Odaxelagnia - Bite me von Bettyna ================================================================================ Erster Akt: Andante ------------------- "Die Situation kann bedauerlicherweise nicht geändert werden. Du musst weiterhin ausharren und abwarten, bis das Wetter sich bessert. Dann bringst Du die Gefangene wie geplant zum besprochenen Ort." Die Illusion verblasste und der dunkle, geheimnisvolle, schier endlos wirkende Raum wurde durch das Innere der eintönigen, karg eingerichteten Hütte ersetzt, in der der junge schwarzhaarige Mann schon seit mehreren Tagen festsaß. Das Zimmer, in dem er sich befand, hatte die Ausmaße einer mittelgroßen Gefängniszelle mit dem einzigen Luxus eines getrennten Waschbereiches – mehr Räumlichkeiten besaß das winzige Blockhaus nicht. Warum ihm der Vergleich mit einem Verlies als Erstes in den Sinn kam, war leicht zu erraten: Es war beinahe unmöglich, mehr als zwei Schritte nach draußen zu tun. Es hatte die letzten zwei Tage und Nächte ununterbrochen geschneit und zusammen mit eisigen Temperaturen hatte sich die Umgebung in eine meterhohe weiße Wüste verwandelt. Er war nicht allein in der Hütte - und nein, es war nicht sein eigentlicher Partner Hoshigaki Kisame, mit dem er sich die wenigen Quadratmeter teilte. Er hatte den Blick der anderen Person bis jetzt weitestgehend ignoriert, die ihn nicht aus den Augen ließ. Ihr Ausdruck verriet, dass sie die letzten Nächte kaum geschlafen hatte. Trotzdem hielt sie sich tapfer wach und blieb achtsam; nichts anderes hätte er von einer Kunoichi wie ihr erwartet. Der Schnee machte alle Pläne der Akatsuki zunichte. Pain, der Anführer der Organisation, hatte von Itachi gefordert, die Mission schnell hinter sich zu bringen und genauso rasch wieder nach Amegakure zurückzukehren. Gerade eben hatte der Schwarzhaarige die Nachricht überbringen müssen, dass das Wetter immer noch keine Aussicht auf Besserung gab und er somit auch seine Reise nicht fortführen konnte. Unter normalen Umständen hätte er der Witterung ohne zu zögern getrotzt, doch leider waren die Umstände diesmal anders, sodass er hier in der Enge der kleinen Hütte verharren musste. Das Glück war auf seiner Seite, denn er hatte diese Unterkunft nur durch Zufall gefunden. Im Schnee hätten sie die draußen herrschenden Minusgrade nicht lange überlebt. Hier gab es alles, was man brauchte, um ein paar Tage durchzukommen. Wahrscheinlich gehörte die Hütte einem Jäger oder einem anderen naturverbundenen Menschen, der sich öfters hier aufhielt und die Einsamkeit genoss. Ein Tank enthielt einen großen Vorrat an sauberem Wasser, welches durch den Ofen, der im Inneren des Häuschens für eine angenehme Wärme sorgte, erhitzt werden konnte, damit es nicht gefror. Gehacktes Feuerholz gab es vor der Tür zu Genüge. Ein schmaler Schrank in der hinteren Ecke des kombinierten Wohn- und Schlafraumes war vollgestopft mit Vorräten. An einer Wand stand ein schmales Bett, an der anderen ein kleiner Tisch und es gab sogar ein enges, absolut zweckmäßiges Badezimmer. So konnte man es in der Not wenigstens gut aushalten. Was der Besitzer davon halten würde, dass sich Fremde an seinem Eigentum bedienten, das war Itachi reichlich egal. Seltsamerweise war Pain nicht verärgert gewesen. Er hatte die Gegebenheiten hingenommen und Itachi freie Hand gegeben. Das irritierte ihn ein wenig. Er hatte mit größeren Schwierigkeiten gerechnet, doch die waren ausgeblieben – nicht, dass er sich darüber beschwerte. Der Schwarzhaarige war momentan genug mit einigen eigenen Problemen beschäftigt. Er hätte sich nicht einfach so durch den Schnee kämpfen können, auch wenn er es gewollt hätte. Alleine wäre ihm diese mühevolle Reise vielleicht gelungen, doch nicht gemeinsam mit der Gefangenen, die er zwangsläufig an seiner Seite hatte. Und der zweite Grund: Er war verletzt. Die Kunoichi hatte sich nicht einfach so entführen lassen und ihm einen kurzen, dafür jedoch recht effektiven Kampf geliefert. Itachi fasste sich unwillkürlich an den linken Ellenbogen und wandte seinen Kopf zu der jungen Frau hin. Ihr Name war Tanemono Atsuka. Sie saß auf einem Stuhl in der Nähe des warmen Ofens. Er hatte ihre Füße an ihren Knöcheln mit einem chakradurchzogenen Seil zusammengebunden und auch ihre Handgelenke waren fixiert und mit geringem Abstand aneinander gefesselt, sodass sie noch ein wenig Spielraum hatten, damit sie sich etwas bewegen konnte. Ihr Haar war zu einem unordentlichen Knoten nach oben gebunden. Ihre Kleidung war ein bisschen staubig, jedoch nicht allzu sehr verdreckt. Sie saß ein wenig steif auf dem harten Möbelstück, da sie wegen der glatten ungepolsterten Sitzfläche wohl schon alle Knochen in ihrem Hintern spürte. Hunger musste sie sicher auch haben. Wenn sie ihre Notdurft verrichten wollte, musste sie zu Toilette hüpfen, so gut es ging ("Ich muss mal." – "Was?" – "Zur Toilette." – "Hinter der Tür da." – "…" – "Was?" – "Ich bin gefesselt." – "Aber nicht angebunden."). Trotzdem hatten ihre Augen nicht den Ausdruck von Würde verloren. Wahrscheinlich trug sein Anblick maßgeblich dazu bei. Sie hatte sich gewehrt und sofort den Umstand genutzt, dass er sie im ersten Augenblick unterschätzt hatte. Sobald er nahe genug an sie heran gekommen war, hatte sie ihn gepackt und auf den harten Boden geschleudert. Itachi hatte nicht mit einer solchen körperlichen Kraft gerechnet. Er selber war durch sein Sharingan ein Meister des Genjutsu und auch Ninjutsu zählte zu seinen absoluten Stärken, doch das hatte ihn nicht gegen die überraschende Attacke gefeit. Glücklicherweise war sein Verstand ebenfalls nur allzu wach und schnell. Obwohl die Kunoichi sofort an ihre eigene Verteidigung gedacht hatte, hatte er die Situation zu schnell erkannt und nur mit einem einzigen Blick seines aktivierten Doujutsu wieder unter seine Kontrolle gebracht. Mit einer einfachen Illusion hatte er ihr das Bewusstsein geraubt und sie dadurch effektiv ausgeschaltet. Nicht zu früh. Durch den Aufprall auf den Boden hatte er sich jedenfalls seinen Ellenbogen geprellt. Mittlerweile war er so angeschwollen, dass er seinen Arm nicht richtig bewegen konnte und jedes Zucken seiner Muskeln ihm einen stechenden Schmerz verursachte. Dementsprechend war seine Haltung eher starr und er war vorsichtig, damit er sie sich nicht irgendwo anstieß. Sein Betragen schien der Kunoichi, die ihn die ganze Zeit beobachtete, eine gewisse Genugtuung zu geben, obwohl sie hier gefangen war. Doch Itachi gab nichts auf ihre Gedanken. Sollte sie glauben, was sie wollte. Sie würde jedenfalls noch eine Weile auf dem Stuhl sitzen bleiben müssen, denn das sollte vorerst ihre – zugegebenermaßen mickrige – Strafe sein. Doch die Situation war trotz alledem ausweglos. Itachi wusste nicht, was er tun sollte. Pain hatte ihm keine konkreten Anweisungen gegeben und es gab hier nichts, womit man sinnvoll beschäftigt wäre, womit man sich ablenken könnte. Er hatte noch nie in so einer festgefahrenen Situation gesteckt. Mit einem Anflug von Müdigkeit ging der Schwarzhaarige zu dem Vorratsschrank, um ihn nach der nächsten Mahlzeit zu durchforsten, denn kochen – ja, kochen! - war die einzige Tätigkeit, die ihn einigermaßen forderte. -- Atsuka verfolgte angestrengt aufmerksam, wie der junge Mann, der sie hier gefangen hielt, ziellos durch den Raum tigerte. Sie wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Er gehörte zu den Akatsuki. Auch wenn sie eigentlich in einer eher abgelegenen Gegend in Yuki no Kuni lebte, hatte sie als Kunoichi von der Organisation gehört, denn wenn es Reisende gab, die sich in diesen Teil des Kontinents verliefen, dann berichteten sie nicht nur von Wetterkapriolen oder politischen Geschehnissen, sondern auch von besorgniserregenden Vorfällen – wie sie zu dieser Zeit oft durch die Akatsuki verursacht wurden. Doch die Probleme und Konflikte der großen Shinobistaaten hatten ihr nie Sorgen gemacht – umso überraschter war sie gewesen, als sie dem berüchtigten Uchiha Itachi plötzlich gegenübergestanden war, dessen Name am häufigsten selbst bis hierher getragen wurde. Jedenfalls wusste Atsuka nicht, was man von ihr wollte und gerade deswegen war sie äußerst misstrauisch. Eines war ihr jedoch klar: Es lief nicht so, wie es laufen sollte. Der Winter, der über die Region hereingebrochen war, war kein seltenes Phänomen. Nicht umsonst bezeichnete sich dieses Fleckchen Erde als 'Land des Schnees'. Diese extremen Witterungsverhältnisse waren der Kunoichi nicht unbekannt, denn hier war ihr Zuhause. Vielleicht war das ihre Rettung. Es würde sicherlich noch etliche Tage dauern, bis man wieder daran denken konnte, sicher und trockenen Fußes zu reisen. Vielleicht hatten ihr Entführer und der entsprechende Auftraggeber nicht daran gedacht, dass diese Gegend zu der momentanen Jahreszeit sehr tückisch sein konnte. Und so präsentierte sich der Winter gerade jetzt von seiner übelsten Seite. Atsukas Blick war starr auf ihren Entführer gerichtet. Ihre Augen folgten ihm überall hin, obwohl er nicht weit gehen konnte in dieser kleinen Hütte, die mit fünf Schritten schnell durchquert war. Sonst gab es nichts, womit sie sich die Zeit vertreiben konnte – gefesselt an einen Stuhl, nicht allzu fest, doch trotzdem so stramm, dass sie sich nicht befreien konnte. Ein Blick aus dem Fenster offenbarte ihr Nichts als den strahlend weißen Schnee, der mittlerweile das Häuschen regelrecht unter sich begraben hatte. Sie wusste nicht, worauf sie noch hoffen sollte, auf eine rasche Schneeschmelze oder einen noch stärkeren Wintereinbruch. Würde der Schnee verschwinden, konnten sie auch von hier weg, ihr Ziel war jedoch ungewiss, jedenfalls für die