Ich wette, du liebst mich! von Cheytuna ================================================================================ Kapitel 1: Das Angebot ---------------------- Kapitel 1 „Vielen Dank, für die Aufmerksamkeit!“ Mit diesen Worten beendete ich Christians und mein Referat und die ersten Zuhörer klopften mit ihren Fingerknöcheln auf die Tischplatte vor ihnen. Dies ließ auch weitere Studenten aufhorchen, die ein wenig später ihre Anerkennung durch die gleiche Geste zeigten. Unser Vortrag musste sie doch sehr interessiert haben, doch ich konnte sie verstehen, denn spannend war das Thema wirklich nicht gewesen. Nach einem kurzen Blick zu unserer Dozentin, welche uns lächelnd zunickte und sich dann wieder ihren Notizen widmete, womit sie uns zeigte, dass sie dem Ganzen nichts hinzuzufügen hatte, nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, dass Christian die Präsentation auf dem Laptop schloss und den USB-Stick, auf welchem sich die entsprechende Datei befand, aus dem Port zog. Kurz lächelten wir uns zu und ich konnte ihm ansehen, dass auch er eine gewisse Erleichterung nach diesem Vortrag empfand. Gemeinsam gingen wir zurück zu unseren Sitzplätzen, wobei Christian weiter hinten im Raum bei seinen Kumpels saß, welche ihn auch gleich mit Handschlag bei sich begrüßten. Meine Rückkehr zu einem der Stühle in den ersten Reihen verlief dagegen wesentlich ruhiger. Ein paar lächelnde Gesichter begrüßten mich und Isabel, die neben mir saß, lehnte sich sofort leicht zu mir, als ich mich setzte. „Nun brauchst du dich nur noch zurücklehnen und dir die letzten Vorträge anhören“, sprach sie leise zu mir und hatte absolut recht damit. Mir war klar, dass das zwar nicht sonderlich spannend werden würde, doch zog ich dies allemal lieber vor, als noch einige Präsentationen abwarten zu müssen, bevor dann endlich wir dran kamen. Das war unsere letzte Vorleistung vor der Prüfungsphase gewesen und ich musste zugeben, dass ich nicht damit gerechnet hatte, dass diese so gut laufen würde. Anonym hatten wir uns ein Thema aussuchen müssen. Diejenigen, die das gleiche gewählt hatten, sollten dann zusammenarbeiten und damit man auch mal mit anderen ein Team bildete, sollte eben niemand wissen, wer sich mit welchem Thema beschäftigen wollte. Unsere Dozentin legte nach wie vor großen Wert darauf, dass sich die Studierenden untereinander besser kennenlernten, auch wenn sie sich bereits am Ende des zweiten Semesters befanden und man somit wohl zumindest einen groben Überblick haben dürfte. Zu meinem Unglück hatte aber nicht nur Isabel das gleiche Thema gewählt, was wir natürlich trotzdem zuvor abgesprochen hatten, sondern noch zwei weitere Personen. Damit entschied die Dozentin, dass Christian und ich miteinander arbeiten sollten und meine beste Freundin mit der anderen Studentin. Es war tatsächlich ungewohnt nicht mit Isabel zusammen zu arbeiten. In der ersten Klasse haben wir uns kennengelernt und sind seit dem immer bessere Freunde geworden, bis wir regelrecht unzertrennlich geworden waren. Immerhin wohnten wir jetzt sogar zusammen. Grundsätzlich hatte ich natürlich kein Problem damit, mit anderen zusammen zu arbeiten, doch gehörte ausgerechnet Christian der Gruppe des Semesters an, die immer mal wieder negativ auffielen, nicht zuletzt besonders mir gegenüber, da sie sich offenbar homophobe Bemerkungen nicht verkneifen konnten. Als einziger Schwuler hatten sie mich somit wohl als eine Art Opfer auserwählt, doch ignorierte ich sie einfach die meiste Zeit. Zum Glück hielten sich die Bemerkungen auch soweit in Grenzen, dass dies möglich war. Umso mehr war ich überrascht, als ich feststellte, dass Christian während der gemeinsamen Arbeit an dem Referat sich viel freundlicher zeigte als erwartet. Auch erschien er zu den Treffen immer pünktlich und arbeitete ernsthaft an der Ausarbeitung, was ich ebenfalls nicht erwartet hatte. Doch da zeigte sich einmal mehr, dass Menschen sich in einer Gruppe offenbar anders verhielten, als wenn sie plötzlich alleine mit einem waren. Mir sollte das nur recht gewesen sein. Die restlichen Vorträge waren tatsächlich zäher als ich erwartet hatte. Ich gab mir wirklich Mühe ihnen zu folgen, doch schon nach dem Ersten kapitulierte ich und hielt einfach nur noch meinen Blick erhoben und starrte hinter den Präsentierenden regelrecht Löcher in die Wand. Das war zwar meiner Meinung nach unhöflich, doch immer noch besser, als sich unter der Tischplatte mit seinem Smartphone zu beschäftigen, so wie es viele andere machten. Ich war froh, dass nach der Vorlesung auch keine weiteren mehr stattfanden für diesen Tag und ich direkt zu meiner Bushaltestelle gehen konnte. Heute ging ich ausnahmsweise mal allein dorthin, Isabel hatte noch etwas zu erledigen. So sehr hingen wir dann doch nicht aneinander, so, dass wir uns nicht bei allen Erledigungen gegenseitig die Hand hielten. Heute war das definitiv ein Vorteil für mich. Ich war hundemüde, hatte in der Nacht noch kleine Verbesserungen an meinem Teil des Vortrages vorgenommen und deswegen nur wenig Schlaf bekommen. Also werde ich es mir gleich in Ruhe auf dem Sofa gemütlich machen und darauf warten, dass meine Mitbewohnerin auch nach Hause kommen würde. Ein kurzer Blick auf die Anzeige, wann der nächste Bus ankommen würde zeigte mir, dass wieder einmal ein Bus ausgefallen sein musste, so, wie es gefühlt jeder zweite in dieser Stadt tat. An schönen Sommertagen wie es heute einer war, war das auch kaum ein Problem, doch besonders unangenehm waren dafür die windigen und regnerischen Herbsttage, an denen man das Gefühl hatte, dass es gar nicht richtig hell werden wollte. Der Unterstand der Bushaltestelle war für solche Tage leider auch nicht gemacht oder vielmehr war er dies nicht mehr, denn er war marode und bei Regen konnte man deutlich spüren, wo das Dach eine undichte Stelle hatte. Da machte es doch wahrlich Spaß die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen oder eben auch nicht. „Ben!“ Ich war gerade im Begriff mir meine Ohrhörer in die Ohren zu stecken, um mich auf dem Nachhauseweg mit Musik berieseln zu lassen, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte. Im ersten Moment konnte ich die Stimme nicht ganz zuordnen, doch als ich mich umdrehte, konnte ich Christian auf mich zukommen sehen. Als er meinen scheinbar etwas irritierten Blick sah, hob er seine Hand, um mir zu zeigen, dass wohl tatsächlich er etwas von mir wollte. Vor mir zum Stehen kommend, sah er mich zögerlich lächelnd an, schwieg aber ansonsten. Ich fürchtete bereits, dass dies eine dieser Situationen werden würde, in denen man sich einfach nur sehr unangenehm anschwieg, als er scheinbar die richtigen Worte fand, um ein Gespräch anzufangen. „Wartest du auf den Bus?“ Ich zog langsam meine Stirn kraus und sah mich demonstrativ um. „Ja, für gewöhnlich tun das die Menschen, die an einer Bushaltestelle stehen.“ Auch Christian schien seine Frage nun richtig bewusst zu werden und er schüttelte leicht über sich selbst den Kopf. „Entschuldige, ich wollte irgendwie ein Gespräch anfangen. Ich denke, dass sollte ich nochmal üben“, sagte er schließlich schief grinsend. Dem stimmte ich uneingeschränkt zu, doch zugegeben, war es nicht unbedingt das einfachste mit jemandem ein Gespräch anzufangen, den man kaum kannte. Zumindest ging es mir so. Auch wenn wir uns in den letzten drei Wochen wegen des Referates öfters getroffen hatten, so hatten wir dann immer eben dieses als Gesprächsthema. Uns kennengelernt hatten wir uns dabei nur kaum. „Wir könnten uns über das Wetter unterhalten“, schlug ich im Scherz vor und erreichte damit, dass die Augenbrauen meines Kommilitonen in die Höhe gingen, genauso wie seine Mundwinkel. „Dann dürften wir auch fast alle seltsamen Themen durch haben“, ging Christian darauf ein. „Aber eigentlich wollte ich dich etwas fragen.“ „Klar, fang an“, forderte ich ihn also kurzerhand auf und war schon gespannt, was er wohl wollte. „Als wir zusammengearbeitet haben, da hab ich hin und wieder Landschaftsbilder auf deinem Laptop gesehen. Kann es sein, dass du die selber gemacht hast?“, fragte er direkt und ich musst zugeben, dass ich die Frage doch recht seltsam fand, aber auch die Tatsache, dass er sich offensichtlich mehr für meinen Laptop interessiert hatte, als nur die Themen die wir gemeinsam bearbeitet hatten. „Ja, die hab ich gemacht“, antwortete ich also zögerlich und konnte nicht verhindern, dass sich meine Augenbrauen skeptisch zusammenzogen. „Entschuldige, ich wollte dir nicht über die Schulter sehen oder so“, sagte Christian gleich und hob abwehrend die Hände. Scheinbar eine Reaktion auf meinen Gesichtsausdruck. „Mir waren die Bilder bloß aufgefallen, weil ich solche Landschaften einfach toll finde.“ Nun, das half mir nicht wirklich mit meiner Skepsis. Er wirkte für mich einfach nicht wie jemand, der sich gerne in der Natur aufhielt und Ruhe tankte, sondern viel mehr wie ein Großstadttyp. „War das die Frage?“, wollte ich schließlich wissen und sah ihn weiterhin fragend an. „Nein, nein. Auch wenn das jetzt ein wenig komisch klingt, aber was hältst du von Camping?“, fragte er schnell, wahrscheinlich um zu vermeiden, dass ich ihn endgültig für seltsam abstempelte. „Von Camping?“, fragte ich und war wohl noch mehr verwirrt als zuvor. „Ja, genau!“, sagte Christian und wirkte plötzlich mehr als nur ein wenig begeistert. „Ich suche nach jemandem, der mit mir campen fahren mag. Wie du dir vielleicht schon denken wirst, sind meine Freunde an so etwas eher wenig interessiert und da du offensichtlich einen ähnlichen Landschaftsgeschmack hast wie ich, dachte ich mir, dass ich dich einfach mal frage, damit ich nicht alleine unterwegs bin.“ Gut, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet und dementsprechend war ich erst einmal sprachlos. Das Angebot klang an sich wirklich verlockend. Ich wollte schon immer mal in der Natur Urlaub machen, doch hatte es nie jemanden gegeben, mit dem ich das hätte machen können. Erst hatten mein Vater und ich nie genug Geld und Zeit für so etwas und als Isabel und ich alt genug waren, um alleine campen zu gehen, da war sie dagegen. Selbst einfaches Zelten im Garten war nie etwas Reizvolles für sie gewesen. Gleichzeitig war mir allerdings auch bewusst, wer mich hier gerade in den Urlaub einlud. Die Gruppenarbeit mochte mit Christian ja wirklich gut gelaufen sein, doch das änderte nicht, dass er einen für mich unangenehmen Umgang pflegte. Sie fielen insgesamt einfach sehr negativ auf, pöbelten rum, belästigten die Frauen und machten gerne mal homophobe Bemerkungen in meiner Gegenwart, um mir klar zu zeigen, dass meine Sexualität von ihnen als abstoßend empfunden wurde. Zugegeben hielt Christian sich bei den meisten dieser Dinge im Hintergrund und hatte nur einen hohen Frauenverschleiß auf Partys, wenn man den Erzählungen glauben durfte, doch machte ihn das zu einer guten Reisebegleitung? Ich denke eher nicht, denn immerhin hing er mit den anderen zu gerne ab und sprach sich gegen ihr Verhalten auch nicht aus. „Ich weiß nicht“, begann ich also zögerlich zu sprechen. „Vielen Dank für das Angebot, aber ich kann noch nicht sagen, ob es zeitlich klappen würde. Ich muss noch einiges nacharbeiten.