Ich wette, du liebst mich! von Cheytuna ================================================================================ Kapitel 1: Das Angebot ---------------------- Kapitel 1 „Vielen Dank, für die Aufmerksamkeit!“ Mit diesen Worten beendete ich Christians und mein Referat und die ersten Zuhörer klopften mit ihren Fingerknöcheln auf die Tischplatte vor ihnen. Dies ließ auch weitere Studenten aufhorchen, die ein wenig später ihre Anerkennung durch die gleiche Geste zeigten. Unser Vortrag musste sie doch sehr interessiert haben, doch ich konnte sie verstehen, denn spannend war das Thema wirklich nicht gewesen. Nach einem kurzen Blick zu unserer Dozentin, welche uns lächelnd zunickte und sich dann wieder ihren Notizen widmete, womit sie uns zeigte, dass sie dem Ganzen nichts hinzuzufügen hatte, nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, dass Christian die Präsentation auf dem Laptop schloss und den USB-Stick, auf welchem sich die entsprechende Datei befand, aus dem Port zog. Kurz lächelten wir uns zu und ich konnte ihm ansehen, dass auch er eine gewisse Erleichterung nach diesem Vortrag empfand. Gemeinsam gingen wir zurück zu unseren Sitzplätzen, wobei Christian weiter hinten im Raum bei seinen Kumpels saß, welche ihn auch gleich mit Handschlag bei sich begrüßten. Meine Rückkehr zu einem der Stühle in den ersten Reihen verlief dagegen wesentlich ruhiger. Ein paar lächelnde Gesichter begrüßten mich und Isabel, die neben mir saß, lehnte sich sofort leicht zu mir, als ich mich setzte. „Nun brauchst du dich nur noch zurücklehnen und dir die letzten Vorträge anhören“, sprach sie leise zu mir und hatte absolut recht damit. Mir war klar, dass das zwar nicht sonderlich spannend werden würde, doch zog ich dies allemal lieber vor, als noch einige Präsentationen abwarten zu müssen, bevor dann endlich wir dran kamen. Das war unsere letzte Vorleistung vor der Prüfungsphase gewesen und ich musste zugeben, dass ich nicht damit gerechnet hatte, dass diese so gut laufen würde. Anonym hatten wir uns ein Thema aussuchen müssen. Diejenigen, die das gleiche gewählt hatten, sollten dann zusammenarbeiten und damit man auch mal mit anderen ein Team bildete, sollte eben niemand wissen, wer sich mit welchem Thema beschäftigen wollte. Unsere Dozentin legte nach wie vor großen Wert darauf, dass sich die Studierenden untereinander besser kennenlernten, auch wenn sie sich bereits am Ende des zweiten Semesters befanden und man somit wohl zumindest einen groben Überblick haben dürfte. Zu meinem Unglück hatte aber nicht nur Isabel das gleiche Thema gewählt, was wir natürlich trotzdem zuvor abgesprochen hatten, sondern noch zwei weitere Personen. Damit entschied die Dozentin, dass Christian und ich miteinander arbeiten sollten und meine beste Freundin mit der anderen Studentin. Es war tatsächlich ungewohnt nicht mit Isabel zusammen zu arbeiten. In der ersten Klasse haben wir uns kennengelernt und sind seit dem immer bessere Freunde geworden, bis wir regelrecht unzertrennlich geworden waren. Immerhin wohnten wir jetzt sogar zusammen. Grundsätzlich hatte ich natürlich kein Problem damit, mit anderen zusammen zu arbeiten, doch gehörte ausgerechnet Christian der Gruppe des Semesters an, die immer mal wieder negativ auffielen, nicht zuletzt besonders mir gegenüber, da sie sich offenbar homophobe Bemerkungen nicht verkneifen konnten. Als einziger Schwuler hatten sie mich somit wohl als eine Art Opfer auserwählt, doch ignorierte ich sie einfach die meiste Zeit. Zum Glück hielten sich die Bemerkungen auch soweit in Grenzen, dass dies möglich war. Umso mehr war ich überrascht, als ich feststellte, dass Christian während der gemeinsamen Arbeit an dem Referat sich viel freundlicher zeigte als erwartet. Auch erschien er zu den Treffen immer pünktlich und arbeitete ernsthaft an der Ausarbeitung, was ich ebenfalls nicht erwartet hatte. Doch da zeigte sich einmal mehr, dass Menschen sich in einer Gruppe offenbar anders verhielten, als wenn sie plötzlich alleine mit einem waren. Mir sollte das nur recht gewesen sein. Die restlichen Vorträge waren tatsächlich zäher als ich erwartet hatte. Ich gab mir wirklich Mühe ihnen