junge Frau. Blieb das Wetter so wie es war, blieb Atsuka wahrscheinlich in Sicherheit – solange ihr Gegenüber weiterhin so die Ruhe bewahrte. Itachi war ihr ein Rätsel. Er hatte seine Mimik und Gestik so gut in seiner Gewalt, dass er kaum eine Regung zeigte, die Atsuka interpretieren konnte. Es war ihr unbegreiflich, wie er diese Maske pausenlos aufrechterhalten konnte. Die einzige Erklärung für sie war, dass er einfach keine Gemütsregungen hatte, oder aber er konnte sie so gut unterdrücken, dass es ihm keinerlei Mühe machte, das ohne Unterbrechung zu tun. Dass er kein Roboter war, erkannte sie nur daran, dass er tatsächlich schon 'Gefühlsausbrüche' gezeigt hatte. Und es wurde zu Atsukas einziger und durch die Herausforderung auch spannender Beschäftigung, ihn aus der Reserve locken zu wollen. Angefangen hatte es mit ihrem Kampf. Für einen Moment war sie im Vorteil gewesen, weil sie von Itachi nicht mit dem dringlichen Nachdruck angegriffen worden war, den er sicherlich an den Tag gelegt hätte, wenn er sie für besonders bedrohlich gehalten hätte. Das hatte sie für sich nutzen können. Bis das Glück – leider sehr schnell – die Seiten gewechselt hatte. Weil sie im ersten Moment nicht realisiert hatte, 'was' für einem Gegner sie gegenüberstand, hatte sie völlig unvoreingenommen reagiert. Erst Augenblicke später hatte sie erkannt, mit wem sie es zu tun hatte, und all die Gedanken, die daraufhin auf sie eingeströmt waren, hatten sie völlig blockiert. Er hatte ihr kurzes Zögern ausgenutzt und völlig professionell reagiert, obwohl sie ihn zuvor verletzt hatte. Rasch hatte er sie überwältigen können. Und nun, nun war sie hier. Die Verletzung war eine Sache. Unter den Vorräten gab es wohl keine Schmerzmittel oder anderes medizinisches Equipment. Manchmal konnte Itachi seine Schmerzen nicht unterdrücken, das erkannte Atsuka leicht. Dann runzelte er die Stirn oder hielt bei einer Bewegung inne. Was sie nie bei ihm entdecken konnte, waren Langeweile oder Erschöpfung. Der junge Mann wirkte immer aufmerksam und ausgeruht, obwohl er nur wenig schlief; eine Tatsache, deren Atsuka sich nur deshalb bewusst war, weil es ihr ähnlich ging. Im Gegensatz zu Itachi war sie jedoch müde, denn sitzend auf diesem harten Stuhl fand sie kaum Schlaf. Doch auch, wenn ihr die Augen zuzufallen drohten, mahnte sie sich, wach zu bleiben, um für alle Situationen gewappnet zu sein. Doch was dann? Was würde sie ihn ihrem Zustand schon ausrichten können? Es war frustrierend, doch Atsuka blieb keine andere Wahl, als der Dinge zu harren, die da kommen würden. -- Es war eine sehr verzwickte Situation. Mehrere Tage waren bereits vergangen, ohne dass sich das Wetter ändern wollte. Ja, man konnte sogar sagen, dass es überhaupt keine Aussicht auf Besserung gab. Manchmal zog der Himmel zu und es wurde fast vollkommen Dunkel, wenn ein Schneesturm über die Gegend hinweg fegte und noch mehr weiße Flocken auf sie herab regnen ließ. Dann verzogen sich die Wolken wieder und die Sonne schien sogar – doch die Temperaturen sanken dann auf empfindliche Minusgrade, sodass kein einziger Schneekristall schmolz, sondern die ganze weiße Decke nur noch härter durchfror. Die Gegebenheiten hatten etwas von Schikane, denn so viel Pech konnte man eigentlich nicht haben. Selbst dem geduldigen Itachi wurde es langsam zu bunt. Er war vieles gewohnt und hatte ebenso vieles mitgemacht. Aber das Nichtstun laugte auch ihn langsam aus. Nun, er gab zu, dass es auch hätte schlimmer kommen können. Er hätte auch zusammen mit seinem Partner Kisame in diesem Schlamassel stecken können, denn der Haimann würde doch nur meckern und maulen und sich endlos beschweren. Oder es hätte auch ein anderes Akatsuki-Mitglied sein können. Oder ein aufmüpfiger, rastloser Gefangener. Doch so hatte er wenigstens seine Ruhe. Denn eigentlich hatten die Kunoichi und er bisher kaum ein Wort miteinander geredet, wenn es nicht sein musste. Das einzig Gute an der nur langsam verstreichenden Zeit war, dass Itachis Verletzung langsam heilte und nun bereits nicht mehr so schlimm wie vor ein paar Tagen schmerzte. Die Schwellung war zurückgegangen und die Prellung stellte sich als nicht allzu akut heraus, weswegen sie auch ohne Behandlung abklang. Doch obwohl er nun körperlich wieder fast vollkommen fit war, brauchte er über ein Aufbrechen nicht nachzudenken. Itachi hielt sporadischen Kontakt zu Pain, eigentlich nur, weil es nichts anderes zu tun gab und der Klang einer anderen Stimme beinahe etwas Erfreuliches war. Nun hatte er jedoch von dem Anführer der Akatsuki erfahren, dass die gesamte Gegend, in der sie sich befanden, von der Außenwelt abgeschnitten war. Die einzigen Pässe, die über die Bergkette führten, die dieses Land vom Rest des Kontinents trennte, waren von Schnee und Eis regelrecht zugemauert. Es schien, als würde die Zeit zu einer zähen Substanz schmelzen, die es unmöglich machte, genau zu zählen, wie viele Stunden, wie viele Tage und Nächte wirklich vergangen waren. Itachi war sich nicht mehr ganz sicher, wie lange sie nun schon hier fest saßen, er wusste nur, dass es viel zu lange war. Er stand in der kleinen Kochnische, am warmen Ofen, und rührte in einem Topf herum. Die Vorräte waren zwar noch gut gefüllt, doch der Schrank war keine unendliche Quelle, die ewig reichen würde. Auch würde sich das Feuerholz nicht von selber auffüllen, wenn sie keine Möglichkeit hatten, hinauszugehen. Dass sie bisher erst so wenig von den Nahrungsmitteln verbraucht hatten, lag daran, dass sie nicht viel zu essen brauchten, weil sie sich kaum bewegten und es warm war, weshalb sie keine zusätzliche Energie benötigten. Doch es gab auch einen anderen Grund. Itachi musste nicht über seine Schulter sehen, um sich dem Blick seiner Gefangenen bewusst zu werden. Atsuka war eine Art Hungerstreik getreten. Er konnte nicht verstehen, warum sie das tat, denn er behandelte sie nicht schlecht. Er kochte ja auch freiwillig, um sie Beide zu versorgen. Er hatte auch keinen Grund, sie zu vergiften, wenn sie das befürchtete. Vielleicht schwächte sie sich absichtlich, damit sie nicht in der Lage zu reisen wäre, sollte das Wetter es zulassen. Der junge Mann dachte mehr darüber nach, als es ihm lieb war, denn es gab sonst nichts anderes, womit er seinen Geist beschäftigen konnte. Er wunderte sich sowieso darüber, dass sie so ruhig und beinahe unbekümmert war. Selten hatte er eine Person getroffen, die so ausgeglichen auf ihn wirkte, vor allem nicht in so einer Situation. Er musste zugeben, dass er beeindruckt war, denn so einen starken Willen konnte man nur sehr schwer erlangen – gerade er konnte aus Erfahrung sprechen. Doch über die Ereignisse, die sich in einer Kindheit abgespielt hatten, wollte er in diesem Moment noch weniger nachdenken, weswegen er den Topf von der Kochplatte herunternahm und vom Feuer stellte. Itachi hatte eine einfache Misosuppe zubereitet, die er nun in zwei Schalen füllte. Viele Zutaten hatte er dafür nicht gefunden, doch trotzdem hatte er ein passables Gericht gekocht – so empfand er es jedenfalls, als er von seiner Portion kostete und sich Zeit dabei ließ. Er wollte zuerst essen, da er befürchtete, dass das Essen kalt sein würde, wenn er sich erst der jungen Frau widmete. Damit ihm der Appetit nicht verging, schloss er die Augen und atmete noch einmal tief durch. Eigentlich gab es nichts, worüber er sich Gedanken machen musste. Es war nicht seine Schuld, wenn die Gefangene mit ihrer Gesundheit spielte, indem sie dieses kindische Spielchen trieb. Von Pain würde Itachi sich nichts vorwerfen lassen, das hatte er noch nie getan. Doch er war sich sicher, dass sie jetzt etwas essen würde. Niemand konnte es lange ohne Nahrung aushalten. Außerdem erfüllte die Brühe die kleine Hütte mit ihrem würzigen Duft und er selber aß hier vor ihren Augen. Wahrscheinlich würde sie nun von selber danach verlangen, dass er ihr das Essen brachte. Doch als er sich schließlich umdrehte, um ihr ihre Ration zu bringen, sah er bereits deutlich in ihren Augen, dass er sich wieder täuschen sollte. Sie wollte schon wieder nichts essen. Obwohl sie Hunger hatte, was er ihrem trotzigen Ausdruck ablesen konnte. Trotzdem hielt sie durch, obwohl er ihr die dampfende Schüssel mit heißer Misosuppe fast ins Gesicht hielt. Sie weigerte sich immer so lange, bis Itachis Geduld langsam zu schwinden begann – und das passierte keineswegs allzu schnell. Der Schwarzhaarige war ein Meister darin, seine Fassung zu wahren und auch in den brenzligsten Situationen ruhig zu bleiben. Die unbegründete Sturheit der jungen Frau jedoch knackte seine Gelassenheit mit Leichtigkeit – auch jetzt wieder, als er vor ihr stand und sie mit einem kühlen, unerbittlichen Blick bedachte. Er wusste nicht, wie sie es schaffte. Vielleicht war es die Tatsache, dass er hier schon seit Tagen untätig herumsitzen musste. Vielleicht machte ihm auch seine Verletzung zu schaffen. Wer weiß. Und dann plötzlich, als sie ihren Kopf zur Seite drehte und sich dadurch demonstrativ von ihm abwendete, war das der Tropfen, der das Fass, die ruhige, unbewegte Wasserfläche, zum Überlaufen brachte, und einen tosenden Sturzbach verursachte. Jedenfalls war seine Geduld nun vollkommen ausgereizt. Plötzlich, wie im Affekt, schöpfte er von der heißen Suppe und führte den Löffel in einem fordernden Ruck an ihren Mund, um ihr endlich etwas von der Mahlzeit einzuflößen. Die junge Frau erschrak, die empfindlich warme Flüssigkeit brannte auf der dünnen Haut ihrer Lippen und sie zuckte so sehr zusammen, dass sie gegen Itachi stieß und dieser beinahe das Essen verschüttete. Seine ruppige Tat löste in der Kunoichi, der die Verweigerung