“ Ich hoffte wirklich, dass ihm das als Antwort fürs Erste reichte und tatsächlich schien ich Glück zu haben. „Nur die Ruhe. Lass es dir erst mal durch den Kopf gehen, das Angebot kam ja nun auch sehr überraschend“, winkte er schnell ab. „Entschuldige, wenn ich dich jetzt so stehen lasse, aber mein Bus kommt. Wir sehen uns!“ Noch immer ein wenig überrumpelt schaue ich ihm nach, wie er mich so plötzlich wie er gekommen war auch schon wieder stehen ließ und in den Bus einstieg, der soeben vor uns hielt. Sich auf einen Fenstersitzplatz setzend, von dem aus er mich noch genau sehen konnte, lächelte er mir zu und winkte mir zum Abschied. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig ebenfalls meine Hand zu heben und ihn zu verabschieden, als der Bus auch schon anfuhr und mit Christian langsam verschwand. Das war wirklich seltsam gewesen. Ich bin froh, dass er mir mehr Zeit eingeräumt hatte, so konnte ich mir zumindest eine vernünftige Ausrede einfallen lassen, um ihm abzusagen. Doch wollte ich das wirklich? Er hatte mir eben die Chance geboten, einen Urlaub in der Natur zu verbringen, wo ich dann auch endlich mal ausgiebig meinem Hobby, dem Fotografieren, nachkommen könnte. Das Angebot klang einfach sehr verlockend! Ende Kapitel 1 Kapitel 2: Zweifel ------------------ Kapitel 2 „Ich weiß nicht, Ben. Mir kommt das irgendwie komisch vor“, sagte Isabel zum wiederholten Male, als sie gerade in unserem völlig überfüllten Schrank für Vorratsdosen herumwühlte, um eine in der passenden Größe für den vom Essen übrig gebliebenen Reis zu finden. „Mir doch auch!“, stimmte ich ihr sofort zu. Christians Angebot war ja auch wirklich komisch. Gleich nachdem Isabel nach Hause gekommen war, hatte ich ihr von der Campingeinladung erzählt und sie war augenblicklich noch skeptischer als ich gewesen. Seitdem sprachen wir immer wieder darüber, sobald wir ein anderes Thema beendet hatten, doch unsere Gefühlslage blieb stets dieselbe. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er das ohne Hintergedanken macht. Da steckt doch bestimmt etwas dahinter“, murmelte sie, als sie nach erfolgloser Suche den Reis in eine zu große Dose umschüttete und sich darauf konzentrierte, dass kein Korn daneben fiel. „Aber was könnte das sein?“, stellte ich die Frage, die ich mir insgeheim auch schon gestellt hatte. Was könnte Christian davon haben? Kurz schaute meine beste Freundin von dem Topf in ihren Händen auf und sah mich ratlos mit einem kleinen Schulterzucken an. „Er sagte zu mir, dass er sonst niemanden zum Campen hätte“, gab ich seinen genannten Grund schulterzuckend wieder und dachte darüber nach. „Das mag ja vielleicht auch stimmen“, überlegte nun auch Isabel, nur eben laut. „Nimm es mir nicht übel, aber warum sollte er, dann ausgerechnet mit dir gehen wollen? Ich denke einfach, dass er dann wohl eher alleine fahren würde.“ „Na herzlichen Dank auch“, murmelte ich sarkastisch und griff nach der Vorratsdose und deren Deckel, als Isabel damit fertig war diese zu befüllen und sich mit dem Topf in den Händen zum Spülbecken hin abwandte. „Du weißt wie ich das meine“, sagte sie sofort lachend, woraufhin ich leicht grinsen musste. „Selbst wenn er selber kein Problem mit dir hätte, seine Freunde haben es. Ich glaube kaum, dass er große Lust darauf hat mit denen herum zu diskutieren nur für einen kleinen Urlaub. Das ist immerhin so eine Clique, in der jeder die gleiche Meinung zu haben hat.“ Ich dachte darüber nach und musste ihr schon irgendwie zustimmen. In der Hinsicht war diese Gruppe wie die coolen Jungs aus der Schule. Entweder du ziehst mit oder du bekommst mit ihnen ein Problem. Eine individuelle Meinung zählte da nicht viel. „Aber vielleicht sind die ja gar nicht so, wie wir denken und Christian würde tatsächlich kein Problem mit ihnen bekommen“, versuchte ich ihre Aussage zu entkräften. „Und was ist mit den Gerüchten? Du kennst sie genauso gut wie ich, dass Christian auch auf Männer zurückgreift, wenn keine Frau ihn nach einer Party begleiten will.“ Während Isabell das sagte, zog sie das Geschirrhandtuch vom Heizkörper und trocknete den Topf ab, den sie kurz zuvor noch abgespült hatte, um so die Überreste vom Reis heraus zu lösen. „Na siehst du, seine Freunde kennen scheinbar doch ein kleines bisschen Toleranz!“, sagte ich gleich und fühlte mich unsicher damit, auf das Gerücht einzugehen. Wer wusste schon, woher es kam und wie viel Wahrheit in ihm steckte. Es war eben nur ein Gerücht. Wir waren selten auf den ganzen Partys, auf die sie gingen und konnten uns dementsprechend kein eigenes Bild machen. „Außerdem würde ich mich schon wehren können, wenn er mir zu nahe auf die Pelle rückt.“ „Ja wunderbar und dann muss ich von der Polizei erfahren, dass du irgendwo im Wald gefunden wurdest, von Bären zerfleischt, weil er dich aus dem Auto geworfen hat“, tadelte sie weiter und sofort ging eine meiner Augenbrauen nach oben. „Sag mal, von was für Bären sprechen wir hier? Waschbären?“, fragte ich sie, während ich darüber nachdachte, dass dies wohl wirklich die gefährlichsten Bären sein dürften hier in der Umgebung. „Man weiß ja nie.“ „Du bist wirklich kein großer Naturfan“, stellte ich erneut amüsiert fest und musste grinsen. „Das stimmt doch gar nicht!“, empörte Isabel sich und stemmte ihre Hände in die Hüften, was mich wiederum lachen ließ. „Natur ist etwas ganz tolles, da ist es zumindest ruhig, wenn man mal in Ruhe spazieren gehen will. Aber auf Nässe, Kälte und diese ganzen Krabbelviecher kann ich gut verzichten.“ Als sie von den Insekten sprach erschauerte sie kurz. Die mochte sie wirklich nicht. Schon die kleinste Spinne in der Wohnung ließ sie ausflippen und ich durfte zusehen, wie ich das arme Tierchen wieder heile nach draußen bekam, bevor sie den Staubsauger zücken konnte. Nicht, dass ich nun ein großer Sympathisant von Spinnen bin, doch man konnte sie ja trotzdem retten. „Ach, Ben“, seufzte sie und stützte sich vor mir mit den Händen auf dem Tisch ab, um mich anzusehen. „Es ist und bleibt natürlich deine Entscheidung, was du machst, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er tatsächlich der nette Typ ist, der er plötzlich meint, vorgeben zu müssen.“ „Ich weiß ja, was du meinst, aber bei unserer Gruppenarbeit war er wirklich ganz anders. Da waren seine Freunde ja auch nicht dabei“, wandte ich nachdenklich ein und verzog ein wenig überlegend meinen Mund, als ich an die letzten Wochen zurückdachte. „Ben!“, rief Isabel plötzlich etwas lauter aus und ließ mich dadurch erschrocken zusammenzucken und sie wieder ansehen. „Wenn du deine Entscheidung doch eigentlich schon getroffen hast, warum fragst du mich denn dann überhaupt nach meiner Meinung?“ Ein wenig theatralisch hob sie eine Hand an ihre Stirn, tat so, als hätte ich ihr zum wiederholten Male ihre kostbare Zeit gestohlen. Welch Glück, dass ich wusste, dass sie heute nichts mehr vorhatte. „Hab ich doch gar nicht“, antwortete ich schließlich kleinlaut und schmollte ein wenig. „Aber das Angebot ist so verlockend! Du oller Stubenhocker würdest mit mir so etwas ja nicht machen. Da kommt man dann schon mal auf verzweifelte Ideen!“, verteidigte ich meine Gedankengänge. Christians Angebot klang wirklich zu verlockend und ich würde mir wünschen, dass alles so gemeint war, wie er es gesagt hatte. Wenn da nur nicht diese negative Stimme in meinem Hinterkopf wäre, die mich warnte mit genau den gleichen Argumenten, die auch Isabel schon genannt hatte. „Was kann ich denn dafür, dass du so ein Naturbursche bist?“, ging sie gespielt empört auf meine Beleidigung ein, was mich auflachen ließ. Bestimmt verstanden wir uns nur so gut, weil wir so verschieden waren. „Ich nehme dich nie wieder mit zu meinen Eltern! Das musst du dir erst wieder verdienen!“, drohte mir meine Freundin schließlich. Uns war beiden klar, dass wenn ich das Angebot von Christian ausschlagen würde, dass wir beide dann wieder zu ihren Eltern in deren Ferienhaus fahren würden. So machten wir das immer, wenn wir Zeit dafür hatten. Ihre Eltern waren ziemlich vermögend, weshalb sie in einem kleinen Touristenort, nur wenige Stunden von uns entfernt, eine dieser großen Luxusblockhäuser besaßen und dadurch, dass unsere Familien schon seit Jahren sehr gut befreundet waren, standen mir und meinem Vater auch entsprechend immer alle Türen offen. Es war auch nicht so, dass ich diese Vorzüge nicht zu schätzen wüsste. Sogar handelte es sich dabei um einen Ort in direkter Bergnähe mit jeder Menge Wälder drum herum, doch trotzdem war es eben nicht diese Art von Natur, von der wir hier die ganze Zeit sprachen. Den Luxus genoss ich dankend, aber trotzdem war es etwas anderes, von klingelnden Fahrradfahrern oder hin und wieder von schreienden Kindern geweckt zu werden, als vollkommen friedlich durch Vogelgezwitscher in der Natur, weiter weg von der Zivilisation. „Was soll ich für dich machen?“, sprang ich trotzdem auf die scherzhafte Drohung an. „Soll ich dir Kekse backen?“, fragte ich gedehnt und wusste, dass dies ihre Schwachstelle war. „Bekomme ich die mit den Schokostückchen?“, fragte Isabel sofort mit einem begeisterten Leuchten in den Augen. „Aber natürlich. Für die Dame nur das Beste!“, sagte ich feierlich und erhob mich nun langsam von dem Küchenstuhl. Wir mussten dringendst das Thema wechseln, sonst würden wir uns eh nur im Kreis drehen. „Ich habe ein paar Tage Bedenkzeit“, meinte ich daher schließlich. „Vielleicht sollte ich erst mal eine Nacht darüber schlafen.“ „Ja, das wird das Beste sein“, stimmte meine beste Freundin mir zu, tätschelte meine Schulter und folgte mir zur Küchentür. „Morgen sieht die Welt gleich viel düsterer aus.