zu folgen, doch schon nach dem Ersten kapitulierte ich und hielt einfach nur noch meinen Blick erhoben und starrte hinter den Präsentierenden regelrecht Löcher in die Wand. Das war zwar meiner Meinung nach unhöflich, doch immer noch besser, als sich unter der Tischplatte mit seinem Smartphone zu beschäftigen, so wie es viele andere machten. Ich war froh, dass nach der Vorlesung auch keine weiteren mehr stattfanden für diesen Tag und ich direkt zu meiner Bushaltestelle gehen konnte. Heute ging ich ausnahmsweise mal allein dorthin, Isabel hatte noch etwas zu erledigen. So sehr hingen wir dann doch nicht aneinander, so, dass wir uns nicht bei allen Erledigungen gegenseitig die Hand hielten. Heute war das definitiv ein Vorteil für mich. Ich war hundemüde, hatte in der Nacht noch kleine Verbesserungen an meinem Teil des Vortrages vorgenommen und deswegen nur wenig Schlaf bekommen. Also werde ich es mir gleich in Ruhe auf dem Sofa gemütlich machen und darauf warten, dass meine Mitbewohnerin auch nach Hause kommen würde. Ein kurzer Blick auf die Anzeige, wann der nächste Bus ankommen würde zeigte mir, dass wieder einmal ein Bus ausgefallen sein musste, so, wie es gefühlt jeder zweite in dieser Stadt tat. An schönen Sommertagen wie es heute einer war, war das auch kaum ein Problem, doch besonders unangenehm waren dafür die windigen und regnerischen Herbsttage, an denen man das Gefühl hatte, dass es gar nicht richtig hell werden wollte. Der Unterstand der Bushaltestelle war für solche Tage leider auch nicht gemacht oder vielmehr war er dies nicht mehr, denn er war marode und bei Regen konnte man deutlich spüren, wo das Dach eine undichte Stelle hatte. Da machte es doch wahrlich Spaß die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen oder eben auch nicht. „Ben!“ Ich war gerade im Begriff mir meine Ohrhörer in die Ohren zu stecken, um mich auf dem Nachhauseweg mit Musik berieseln zu lassen, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte. Im ersten Moment konnte ich die Stimme nicht ganz zuordnen, doch als ich mich umdrehte, konnte ich Christian auf mich zukommen sehen. Als er meinen scheinbar etwas irritierten Blick sah, hob er seine Hand, um mir zu zeigen, dass wohl tatsächlich er etwas von mir wollte. Vor mir zum Stehen kommend, sah er mich zögerlich lächelnd an, schwieg aber ansonsten. Ich fürchtete bereits, dass dies eine dieser Situationen werden würde, in denen man sich einfach nur sehr unangenehm anschwieg, als er scheinbar die richtigen Worte fand, um ein Gespräch anzufangen. „Wartest du auf den Bus?“ Ich zog langsam meine Stirn kraus und sah mich demonstrativ um. „Ja, für gewöhnlich tun das die Menschen, die an einer Bushaltestelle stehen.“ Auch Christian schien seine Frage nun richtig bewusst zu werden und er schüttelte leicht über sich selbst den Kopf. „Entschuldige, ich wollte irgendwie ein Gespräch anfangen. Ich denke, dass sollte ich nochmal üben“, sagte er schließlich schief grinsend. Dem stimmte ich uneingeschränkt zu, doch zugegeben, war es nicht unbedingt das einfachste mit jemandem ein Gespräch anzufangen, den man kaum kannte. Zumindest ging es mir so. Auch wenn wir uns in den letzten drei Wochen wegen des Referates öfters getroffen hatten, so hatten wir dann immer eben dieses als Gesprächsthema. Uns kennengelernt hatten wir uns dabei nur kaum. „Wir könnten uns über das Wetter unterhalten“, schlug ich im Scherz vor und erreichte damit, dass die Augenbrauen meines Kommilitonen in die Höhe gingen, genauso wie seine Mundwinkel. „Dann dürften wir auch fast alle seltsamen Themen durch haben“, ging Christian darauf ein. „Aber eigentlich wollte ich dich etwas fragen.“ „Klar, fang an“, forderte ich ihn also kurzerhand auf und war schon gespannt, was er wohl wollte. „Als wir zusammengearbeitet haben, da hab ich hin und wieder Landschaftsbilder auf deinem Laptop gesehen. Kann es sein, dass du die selber gemacht hast?