der Nahrung schon einiges an Nerven und Beherrschung abverlangte, einen Reflex aus, der durch eine Mischung aus Panik und Wut verursacht wurde: Sie reckte ihren Kopf nach vorne, schnappte mit ihren Zähnen nach seiner Hand – und biss zu. Sie hörte laut und deutlich, wie Itachi scharf nach Luft schnappte. Sofort versuchte er, seine Hand zurückzuziehen, doch ihre Kiefer gaben nicht nach. Der salzige Geschmack seiner Haut und sein metallisch schmeckendes Blut breitete sich auf ihrer Zunge auf wie das üppige Bouquet einer exquisiten Speise. Sie hatte nicht nur bereits seit einigen Tagen nichts mehr gegessen, auch Itachis stechender Blick ließ ihren Magen sich zusammenziehen. Diese plötzliche Explosion von Geschmäckern auf ihrer Zunge, nachdem sie so lange nichts anderes als ihren eigenen Speichel gekannt hatte, berauschte sie deshalb innerhalb weniger Sekunden. Sie wusste nicht, was mit ihr geschah. Einerseits war sie überrascht von der ruppigen Handlung, zu der ihr Entführer sich plötzlich hinreißen ließ, nach all den Tagen, in denen er gewirkt hatte, als könnte nichts sein eisern gelassenes Gemüt trüben. Dann war da das kribbelnde Gefühl des Adrenalins, das einen süßen, fast körperlich spürbaren Schmerz in all ihren Gliedern verursachte, der regelrecht wohltuend wirkte, nach der langen Zeit die sie hier beinahe reglos sitzend verbracht hatte. Andererseits sehnte Atsuka sich so eine Reaktion von ihm nahezu herbei. Sie wollte eine Emotion sehen, sie wollte ihn aus der Reserve locken. Ihr Kopf hatte sich in den letzten Tagen mit Dingen beschäftigt, an die sie sonst niemals dachte und eigentlich hatte sie auch keinen Grund dafür. Sie befand sich in einer gefährlichen Situation, entführt von der gefährlichsten Organisation überhaupt, und sie hatte keine Ahnung, was sie von ihr wollten und was sie mit ihr vorhatten. Und trotzdem sah sie den schwarzhaarigen jungen Mann nicht als Bedrohung an. Er hatte etwas an sich, was die junge Frau faszinierte. Noch einmal versuchte Itachi, seine Hand zu befreien und als Atsuka merkte, wie ihre Zähne von seiner Haut rutschten, versuchte sie ihn noch einmal zu schnappen. Diesmal erwischte sie ihn knapp über dem Handgelenk, spürte dabei mit ihren Lippen die feinen Härchen an seinem Unterarm – und hörte ihn plötzlich nur mit mühsamer Beherrschung stöhnen. Mehr vor Verwirrung als vor Schreck ließ sie diesmal ganz von ihm ab, um ihn anzusehen – nur um von dem intensiven Blick seiner dunklen Augen gefesselt zu werden. Sein Ausdruck sprach Bände und es war kein Schmerz, der in seinen Zügen vorherrschte. Es war... pure Erregung. Itachi konnte sich nicht rühren. In einer normalen Situation, wenn er angegriffen wurde, hätte er seinerseits seinen Gegner sofort attackiert oder er wäre zumindest ausgewichen, um danach einen Gegenschlag durchzuführen. Doch die Situation war alles andere als normal. Einerseits hätte er nie damit gerechnet, dass die Kunoichi – Atsuka – immer noch einen so kämpferischen Willen hatte. Andererseits passierte plötzlich etwas mit ihm, was ihm noch nie widerfahren war und es überrumpelte ihn so, dass er unfähig war, etwas zu tun. Ihr Biss hatte im ersten Moment wehgetan, doch gleichzeitig mit dem Schmerz ließ eine völlig andere Sensation seine Nerven glühen. Das Gefühl, das sich in ihm ausbreitete ging ihm bis ins Mark und schockte ihn wie ein elektrischer Schlag, nachdem sie erneut zugebissen hatte. "Stop", befahl er, doch seine Stimme klang brüchig und ganz und gar nicht überzeugend. Sein Puls ging schneller, als er in so einer eigentlich belanglosen Situation tun sollte. Das alles war nicht typisch für ihn. Als Itachi das realisierte, stellte er die Suppenschüssel, die er immer noch in seiner anderen Hand hielt, beiseite, machte drei Schritte durch den Raum, öffnete die Tür der Hütte und trat nach draußen. Während Atsuka, im Inneren des Häuschens, nicht wirklich wusste, wie sie sich wieder von ihren widersinnigen Gefühlen beruhigen sollte, nahm Itachi draußen einen tiefen Atemzug von der klirrend kalten Luft. Sein nach vorne gerichteter Blick starrte direkt auf die weiße Schneewand, welche die Hütte mittlerweile bis zur Dachkannte hoch umgab. Vor der Tür war gerade mal so viel Platz, um sich um seine eigene Achse zu drehen und einen Schritt zur Seite zu machen, um an das Feuerholz zu gelangen. Doch Itachi wollte in diesem Moment nichts davon tun. Es war dermaßen kalt, dass seine ausgestoßene Atemluft weiße Wölkchen vor seinem Mund bildete und jedes Blinzeln wehtat, doch er spürte nichts von der eiskalten Umgebung. Sein Körper schien zu glühen, anders konnte er es nicht beschreiben, weil er noch nie etwas Derartiges gespürt hatte. Was war mit ihm passiert? Warum jetzt, warum in dieser Situation? Er hob seine rechte Hand, mit der er den Suppenlöffel gehalten hatte. Die blasse Haut seines Handgelenks trug leuchtend rote, perfekt angeordnete Male von Zahnabdrücken zur Schau. Er konnte sie nicht nur sehen, sondern immer noch spüren. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er wieder klar denken konnte. Nach der langen Zeit des eintönigen Nichtstuns hatte ihm der Adrenalinschub, verursacht durch Atsukas Attacke, einen bösen Streich gespielt. Dass ihn so ein simples 'Zwicken' so aus der Fassung brachte – unmöglich. Seine Sinne spielten verrückt, nichts anderes, das versuchte er sich jedenfalls einzureden. Wie zu seiner Bestätigung spürte er die Kälte plötzlich mit voller Wucht; seine Wangen fühlten sich an, als würden sie zu Eiskristallen zerspringen, würde er auch nur mit einem einzigen Gesichtsmuskel zucken und seine schmerzenden Augen waren wie Kugeln aus purem Eis. Er wandte sich deshalb um und schlüpfte schnell zurück in die Hütte. Atsuka spürte die kalte Luft deutlich, als sich die Tür des Chalets erneut öffnete und Itachi wieder hereinkam. Er hatte seine Hände in die Taschen seiner Hose geschoben, wohl, um sich zu wärmen. Sie hatte den Drang zu schreien erfolgreich unterdrücken können, doch sie kochte immer noch. Da war es gewesen, die Gefühlsregung, die sie hatte sehen wollen! Doch damit hatte sie sich selber geschadet. Warum? Weil sie auf so eine heftige Reaktion nicht vorbereitet gewesen war. Doch konnte sie dasselbe nicht auch von sich selber sagen? Sie hatte eindeutig überreagiert, als sie nach Itachi gebissen hatte, denn er hatte ihr eigentlich nichts getan. Jedenfalls war der Damm gebrochen. Denn obwohl sie immer noch aufgewühlt war, meldete sich ein Bedürfnis in ihr, welches sie die ganze Zeit über im Zaum halten konnte. "Kann ich doch was zu essen haben? Bitte", sagte sie und ärgerte sich über den zerknirschten, flehenden Klang ihrer Stimme. Doch ihr Bauch fühlte sich an wie ein schwarzes Loch. Mit den widersinnigen Gefühlen von Verzweiflung und Scham schluckte sie und ihr trockener Hals tat dabei richtig weh. Wann hatte sie zuletzt etwas Richtiges, Warmes gegessen? So abwehrend sie noch vor ein paar Minuten gehandelt hatte, so sehr verlangte es sie nun nach der Suppe, die Itachi ihr hatte anbieten wollen und der Hunger war so wild und rasend, wie ein Hund, den man versehentlich eingesperrt hatte und der nun zu seinem Futternapf hechtete. Itachi, der seiner Gefangenen eigentlich hatte keines Blickes würdigen wollten, drehte seinen Kopf und sah sie an. Atsuka konnte an seiner Miene erkennen, dass er von ihrer Frage mehr als verblüfft war, ja, dass er dachte, sie wäre nicht mehr ganz bei Trost, gerade jetzt so etwas zu verlangen, nachdem sie so nach ihm geschnappt hatte. Doch sie konnte nicht anders, sie musste endlich etwas essen. Das schien auch Itachi zu kapieren, als er nach einigen Sekunden des Starrens geräuschvoll einatmete, die Suppenschüssel nahm und ohne das leiseste Seufzen damit begann, seine diesmal willige Gefangene zu füttern. Zweiter Akt: Adagio ------------------- Schnee und Eis. Die weißen Massen ließen bei ihrem Anblick die Augen schmerzen. Gab es so etwas wie ein Verlangen nach Grünem? Nach grünen Wiesen und auch nach frischem Gemüse? Dieses war nämlich ein Luxus, der hier nicht zu beschaffen war. Die Vorräte der Hütte gaben viele haltbare Lebensmittel wie getrocknete Bohnen, Erbsen und Linsen her, dazu reichlich Reis. Außerdem Miso-Paste, gekörnte Brühe, etwas Butterschmalz, Essig, Salz und Zucker. Zwei Dosen Tee gab es dazu. Im Schrank befanden sich noch ein halbes Dutzend Konservendosen, die jedoch nicht beschriftet waren, weshalb alles Mögliche hätte enthalten sein können. Alles in allem konnte diese Auswahl wohl kaum einen Feinschmecker beeindrucken. In der Not war jedoch jede Mahlzeit willkommen. Besonders Atsuka wusste das mittlerweile zu schätzen. Es hatte einfach keinen Zweck, das Essen zu verweigern, denn damit schadete sie sich nur selber. Außerdem war die Stimmung in der Hütte nicht mehr so angespannt und gereizt wie noch vor ein paar Tagen. Warum? Das ließ sich alles andere als einfach erklären, denn die Situation hatte sich nicht groß verändert. Der Winter hatte sie in seiner eisernen Hand und sein Griff wollte sich nicht lockern. Der kleine Ofen hatte jedoch keine Mühe, die wenigen Quadratmeter zu heizen, weshalb es im Inneren der Hütte behaglich warm war. Die Wärme kam jedoch nicht von ungefähr. Atsuka wusste, dass der Vorrat an Feuerholz nicht unendlich war, sie hatte jedoch keinen Überblick über den Bestand, da Itachi sich um das Anfeuern des Ofens kümmerte – mit ihren Fesseln konnte sie sich kaum am Kopf kratzen, wie sollte sie sich dann um den ‚Haushalt‘ kümmern? Also ob sich ihre Gedanken synchronisiert hätten, kam plötzlich Bewegung in den Schwarzhaarigen. Er hatte sich auf dem Bett ausgestreckt und den Eindruck