“ „Pessimist…“ *~*~*~* Ich war froh über die Bedenkzeit, die Christian mir von Anfang an eingeräumt hatte. In den nächsten Tagen fuhren meine Gefühle zu dem Thema Achterbahn. An dem einen Tag war ich bereit zuzusagen und am nächsten fragte ich mich, wie ich das überhaupt hatte in Erwägung ziehen können. Zum Glück befanden wir uns derzeit in der Selbststudienphase. Das hieß, obwohl ich oft in der Uni war um zu lernen, begegnete ich Christian eigentlich nicht, da er und seine Freunde so wenig Zeit wie möglich hier verbrachten. Somit musste ich mich nicht mit ihm auseinandersetzen und dementsprechend auch noch keine Antwort geben. An einem Tag sah ich ihn trotzdem auf dem Campus. Ich war wirklich froh, dass er mich nicht gesehen hatte und ich somit einen großen Bogen um ihn machen konnte. Ich war einfach noch viel zu sehr mit meinen ganzen Überlegungen beschäftigt. Wäre Christian ein anderer, dann hätte ich mit Sicherheit bereits zugesagt. Die Idee vom Campen reizte mich einfach zu sehr, doch hatte ich ihn betreffend oder viel mehr seine ganze Gruppe betreffend, einfach ein komisches Gefühl. Aber war das nicht schon immer so? Die Kinder, mit denen man nicht spielen wollte, hatten immer das tollste Spielzeug. Wollte ich nun mit dem tollen Spielzeug spielen und womöglich auf meine Freunde dabei verzichten müssen oder wollte ich lieber mit den altbekannten Sachen mit meinen Freunden spielen? Doch da war noch immer diese leise Stimme, die mir sagte, dass ich vielleicht auch beides haben konnte. Wer sagte denn, dass Christian nicht letztendlich doch so etwas wie eine Art Freund werden konnte? Vielleicht täuschte der Eindruck, den man von seiner Gruppe hatte und er selbst war gar nicht so verkehrt. An unserem ersten Prüfungstag begegneten wir uns natürlich, jedoch zogen wir es beide vor, uns nur mit einem kurzen Nicken zu grüßen. Das Angenehme an der Situation war, das tatsächlich keiner seiner Freunde leise festgestellt hatte, dass eine ‚Schwuchtel‘ anwesend war. Zunächst war mir das gar nicht aufgefallen, war ich doch viel zu sehr damit beschäftigt zu hoffen, dass Christian mich nicht auf das Campen ansprechen würde, doch als ich das Ganze noch einmal Review passieren ließ, bemerkte ich es. Hatte er etwa mit seinen Freunden gesprochen oder waren sie nur zu sehr mit sich und der bevorstehenden Prüfung beschäftigt gewesen? Nach der zweiten Prüfung jedoch schien meine Schonfrist beendet zu sein. Als ich den Prüfungssaal verließ, kam Christian bereits direkt auf mich zu und augenblicklich fing es wieder an in meinem Kopf zu arbeiten. „Na, wie lief die Prüfung?“, fragte er sofort locker, als er in meiner Nähe ankam. „Es war in Ordnung. Und bei dir?“, fragte ich und versuchte dabei meine leichte Nervosität zu unterdrücken. „Auch, aber hätte bestimmt besser laufen können“, sagte er und lachte er ein wenig. „Das kann es doch eigentlich immer“, stimmte ich zu, brachte es aber nur zu einem Lächeln. „Ich wollte mal fragen, ob du schon Zeit hattest, dir über mein Angebot Gedanken zu machen?“, wollte er schließlich grinsend wissen und am liebsten hätte ich nicht geantwortet, denn trotz des ganzen Kopfzerbrechens war ich noch immer kein Stück weitergekommen. Tatsächlich zögerte ich wohl ein wenig zu lange mit meiner Antwort, denn Christians Augenbrauen gingen langsam in die Höhe und sein Lächeln wurde ein wenig schräg. „Noch gar keine Zeit gehabt?“, fragte er schließlich und ich schüttelte sofort den Kopf, um ihm zum einen zu zeigen, dass ich mir sehr wohl Gedanken gemacht hatte und zum anderen, um das Gedankenkarussell in meinem Kopf zum Stillstand zu bewegen. Leider klappte letzteres nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte und ich blinzelte ein paar Mal überfordert, bevor ich die Stirn kraus zog. Warum zerbrach ich mir überhaupt dermaßen den Kopf darüber? Scheiß drauf! „Entschuldige, ich war gerade irgendwie noch in der Prüfung“, erklärte ich mein Schweigen nicht ganz Wahrheitsgetreu. „Erzähl mir mehr. Was hast du genau geplant?“, gab ich mir selbst einen Ruck und warf sämtliche bedenken in dem Moment über Bord. Ende Kapitel 2 Kapitel 3: Der Campingbus ------------------------- Kapitel 3 Christian erzählte mir nicht nur mehr, sondern er lud mich auch direkt ein, dass ich mit ihm mitkommen könnte und er würde mir dann zeigen wollen, wie er sich den Ausflug gedacht hatte. Spätestens als er erwähnte einen selbst ausgebauten Campingbus zu haben war mein Interesse richtig geweckt, denn den würde ich mir wirklich zu gerne ansehen. Camping mit Zelten, Wohnmobilen oder Wohnwagen waren ja geläufig. Natürlich gab es auch einige Menschen, die Urlaub mit einem Campingbus machten, doch einen selbst ausgebauten hatte ich bisher noch nie gesehen und mich interessierte wirklich, was alles auf so engem Raum möglich war. Zu unserem Glück kam auch gleich der richtige Bus zur Haltestelle und dieser sollte uns ins Industriegebiet fahren, denn dort befand sich die Garage, in der das gute Stück auf den nächsten Urlaub wartete. Während der Fahrt dorthin erfuhr ich, dass Christian mit seinem Onkel daran herumgebastelt hatte. Dieser hatte das bereits in die Jahre gekommene Auto erstanden und völlig entkernt, um es eben wieder nach eigenem Bedarf auszubauen und war wohl sehr begeistert, dass sein Neffe sich ebenfalls dafür interessierte. Nach der Fertigstellung wurde der Campingbus schließlich Christian überlassen, als er mit dem Studium anfing, damit er einen Ort hatte, an dem er sich von dem Alltag entspannen konnte. „So, da wären wir!“, verkündete Christian, nachdem sie den Bus an der richtigen Haltestelle verlassen hatten und nach einer Weile zu Fuß an einer Reihe Garagen vorbeigelaufen waren. Schließlich kramte er nach dem Schlüssel, als er vor einem der Toren stehen blieb. Als er ihn fand, schloss er das Tor auf, welches sich nach oben hin öffnete und drehte sich grinsend zu mir um. „Da ist das gute Stück.“ Ich konnte nicht verhindern ein wenig ungläubig zurück zu grinsen. Dass die Garagen hier nicht die größten waren, konnte man ja bereits von außen erkennen, doch nun wo sie offen war und der Campingbus zum Vorschein kam, wirkte sie mehr als überfüllt und ich fragte mich, wie Christian es geschafft hatte, ohne Schrammen da hineinzukommen und im Anschluss das Fahrzeug wieder zu verlassen. Auch wenn der Wagen bereits mehr auf der rechten Seite stand, so schien mir der Platz auf der linken Seite doch trotzdem noch sehr eng. „Den Platz hast du ja mal gut ausgenutzt“, meinte ich nur und trat auch schon einen ersten Schritt interessiert vor. „Ich brauche die Garage nur für den Wagen, damit der nicht so viel ungenutzt im Regen steht und womöglich noch Rost ansetzt“, erklärte er, während er auch schon den Campingbus von hinten aufschloss. „Daher nur diese kleine Variante.“ Als Christian die hintere Luke des Wagens zu sich zog, um diese ebenfalls nach oben zu heben, erwartete ich schon das fürchterliche Knirschen, welches erklang, wenn ein Teil des Autos gegen etwas Härteres schrammt, doch es klappte ohne Probleme, wenn auch nur gerade so. „Leider haben wir nicht so viel Licht in der Garage und die Batterie wird leer sein, sonst hätte ich ihn herausgefahren“, kam auch schon eine weitere Erklärung, als er ein paar Dinge aus dem Wagen räumte, damit wir eine bessere Sicht ins Innere bekommen würden. Nun trat ich ganz an das Auto heran und ließ meinen Blick durch den Innenraum gleiten. „Und das habt ihr alles selbst ausgebaut?“, fragte ich, um davon abzulenken, dass ich mir wie ein Tourist vorkam, der sich gerade voller Begeisterung eine Sehenswürdigkeit ansah. Dabei hätte ich mir bei genauerer Betrachtung die Frage auch sparen können, wenn man mal ganz davon absah, dass er es mir ohnehin schon erzählt hatte. Der Ausbau war mit Sicherheit nicht schlecht, doch konnte man gerade an den Ecken der Möbel unregelmäßige Spalten erkennen, die zeigten, dass die Kanten nicht alle sauber aufeinander passten. Das war nicht weiter schlimm und beim schnellen drüber gucken würde es mit Sicherheit nicht auffallen, aber genau das machte eben den Unterschied zwischen Marke Eigenbau und hochwertiger Tischlerarbeit aus. So ein Campingbus war wirklich etwas Tolles und ich war vom ersten Moment an begeistert. Ich denke, ich konnte sagen, dass ich mir später auch mal so etwas zulegen wollte. Gleich vornean, waren hohe Schränke bis obenhin zu beiden Seiten eingebaut worden, wodurch die hinteren Fenster verdeckt wurden. Dahinter kam auf der linken Seite eine kurze Küchenzeile mit einem kleinem Waschbecken und einem Zweiflammen Gasherd. In dem Einbauschrank darunter war mit Sicherheit Platz für einen kleinen Wassertank, sowie Gaskartuschen. Auf der rechten Seite hingegen befand sich die übliche Schiebetür. Hinter dem Fahrer- und Beifahrersitz befand sich eine kleine Sitzbank, vor welcher man mit Sicherheit einen kleinen Tisch stellen konnte. Soweit ich alles erkennen konnte sah es sehr gemütlich aus. „Hab ich dich nun endgültig überzeugt?“, hörte ich plötzlich Christian neben mir amüsiert sagen und stellte erschrocken fest, dass ich ihn völlig vergessen hatte, so sehr war ich mit dem Bestaunen des Campingbusses beschäftigt gewesen. Hatte ich ihm nicht eben noch eine Frage gestellt? Vielleicht hatte er sogar geantwortet und ich habe es nicht mitbekommen? Als ich mich ihm nun mit großen Augen zuwandte und noch nachträglich versuchte vorzugeben, dass ich zugehört hatte, wurde sein Grinsen größer. „Ich merke schon, du bist genauso in das Auto vernarrt wie ich.“ Ich musste kurz auflachen. „Nein, ich denke, an euer Verhältnis zueinander komme ich nicht ran“, meinte ich nur und warf nochmal einen kurzen Blick in das Wageninnere. Christian wird der Wagen bestimmt viel bedeuten, wenn er schon so viel Zeit in dessen Ausbau gesteckt hatte. „Aber es gefällt mir und es sieht gemütlich aus“, ergänzte ich meine Aussage noch, um so auch ihrer Arbeit den angemessenen Respekt zu zollen. „Ist es“, bestätigte Christian sofort. „Ich konnte erst einmal für ein paar Tage mit ihr losfahren, aber man hat sich sofort wie zu Hause gefühlt!“ „Eine Sie also?“, fragte ich, als ich feststellte, wie er über seinen Campingbus sprach. „Natürlich! Eine alte Lady“, erklärte er und klopfte zur Unterstützung seiner Worte auf eines der hinteren Lichter. „Du musst sie mal frisch gewaschen und aufpoliert in der Sonne sehen. Eine Schönheit, dass sag ich dir.“ Ich lachte kurz auf, als ich hörte, wie er schon fast schwärmte, doch es sei ihm gegönnt. Es ist schön, wenn jemand mit einer solchen Begeisterung von etwas sprechen konnte. Schließlich wandte Christian den Blick wieder von mir ab und betrachtete selbst das Fahrzeug. „Man kann die Sitzbank auf den kompletten Innenraum ausweiten für einen Schlafplatz“, erklärte er nun und deutete die entstehende Fläche mit einer Handbewegung an. „Doch ich habe bei der letzten Fahrt in einem Zelt neben dem Wagen geschlafen. In dem ist dann doch mehr Platz und außerdem ist es dann nicht so feucht im Wagen. Ein kleines Toilettenzelt hatte ich auch dabei, dann ist man unabhängiger“, meinte er und sah sich ein wenig angestrengter um, scheinbar auf der Suche nach den besagten Zelten. „Wir haben ja auch Sommer, da ist Zelten kein großes Problem“, unterstütze ich seine Aussage und lenkte ihn gleichzeitig von seiner Suche ab. „Ja, deswegen, und sollte es dann doch mal Stürmen und Regnen, dann kann man sich noch immer hier drinnen verkriechen“, sagte er grinsend. Ich seufzte leise auf und wandte meinen Blick ein weiteres Mal auf die Inneneinrichtung des kleinen Busses. „Hab ich dich noch immer nicht zu 100 % überzeugt?“, fragte Christian und klang dabei gespielt traurig. Sofort schoss mein Kopf wieder zu ihm rum. „Was?