“, fragte er direkt und ich musst zugeben, dass ich die Frage doch recht seltsam fand, aber auch die Tatsache, dass er sich offensichtlich mehr für meinen Laptop interessiert hatte, als nur die Themen die wir gemeinsam bearbeitet hatten. „Ja, die hab ich gemacht“, antwortete ich also zögerlich und konnte nicht verhindern, dass sich meine Augenbrauen skeptisch zusammenzogen. „Entschuldige, ich wollte dir nicht über die Schulter sehen oder so“, sagte Christian gleich und hob abwehrend die Hände. Scheinbar eine Reaktion auf meinen Gesichtsausdruck. „Mir waren die Bilder bloß aufgefallen, weil ich solche Landschaften einfach toll finde.“ Nun, das half mir nicht wirklich mit meiner Skepsis. Er wirkte für mich einfach nicht wie jemand, der sich gerne in der Natur aufhielt und Ruhe tankte, sondern viel mehr wie ein Großstadttyp. „War das die Frage?“, wollte ich schließlich wissen und sah ihn weiterhin fragend an. „Nein, nein. Auch wenn das jetzt ein wenig komisch klingt, aber was hältst du von Camping?“, fragte er schnell, wahrscheinlich um zu vermeiden, dass ich ihn endgültig für seltsam abstempelte. „Von Camping?“, fragte ich und war wohl noch mehr verwirrt als zuvor. „Ja, genau!“, sagte Christian und wirkte plötzlich mehr als nur ein wenig begeistert. „Ich suche nach jemandem, der mit mir campen fahren mag. Wie du dir vielleicht schon denken wirst, sind meine Freunde an so etwas eher wenig interessiert und da du offensichtlich einen ähnlichen Landschaftsgeschmack hast wie ich, dachte ich mir, dass ich dich einfach mal frage, damit ich nicht alleine unterwegs bin.“ Gut, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet und dementsprechend war ich erst einmal sprachlos. Das Angebot klang an sich wirklich verlockend. Ich wollte schon immer mal in der Natur Urlaub machen, doch hatte es nie jemanden gegeben, mit dem ich das hätte machen können. Erst hatten mein Vater und ich nie genug Geld und Zeit für so etwas und als Isabel und ich alt genug waren, um alleine campen zu gehen, da war sie dagegen. Selbst einfaches Zelten im Garten war nie etwas Reizvolles für sie gewesen. Gleichzeitig war mir allerdings auch bewusst, wer mich hier gerade in den Urlaub einlud. Die Gruppenarbeit mochte mit Christian ja wirklich gut gelaufen sein, doch das änderte nicht, dass er einen für mich unangenehmen Umgang pflegte. Sie fielen insgesamt einfach sehr negativ auf, pöbelten rum, belästigten die Frauen und machten gerne mal homophobe Bemerkungen in meiner Gegenwart, um mir klar zu zeigen, dass meine Sexualität von ihnen als abstoßend empfunden wurde. Zugegeben hielt Christian sich bei den meisten dieser Dinge im Hintergrund und hatte nur einen hohen Frauenverschleiß auf Partys, wenn man den Erzählungen glauben durfte, doch machte ihn das zu einer guten Reisebegleitung? Ich denke eher nicht, denn immerhin hing er mit den anderen zu gerne ab und sprach sich gegen ihr Verhalten auch nicht aus. „Ich weiß nicht“, begann ich also zögerlich zu sprechen. „Vielen Dank für das Angebot, aber ich kann noch nicht sagen, ob es zeitlich klappen würde. Ich muss noch einiges nacharbeiten.“ Ich hoffte wirklich, dass ihm das als Antwort fürs Erste reichte und tatsächlich schien ich Glück zu haben. „Nur die Ruhe. Lass es dir erst mal durch den Kopf gehen, das Angebot kam ja nun auch sehr überraschend“, winkte er schnell ab. „Entschuldige, wenn ich dich jetzt so stehen lasse, aber mein Bus kommt. Wir sehen uns!“ Noch immer ein wenig überrumpelt schaue ich ihm nach, wie er mich so plötzlich wie er gekommen war auch schon wieder stehen ließ und in den Bus einstieg, der soeben vor uns hielt. Sich auf einen Fenstersitzplatz setzend, von dem aus er mich noch genau sehen konnte, lächelte er mir zu und winkte mir zum Abschied. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig ebenfalls meine Hand zu heben und ihn zu verabschieden, als der Bus auch schon anfuhr und mit Christian langsam verschwand. Das war wirklich seltsam gewesen. Ich bin froh, dass er mir mehr Zeit eingeräumt hatte, so konnte ich mir zumindest eine vernünftige Ausrede einfallen lassen, um ihm abzusagen. Doch wollte ich das wirklich? Er hatte mir eben die Chance geboten, einen Urlaub in der Natur zu verbringen, wo ich dann auch endlich mal ausgiebig meinem Hobby, dem Fotografieren, nachkommen könnte. Das Angebot klang einfach sehr verlockend! Ende Kapitel 1 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)