gemacht, als würde er dösen, doch er wirkte kein bisschen schläfrig, als er aufstand. Er trat an den kleinen Wandschrank und zog von dort zwei Pullover, eine Weste und eine Hose hervor. Die Sachen sahen aus, als gehörten sie einem Jäger, denn sie waren in Grün- und Brauntönen gehalten, womit man sich – eigentlich – gut in der Wildnis tarnen konnte. Im Moment erfüllten diese Kleidungsstücke jedoch kaum ihren Zweck. Zu welchem Zweck Itachi sie jedoch brauchte… "Was tust Du?", fragte Atsuka neugierig und beobachtete, wie er die Sachen über seine eigene Kleidung – schwarze Hose und Shirt – zog, bis er mit den ganzen Kleidungsschichten aussah, als hätte er einiges mehr auf den Rippen. Er drehte seinen Oberkörper hin und her, beugte sich nach vorne, ging in die Hocke und selbst die junge Frau merkte, dass seine Bewegungsfreiheit merklich eingeschränkt war. Doch das schien nicht von Belang zu sein. "Rausgehen. Hinter dem Haus ist ein kleiner Wald. Bevor das Holz knapp wird, suche ich nach brauchbarem Brennmaterial. Wenn es dort nichts gibt…", sagte Itachi und ließ seine letzten Gedanken unausgesprochen, während er träge mit den Schultern zuckte. Doch Atsuka konnte sich nur zu gut zusammenreimen, was er meinte. Die Wärme war ihr Überlebensgarant. Konnten sie nicht mehr heizen und über dem Feuer kochen, wären alle Vorräte nutzlos, denn Hülsenfrüchte waren ungekocht doch ziemlich ungenießbar – genauso wie fast alles andere. Doch es ging nicht nur um angenehme Temperaturen und einen vollen Magen. Itachi würde sicherlich nicht warten, bis sie beide hier erfrieren würden, er würde die Flucht ergreifen und versuchen, sein Leben zu retten. Was dann mit ihr geschah… Atsuka hatte so eine Ahnung, doch daran wollte sie nicht gerne denken. "Okay", sagte sie deshalb nur und sah dem Schwarzhaarigen nach, wie er die Tür öffnete und hindurch ging. Sie konnte von ihrer Position aus sehen, dass vor der Hütte gerademal genug Platz war, um sich um seine eigene Achse zu drehen. Die Schneedecke türmte sich bis zur Dachkante. Wie wollte Itachi da durchkommen? Plötzlich knirschte der Schnee – natürlich, er war gesprungen. Der Wald war nicht weit weg und die weißen Massen waren dort hoffentlich etwas weniger tief. Tatsächlich hatten die Bäume den Schnee ein wenig zurückgehalten, doch das Gewicht der Flocken war in seiner Gesamtheit nicht zu vernachlässigen, weshalb immer wieder kleine Lawinen von den Zweigen herunterrasselten und den Waldboden überzuckert hatten. Itachi war in etwa für eine Stunde draußen gewesen und trotz den vielen Schichten, die er übergezogen hatte, fror er ungemein. Er hatte versucht, in Bewegung zu bleiben und sich dadurch warm zu halten, doch das hatte nicht viel genutzt – es war einfach zu kalt. Seine Füße taten weh, seine Hände waren fast taub. Doch er hatte erreicht, was er hatte erledigen wollen – er hatte sogar ein kleines Extra bei sich, als er zur Hütte zurückkehrte. Er machte wegen seiner steifen Finger einiges an Radau, als er das Fallholz, welches er eilig gesammelt hatte, in die Nische zum verbliebenen Brennholz stapelte. Er hatte viele abgefallene Äste und totes Holz gefunden und es gab sogar noch mehr davon. Das war positiv. Doch er wollte so schnell wie möglich wieder in die Wärme des Chalets zurückkehren, denn er hatte einen weiteren Grund, sich zu beeilen. Atsuka folgte Itachi mit ihrem Blick, als er durch die Tür schlüpfte und zur Küchenzeile stapfte, um sein Mitbringsel dort abzulegen. Er ging danach wieder zum Schrank, um sich aus der zusätzlichen Kleidung zu schälen, doch die Aufmerksamkeit der jungen Frau war von dem reglosen Etwas gefesselt. "Du hast gejagt?", fragte sie, während ihr buchstäblich das Wasser im Munde zusammenlief. Da lag ein Hase neben dem Herd. Sein Fell war zerzaust und blutig. Sein Bauch zeigte eine klaffende Wunde – anscheinend hatte Itachi ihn gleich ausgenommen. Der Gedanke an Fleisch ließ ihren Magen vor Aufregung flattern. "Nicht direkt. Das Tier ist mir quasi vor die Füße gelaufen. Die Gelegenheit konnte ich nicht ungenutzt lassen. Holz ist übrigens wieder genug da", erklärte der Schwarzhaarige und wandte sich der kleinen Küche zu. Es war klar, was er nun tun würde: Den Hasen zubereiten. Sie hatten die vielen Tage, die sie nun hier festsaßen, nur vegetarische Mahlzeiten verzehrt, was natürlich in Anbetracht ihrer Situation alles andere als zu bemängeln war. Trotzdem, die Aussicht auf ein Fleischgericht war mehr als verlockend! Und doch, es war etwas anderes, ein Tier selber zu erledigen, oder bei einem Metzger einzukaufen. Itachi stand vor seiner Beute und wirkte etwas unentschlossen. Er hatte während der einen oder anderen Mission schon selber für seine Verpflegung sorgen müssen, doch es war etwas anderes, ein Tier fachgerecht zuzubereiten. So etwas machte man nicht jeden Tag und Itachi war – gelinde gesagt – ungeübt. Er nahm ein Messer vom Küchenschrank und wog es für einen nachdenklichen Moment in seiner Hand. Er wollte es schon ansetzen, da hörte er hinter sich, wie Atsuka unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte. Irgendetwas veranlasste ihn, über seine Schulter zu blicken und so merkte er, wie die Augen der jungen Frau auf ihm lagen. "Ich… ich würde gern helfen. Zu zweit geht es einfacher, denke ich", sagte sie ein wenig zaghaft. Schließlich schaffte sie es jedoch nicht, seinen Augen Stand zu halten und sah zu Boden, einerseits wegen seines geheimen Doujutsu, welches sie fatalerweise schon einmal zu spüren bekommen hatte, andererseits, weil ihre Worte doch etwas tollkühn waren. Denn sie war immer noch gefesselt. Wenn sie Itachi zur Hand gehen wollte, dann bedeutete das nur Eines. "Na gut", war Itachis Antwort und während Atsuka noch kaum glauben konnte, dass er sich so schnell überreden ließ, trat er bereits hinter sie, um das Chakrasiegel der Fesseln zu aufzulösen und diese zu entfernen. Nacheinander fielen die Seile von ihren Handgelenken und ihren Knöcheln. Vor lauter Erstaunen blieb die junge Frau sitzen und rieb sich die Haut an ihren Händen. Sie war frei, endlich! Es kam ihr fast unwirklich vor, dass nur ein paar Worte ausgereicht hatten, um ihren Entführer umzustimmen. Und doch, es gab keinen Grund, sie noch weiter zusammengeschnürt herumsitzen zu lassen. Einerseits konnte sie nicht fliehen, denn sie würde draußen schlicht erfrieren, auch wenn sie den Weg nach Hause kannte. Andererseits, wenn Itachi sie schließlich doch mitnehmen würde, wohin auch immer das war, würde eine steife, bewegungsunfähige Geisel ihn nur behindern. Der zweite Grund war für Atsuka jedoch nicht wichtig. Viel auschlaggebender war, dass sie sich nun endlich wieder würde richtig aufrichten können! "Aua! Verdammt!", stieß sie ungewollt hervor, als sie auf ihre Beine kam und dabei bedrohlich schwankte. Sehnen und Muskeln in ihren Beinen zuckten und rebellierten, ihr Rücken gab ein qualvolles Knacken von sich. Sie konnte gar nicht anders, als über ihre linkischen Bewegungen zu fluchen. Sie sah, wie Itachi amüsiert schmunzelte und fluchte erneut – gleichzeitig errötete sie verlegen, denn es war ihr peinlich, so eine Schwäche zu zeigen. Sie versuchte ihre Unsicherheit zu verbergen, indem sie sich langsam und ausgiebig streckte, diesmal fest entschlossen, keine Miene zu verziehen. Nach einigen Momenten waren ihre Regungen schon wieder weniger unangenehm, sodass sie sich traute, zu dem Schwarzhaarigen zu treten. "Dann wollen wir mal", meinte Atsuka halb zu sich selbst, krempelte ihre Ärmel hoch und packte den Hasen, der so verlockend auf der Küchenzeile lag, bei seinen Hinterläufen. Sie wies Itachi an, wo er schneiden musste, damit man das Fell abziehen konnte, denn sie hatte schon öfters dabei geholfen, Wildbret zuzubereiten. Auf diese Weise ging es ihnen tatsächlich leichter von der Hand und zusammen zerlegten sie das Tier, bis es küchenfertig zerteilt war. "Gibt es hier auch Mehl?", fragte sie und als Itachi bejahte, machte sie sich daran, mit Wasser einen Teig für ein einfaches Brot herzustellen, welches sie im Ofen backen konnten. Außerdem verwendeten sie ein wenig Butterschmalz, um das Fleisch anzubraten. Schon bald breitete sich ein Duft in der Hütte aus, der beinahe mit Leichtigkeit ihre Beherrschung zu brechen drohte: Die Aussicht auf eine so einfache, doch umso reichhaltigere Mahlzeit war fast unerträglich verlockend! Ausnahmsweise waren ihre Tischmanieren entschuldigt, denn als das Essen fertig war, fielen sie regelrecht darüber her. Noch nie hatten sie etwas so schmackhaftes gegessen – so kam es ihnen jedenfalls vor. Sie teilten die Fleischstücke und das Brot gerecht untereinander auf, doch weil Atsuka – nach ihrem kleinen Hungerstreik und der sonst so kargen Kost – solche Mengen nicht gewohnt war, schob sie die Reste ihrer Portion Itachi zu, der sie ohne zu zögern annahm und verspeiste. Nur ein paar Minuten später waren beide vollkommen satt und, Atsuka jedenfalls, müde. Die Schläfrigkeit durchflutete sie mit einem angenehmen, zufriedenstellenden Gefühl, da die Anspannung, die sie seit Tagen fest im Griff gehabt hatte, langsam von ihr abfiel. Sie war frei und konnte sich endlich wieder uneingeschränkt bewegen. Ihre Situation war zwar weiterhin alles andere als ungefährlich, doch die Kraft, über die Zukunft nachzudenken, wollte sie in diesem Moment einfach nicht aufbringen. Außerdem gab es noch etwas zu tun. Die Zubereitung des Hasen hatte die Küche in einen desolaten Zustand versetzt. Überall befanden sich Blut und Fellreste. Pfannen waren fettig. Die Arbeitsfläche war voller Mehl. Das konnte nicht so bleiben, denn sie wohnten im selben Raum und spätestens morgen würde es