“, fragte ich mit höherer Stimme als beabsichtigt, da ich mich nun doch ertappt fühlte, denn gerade drängelten sich die ersten Zweifel wieder an die Oberfläche zu der zuvor allein bestehenden Begeisterung. „Was habe ich dir nur getan, dass ich dich nicht überreden kann“, sprach er weiter, doch es war offensichtlich, dass er es mir nicht wirklich übel nahm, sondern nur einen weiteren Versuch startete mich zu überzeugen. Tatsächlich hatte er mir ja auch nichts getan, nicht wirklich. Er hatte für meinen Geschmack lediglich die falschen Freunde. Konnte ich ihm das vorwerfen? Wenn jemand Isabel nicht mochte, dann würde ich es wohl auch kaum gutheißen, dass dies auch einfach so auf mich übertragen wird. „Tut mir leid“, fing ich also langsam an zu sprechen. „Ich hänge mit dem Kopf einfach noch irgendwie zu sehr in den Prüfungen fest.“ Würde er mir diese Ausrede abkaufen? Eine bessere fiel mir gerade nicht ein. Nun lächelte Christian mich an und nickte schließlich, als er sich scheinbar für etwas in Gedanken entschieden hatte. „Das kann ich verstehen. Aber wir würden ja sowieso erst danach fahren. Was hältst du davon, wenn ich dich nochmal nach der letzten Prüfung überfalle?“, fragte er und legte den Kopf dabei leicht schief. Von seinem Lächeln angesteckt nickte ich schließlich vorsichtig. „Das klingt gut, danke.“ Nun machte sich auch das schlechte Gewissen wieder in mir breit, hatte er mir noch einmal Aufschub gewährt, wenn es auch ein letztes Mal war. Länger würde ich einer endgültigen Entscheidung nicht aus dem Weg gehen können, weil uns ansonsten langsam die Zeit bis zum Losfahren im Nacken sitzen würde. Nun sahen wir uns eine Weile lang schweigend an. Keiner wusste so recht, was man sagen sollte, als plötzlich mein Smartphone zu klingeln begann. Erschrocken zuckte ich ein wenig zusammen. Ich war viel zu sehr mit dem Gedanken an den Campingausflug beschäftigt gewesen. „Entschuldige…“, murmelte ich, schüttelte kurz über meine Schreckhaftigkeit den Kopf und sah auf das Display, um zu gucken, wer uns störte. Isabel. „Ist schon in Ordnung“, sagte Christian lächelnd. „Geh ruhig ran, ich mache hier noch eben alles wieder zu. Wir sehen uns bei der nächsten Prüfung.“ „Alles klar…“, sagte ich noch ein wenig zögerlich und trat dann trotz der Zweifel, ob ich ihn einfach so stehen lassen konnte, doch zurück. Noch während Christian mich weiterhin lächelnd betrachtete hob ich das Telefon an mein Ohr und nahm das Gespräch zwischenzeitig entgegen. Kurz lächelte ich ihm noch zu und hob meine Hand zum Abschied. Dann wandte ich mich ab. „Was gibt’s?“, frage ich meine beste Freundin direkt, statt sie zu begrüßen. Immerhin hatte sie uns unterbrochen, auch wenn sie das nicht wissen konnte. Und in diesem Augenblick war mir auch klar, warum sie anrief. Ich verschwand nie nach der Uni, ohne ihr vorher Bescheid zu geben, wann ich nach Hause kam. Immerhin aßen wir meist zusammen, auch wenn das hieß, dass wir auf den jeweils anderen warten mussten. Eigentlich hatte ich ihr noch eine Nachricht schreiben wollen, war aber durch das Gespräch mit Christian irgendwie darüber hinweggekommen. „Da komme ich aus der Prüfung und muss feststellen, dass ich meinen Mitbewohner verloren habe. Ich habe mir ja nichts Böses dabei gedacht, immerhin hätte es ja sein können, dass du einfach nur unhöflich geworden und schon ohne mich nach Hause gefahren bist, aber nein, hier bist du auch nicht“, quasselte sie drauf los und ich wartete ab, dass sie eine Pause machte, diese nutzte ich auch sogleich aus. „Bist du fertig?“, fragte ich sie. Immerhin wollte ich ja nicht noch unhöflicher werden und sie nicht aussprechen lassen. „Nein!“, sagte sie sofort und machte mit ihrem Tonfall klar, dass ich nicht die Erlaubnis hatte zu sprechen. Ja, sie konnte schon zickig werden. „Wo bist du? Jetzt darfst du etwas dazu sagen.“ Ich seufzte kurz. Zum Glück kannte ich sie so gut, dass ich wusste, dass sie es nicht böse meinte. „Im Industriegebiet.“ „Herrje, ist die Prüfung so schlecht gelaufen, dass du eine so triste Umgebung brauchst?“, fragte sie auch schon amüsiert, aber auch offensichtlich verwundert. „Nein, nein“, sagte ich lachend. „Ich habe mir nur Christians…“ Ich brach mitten im Satz ab. Ich war bereits ein paar Garagen zurück in Richtung Straße gelaufen und drehte mich, auch wenn Isabel es nicht sehen konnte, zur Bekräftigung meiner eigentlich folgenden Worte noch einmal um und stellte fest, dass Christian mir nach wie vor hinterher sah und ansonsten einfach nur am Fahrzeug lehnte. Wie als hätte er darauf gewartet, dass ich mich noch einmal umdrehe, fing er an zu lächeln und hob die Hand zum Winken. Reichlich irritiert hob auch ich meine Hand erneut wie aus einem Reflex heraus und ging dann weiter meines Weges, nur jetzt mit schnelleren Schritten als zuvor. Das war nun wirklich seltsam gewesen! „Was ist mit Christian?“, hörte ich schließlich erneut Isabels Stimme. „Äh… sein Campingbus. Ich habe mir mit ihm seinen Campingbus angesehen“, antwortete ich schnell und versuchte dabei nicht meine Irritation zu zeigen, doch das würde ohnehin nicht funktionieren. Isabel kannte mich zu gut und würde mich nachher mit Fragen löchern, wenn ich wieder zu Hause war. „Ach so? Dann hast du jetzt also zugesagt?“ *~*~*~* Ja, letztendlich hatte ich dann tatsächlich zugesagt. Ich habe mir noch ein paar tagelang den Kopf zerbrochen, doch nun, wo ich den Campingbus gesehen hatte, erschien mir sein Angebot umso realer und toller, weshalb sich eine gewisse Vorfreude in mir breit gemacht hatte. Damit fiel es mir dann auch nicht mehr schwer Christian nach der letzten Prüfung zuzusagen. Während Isabel nach wie vor skeptisch war, was sie mir jedoch nicht mehr unter die Nase rieb, immerhin wusste sie ja, wie lange ich gezweifelt hatte dem Angebot zuzustimmen, schien Christian sich ehrlich zu freuen. Wir beschäftigten uns noch ein paar Tage mit den Vorbereitungen, welche damit endeten, dass wir uns eine kleine Route zusammenstellten, bestehend aus kleineren Campingplätzen, die sehr Naturnahe lagen. So hatten wir zumindest fürs Erste ein paar Anlaufstellen, für den Fall, dass wir nicht wussten, wohin wir fahren sollten. Ob wir diese wirklich wahrnehmen wollten, würde die Zeit zeigen. Ende Kapitel 3 Kapitel 4: Auf der Suche nach Ruhe ---------------------------------- Kapitel 4 Ich war genervt, und zwar so richtig. Christian und ich waren nun schon seit ein paar wenigen Tagen unterwegs und während wir beide uns besser verstanden, als ich anfangs zu hoffen gewagt hatte, waren die bisherigen zwei Campingplätze, die wir uns ausgesucht hatten, weniger sympathisch gewesen. Gerade lief ich hundemüde den kiesigen Weg zwischen den Duschräumen und unserem Platz entlang und versuchte letztere aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Zunächst hatten wir noch gedacht, dass eben diese den Vorzug des Campingplatzes ausmachten, doch die gesprungenen Fliesen, verdreckten Fenster und die derart verkalkten Duschköpfe, aus denen nur Tröpfchenweise das Wasser herauskam, belehrten uns eines Besseren. Außerdem war man hier wohl der Ansicht, dass Camper auf warmes Wasser verzichten konnten, weshalb es nur kalt tröpfelte. Für die karge Morgenwäsche hatte es zwar gereicht, aber befriedigend war etwas anderes. Ich aber möchte auch nicht alles schlecht reden, denn zumindest die Spiegel über den versifften Waschbecken waren heile und sauber. Damit passten sie zwar aber überhaupt nicht ins Bild, doch das machte mir persönlich nichts aus. „Pass doch auf!“, rief plötzlich ein kleiner Junge, der es noch gerade so schaffte, mit seinem Fahrrad von hinten an mir Vorbeizukurven, jedoch nicht, ohne mit seinem Fahrradhelm an meinem Kulturbeutel hängenzubleiben. Scheppernd ging dieser zu Boden, da ich nicht mit so etwas gerechnet hatte und der vielleicht sechsjährige fuhr in Schlangenlinien weiter, ohne sich scheinbar weiter darüber Gedanken zu machen. Kurz schnalzte ich genervt mit meiner Zunge, bevor ich mich bückte, um den Beutel wieder aufzuheben. Es war nicht das erste Mal, dass ich auf der Abschussliste der Kinder stand. Erst gestern war mir eines mit dem Roller über den Fuß gefahren und irgendwann davor hatte ich einen Ball abbekommen. Inzwischen wunderte mich so etwas nicht mehr, aber meine Stimmung machte es trotzdem nicht besser. Als ich mich wieder aufrichte, geht mein Blick direkt zu unserem Campingbus, in dessen Nähe ich bereits war und sehe mich einem Christian gegenüber, der sich offenbar ein Lachen verkniff. Er hatte ja auch mehr Glück. Auf ihn hatten es die Kinder bisher noch nicht abgesehen! Seufzend ging ich also auf ihn zu und während ich mich in das offene Fahrzeug lehnte, um meinen nun staubigen Beutel und das Handtuch zu verstauen, vernahm ich auch schon seine Stimme. „Ben, du solltest wirklich besser aufpassen. Nicht, dass dir noch ein Kind über den Fuß fährt.“ Noch bevor der Satz richtig beendet war, begann er bereits zu lachen. „Das ist nicht lustig“, grummelte ich, während ich mich langsam zu ihm umdrehte. „Das hatte echt weh getan!“ Mir war bis zu dem Vorfall noch nicht einmal bewusst gewesen, dass man jemanden mit einem solchen Roller überhaupt über den Fuß fahren konnte, ohne selbst ins Straucheln zu geraten. Doch man lernte ja bekanntlich nie aus, denn dieses Kind hatte es geschafft. „Entschuldige“, meinte mein Gegenüber dann nur, doch das Grinsen verlor er dabei nicht. „Was hältst du davon, wenn wir nicht hier Frühstücken? Am Ortseingang war so eine Art Imbiss. Dort stand auch ein Schild, dass es ein Frühstücksbüfett geben soll.“ Ich dachte kurz darüber nach und glaubte mich an dieses Schild zu erinnern. Sofort stieg meine Laune ein wenig bei dem Gedanken hier nicht mehr unnötig lange zu bleiben. Wir müssten den Platz ohnehin in zwei Stunden geräumt haben oder eben für einen weiteren Tag bezahlen. „Hier wollen Leute schlafen!“, ertönte auf einmal eine erboste Stimme aus dem Zelt vom Nachbarplatz und ich konnte sehen, wie das Grinsen aus Christians Gesicht verschwand und er genervt in die Richtung der Stimme schaute. In der Nacht war für uns kaum an Schlaf zu denken gewesen, da unsere Nachbarn den Tag, in einer großen Gruppe und gut gelaunt mit viel Alkohol, haben ausklingen lassen. Bis zum Morgengrauen. Erst danach konnten auch wir schlafen. Als ich den Eindruck hatte, dass Christian etwas sagen wollte, unterbrach ich ihn schnell. „Chris? Lass uns frühstücken gehen“, sagte ich lauter, als das es unser Gespräch erforderlich gemacht hätte. Doch konnte ich den Wunsch, die anderen noch ein wenig länger um ihren nicht verdienten Schlaf zu bringen, nicht ganz unterdrücken. Auch mich hatte das ziemlich gestört, doch offensichtlich war Chris‘ Toleranz für Schlafentzug geringer. Schon in der Nacht hätte er nur zu gerne etwas dazu gesagt, doch nach der Menge an Alkohol, der geflossen war, wäre das wohl nur schiefgegangen, weshalb ich ihn überzeugen konnte das ganze einfach stillschweigend hinzunehmen. So hatten wir einen Großteil der Nacht dazu genutzt, uns irgendwelche banalen Dinge aus unseren Schulzeiten zu erzählen. Zumindest das war ganz amüsant gewesen und die Zeit somit gut genutzt. Chris murrte ein wenig nachdenklich und zeigte deutlich, dass er mehr als bereits war, diesen Campingplatz sofort zu verlassen. „Lass uns losfahren. Dann können wir auch gleich im Imbiss unser nächstes Ziel besprechen“, zog ich seine Aufmerksamkeit weiter auf mich, damit er nicht auf blöde Gedanken kam und setzte mich auch schon in Bewegung in Richtung der Beifahrertür des Wagens. Ich hatte wirklich kein Problem damit, schnellstmöglich von hier zu verschwinden. Sei es nun wegen unserer Nachbarn oder wegen der Kinder, die es auf mich abgesehen hatten. Chris hingegen nickte nun zustimmend, während er auch schon in seine Hosentasche griff, um den Autoschlüssel herauszuziehen. Sein Wunsch den Platz zu verlassen schien nicht weniger klein zu sein. Im Auto sitzend wollte ich schon seufzend meinen Kopf zurück an die Kopfstütze sinken lassen, als Chris den Wagen startete, zuckte aber stattdessen leicht zusammen, als der Motor laut aufheulte. „Hoppla“, meinte mein Nebenmann und klang äußerst amüsiert. „Das ist mir ja noch nie passiert.