fühlten sich an, als würden sie zu Eiskristallen zerspringen, würde er auch nur mit einem einzigen Gesichtsmuskel zucken und seine schmerzenden Augen waren wie Kugeln aus purem Eis. Er wandte sich deshalb um und schlüpfte schnell zurück in die Hütte. Atsuka spürte die kalte Luft deutlich, als sich die Tür des Chalets erneut öffnete und Itachi wieder hereinkam. Er hatte seine Hände in die Taschen seiner Hose geschoben, wohl, um sich zu wärmen. Sie hatte den Drang zu schreien erfolgreich unterdrücken können, doch sie kochte immer noch. Da war es gewesen, die Gefühlsregung, die sie hatte sehen wollen! Doch damit hatte sie sich selber geschadet. Warum? Weil sie auf so eine heftige Reaktion nicht vorbereitet gewesen war. Doch konnte sie dasselbe nicht auch von sich selber sagen? Sie hatte eindeutig überreagiert, als sie nach Itachi gebissen hatte, denn er hatte ihr eigentlich nichts getan. Jedenfalls war der Damm gebrochen. Denn obwohl sie immer noch aufgewühlt war, meldete sich ein Bedürfnis in ihr, welches sie die ganze Zeit über im Zaum halten konnte. "Kann ich doch was zu essen haben? Bitte", sagte sie und ärgerte sich über den zerknirschten, flehenden Klang ihrer Stimme. Doch ihr Bauch fühlte sich an wie ein schwarzes Loch. Mit den widersinnigen Gefühlen von Verzweiflung und Scham schluckte sie und ihr trockener Hals tat dabei richtig weh. Wann hatte sie zuletzt etwas Richtiges, Warmes gegessen? So abwehrend sie noch vor ein paar Minuten gehandelt hatte, so sehr verlangte es sie nun nach der Suppe, die Itachi ihr hatte anbieten wollen und der Hunger war so wild und rasend, wie ein Hund, den man versehentlich eingesperrt hatte und der nun zu seinem Futternapf hechtete. Itachi, der seiner Gefangenen eigentlich hatte keines Blickes würdigen wollten, drehte seinen Kopf und sah sie an. Atsuka konnte an seiner Miene erkennen, dass er von ihrer Frage mehr als verblüfft war, ja, dass er dachte, sie wäre nicht mehr ganz bei Trost, gerade jetzt so etwas zu verlangen, nachdem sie so nach ihm geschnappt hatte. Doch sie konnte nicht anders, sie musste endlich etwas essen. Das schien auch Itachi zu kapieren, als er nach einigen Sekunden des Starrens geräuschvoll einatmete, die Suppenschüssel nahm und ohne das leiseste Seufzen damit begann, seine diesmal willige Gefangene zu füttern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)