unangenehm müffeln. Atsuka und Itachi wechselten nur einen kurzen Blick, dann machten sich sie gemeinsam ans Aufräumen. Die Reste kamen kurzerhand vor die Tür. Alles andere wurde abgewischt und gespült. Viel gab es nicht zu tun, umso schneller waren sie also wieder fertig. Plötzlich standen sie da und eine Stille breitete sich aus, die einerseits einvernehmlich, andererseits aber auch belastend war. Unweigerlich hatte sich ihre Position zueinander verändert. Atsuka war die Gefangene gewesen, besiegt und zur Unbeweglichkeit gezwungen, und Itachi ihr Entführer. So, wie sie jetzt auf Augenhöhe neben ihm stand, waren diese Rollen irgendwie aufgelöst, obwohl Beide es besser wussten. Das Kochen hatte sie abgelenkt, jetzt war Atsuka sehr unbehaglich zumute. Plötzlich wollte sie nur noch weg, so weit wie möglich. Und wo war das? "Also ich… Ich gehe mal ins Bad. Mich ein wenig frischmachen. Jetzt kann ich mich ja wieder bewegen, also… Genau", stammelte Atsuka und machte kehrt, um sich in die Nasszelle zu verdrücken. Einer Eingebung folgend öffnete sie erst noch den Schrank, aus dem auch Itachi zuvor einiges an zusätzlicher Kleidung gefunden hatte. Zu ihrer freudigen Überraschung hatte diese Hütte anscheinend sowohl einen männlichen, als auch einen weiblichen Besitzer, denn die Klamotten auf einem zweiten Stapel waren eindeutig für eine Frau zugeschnitten. Mit einem erleichterten Seufzer nahm Atsuka einfach ein paar Sachen mit und sperrte sich im Miniaturbad ein, um ein wenig Privatsphäre zu genießen. Für einen Moment stand sie einfach nur da, atmete tief durch und fuhr sich mit einer erschöpften Gebärde über das Gesicht. Es tat wirklich gut, einen Augenblick für sich alleine zu sein, frei von Fesseln und Blicken. Vierundzwanzig Stunden, tagelang die Anwesenheit einer einzigen Person zu ertragen, war anstrengend und sich endlich einmal gehen zu lassen und sich emotionale Gesten zu erlauben, war befreiend. Doch das Badezimmer sollte nicht nur den Zweck des Loslassens erfüllen. Mehr als eine Katzenwäsche war nicht drin, doch Atsuka hatte die Reinigung dringend nötig. Sie war dreckig, staubig vom Kampf, verschwitzt, mit den Abfällen des Kochens besudelt. Das alles war ihr zwar unangenehm, doch sie hatte ja keine andere Wahl gehabt. Die gemeinsame Zubereitung des Essens war ein Glücksgriff gewesen, so war sie endlich frei gekommen, ohne viel überlegen zu müssen. Dafür konnte sie sich jetzt auch waschen, das hatte sie sich verdient! Wenigstens gab es warmes Wasser und Seife. Eine Dusche wäre Luxus gewesen, der Waschlappen, mit dem sie Vorlieb nehmen musste, war aber auch gut genug. Die Kleidung, die sie gefunden hatte, roch ein wenig muffig, dafür war sie frisch – ein Segen! Und ihre eigenen, alten Sachen würde sie einfach morgen waschen und dann nach draußen hängen, um sie 'gefriertrocknen' zu lassen. Das würde zwar seine Zeit dauern, aber es sah nicht danach aus, dass sie hier so bald wegkommen würden… Zufrieden, erfrischt und wieder einigermaßen unbefangen, kehrte Atsuka wieder in die Stube zurück und fand Itachi auf dem Stuhl sitzen, den sie die ganze Zeit über besetzt hatte. Somit war das Bett frei und der Anblick der Polster und Kissen machte der jungen Frau wieder bewusst, wie erschöpft sie eigentlich war. Für einen Moment lang wollte sie stehen bleiben und fragen, ob sie diese Nacht die Matratze beanspruchen durfte, doch war Itachis aktuelle Position denn nicht deutlich genug? Er hatte freiwillig einen anderen Platz eingenommen und Atsuka war nicht der Meinung, dass er sich plötzlich noch anders entscheiden würde, um sie zu ärgern. Nein, sie musste die Gelegenheit einfach beim Schopf packen. Ihre Lippen pressten sich zusammen und ihre Augen schlossen sich, als ihr Körper auf dem Bett nieder sank. Äußerlich blieb sie stumm, innerlich priesen ihre vom sitzen geschundene Haut und ihre schmerzenden Knochen lautstark den Himmel. Es war wundervoll, nicht mehr das harte Holz, sondern warme, welche Laken unter sich zu spüren! Sie legte sich hin und streckte sich, gleichzeitig wollte sie sich zusammenrollten und ihre Wange gegen den Stoff reiben. Links, rechts, Bauch, Rücken. Jede Liegeposition war einfach herrlich, jeder Muskel schien sich zu entspannen und wieder geschmeidig zu werden. Atsuka wollte nach der Bettdecke greifen, da war plötzlich jede Müdigkeit aus ihren Gliedern verschwunden, weil ihr siedend heiß einfiel, in wessen Bett sie sich hier so genüsslich räkelte – und dass derjenige auch nur zwei Meter neben ihr saß. Schnell kehrte sie Itachi ihre Rückseite zu und versuchte trotzdem, normal weiter zu atmen, während sie mit großen Augen die Wand anstarrte. Wie peinlich! Dabei hatte sie doch nicht zeigen wollen, wie sehr sie sich daran ergötzte, nach gefühlt endlosen Nächten wieder auf einer Matratze zu liegen! Doch ihr Körper konnte einfach nicht verbergen, wie gut es tat, die harte Sitzfläche zu vergessen. Obwohl sie glaubte, nun niemals einschlafen zu können, kroch die Schwere schneller als gedacht wieder in ihren Kopf und so driftete sie irgendwann unaufhaltsam in tiefen Schlummer. So bemerkte sie nicht das leise Schnauben des zweiten Bewohners der Hütte, als er ein vages Lachen aus seiner Nase blies. Er hatte versucht, es sich auf dem Stuhl so gemütlich wie möglich zu machen und hatte so auch die Reaktion seiner 'Mitbewohnerin' mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtet. Schließlich verschränkte er seine Arme vor der Brust und nickte, ohne sich weitere Gedanken zu machen, ebenfalls binnen kurzer Zeit ein. Dritter Akt: Vivace ------------------- Das Zimmer blitzte und funkelte. Jede Ecke, die schon seit Jahren keinem Putzlappen mehr begegnet war, strahlte nun nur so vor Sauberkeit. Staub und Spinnweben waren aus der Hütte verbannt worden, Wasserflecken im Badezimmer gehörten der Vergangenheit an. Das Häuschen sah aus wie neu und nicht so, als wäre sie seit ein paar Wochen dauerhaft bewohnt. Was fing Atsuka mit ihrer neu gewonnen Freiheit an? Putzen. Ihre neue 'Leidenschaft' rührte daher, dass es einfach nichts anderes zu tun gab. Für sie zumindest. Sie war immer noch eine Gefangene, deswegen ließ Itachi sie nicht aus der Hütte, wenn er sich in die eiserne Kälte hinauswagte, um Feuerholz und Nahrung zu besorgen. Wenn sie gewollt hätte, hätte sich die junge Frau davonstehlen können, solange er unterwegs war, doch sie hatte es nicht gewagt. Warum? Erstens war das Wetter weiterhin so lebensfeindlich wie zuvor. Sie kannte sich zwar in dieser Gegend aus, weil dies ihr Heimatland war, doch wusste sich auch, dass es tückisch war, sich auf Gegebenheiten zu verlassen, die während eines milden Winters normal waren. Zwar wurde Yuki no Kuni ab und zu von solchen harten Kälteeinbrüchen heimgesucht, doch das bedeutete nicht, dass so eine Wetterlage zur Routine der hiesigen Bewohner gehörte. Die Menschen zogen sich dann aus ihren Dörfern zurück und suchten Schutz in bestimmten Sammelstellen, die eine nahrungs- und wärmetechnische Versorgung trotz der widrigen Bedingungen aufrechterhalten konnten. Diese Zentren wurden erst in Notsituationen bestimmt und so konnte Atsuka nicht wissen, wo sie in welcher Entfernung auf Schutz und Hilfe stoßen konnte. Zweitens war sie davon überzeugt, dass Itachi alles andere als unvorsichtig geworden war. Er war zwar just in diesem Moment nicht in der Hütte anwesend, während Atsuka Holz im Ofen nachlegte und die alte Asche zusammenkehrte, doch er entfernte sich sicherlich nicht so weit, dass sie aus seiner Reichweite geriet. Sollte ihr Chakra verschwinden, würde er sofort hinter ihr her sein – was auch immer das alles für einen Sinn hatte. Zwar war schon sehr viel Zeit vergangen, doch fragte sich Atsuka doch manchmal immer noch, was an ihr so wichtig war, dass man sie entführen wollte. War das Alles die ganze Mühe wert? Ein Seufzer entfuhr der jungen Frau. Sie hatte nicht gewagt, Itachi nach dem Warum zu fragen. Im Grunde wollte sie auch gar nicht wissen, was die Akatsuki von ihr wollten. Es graute ihr davor, der Wahrheit ins Auge zu sehen und damit allen folgenden Konsequenzen. Selbst jetzt, als Gefangene, ging es ihr besser, als es eigentlich sein durfte. Sie konnte sich jedenfalls nicht beschweren. Es gab – noch genug – zu essen und reichlich zu trinken, es war warm und sie konnte sich weitestgehend frei bewegen. Das Wetter machte keine Anstalten, seine Meinung zu der aktuellen Lage zu ändern, und die eisigen Temperaturen zeigten ihrer Situation regelrecht die kalte Schulter. Sie fühlte sich in diesem Moment und die meiste Zeit alles andere als bedroht. Vielleicht verschloss sie nur ihre Augen vor der ihr bevorstehenden Gefahr, doch sie wollte einfach nicht darüber nachdenken, was sie erwarten 'könnte'… Nachdem Atsuka den Ofen neu beheizt hatte und die Überreste des vorausgegangenen Feuers aufgefegt hatte, ging sie mit der Kehrschaufel vor die Tür, um die Asche zu entsorgen. Wenigstens ein paar Schritte durfte sie nach draußen tun, entlang der Traufe, die ein paar Zentimeter weit über die Hauswand ragte und so einen natürlichen schmalen Korridor schuf, der vom heftigen Schnellfall verschont worden war. Unter der Dachkante konnte man daher bequem entlanggehen und so hatte Atsuka dort eine Leine aufgehängt, auf der seit gestern ihre Wäsche hing. Ja, Wäsche. Warmes Wasser und Seife hatten sie da, und Wäsche bei Minusgraden und trockener Zugluft draußen zu trocknen war ein einfaches und wirkungsvolles Prinzip. Bei den vorherrschenden Temperaturen weit jenseits unter der Null funktionierte das Gefriertrocknen besonders gut, so hatte die junge Frau wenigstens etwas Frisches zum Anziehen. Itachi hatte