“ Ein kleines Lachen folgte seinen Worten, als er nun doch den Gang einlegte und der Campingbus sich sachte in Bewegung setzte. Auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und als ich im Seitenspiegel beobachten konnte, wie der Reißverschluss des Zeltes unserer Lieblingsnachbarn ruckartig heruntergezogen wurde, wandelte es sich zu einem lauten auflachen, denn anhalten würde Chris nun sicherlich nicht mehr und somit konnten wir sie zumindest für kurze Zeit um ihren Schlaf bringen ohne selbst ärger zu bekommen. *~*~*~* Chris hatte recht gehabt und wir fanden am Ortsausgang einen kleinen Imbiss inklusive einem kleinen Frühstücksangebot. Aufgrund des schönen Wetters gab es sogar einen kleinen Außenbereich auf dessen Rückseite, welcher mit Stühlen und Tischen für die Gäste versehen war. Hier hatten wir es uns nun gemütlich gemacht und genossen die noch nicht zu kräftigen Sonnenstrahlen, die durch die Blätter des neben uns wachsenden Baumes schienen. Das Frühstück war nicht sonderlich ausgefallen. Es wurden Brötchen mit diversen Belegen und Aufstriche, so wie frisch zubereitete Rührei und gebratener Speck angeboten. Auch in Sachen Getränke wurde das Übliche wie Kaffee, Tee und Säfte bereitgestellt. Doch uns reichte das Angebot vollkommen. „Hier ist es schön ruhig“, merkte Chris an, nachdem er einen Schluck seines Kaffees genommen hatte. Anders als ich, hatte er seine beiden Brötchen bereits gegessen und konzentrierte sich nur noch auf sein Getränk. Ich hingegen konnte noch mein sehr leckeres Rührei genießen. „Vielleicht sollten wir hier bleiben“, fügte mein Gegenüber schief grinsend noch hinzu, als auch schon ein benachbarter Bauer seinen Trecker startete. Ich verkniff mir das Lachen und zog stattdessen meine Augenbraunen fragend nach oben. „Das nennst du also ruhig, ja?“ Es war nicht so, dass der Trecker übermäßig laut war, immerhin stand er nicht direkt neben uns, aber ich dachte mir, dass wir beide etwas anderes unter Ruhe verstanden. Chris ließ nun bedauernd seufzend den Kopf hängen, während er sich mit seiner freien Hand über die Schläfe strich. „Wir haben einfach kein Glück.“ „Ach, das wird schon“, versuchte ich mich in aufmunternden Worten und schob die Reste meines Essens mit der Gabel zusammen. Sein Gesicht langsam zu mir drehend, mit noch immer hängendem Kopf, sah er mich an. „Schön, dass du deinen Optimismus noch nicht verloren hast.“ Gespielt empört sah auch ich ihn nun an. „Du etwa schon? Hey, wir sind im Urlaub, die Sonne scheint und wir können hinfahren, wohin auch immer wir wollen. Wir müssen nur noch herausfinden, wo genau das ist.“ Über meinen eigenen kleinen Witz konnte ich nur schief grinsen. „Weißt du was?“, fragte Chris mich auf einmal, nachdem er seinen Kopf wieder gehoben hatte und nun auch ein wenig entschlossener aussah, nachdem ihm offensichtlich eine gute Idee gekommen war. Mit leicht schief gelegtem Kopf fordere ich ihn auf weiterzusprechen. „Wir lassen jetzt einfach die Campingplätze aus und suchen uns ein paar schöne Plätze mitten in der Natur!“, erläutert er begeister seinen Plan. „Wildcampen?“, fragte ich nach, was er sofort mit einem begeisterten Nicken bestätigte. „Du weißt aber schon, dass das eher nicht erlaubt ist?“ „Wir dürfen uns nur nicht häuslich einrichten“, verteidigt er seinen Plan sofort. „Aber wir zelten“, erwähne ich sofort noch immer skeptisch, wenn auch leicht amüsiert über seine plötzliche Begeisterung für seinen eigenen Plan. „Die Zelte darf nur keiner sehen.“ Kurz lache ich auf. „Willst du die ins Unterholz stellen und dann Blätter darauf legen?“ Sofort legten sich Falten auf Chris‘ Stirn, als er über meinen nicht ernst gemeinten Vorschlag nachzudenken schien, weshalb ich ihm das sofort aus dem Kopf schlagen wollte. „Die gehen unter dem Gestrüpp doch nur kaputt, du Spinner.“ Lachend schüttele ich meinen Kopf. Kurz überlegte Chris wieder, bevor er zu einem neuen Versuch ansetzte mich von seinem Plan zu überzeugen. „Ach komm schon! Das wird bestimmt lustig und wenn dort zu viel los ist, dann können wir immer noch im Wagen schlafen.“ Ich konnte nur wieder mit dem Kopf schütteln, doch ließ ich mich inzwischen auch von seiner Begeisterung anstecken. Wie konnte man auch mehr die Natur genießen, als wenn man seine Zeit mitten in ihr verbrachte? „Lass uns erst mal einen geeigneten Platz finden“, stimme ich also indirekt zu, was ihn sofort dazu bewegte von seinem Platz aufzustehen, da wir beide zwischenzeitig mit dem Frühstück fertig geworden waren. „Wir fragen einfach mal den Imbissbesitzer. Vielleicht gibt es hier in der Nähe ja sogar ein geheimes Plätzchen, das er uns empfehlen kann.“ Zwar noch immer nicht vollends überzeugt stehe ich schließlich auch auf und folge Chris, der trotz dem wenigen Schlaf nun voller Elan zu sein scheint, zurück in den kühlen Imbiss, auf der Suche nach seinem Besitzer. Dieser war gerade damit beschäftigt die Tische im Inneren abzuwischen und die bescheidene Tischdekoration, bestehen aus ein paar Kunstblumen, wieder richtig darauf hinzustellen. Kurzerhand bedanken wir uns für das leckere Frühstück und zahlten für dieses, bevor Chris zu seiner eigentlichen Frage überging. „Entschuldigen Sie, aber können Sie uns sagen, ob es hier in der Nähe vielleicht ein ruhiges und abgeschiedenes Plätzchen gibt, an dem man seine Ruhe hat und nicht andauernd gestört wird?“, fragte er also freundlich lächelnd. Der Besitzer hielt kurz inne und schien zu überlegen. Dann ging sein Blick kurz zwischen uns hin und her. Sein Blick wurde währenddessen amüsiert? Oder interpretierte ich ihn falsch? Ich brauchte einen Moment, um mir über die mögliche Auslegung von Chris‘ Worten klarzuwerden und meine Augen weiteten sich etwas. Mehr ließ ich mir jedoch nicht anmerken. „Wenn ihr hier vorne aus dem Ort wieder rausfahrt und der Landstraße eine Weile folgt, vielleicht sechs Kilometer, dann kommt ihr auf der linken Seite zu einem Forstweg. Der ist ein wenig versteckt, ihr müsst aufmerksam sein. Auf jeden Fall, wenn ihr dem Weg folgt, dann kommt ihr zu einem Teich. Dorthin verirren sich meist nur Angler, wenn überhaupt“, beantwortete der Mann Chris‘ Frage. Dieser war mit der Antwort überaus zufrieden und bedankte sich herzlich, bevor wir gemeinsam den Imbiss wieder verließen. Auf dem Parkplatz sah ich ihn ein wenig skeptisch an. „So so, ein abgeschiedenes Plätzchen, an dem wir also unserer Ruhe haben können?“, fragte ich ihn und wiederholte bewusst seine Worte. „Ja, wieso?“, fragte er leicht verwundert und schien sich tatsächlich zu fragen, was ich damit sagen wollte. Also hob ich meine Augenbrauen und nach einigen Sekunden verstand er offensichtlich, was ich meinte, denn auch seine Augen weiteten sich. „Oh“, meinte er leise. „Nun, vielleicht haben wir dann ja Glück und der Teich ist wirklich schlecht besucht.“ „Oder aber, er ist die Geheimadresse für sämtliche Pärchen hier in der Umgebung“, scherzte ich nun und hoffte inständig, dass genau das nicht der Fall sein würde. Ein Haufen Pärchen würde sicherlich nicht zu der gewünschten Ruhe verhelfen. Ende Kapitel 4 Kapitel 5: Wildes Campen ------------------------ Kapitel 5 Wie sich herausstellte, war der Teich ein echter Glücksgriff gewesen. Wir hatten den restlichen Tag und auch die Nacht unserer Ruhe und weder Angler noch Pärchen leisteten uns Gesellschaft. Nach den unruhigen Tagen auf den Campingplätzen war dies eine willkommene Abwechslung und wohl auch die erste Nacht, in der ich wirklich durchgeschlafen hatte. Zunächst hatten wir noch überlegt einen weiteren Tag dort zu bleiben, jedoch wollten wir nicht riskieren doch noch beim Wildcampen erwischt zu werden, weshalb wir weiterfuhren. Vielleicht ergab sich ja auf dem Rückweg noch einmal die Möglichkeit hier einen Stopp einzulegen. Die nächsten Tage haben wir nun also versucht auch weiterhin solche abgelegenen Plätze zu finden, was uns im Großen und Ganzen auch gelang. Teilweise verbrachten wir die Nacht zwar direkt an einem Forstweg und nahmen es somit in Kauf tatsächlich erwischt zu werden, doch dafür kamen wir an wunderschöne und ruhige abgelegene Ecken. Endlich konnten wir wie geplant die Natur genießen und genügend Ruhe tanken. Auch lernten wir uns jetzt immer besser kennen. Natürlich war zwischen uns schon vor der Reise eine gewisse Sympathie gewesen, sonst wären wir auch wohl kaum zusammen verreist, doch machte Chris nun einen anderen Eindruck auf mich, als zuvor. Er wirkte nun ruhiger und gelassener und immer mehr hatte ich den Eindruck, dass er sich in der Uni einfach nur der Meinung seiner Freunde anschloss oder aber seine eigene einfach im Hintergrund hielt. Von Tag zu Tag hatte ich immer mehr das Gefühl, dass daraus tatsächlich eine Freundschaft werden könnte, über den Urlaub hinaus, wenn da nicht seine Freunde wären. Beim besten Willen konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie ihre Meinung mir gegenüber ändern würden. Dafür machte es ihnen viel zu viel Spaß mich zu beleidigen. Es war zwar wirklich schade drum, dass sich unsere Wege weitestgehend nach dem Urlaub somit wohl nicht mehr treffen würden, aber das sollte uns nun nicht von ein paar schönen Tagen abhalten. Chris schien dies zumindest ähnlich zu sehen, denn die Themen Freunde und Uni ließen wir beide größtenteils aus. Nachdem wir nun gut eine Woche unterwegs waren, fanden wir erneut einen schönen Platz an einem kleineren See, der inmitten eines Waldabschnittes lag. Auf der nördlichen Seite entdeckten wir eine Art Vorplatz, der wohl für Besucher mit wenigen Tischen und Bänken eingerichtet worden war. Auch eine gepflasterte Stelle, auf der man Grillen konnte, war zu finden. Als wir dort ankamen, waren wir jedoch zunächst nicht alleine. Wir hatten späten Nachmittag und ein paar Teenager hatten sich hier versammelt. Musik dröhnte blechern aus den kleinen Lautsprechern eines ihrer Smartphones, ein paar Tüten Knabberzeug, sowie