es ihr bereits nachgemacht – und so saßen sie zwar weiter fest im Nirgendwo, doch sie hatten saubere Kleidung! Was wünschte man sich mehr? Atsuka lachte leise, während sie sich sputete, ihre Anziehsachen abzuhängen und wieder in die Hütte zu kommen, denn nur nach zwei Minuten froh sie schon erbärmlich. Sie schlüpfte bibbernd durch die Tür und ging zum Wandschrank, um ihre Kleidungsstücke zu verstauen – als sie draußen einen dumpfen Aufprall vernahm und Itachi sogleich eintreten hörte. Sie drehte sich um und hob verwundet die Augenbrauen, als sie sah, wie der Schwarzhaarige entgegen seiner sonstigen Praxis die Stube mit schneeverkrusteten Schuhen und verschneiter Kleidung betrat. Polternd ließ er seine gesammelten, zurecht gehackten Holzscheite auf den Boden fallen und ließ auch seine Jagdbeute – diesmal ein magerer Fasan – achtlos liegen. Umständlich begann er, sich aus seinem dicken Anorak zu schälen und wirkte dabei mehr als ungelenk, als würde ihn etwas bei seiner Bewegung behindern. Auch der Mantel landete schließlich unbeachtet auf den Dielen. Ein Schritt und Itachi war im Bad verschwunden – und Atsuka blickte nur verwundert hin und her. Was war passiert? Sie fragte sich wirklich, was den jungen Mann so aufgekratzt hatte, dass er sich plötzlich so seltsam verhielt. Dass er so ein Chaos hinterließ, sah ihm gar nicht ähnlich. Nur kurz dachte Atsuka darüber nach, an der Tür zu klopfen und zu fragen, ob alles in Ordnung war, doch den Gedanken verwarf sie schnell wieder. Sie hatte Itachi in den letzten Tagen als ausgeglichene, wortkarge Person kennengelernt und sie glaubte nicht, dass er sich nun überschwänglich mitteilen würde, nur weil ihn etwas umtrieb. Deshalb zuckte sie mit den Schultern und begann gleichmütig damit, das Durcheinander zu beseitigen. Trotzdem kam sie nicht umhin, die merkwürdige Szene von vor ein paar Minuten noch einmal zu rekapitulieren. Was hatte Itachi gemacht? Er hatte all seine Mitbringsel schnell loswerden wollen. Gerade das Ausziehen seiner wärmenden Kleidung hatte so ausgesehen, als wollte er alles abschütteln, was ihn stören könnte. Stören? Ja, er hatte seinen rechten Arm auf ungewöhnliche Weise von sich gestreckt, während er sich von den Ärmeln befreit hatte. Schmerzte ihn sein Ellenbogen? Nein, das konnte nicht sein, denn erstens hatte Atsuka damals seine linke Seite verletzt und zweitens war auch diese Prellung mittlerweile wieder verheilt. War ihm auf der Jagd etwas zugestoßen? Leicht schüttelte die junge Frau ihren Kopf. Machte sie sich etwa Sorgen? Um ihren Entführer? Es war zwar widersinnig, doch anstatt Schadenfreude zu empfinden, kam ihr nichts dergleichen in den Sinn. Wie vorhin schon gedacht, sie fühlte sich einfach nicht wie eine Gefangene, nicht, seitdem sie sich frei bewegen und ab und zu auch das Bett benutzen durfte. Daran trug eindeutig auch Itachi Schuld, denn er behandelte sie nicht wie ein Häftling. Eigentlich war er auch ein recht angenehmer Zimmergenosse, der zwar nicht viel redete, doch seine Manieren und sein Sinn für Pflicht und Reinlichkeit machten das 'Zusammenleben' mehr als erträglich. Atsuka konnte sich nicht beschweren, er sorgte trotz Eiseskälte für Feuerholz und erweiterte durch seine Jagderfolge ihren Speiseplan erheblich. Unter diesen Umständen konnte man komfortabler nicht leben und so wunderte sie sich schon, was geschehen war. Sie stapelte das Feuerholz bei der Eingangstür, räumte den Mantel in den Kleiderschrank und nahm sich den Fasan vor. Viel Fleisch war an dem Tier leider nicht dran, doch was erwartete man zu dieser Jahreszeit auch? Sowohl für Mensch als auch für Tier gab es draußen nicht viel zu holen, besonders, wenn der Winter beschlossen hatte, die Welt in einen weißen Eisklumpen zu verwandeln. Und doch half ihnen selbst die kleinste Portion Fleisch, ihre anderen Vorräte zu sparen und deshalb war Atsuka dankbar für die Extramahlzeit. Sie legte das bereits ausgenommene Tier auf die Küchenzeile, um damit zu beginnen, den Vogel zu rupfen, doch sie hörte Geräusche, die aus dem Bad kamen. Itachi stolperte aus der Tür und sah frustriert aus, was Atsuka veranlasste, von ihrem Vorhaben abzulassen. Der Schwarzhaarige wirkte rastlos, als wollte er etwas tun, was sich für ihn jedoch nicht so einfach gestaltete. So machte Atsuka eine fragende Geste, denn ihr Gegenüber sah aus, als würde er sich plötzlich mitteilen wollen. "Beim Holzhacken. Der Fasan hat mich abgelenkt. Habe daneben geschlagen und mir Splitter eingezogen", sagte er stockend und es war hörbar, dass ihm die Worte schwer über die Lippen kamen. Beim genaueren Hinsehen bemerkte Atsuka, dass Itachi eine Pinzette in seiner linken Hand hielt, mit der er wohl versucht hatte, sich selber zu verarzten. Offensichtlich war ihm das nicht gelungen – und es schien auch äußerst schmerzhaft zu sein, denn hätte er sich sonst so einfach offenbart? "Lass mich Deine Hand ansehen", sagte die junge Frau nur, ohne einen wertenden Kommentar abzugeben, denn sie konnte sich vorstellen, dass alles andere dazu führen würde, Itachi abblocken zu lassen. Er brauchte anscheinend Hilfe und sie sah keinen Grund, ihm diese zu verwehren. Sie deutete auf das Bett, denn es gab nur einen Stuhl und im Stehen konnte sie sich die Verletzung schlecht ansehen. Itachi nickte und bewegte sich langsam, um sich zu setzen. Atsuka tat es ihm nach, gesellte sich zu ihm und streckte ihre Hände aus, um die Seine in Empfang zu nehmen. Was sie sah, war ein kleines, blutiges Durcheinander. Die äußere Kante seiner rechten Hand war wohl im falschen Winkel auf einen Holzscheit aufgekommen und er war unglücklich abgerutscht, was ihm diese Sammlung an Mini-Zahnstochern in seiner Haut beschert hatte. Was er getan hatte? Holz zerkleinern. Es gab in der Hütte zwar eine dafür vorgesehene Axt, doch war es Itachi zu umständlich gewesen, diese jedes Mal mitzuschleppen, wenn er doch seine Kraft einsetzen konnte, um Brennmaterial für ihren Ofen zu zerteilen. Bisher hatte es auch ohne Probleme geklappt. Bisher. Dieses Mal war er während der Arbeit ins Grübeln gekommen. Über ihre Situation. Das weitere Vorgehen. Was, wenn die Vorräte tatsächlich zur Neige gingen? Wenn das Wetter sich weiter nicht besserte? Tatsächlich machte er sich wegen seiner 'Gefangenen' keine Sorgen. Sie hatte natürlich aufgemuckt, solange er sie wahrhaftig ihrer Freiheit beraubt hatte, doch seitdem sie ebenbürtig Seite an Seite lebten, zeigte sie nicht, dass sie sich unwohl fühlte. Das färbte auf ihn ab. Atsuka hatte sich auf eine geerdete Weise mit ihrer Lage abgefunden und ihm ging es genauso. Deshalb war es eher seine Sorge, wie er sich verhalten sollte, wenn sich ein Parameter dieses Gleichgewichts ändern sollte. Pain hatte sich schon seit ein paar Tagen nicht gemeldet und auch davor war der Kontakt nur sporadisch gewesen. Hatte der Anführer der Akatsuki einen Meteorologen zur aktuellen Wetterlage in Yuki no Kuni befragt? Sah die Prognose so schlecht aus, dass er keinen Anlass sah, entsprechende Anweisungen für den Fall der Fälle zu geben? Jedenfalls waren seine Gedanken gerade um diese Dinge gekreist, da war in seiner unmittelbaren Nähe ein Fasan aus dem Dickicht gestoben. Im selben Moment hatte er seine Hand niedersausen lassen und das unerwartete Geräusch – niemand verirrte sich bei dieser gnadenlosen Kälte in die Wildnis! – hatte ihn zusammenzucken lassen. Dadurch hatte er seinen Schlag abgebremst und war geradewegs mit der Handkante an dem bereits gespaltenen, rau aufgebrochenen Holz entlanggeschrammt. Die sich schmerzhaft in seine Haut bohrenden Fasern hatten ihn zwar innehalten lassen, doch sein Instinkt war trotzdem ungebrochen geblieben. Ein rascher Haken und zwei große Schritte, und den Vogel hatte das unausweichliche Schicksal ereilt, in der Pfanne zu landen. Wie mechanisch hatte Itachi das Tier anschließend ausgenommen und das zuvor gehackte Holz aufgesammelt, obwohl er gehandicapt gewesen war. So richtig hatte er das unangenehm scharfe Pochen in seiner Hand erst gespürt, als er schon fast bei der Hütte angekommen war. Das Bedürfnis, die Splitter loszuwerden, hatte ihn urplötzlich beinahe übermannt, weswegen er alles stehen und liegen gelassen hatte, nachdem er das Häuschen betreten hatte. Doch schnell war er zu der Erkenntnis gekommen, dass er allein nicht erfolgreich sein würde. Und nun saß er hier. Wie die junge Frau neben ihm seine Hand hielt, wie sie ihm die Pinzette abnahm und konzentriert auf seine Wunde blickte – all das war nicht unangenehm. Auf einmal waren die Schmerzen nicht mehr vordergründig, sondern fühlten sich nur noch wie etwas Fremdartiges an, das nicht da sein sollte. Ohne weitere Worte hantierte Atsuka mit der Federzange und selbst das Entfernen der Holzteilchen ließen ihn nicht einmal zucken. Nein, im Gegenteil, die Tat, das leichte ziehen und pieksen, wirkte regelrecht befreiend. Selbst als die Schwarzhaarige die Stirn runzelte, aufstand und mit einer Nähnadel zurückkam, protestierte Itachi nicht. Einige Fragmente waren so tief in seine Haut eingedrungen, dass sie mit der Pinzette nicht zu fassen waren, weswegen Atsuka versuchen musste, sie vorsichtig mit der spitzen Nadel heraus zu pulen. Schweigend beobachtete er sie dabei und was während der wenigen Minuten, die diese Prozedur dauerte, mit ihm geschah, wurde intensiver und intensiver. Denn er erinnerte sich wiederum, er erinnerte sich an ein Geschehnis von vor mehreren Tagen, das beinahe dasselbe Empfinden in ihm ausgelöst hatte, wie jetzt. Während Atsuka versuchte, so sorgfältig wie möglich zu arbeiten, entging es ihr nicht, wie sehr sich Itachi wieder entspannte. Er war absolut zerstreut gewesen, als sie mit der Behandlung begonnen hatte, jetzt schien er in sich zu ruhen, als würde er meditieren. Sie spürte seinen Blick, mit dem er ihr Verarzten beobachtete, doch sie erwiderte ihn nicht, sondern versuchte, jeden Splitter zu finden und zu entfernen. Zum Glück saßen die kleinen Holzteile nicht allzu tief, deshalb kam sie gut voran – und stutzte plötzlich. Etwas weiter, am proximalen Ende seines Handgelenks war etwas, was wie eine kleine Wunde aussah, jedoch schon fast verheilt war. Die kleinen Narben stammten nicht von der aktuellen Verletzung, außerdem waren die Male seltsam regelmäßig angeordnet. Da durchfuhr sie die Erkenntnis wie ein Blitz und sie hob schließlich doch den Blick – eine fatale Entscheidung. Da war etwas in Itachis Augen, das sie wiedererkannte. Er schien nicht verbergen zu können, dass die vorherige Apathie nun etwas anderes in ihm aufdeckte, das sonst nie an die Oberfläche kam. Es hatte mit den Schmerzen zu tun. Nicht generell, sondern Schmerz in einer bestimmten Situation. Eigentlich war die Bezeichnung in diesem Zusammenhang nicht richtig. Ja, es tat weh, aber das Gefühl war willkommen. Er konnte an einer Hand die Gelegenheiten abzählen, in denen ihm so etwas passiert war und die ersten Male hatte er sich geweigert anzuerkennen, dass es ihm gefiel. Doch die Sensation machte süchtig. Und es spiegelte sich in den Augen der Schwarzhaarigen, dass es sie in den Bann zog, ihm anzusehen, dass er sich für etwas öffnete, das durch etwas ganz Banales ausgelöst wurde. Atsukas Aufmerksamkeit wandte sich wieder Itachis Hand zu und ein Kampf entbrannte in ihr, der sie im Gegensatz zu Itachi, der vollkommen entspannt war, absolut kribbelig werden ließ. Er wirkte erwartend, alles andere als abweisend, wie sonst. Sie hatte sich nur darauf fokussiert, seine Wunde zu verarzten und hatte daher auf nichts anderes geachtet. Jetzt wurde ihr einiges klar. Ein paar Zentimeter unter den Einstichen der Holzsplitter waren die Male ihrer Zähne zu sehen, dort, wo sie ihn gebissen hatte, nachdem er sie zu Beginn ihres Aufenthalts in der Hütte hatte zum Essen zwingen wollen. Die Erinnerung jagte ihr einen Schauder über den Rücken. Seine Reaktion damals war sehr viel anders ausgefallen, als erwartet – und die Reminiszenz an den Ausdruck seines Gesichts ließ sie hochfahren. "Die Wunde sollte noch desinfiziert werden, ich werde schnell-", begann Atsuka, mit dem Ziel, ins Badezimmer zu entfliehen, doch mit einem bestimmten Ruck wurde sie wieder zurück auf ihren Platz befördert. "Bleib", raunte Itachi und seine Stimme war tief und samtig, schlängelte sich in ihr Ohr wie ein wendiges Reptil. Seine Worte bewirkten etwas, was sie wieder an den Anfang ihres Zusammentreffens zurückbrachte – sie wurde wieder zur Gegangenen. Vielleicht hätte sie noch einmal aufstehen und darauf bestehen können, seine Hand fertig zu behandeln, dann wäre der Bann vielleicht gebrochen worden, doch ihre Beine fühlten sich wie gefesselt, nur ohne Zuhilfenahme von Seilen. So konnte sie nur zusehen, wie Itachi seine Hand hob, sie ihr regelrecht präsentierte. "Tu es nochmal", sagte er und es gelang der Schwarzhaarigen kaum, das Erzittern zu unterdrücken, dass ihren Körper durchfuhr. Sie spürte den Drang, sich zu winden, sich in den Empfindungen zu aalen, die plötzlich in der Luft lagen. Die Widersinnigkeit des Moments schien sie zu zerreißen, nie wollte sie so sehr an einem Ort und gleichzeitig tausende Kilometer weit davon entfernt sein. Sie konnte sich noch genau entsinnen, was passiert war, als sie Itachi das letzte Mal gebissen hatte, und ein Teil von ihr wollte es wieder erleben, während ein Anderer sie warnend abzuhalten versuchte. Doch warum nicht? Hatte sie etwas zu verlieren? So ungewiss und zähflüssig, wie die Zeit über die ganzen Tage lang verstrichen war, kam da ein wenig Spannung und Abwechslung nicht gerade recht? Für einen Augenblick schloss Atsuka ihre Augen und versuchte sich klarzumachen, was sie wirklich empfand und ob sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte. Sie war kein Typ für unüberlegte Abenteuer, doch in den vergangenen Wochen hatte sie jemanden kennengelernt, vor dem sie zwar gehörigen Respekt hatte, der jedoch durch seine immer aufmerksame Attitüde und durch seine dadurch immer präsente Beachtung ihrer selbst, ein sehr intensives Bild von sich hinterlassen hatte. Denn auch sie hatte ihn zu genüge beobachtet, seine Mimik studiert, seine Bewegungen und sein Verhalten analysiert und sie war zu dem Schluss gekommen, keine Angst haben zu wollen, sondern sich wohl zu fühlen, so wohl es ging. Und sie fühlte sich gut, seitdem sich eine Art kleiner Alltag eingestellt hatte. Also warum diesen Alltag nicht durch etwas bereichern, das sie sich in diesem Moment so mit niemand anderem als Itachi vorstellen konnte? Und so waren es nur ein paar Sekunden, die über alles oder nichts entschieden. Itachi lehnte sich langsam – auffordernd – näher zu ihr, doch sie brauchte diesen Impuls nicht mehr. Sie senkte ihren Kopf und als ihr Mund die Haut des Schwarzhaarigen berührte, waren alle ihre Sinne nur noch darauf fokussiert, MEHR zu fühlen. Sie konnte hören, wie Itachis Atem kurz stockte, dann schneller ging, sie spürte seinen kräftigen Puls gegen ihre Lippen, roch Nuancen von Schweiß und Pheromonen. Sie hauchte ihren eigenen Atem sacht über sein Handgelenk, merkte, wie er neben ihr erschauderte. Öffnete ihren Mund mehr, bis sie den kleinen abstehenden Handwurzelknochen spürte, mit ihren Zähnen darüber fuhr – und unbeholfen zubiss. Itachi entfuhr ein dumpfes Ächzen, als seine Nerven erglühten, doch viel zu schnell wieder abkühlten, um seine aufflammende Begierde zu erfüllen. "Mehr", insistierte er und nutzte seine andere Hand, um Atsukas Gesicht in seine Richtung zu drehen. Er sah ihre nun leicht geweiteten Augen, die umwölkt waren von starker Neugier, nagender Unentschlossenheit und sinnlichem Sehnen. Er konnte den inneren Sturm, der in ihr tobte, regelrecht nachvollziehen, denn eigentlich war er auch nicht der Typ, so vorwitzig zu agieren. Ganz weit hinten in seinem Bewusstsein kauerte seine sonst omnipräsente Vorsicht, momentan jedoch verdrängt von unbändiger Erregung, die wie ein ungeduldig wütendes Tier aus seinem Käfig ausbrechen wollte. Er wusste, er war kurz davor, die Kontrolle über sein rationales Denken abzugeben und er war schon so weit, dass er es willig geschehen lassen wollte. Er bedurfte nur noch eines einigen Schrittes. Itachi strahlte so viel an Ruhe aus und gleichzeitig wirkten seine Worte wie eine inbrünstige, viel versprechende Aufforderung auf Atsuka, dass sie mit einem entschlossenen Atemzug Luft in ihre Lungen sog, den Blick erneut senkte und ihre Zähne diesmal kühn und tief in der Haut seines Handgelenks versenkte. Ohne Zurückhaltung, ohne Vorsicht. Ihre Tat gab ihr Recht. Natürlich verletzte sie ihn dadurch nicht wirklich, doch der kräftige Biss reichte aus, um das leichte Prickeln von metallisch schmeckendem Blut auf ihre Geschmacksknospen zu übertragen. Doch nicht nur die geschmackliche Sensation berauschte sie auf der Stelle, auch das Stöhnen, dass endgültig Itachis Mund entwich, war Antwort genug auf alle Fragen, die noch in ihrem Verstand gegeistert waren. Itachi versteifte sich, doch sein Kopf fiel nach hinten, als es in ihm explodierte und eine wilde Begierde entfesselte, die sein nachdenkliches Wesen endgültig wegsperrte. Kaum hatte Atsuka wie benommen von ihm abgelassen, da hatte er sie gepackt, sie an sich gezogen, ihre Lippen gegen seine gedrückt. Er nahm einen Hauch seines eigenen Blutes an ihrem Mund wahr. Die Sensation, die ihr Biss ausgelöst hatte, flutete durch seinen ganzen Körper. Er wollte mehr, mehr schmecken, mehr fühlen. Atsuka zuckte kurz, als hätten ihre Nerven den Impuls so schnell nicht verarbeiten können, doch umfassten ihre Hände dann wie besitzergreifend sein Gesicht, um Halt zu finden, um sich ihm entgegenstrecken zu können. Itachi nahm den von ihr feilgebotenen Kontakt nur zu begierig an. Er ließ sich nach hinten auf die Matratze fallen, zog Atsuka mit sich mit, sodass sie sich bald auf ihm räkelte wie eine geschmeidige Katze. Ihr Kuss war so nachdrücklich und inständig, dass es den Nachhall der absichtlich herbeigeführten Verletzung so sehr verstärkte, dass es ihn aus seiner vormals kühlen Ruhe katapultierte. Die Schwarzhaarige hatte seine Beherrschung die vielen Tage über mit ihrer Willenskraft, ihren scharfen Blicken und einfach mit ihrer positiven Präsenz fast mühelos unterwandert, sodass er nicht mehr anders konnte, als sie unendlich stark zu begehren. Es genügte ihm nicht mehr, Atsukas Gewicht nur auf sich zu spüren, er wollte ihre Wärme, ihre Haut fühlen. Deswegen rollte er sich mit ihr zusammen auf die Seite, stützte sich neben ihr auf, hievte sich in die Höhe, sodass sie unter ihm auf ihren Rücken rutschte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in flatternd schnellem Auf und Ab, während sie ihn weiterhin wie fasziniert anstarrte. Dieser Sinneswandel! Natürlich auch bei ihr, doch vor allem in dem dauerhaft stoisch verschwiegenen Itachi! Er war wie ausgewechselt, als hätte ein anderes, sonst gut verborgenes Ich von ihm Besitz ergriffen. Und trotzdem war sie nicht abgeschreckt, denn in seiner tastenden Annäherung, in seiner samtigen Stimme, seinen kurzen Worten, seinen forschenden Augen war er immer noch derselbe. Er registrierte Atsukas beinahe ehrfürchtigen, devoten Blick mit einem Schmunzeln, welches ihr Innerstes in Flammen setzte und sie auf die nächste Ebene der Verwegenheit katapultierte. "Mein Biss… Es hat Dir also gefallen?", fragte sie neckisch, ihre