Flaschen mit verschiedenen Sorten Alkohol befanden sich um sie herum auf dem Boden. Auch, wenn wir bereits eine weniger angenehme Situation mit Feiernden hatten, so entschieden wir zunächst einmal die Situation vom Rand des Platzes aus zu beobachten und zu sehen, wie sich das alles entwickelte. Wir mussten ja noch nicht unbedingt unser Lager aufschlagen. Das Warten hatte sich jedoch gelohnt, denn kaum fing es langsam an zu dämmern und wir befürchteten schon, uns langsam einen anderen Platz suchen zu müssen, um noch genügend Zeit zu haben, um unsere Zelte aufzustellen, da räumte die Gruppe ihre Sachen grob zusammen und zog langsam davon. Darauf hatten wir natürlich gehofft und wir beide wussten, wie wir damals in dem Alter reagiert hatten. Nichts war schlimmer, als feiern zu wollen und die ganze Zeit von irgendwelchen älteren argwöhnisch dabei beobachtet zu werden, ja, regelrecht beaufsichtigt zu werden. Man wollte halt einfach seine Ruhe haben und sich dabei nicht rechtfertigen wollen. Von uns war dies vielleicht nicht ganz fair, doch auch wir wollten dieses schöne Fleckchen nur für uns haben. Nachdem wir noch eine Weile abgewartet haben, um zu sehen, ob die Gruppe auch wirklich nicht zurückkommt, bauten wir schnell mit Unterstützung durch das Scheinwerferlicht des Campingbusses unsere Zelte auf. Wir konnten froh sein, dass wir bereits ein wenig Übung darin hatten, ansonsten hätten wir in dem dämmrigen Licht wohl weitaus länger gebraucht. Danach suchten wir noch einen Einweggrill aus dem Bus heraus und grillten uns noch ein paar Reste vom Vortag zum Abendbrot. Es war zwar insgesamt ziemlich spät geworden, doch so konnten wir zumindest beim Essen den Sternenhimmel betrachten. Viele Menschen mochten so etwas kitschig finden, ich jedoch fand in solchen Situationen einfach eine ganz andere Art der Ruhe. Eine Ruhe, die sich fast schon um einen legte und einem das Gefühl gab etwas richtigzumachen und zufrieden damit zu sein. Chris schien dies ähnlich zu empfinden. Allgemein waren wir uns bei solchen Dingen scheinbar einig oder aber er hatte ein gutes Gespür dafür, wenn ich das Schweigen bevorzugte. Natürlich hatten wir reichliche Momente, in denen wir eine Geschichte aus unserer Vergangenheit nach der anderen heraus kramten und sie uns gegenseitig erzählten. Am Gesprächigsten waren wir wohl während der Autofahrten. Doch gerade dann, wenn unsere Umgebung ruhiger wurde, dann wurden auch wir es. Das Schöne daran war, dass das Schweigen zwischen uns zu keinem Zeitpunkt unangenehm war. Es war einfach so, als ob wir uns abgesprochen hatten uns unsere Umgebungslautstärke anzupassen. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, aber irgendwann in der Nacht zogen wir uns in die Zelte zurück. Es war mit der Zeit immer kühler geworden, was mit Sicherheit auch daran lag, dass die Glut des kleinen Grills erlosch, der Tag ohnehin lang gewesen war und uns einfach die Müdigkeit ereilte. *~*~*~* Das war wirklich keine erholsame Nacht. Umso näher der Tag kam, desto kälter wurde es und immer wieder wachte ich auf, nur um festzustellen, dass ich vor Kälte zitterte. Also wickelte ich mich wieder fester in meinen Schlafsack, nur um dann irgendwann erneut aufzuwachen. Wieder zitternd. Erst als ich erneut geweckt wurde, dieses Mal jedoch von einem leisen klappern, und bemerkte, dass es nicht mehr ganz so dunkel im Zelt war, wie die letzten Male, setzte ich mich müde auf. Es war noch immer kalt und während des Sonnenaufgangs würde sich das wohl auch nicht mehr ändern. Ich folgte also indirekt dem Klappern und zog den Reißverschluss der Zeltöffnung herunter, um einen Blick nach draußen werfen zu können. Vor mir stand der Campingbus, in welchem eine kleine Lampe für Licht sorgte, was mir wiederum sagte, dass Chris scheinbar dort drin irgendetwas tat. Ich entschied mich kurzerhand mich zu ihm zu gesellen und wickelte dafür die dünne Wolldecke, die ich noch zusätzlich auf meinem Schlafsack liegen hatte, um mich und zog mir schnell meine Schuhe über, bevor ich das Zelt vollständig öffnete. Eigentlich war es schon fast zu schade zum Campingbus zu gehen. Leichter Nebel lag auf dem kleinen See. Der Himmel hatte sich zugezogen, weshalb die Sonne keine direkten Strahlen von sich geben konnte, wodurch die Umgebung fast schon etwas Unheimliches hatte. Doch es war einfach zu kalt und ich war zu müde, als dass ich mich nun damit länger beschäftigen wollte. Vorsichtig öffnete ich die Seitentür des Campingbusses, um Chris nicht zu erschrecken, doch ich machte mir zu große Sorgen darum. Auch er hatte sich in eine Wolldecke gewickelt und saß vor dem kleinen eingebauten Gaskocher, auf dem etwas köchelte. Seine Augen waren fast geschlossen und wenn er die Gasflamme nicht vor sich gehabt hätte, dann wären sie es wohl auch ganz. Er machte den Eindruck, als würde es ihn nicht interessieren, dass sich jemand zu ihm gesellte. Stumm setzte ich mich neben ihn, nachdem ich die Tür möglichst leise wieder zugezogen hatte. Wenn ich bisher eines während unserer Reise gelernt hatte, dann, dass er ein größerer Morgenmuffel als ich war. Schließlich machte er mit einem murrenden Geräusch auf sich aufmerksam und deutete auf den Kocher, auf dem der Kaffee, wie ich inzwischen herausgefunden hatte, scheinbar fertig war. „Gerne“, antwortete ich leise und Chris verzog sein Gesicht. „Nicht reden“, murmelte er verstimmt, was bei mir jedoch nur ein leises schnaubendes Lachen hervorlockte. Schließlich drückte er mir eine Tasse mit dampfendem Inhalt in die Hand und zeigte dann auf eine Tüte mit Toastbrot. Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, als ich ihm auch auf diese stumme Frage antwortete. „Gerne nehme ich auch ein Stück Toast.“ Es schien so, dass mich nichts mehr von meiner eigenen schlechten Laune am Morgen ablenkte, als Chris ein wenig zu ärgern. Er schien es aber zu ignorieren und griff stattdessen nach dem Metallgestell, mit welchem man Toast auf dem Gaskocher toasten konnte. Dann setzte er sich wieder hin und schweigsam tranken wir unseren Kaffee und warteten darauf, dass unser Essen fertig werden würde. Schließlich hielten wir auch unsere belegten Brotscheiben in den Händen und aßen schweigsam, während es draußen immer heller wurde und uns hier im Wageninnere zunehmend wärmer. Als wir fast fertig waren, mit unserem Frühstück, horchten wir beide plötzlich auf. Neben dem Campingbus konnte man deutlich eine Art Schnauben und Grunzen hören. Dann klimperten Metallstangen. Verwirrt sahen wir uns beide nach den Geräuschen um und wurden bei unseren Zelten fündig. „Das ist doch ein Scherz!“, stieß Chris aus, blieb dabei jedoch recht leise. Ein Wildschwein stand mit seinen Vorderbeinen in einem der Zelte, welches bereits mehr lag, als stand. Das erklärte somit das Geräusch der Metallstangen. Beim genauerem hinsehen konnten wir noch mehrere Frischlinge sehen, sowie zwei weitere Wildschweine, die langsam aber sicher unser kleines Lager durch schnüffelten. „Wenn wir Krach machen, erschrecken sie vielleicht und verschwinden wieder“, schlug ich vor, verharrte aber ebenso wie Chris die ganze Zeit über auf meinem Sitzplatz. „Oder sie werden aggressiv und greifen meinen Bus an“, spielte er den Gedanken weiter und wirkte wenig überzeugt davon. „Also warten wir einfach nur ab?“, fragte ich leise, um bloß nicht die Tiere auf uns aufmerksam zu machen. „Ich trauere lieber ein paar Zelten nach, als dass sie mir den Lack zerschrammen“, erklärte er grummelnd, als auch schon das Geräusch von reißendem Stoff zu uns in den Wagen drang und ein weiteres Gestänge umfiel. Ich wusste auch nichts Besseres, was wir hätten tun können. Um ehrlich zu sein, war ich gerade ein wenig überfordert mit der Situation, denn mir war nicht der Gedanke gekommen, dass wir auf solche Tiere hätten stoßen können. Das Einzige, was ich wusste, war, dass Wildschweine gefährlich werden konnten, wenn man sie denn reizte. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass sie eigentlich scheue Tiere waren, die nicht unbedingt die Nähe des Menschen suchten. Doch Chris Gedanken stimmten schon. Was, wenn die Tiere sich nicht verschrecken ließen, sondern viel mehr zum Angriff ansetzten? Wir konnten nicht mal den Motor starten, es sei denn wir verließen den Campingbus, um dann noch vorne zum Fahrer- und Beifahrersitz zu kommen. Somit saßen wir also beide nur Stumm da und schauten den Wildschweinen dabei zu, wie sie unsere Sachen nach Fressen durchsuchten. Wir konnten wohl froh sein, dass wir keine wichtigen Sachen, bis auf unsere Schlafsäcke vielleicht, in den Zelten hatten. Irgendwann zogen die Tiere dann wieder von dannen und die Überreste unserer Sachen lagen verstreut um den Bus herum. Ende Kapitel 5 Kapitel 6: Angelplatz --------------------- Kapitel 6 Es waren tatsächlich bloß noch Überreste von unseren Sachen vorhanden. Nachdem wir sicher waren, dass die Wildschweine weitergezogen waren, haben wir uns umgesehen. Die Zelte waren zerrissen, ebenso wie die Schlafsäcke. Auch die Isomatten, auf denen wir gelegen hatten, hatten etwas abbekommen, wenn auch nicht so viel, wie die anderen Sachen. Wie sich herausgestellt hatte, so hatte ich mein Smartphone im Zelt liegen gehabt. Etwas, woran ich erst gar nicht gedacht hatte. Doch dieses hatte Glück gehabt. Keines der Schweine war darauf getreten oder ähnliches und so hatte nur die Hülle ein paar Schrammen abbekommen und das konnte ich durchaus verkraften. Zusätzlich war es ein wenig ärgerlich, dass wir einen kleinen Korb voll Lebensmittel neben unserem Grill hatten stehen lassen. Offenbar haben wir durch die Dunkelheit am vergangenen Abend diesen übersehen und deswegen nicht zurück ins Auto gestellt. Somit wunderte es uns auch nicht mehr, dass die Wildschweine durch so etwas angelockt worden sind. Auch an dem Platz, an dem die Jugendlichen gewesen waren, konnte man ein paar leere Tüten von Knabbereien herumliegen sehen. Somit war das Durchwühlen des Platzes für die Wildschweine zumindest ein Erfolg gewesen. Schweigsam sammelten wir alles, so gut es ging auf. Während ich mich bereits mit der Situation abgefunden hatte, immerhin hätte uns bewusster sein müssen, dass so etwas passieren könnte, hörte ich Chris hin und wieder mal fluchen. Es konnte jedoch auch sein, dass es daran lag, dass er auf dem feuchten Rasen immer mal wieder ausrutschte, weil er wohl nicht wirklich darauf achtete, wo genau er hintrat. Letzten Endes räumten wir auch noch den Müll der anderen weg und entsorgten sämtliche Verpackungen in dem Mülleimer, welcher für die Gäste hier zur Verfügung stand. Die Überreste unserer Schlafgelegenheiten verstauten wir im Wagen. „Und nun?