Stimme dunkel von dem Tiefenrausch der Erregung, denn sein besitzergreifender Kuss und der feste Griff seiner Arme vernebelten ihren Verstand. Ihre Worte schienen nur langsam in Itachi zu sickern, denn er hielt kurz inne und seine Augen zuckten zu seiner Hand, als müsste er sich erinnern, wie er in diese Situation gekommen war. Doch als seine Aufmerksamkeit wieder zurück zu der unter ihm liegenden Schwarzhaarigen fiel, waren seine Lider schwer und sein Blick prickelnd provokativ. "Du warst eine böse Gefangene, Dein Ungehorsam wird Folgen haben", sagte er verschmitzt und in seiner Stimme lag so viel unausgesprochenes, doch gleichzeitig sagten seine Gesten alles, als er mit seinen Händen über ihren Körper fuhr. Atsuka erbebte. Sie war gefangen in einem Strudel aus all den neuen Empfindungen, die sich gegenseitig nur noch zu verstärken schienen. Es war für sie nur die einige wahre und richtige Folgerung, die diese Situation nun rechtfertigte: Es hatte sich schon von Anfang an angebahnt und war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Knoten platzte. Die eisige und doch aufgeladene Stimmung während der ersten Tage in der Hütte, ihr danach fast harmonisches miteinander auskommen, ihr routineartiges Zusammenleben in der alles anderen als normalen Situation. Etwas hielt sie zusammen, das ihn nicht zum Handeln veranlasste und sie nicht zur Flucht trieb. Eine zufällige Begegnung, ein einsamer Ort. Keine andere Beschäftigung, als sich abwechselnd zu mustern und zu beobachten. Doch die Möglichkeiten des gegenseitigen Studiums waren noch längst nicht ausgeschöpft gewesen – das änderte sich jetzt. Kleidungsstück um Kleidungsstück wurde dem Boden anvertraut. Der Ofen heizte den Raum wie gewohnt, doch die Hitze schien plötzlich ins Unermessliche zu steigen. Trotzdem gab es nichts Berauschenderes wie gegeneinander gleitende, nackte Haut, erregtes Keuchen, ekstatisches Stöhnen. Jede Berührung eine neue Erfahrung und trotzdem vertraut und ersehnt. Sie lagen einander in den Armen, verschlungen, gemeinsame Höhen erklimmend, die sie sonst nie erreicht hätten. Itachi erlebte alles wie in einer Wolke aus Dunst, inmitten derer er trotzdem die Quelle seiner Lust kristallklar vor Augen hatte. Er war sich seiner Tat vollkommen bewusst, war sich seines Wesens bewusst, seiner eigentlichen Natur. Gerade deshalb war jedes Gefühl so stark, jede Berührung so intensiv wie nichts anderes, was er in letzter Zeit erlebt hatte. Zu sehen, wie Atsuka reagierte, wenn seine Finger über ihren Körper glitten, war unbeschreiblich. Ihre glühende Haut unter seiner Hand, ihre seidigen Haare, ihre ungestümen Laute aus ihrem köstlichen Mund. Er nahm genauso viel, wie er gab. Auch für Atsuka war dies eine Erfahrung, die ihr ganzes Denken einnahm. Kein vergleichbares Erlebnis war es wert, daran zu denken, sodass es nichts auf der Welt gab, was auch nur einen winzigen Gedanken von Itachi lenken konnte. Er fegte mit seiner ungezügelten Annäherung und seinen flammenden Blicken über sie hinweg und nahm sie ganz in seinen Besitz. Zeit blieb stehen und rauschte atemberaubend schnell vorbei. Sie wurden nicht müde, den anderen zu berühren, ihre Lippen miteinander zu verschließen, sich zu vereinen. Als ob sie der Tat frönen wollten, die sie in diese Lage versetzt hatte, übersäte Atsuka Itachis Haut mit kleinen neckischen und ekstatisch unkontrollierten Bissen, seine Hand, aber auch seinen Hals, seinen Nacken und seine Brust, sodass sie trotz ihrer immens starken Erregung in immer größere Höhen geschleudert wurden. Was für Itachi jedes Mal einer glühenden Eruption gleichkam, nahm Atsuka gleichermaßen mit, denn nur sie profitierte von den Taten des wie Lava glühenden Schwarzhaarigen: Bedächtig, doch unaufhaltsam und mitreißend in seiner Eroberung. Und als es unmöglich wurde, noch einen klaren Gedanken zu fassen, da war der letzte Gipfel ein Ort der Vollkommenheit von Geist und Körper, als hätte es nie etwas vergleichbar Vollkommenes gegeben. Das Bett war schmal, doch als sie nebeneinander zur Ruhe kamen, brauchten sie nicht mehr Platz zum Liegen. Sein Kinn auf ihrem Haar, ihre Stirn an seiner Brust, wortlos umarmt. Die Stimme des Moments sprach dafür laut genug. Gegenseitiges Einvernehmen konnte nicht lauter sein, ebenso wie die fast greifbare Zufriedenheit. Und doch dominierte die Zwanglosigkeit diesen Augenblick, das Gefühl, alles von sich offenbart zu haben und es mit keiner Sekunde zu bereuen. Dieser Ort schien zu etwas zu schrumpfen, einem Mikrokosmos voller Erinnerungen und Empfindungen, der keinem anderen Zweck zu dienen schien. Ein Blick in die Augen des anderen garantierte ihnen eine höhere Erkenntnis und ein stilles Versprechen und so war Sorglosigkeit alles, was ihre Köpfe durchflutete, als sie die Realität hinter sich ließen und trotzdem im Traum miteinander verbunden blieben. -- Dampfende Wölkchen kräuselten sich um ihre Nase, während sie atmete. Sie erkannte die Gegend kaum wieder, doch es war er Anblick von seltener Schönheit. Der Schnee hatte aus der Landschaft eine Welt ohne Ecken und Kanten erschaffen, künstliche Hochhäuser aus Firn und Eis. Die Schneedecke glitzerte makellos und erweckte den Eindruck einer schweren, mit Silberfäden durchwirkten Wolldecke, die in sanften Wogen alles unter sich begraben hatte. Jedes Geräusch klang wie verschluckt und ein stetes Knacken und Knistern erfüllte die Luft. Kein vertrauter Klang drang an ihr Ohr, als wäre das Leben vollständig zum Erliegen gekommen. Doch es gab untrügerische Anzeichen, dass alles seinen gewohnten Gang ging – nur anders, als sonst. -- Er rieb sich die Hände, sodass langsam wieder Gefühl in seine Finger kam. Der Winter hatte seine Fühler so weit ausgestreckt, dass der halbe Kontinent eine gefühlte Eiszeit durchlebte. Landstriche, die sonst nie Schnee sahen, waren von einer Schneeschicht bedeckt, an der vor allem Kinder ihre helle Freude hatten. Anderen Orten bescherte der Kälteeinbruch massive Ernteschäden, doch niemand konnte sich erklären, wie es zu diesem Wetterphänomen gekommen war und was das zu bedeuten hatte. Ihm jedoch war das herzlich egal. Wichtig war nur, dass er endlich wieder im Trockenen und Warmen war – und doch ließ man ihn warten, was ihn alles andere als froh stimmte. -- Es waren Wege in den Schnee gegraben worden und die Schneisen durchzogen die perfekte weiße Decke wie hässliche chaotische Linien. Die Ansicht missfiel ihr im ersten Moment, doch dann wurde ihr die Notwendigkeit dessen bewusst und sie beeilte sich, dorthin zu kommen, wobei sie selber ihre Spuren im Gestöber hinterließ. Sie folgte dem plattgetretenem, etwas rutschigem Weg, bis sie eine Art Eingang erreichte, gemauert und gestützt von Eisblöcken, wie bei einem Iglu – und tauchte ein in eine gespenstisch leuchtende Welt, die vom Tageslicht nur durch dicke Schneeschichten erreicht und deshalb mit Lampen und Leuchten erhellt werden musste. Zuerst schien alles verlassen, doch dann regte sich etwas. -- Die Ruhe machte den Eindruck, als wäre auch hier alles kräftig durchgekühlt worden. Seltsam einsam wirkte alles, kaum eine bekannte Präsenz war auszumachen. Er machte sich auf den Weg, die vertrauten Gänge entlang. Wenn ihn niemand empfangen wollte, dann musste er selber Nägel mit Köpfen machen, bevor er sich noch die Beine in den Bauch stand. Denn eben diese schmerzten, von der Kälte, von der langen Reise. Je näher er seinem Ziel kam, desto bewusster wurde ihm, dass ihm niemand entgegen kam, weil ihn auch niemand erwartete. Als er die Tür schließlich erreicht hatte, die er hatte aufsuchen wollen, klopfte er an und trat ohne Aufforderung ein. -- "Atsuka! Wo warst Du? Wir haben uns Sorgen gemacht!" -- "Itachi. Hast Du es also endlich geschafft. Wurde auch Zeit." -- "Tut mir leid, ich bin in eine sehr missliche Lage geraten und konnte niemanden kontaktieren. Aber es geht mir gut", antwortete die junge Frau lächelnd auf die fürsorglich bange Frage einer älteren Dame aus ihrem Heimatdorf, die gerade auf die behelfsmäßige Straße des unter Schneemassen begrabenen Örtchens getreten war. Dankbar folgte sie der winkenden Geste, die ihr bedeutete, das Haus zu betreten, um sich zu wärmen. Kurz warf sie einen Blick hinter ihre Schulter, hinaus in die weiße Wüste, aus der sie nach Wochen der Isolation gekommen war und schmunzelte kurz. Sie fühlte sich gut, schaute gern und ohne Wehmut zurück. Doch dann gab sie sich einen Ruck und schloss sich der Frau schließlich an, um sich nach allen Regeln der Kunst mütterlich umsorgen zu lassen. -- "Ich habe immerzu Bericht erstattet, dass ich nicht eher aufbrechen konnte", erwiderte der Schwarzhaarige und sah Pain, den Anführer der Akatsuki, nachdenklich nicken. Er schien zu verstehen und trotzdem noch nicht zufrieden zu sein. Pains Blick schweifte ab und fokussierte nicht Itachi selbst, doch die Tür hinter ihm. Als würde er noch jemanden erwarten. Doch da war niemand und es würde auch niemand kommen. "Ich musste alleine abreisen. Die Vorräte gingen aus und die Gefangene hat es nicht geschafft", fügte Itachi schließlich hinzu, obwohl er nicht zu einer Erklärung aufgefordert worden war. Stumm nahm Pain dies zu Kenntnis, wodurch der Schwarzhaarige die Audienz als beendet interpretierte. So verließ er den Raum wieder, froh, diese Angelegenheit endlich geklärt zu haben. Er verharrte kurz, seine Gedanken wanderten für einen Moment davon. Er musste schmunzeln. Er fühlte sich gut, ließ die Erinnerung kurz aufleben, tat dies ohne Reue. Doch dann kam er wieder in Bewegung, um sich in seinem Quartier endlich wieder unter eine richtige Dusche zu stellen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)