“, fragte ich schließlich, als wir es uns wieder im Campingbus gemütlich gemacht hatten, wie schon zuvor bei unserem Frühstück. Schließlich hatten wir nun kein Plätzchen mehr zum Schlafen oder zumindest nicht mehr das, welches wir dafür geplant hatten. Kurz sah Chris sich im Wagen um. „Entweder, wir ziehen los und kaufen uns neue Sachen oder aber wir machen es uns ab sofort hier drin bequem und klappen den Tisch zusammen. Das wird dann allerdings um einiges enger, als es die Zelte waren“, schlug er vor und klopfte mit den Fingerknöcheln auf der Tischplatte herum, um zu symbolisieren, dass daraus dann das Bett werden würde. „Oder wir fahren wieder nach Hause, wenn du jetzt keine Lust mehr hast“, fügte er noch hinzu, jedoch deutlich leiser, was mich ein wenig schmunzeln ließ. Es war wohl offensichtlich, dass er von dem Vorschlag am wenigsten hielt und es genau genommen wohl nicht wirklich sagen wollte. Doch ich rechnete es ihm an, dass er mir da die Wahl lassen wollte. Mehr oder weniger wollte. „Ich möchte ehrlich gesagt gar nicht wissen, wie teuer Zelte jetzt im Sommer sind. Die wird man im Sale sicherlich günstiger bekommen“, dachte ich laut nach und lehnte damit im Prinzip seinen ersten Vorschlag ab. „Und nur, weil ein paar Schweine uns besuchen kommen, ist meine Laune noch nicht im Keller“, schloss ich auch die letzte Möglichkeit aus. Wir hatten zwar nicht wirklich besprochen, wie lange wir nun unterwegs sein wollten, sondern nur eine Art Zeitfenster festgelegt, doch die knappe Woche, die wir nun unterwegs waren, würde ich gerne noch verlängern. „Das heißt, wir wollen zusammenrücken?“, fragte Chris nach, auch wenn wohl von seinen Vorschlägen nur dieser eine übrig blieb. Sicherlich hätte ich auch noch Vorschläge mit einbringen können, doch im Grunde hatte ich keine weiteren. „Vorausgesetzt, du trittst mich Nachts nicht aus dem Bett oder verprügelst mich heimtückisch“, scherzte ich, woraufhin mein Gegenüber sein Gesicht ein wenig nachdenklich verzog. „Ich glaube, das ist mir bisher noch nie passiert“, sprach er langsam. „Du glaubst?“, fragte ich ihn daraufhin mit einem leichten Lachen in der Stimme. „Na ja, bisher hat sich niemand beschwert, soweit ich weiß“, scherzte er weiter. „Dann hoffe ich mal, nicht der erste zu sein.“ Kurz legte Chris den Kopf schief und verzog die Mundwinkel, als wolle er die Situation abschätzen wollen, doch letztendlich brachte ihn das nur zum Lachen. Damit hatten wir seine schlechte Laune wohl beseitigt. „Ich fürchte nur, dass wir ein kleines Problem haben“, fügte er schließlich doch noch hinzu. „Wir haben nur noch zwei dünne Wolldecken.“ Damit deutete er mit einem leichten nicken zu den Decken, in denen wir uns eine Weile zuvor eingewickelt hatten. „Das hier ist letztendlich nur eine Blechdose. Die Wände haben mein Onkel und ich nicht besonders dick gedämmt. Sollten wir noch eine Nacht wie die letzte haben, dann wird es hier mit Sicherheit frisch drin werden.“ „Wir müssen eh noch etwas zu Essen kaufen. Vielleicht finden wir ein Geschäft, welches auch noch ein paar Decken verkauft“, sagte ich nachdenklich. „Ansonsten müssen wir eben zusammenrücken“, fügte ich noch scherzend hinzu, stand dabei aber bereits von meinem Sitzplatz auf und machte mich auf den Weg, den Campingbus zu verlassen. *~*~*~* Wir hatten beschlossen in der nächstgelegenen Kleinstadt nach einem entsprechenden Geschäft zu suchen und während es kein Problem war an Lebensmittel heranzukommen, so wurde der Deckenkauf schon regelrecht zu einer Herausforderung. Offenbar kaufte die gerade jeder, denn in zwei Geschäften, die eigentlich welche im Sortiment führten, waren sie ausverkauft. Fündig wurden wir im dritten, welches zum Glück sogar eine recht gute Auswahl hatte und nicht nur diese kleinen Fleecedecken anboten, die man wohl in jedem Baumarkt finden konnte und bestenfalls als Schlafdecke für ein Haustier reichten. Schließlich hatten wir jedoch alles bekommen, was wir haben wollten und machten uns wieder auf den Weg, auf der Suche nach einem neuen idyllischen Platz. Vorher schauten wir noch auf Googlemaps, ob es im Umkreis einen weiteren See oder vergleichbares gab. Wir hatten festgestellt, dass wir beide diese Art von Orten gerne mochten, warum dann also nicht auch nach blauen Flecken auf der Map Ausschau halten und sie aufsuchen. Und auch, wenn uns der letzte Platz grundsätzlich gut gefallen hatte, so wollten wir es nicht riskieren, doch nochmal von der Wildschweinrotte Besuch zu bekommen. Wahrscheinlich fuhren wir dafür nun zur nächsten. Ich würde sie jetzt wohl für den Rest unserer kleinen Reise erwarten. Nach gut einer Stunde Fahrt erreichten wir schließlich auch unser neues Ziel. Es war bereits wieder später Nachmittag, weil wir für unsere Einkäufe so lange gebraucht hatten und zusätzlich hatten wir uns den Luxus gegönnt, in einem Schnellimbiss zu Mittag zu essen. Wir näherten uns dem See nur langsam über einen schon recht stark bewachsenen Forstweg. Als wir diesen gesehen hatten, waren wir uns zunächst nicht sicher, ob wir wirklich dort hineinfahren sollten. Nachher gab es keine Wendemöglichkeit und wir mussten den Weg rückwärts zurück und Chris würde womöglich durch die teilweise tiefhängenden Äste die eine oder andere Schramme in den Lack fahren, weil er sie so nicht richtig sah. Trotzdem versuchten wir es und wurden dafür auch belohnt. Das Unterholz war an manchen Stellen bereits Platt gefahren, scheinbar war dieser Ort beliebt. Auch zeigte sich schnell, dass wir hier wohl nicht alleine sein würden, dann neben dem Weg tauchte ein abgestellter Wagen auf, in dem sich jedoch niemand befand. Wir fuhren ein Stück weiter und fanden auch tatsächlich einen Platz, recht nahe am Wasser, der auch ein wenig weitläufiger war. Vielleicht standen hier öfters mehrere Autos oder eben größere als wir eines fuhren. Nachdem Chris den Motor ausgemacht hatte verließen wir auch schon den Wagen, um uns nach der Fahrt erst einmal ein wenig zu bewegen. Unser Weg führte uns die letzten paar Meter bis zum Ufer, des Sees und erstaunt stellten wir fest, dass dieser doch größer war, als wir uns zunächst gedacht hatten. Es war wirklich schön hier, vor allem auch deswegen, weil die Pflanzen an vielen Stellen des Ufers bis zum Wasser wuchsen. „Hey!“, rief plötzlich eine Stimme in strengen Ton aus der Richtung, aus der wir gekommen waren und ließ mich etwas erschrocken zusammenzucken. Dort stand ein Angler am Ufer, welcher uns nun ansah. „Seid bloß leise und verscheucht mir nicht die Fische.“ Ich konnte nicht anders, als darüber die Stirn zu runzeln. Kurzerhand drängte ich mich an Chris vorbei, der noch zwischen dem Angler und mir stand und ging langsam auf letzteren zu, denn hier war das Unterholz kaum vorhanden. Natürlich hätte man dem Mann auch rufender Weise antworten oder aber ihn völlig ignorieren können, doch ich wollte sowohl seinen Wunsch nach Ruhe respektieren, als auch nicht unhöflich sein. Schließlich blieb ich neben ihm stehen und sah mich nach seiner Pose um, die friedlich auf der leicht welligen Wasseroberfläche, weiter Richtung Mitte des Sees trieb. „Sie wissen, dass Ihr rufen die Tiere wohl mehr verschreckt haben dürfte, als unsere kurze Anwesenheit?“, fragte ich ihn schließlich. Gut, vielleicht war ich nicht gewillt ganz so freundlich zu sein, jedoch erinnerte ich mich nur zu gut an die paar Male, bei denen mein Vater mich mit zum Angeln genommen hatte, als ich noch klein war. Nicht reden, nicht auf dem Boden herumstampfen und am besten auch nicht laufen. So waren die Regeln gewesen, denn schließlich übertrugen sich die leichten Erschütterungen auch in das Wasser und konnten somit Fische erschrecken. Die Fische hier in Ufernähe dürften ohnehin schon weg sein, alleine durch unsere Ankunft mit dem Wagen. Wenn ihn das jedoch tatsächlich stören würde, dann hätte er auch einen Angelplatz aussuchen können, der weiter vom Weg entfernt wäre. Somit schloss ich daraus, dass der Mann ohnehin nur hier war, um seine Ruhe zu haben und somit nur zum Spaß zeitweise Fische aus dem Wasser zog, um sie grundsätzlich wieder schwimmen zu lassen. Dabei störten wir ihn natürlich. Das war mir jedoch recht, sollte meine Annahme denn tatsächlich stimmen. Ich habe noch nie verstanden, warum Menschen Fische aus dem Wasser zogen, sie in Panik versetzen und einfach wieder zurückwarfen, selbst wenn sie die richtige Größe zum Verzerr hatten. Der Angler sah mich nun einfach nur stumm an. Ich wusste nicht, ob er tatsächlich sprachlos war oder ihm die Laune am Reden einfach nur vergangen war, doch ich wartete nicht weiter auf eine Reaktion von ihm. Stattdessen verabschiedete ich mich freundlich und ging zu Chris zurück, der noch auf mich wartete. „Was hast du zu ihm gesagt?“, fragte er und sah mich sowohl ein wenig verwundert, als auch neugierig an. „Nur, dass er lauter ist als wir“, antwortete ich trocken und verursachte bei ihm ein breites Grinsen. „Das hätte ich dir ja gar nicht zugetraut“, meinte mein Gegenüber mit übertrieben gespieltem Erstaunen in der Stimme. „Nicht?“, fragte ich und war nun doch ein wenig neugierig. „Wie hast du mich denn immer eingeschätzt?“ Kurz überlegte Chris. „Vor der Reise?“, fragte er und ließ kaum Zeit verstreichen bevor er direkt weitersprach. „Steifer. Eher distanzier, teilweise sogar ein wenig arrogant.“ Das hatte ich nicht erwartet. Hatte ich tatsächlich diese Wirkung auf andere, mit denen ich wenig bis gar keinen Kontakt hatte? Chris schien zu merken, dass meine Gedanken gerade in diese Richtung gingen, denn er fügte noch eine Erklärung hinzu. „Ich denke, das liegt an Isabel. Ihr beide seid scheinbar unzertrennlich. Das wirkt dann manchmal so, als wenn ihr beiden niemanden dabei haben wollt.“ Nun runzelte ich doch offensichtlich fragend die Stirn. „Aber wir sind doch immer mit den anderen zusammen und eher selten zu zweit.“ „Letztendlich macht ihr aber alles zusammen. Von den anderen sind immer unterschiedliche bei euch.“ „Wir kennen uns eben gut.“ „Hey, ganz ruhig“, meinte Chris daraufhin und hob leicht abwehrend die Hände. „Das war kein Vorwurf.“ Scheinbar hatte sich wohl mein Ton verschärft, ohne, dass ich es bemerkt hatte. „Tut mir leid“, sagte ich daher. „Wir kennen uns schon ziemlich lange und haben vieles zusammen durchgemacht.“ „Wie lange kennt ihr euch denn schon?“, fragte er nun interessiert und schien mir meine vorherige Reaktion nicht übelzunehmen, sondern viel mehr darüber hinwegzusehen. „Grundschule“, antwortete ich knapp, doch das schien ihm zu reichen. Seine Augen weiteten sich erstaunt. „So lange? Na, dann ist es ja kein Wunder, dass ihr so unzertrennlich seid. Dann versteht ihr euch ja auch ohne Worte. Das wirkt auf Außenstehende immer ein wenig unheimlich“, meinte er und lächelte dabei. „Aber so seid ihr auch bestimmt immer füreinander da, wenn ihr Mal jemanden braucht.“ „Ja, das stimmt“, meinte ich und erwiderte sein Lächeln. „Man weiß eben, dass der andere da ist. So eine Freundschaft hat aber auch Nachteile.“ „Tatsächlich? Was sind denn diese Nachteile?“, fragte er weiter interessiert und lehnte sich leicht vor zu mir, weil wir bereits zum Wagen zurückgegangen waren und hinten die Türen geöffnet hatten, um uns hineinzusetzen. „Ich kann nichts vor ihr verheimlichen“, sagte ich frustriert klingend und betonte dabei das Nichts. „Es ist, als ob man keine Privatsphäre im eigenen Kopf hat. Sie sieht mir an der Nasenspitze an, wenn etwas nicht stimmt!“ Das brachte Chris zum Lachen. „Aber das ist doch gut. Probleme in sich hineinzufressen ist immer eine blöde Idee“, meinte er schließlich schmunzelnd. „Das doofe ist nur, wenn eigentlich sie das Problem ist!“, sagte ich jetzt tatsächlich ein wenig frustriert, denn wie sollte man mit dem Problem sein Problem besprechen? Doch Chris lachte darüber wieder nur. Sein Lachen wirkte ansteckend auf mich und ich stimmte mit ein. Ich freute mich absurderweise irgendwie darüber, dass er sich für die Freundschaft zwischen Isabel und mir interessierte. In diesem Moment war ich mir nicht sicher, ob es tatsächlich bisher niemanden interessiert hatte oder ob sein Interesse gerade einfach mehr Gewicht für mich hatte, doch es war schön einfach über etwas zu sprechen, was mir wichtig war, während mein Gegenüber offenbar ein echtes Interesse daran hatte. Ende Kapitel 6 Kapitel 7: Geständnis --------------------- Kapitel 7 Wie am Morgen dieses Tages besprochen, rückten wir in dieser Nacht zusammen. Wir klappten die Sitzmöbel im Bus herunter und erhielten so ein schmales Bett. Es war wirklich nicht sehr groß, doch für uns zwei sollte und musste es reichen. Auch wenn Chris diese Konstruktion selbst gebaut hatte, so hatten wir am Anfang ein paar Probleme alles so herzurichten, wie wir es haben wollten. Man merkte auch, dass die Möbel noch recht neu waren. Die Teile waren nicht abgenutzt und verkanteten sich daher leicht beim richtigen Platzieren. Wir waren wirklich froh, dass wir angefangen hatten während die Sonne noch schien. In der Dämmerung oder in dem schummerigen künstlichen Licht, wenn es dunkel war, wäre es nur umso schwieriger geworden. Erst danach gönnten wir uns ein kleines Abendessen und irgendwie hatte es auch etwas von einer Belohnung. Lange blieben wir dann auch nicht mehr wach und gingen ausnahmsweise mal eher ins Bett. Ich musste aber auch zugeben, dass die Begegnung mit den Wildschweinen wohl aufregender gewesen war, als ich es angenommen hätte. Doch wann kamen sie unter normalen Umständen auch schon in das eigene Lager? Wir suchten also nach einer passenden Möglichkeit uns nebeneinander hinzulegen und zunächst waren wir fast ein wenig schüchtern. Wir wollten scheinbar beide vermeiden, dass wir uns berührten. Doch irgendwann gaben wir uns dann wohl doch beide zufrieden und langsam kehrte Ruhe ein. Es dauerte nicht lange und ich konnte Chris gleichmäßigen Atem vernehmen. Ein wenig war ich schon darüber verwundert, konnte ich selbst nicht so schnell einschlafen. Vermutlich war es einfach die neue Situation, denn ich war es nicht mehr gewohnt, dass jemand Nachts neben mir lag und das, obwohl Isabelle und ich öfters mal in einem Bett oder nebeneinander auf dem Sofa schliefen. Immer wenn einer von uns beiden sich einsam fühlte oder auch einfach nur einen schlechten Tag hatte, krochen wir zu dem jeweils anderen ins Bett. Auch schlichteten wir so unsere Streite. Derjenige der sich als erstes schuldig fühlte, nachdem wir entschieden hatten uns besser gegenseitig zu ignorieren anstelle dessen uns anzumaulen, kam in der Nacht zu dem jeweils anderen ins Bett und entschuldigte sich im Schutz der Dunkelheit. Nach einer kleinen Runde kuscheln war dann meist auch alles wieder in Ordnung. Das war wohl ein Überbleibsel aus unserer Grundschulzeit, doch wir kamen damit gut klar. Der Gedanke daran ließ mich lächeln und ich konnte nicht verhindern meine beste Freundin nun ein wenig zu vermissen. Es kam selten vor, dass wir uns so viele Tage am Stück nicht sahen, doch zum Glück konnte man sich zwischendurch noch schreiben. Nach einer ganzen Weile, in der mir nur immer weiter deutlich wurde, dass die Geräuschkulisse neben Chris nun eine andere war, drehte er sich zu mir und ich spürte seinen Atem an meiner Schulter. Ein Schauer durchfuhr mich. Damit hatte er mir die Entscheidung abgenommen, in welche Richtung ich mich drehen würde. Für mich gab es nichts Schlimmeres als jemanden im Schlaf anzupusten und dadurch den eigenen Atem zu spüren. Ich drehte mich von ihm weg und versuchte meine kreisenden Gedanken zum Stillstand zu bewegen. Auch, wenn sein Atem, der nun meinen Rücken traf, nicht besonders hilfreich dabei war. Doch über zu Hause könnte ich ein andermal nachdenken, das Studium könnte ebenfalls warten und die Situation hier würde mir genauso wenig davon laufen. Endlich machte sich nun auch in mir die Müdigkeit richtig breit und meine Augenlider wurden schwer. Es dauert nicht mehr allzu lange und ich driftete in einen ruhigen Schlaf ab. *~*~*~* Als ich am nächsten Morgen wach wurde, musste es noch sehr früh sein. Ich war müde und mochte nicht wirklich die Augen öffnen. Draußen hörte ich jedoch die ersten Vögel zwitschern, ansonsten war es aber leise. Es war ein wenig kühl im Wagen, weshalb ich die Decke bis zu meiner Nase hochzog. Eigentlich wollte ich mir noch keine Gedanken über Chris machen, doch ganz automatisch versuchte ich irgendwas von ihm wahrzunehmen. Nicht, dass ich erwartete, dass er mich alleine zurückgelassen hatte! In meiner morgendlichen Trägheit war es gar nicht so einfach ihn zu hören. Doch er war noch da, strahlte eine leichte Wärme aus und irgendwie beruhigte mich dieses Wissen. Ich wollte gerade wieder versuchen einzuschlafen und die nächste halbe Stunde oder Stunde noch zu genießen, da fiel mir ein Gewicht an meiner Hüfte auf. Ein wenig verwirrt, warum die Decke so schwer sein sollte, versuchte ich mit geschlossenen Augen in mich hineinzuhorchen, um herauszufinden, was das war. Da bewegte Chris sich bereits im Schlaf und schob seinen Arm weiter meine Taille hinauf, welchen er offenbar unbewusst im Schlaf auf mich gelegt hatte. Ich konnte nicht verhindern, dass ich mich deswegen leicht erschrak. Auch öffnete ich nun meine Augen, nur um die Decke anzuheben und an mir Hinunter zu gucken. Und tatsächlich sah ich seinen Unterarm auf mir liegen. Ein wenig verwirrt ließ ich meinen Kopf zurück auf das Kissen fallen und schloss meine Augen wieder. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ohne es kontrollieren zu können fing mein Herz an zu rasen. Ich tadelte mich für diese Überreaktion und versuchte wieder ruhiger zu werden. Für mich selbst suchte ich nach einer plausiblen Erklärung, fand jedoch keine zufriedenstellende. Für Chris war dies mit Sicherheit nichts Besonderes. Er war immerhin dafür bekannt die Nächte nicht immer alleine zu verbringen und somit war es wahrscheinlich für ihn etwas völlig normales seinen Arm um den Körper neben sich zu legen. Stellte sich nur die Frage, sollte ich den Arm dort belassen oder sollte ich vorsichtig versuchen ihn von mir herunter zu schieben? Ich konnte den Gedanken nicht verhindern, dass Chris es womöglich unangenehm war, würde er wach werden und mich bemerken. In dem Fall wäre es ihm aber auch unangenehm, wenn ich seinen Arm wegschieben und ihn dadurch wecken würde. Doch würde er selbst so weit denken? Am einfachsten wäre es wohl, wenn ich wirklich wieder einschlafen würde. Mit ein wenig Glück würde er dann vor mir aufwachen und es wäre für keinen von uns unangenehm, denn keiner wusste von dem Anderen, dass er es wusste. Augenscheinlich. Doch wäre es wirklich unangenehm? Umso mehr ich mir darüber Gedanken machte, desto sicherer war ich mir, dass das unangenehmste eben diese waren. Über ein erneutes Einschlafen war inzwischen nicht mehr nachzudenken. Ich zerbrach mir dermaßen den Kopf, dass ich nun wirklich wach war und ich konnte nicht einmal mehr sagen wie lange ich nun hier schon so lag. Offensichtlich lange genug, denn ich hörte wie Chris langsam anfing zu murren und scheinbar wach wurde. Spontan entschied ich mich dazu mich schlafend zustellen. Innerlich schimpfte ich währenddessen mit mir selbst. Wie konnte man sich nur so trottelig in einer solchen Situation verhalten? Ich kam mir vor wie ein Teenager! Das Gefühl nahm auch nicht ab, denn Chris schien sich im Schlaf näher an mich heranzukuscheln und auch sein Griff wurde stärker. Ein Seufzer seinerseits folgte und dann wurde es still. Ich lauschte, ob noch etwas kommen würde, doch stattdessen rückte sein Kopf plötzlich herum. Auch er schien im Kopf die Situation zu begutachten und ebenso schien er deswegen überrascht zu sein. Doch im Gegensatz zu mir setzte er sich nun ein wenig auf und ich nahm an, dass er zu mir herüberblickte. Dann verschwand auch schon sein Arm und er setzte sich scheinbar endgültig auf. An meinem Rücken wurde es ein wenig kühler und ich konnte nicht leugnen, dass ich die Wärme schon jetzt vermisste. Ein Knarzen der eigentlichen Tischplatte unter uns verriet mir, dass Chris aufgestanden war. Er gähnte und ich nahm an, er streckte sich zusätzlich, so, wie ich es die letzten Tage öfters bei ihm am Morgen beobachtet hatte. Damit war die Situation aufgelöst und innerlich lachte ich über mich selbst, warum ich mir darüber so sehr den Kopf zerbrochen hatte. Ich habe nicht mehr lange gewartet bis auch ich schließlich aufgestanden war. Wir merkten beide nicht an, was am Morgen vorgefallen war und somit frühstückten wir schweigend. Danach entschieden wir weiterzufahren, auch wenn es noch früh war und wir uns den See nicht weiter angesehen hatten. Doch so würden wir vielleicht schon zum Mittag einen neuen Platz gefunden haben und könnten uns dort besser umsehen und uns mit der Umgebung vertrauter machen. Wir fanden nach wenigen Stunden Fahrt einen neuen ruhigen Platz. Wieder sehr bewaldet, jedoch mit dem Vorteil über eine große Steinfläche zu verfügen, auf der wir ein kleines Lagerfeuer herrichten konnten, ohne eine höhere Brandgefahr zu haben. Nachdem wir einen kleinen Spaziergang gemacht hatten, stellten wir fest, dass uns dieser Ort sehr gut gefiel. Wir entschieden auch am nächsten Tag noch hier bleiben zu wollen, was somit hieß, dass wir an diesem Abend unseren kleinen Alkoholvorrat ein wenig anbrechen könnten. Der gesamte Tag verlief ohne weitere Vorkommnisse, weshalb ich den Vorfall vom Morgen schon völlig vergessen hatte. Am Abend grillten wir ein wenig Fleisch und legten zum Abschluss noch ein paar Folienkartoffeln in der Glut. Als wir zu letzterem überging, hatten wir bereits unsere alkoholischen Getränke angebrochen, was jedoch mehr Wirkung auf Chris zeigte als auf mich. Zugegeben, ich habe nicht darauf geachtet wie viel er getrunken hatte, denn seine Flasche Wodka interessierte mich nicht sonderlich. Ich trank lieber Whiskey und ertrug das Andere nur als Mischgetränk. Doch dafür hatten wir nichts mehr dabei. Zumindest waren wir uns bei dem Bier einig und wir tranken dieselbe Marke. Bei der Flaschenanzahl hatten wir Gleichstand. Reichlich angeheitert verputzten wir unsere Kartoffeln, was wirklich besonders lustig war, auch wenn ich nicht sagen konnte worüber wir lachten. Der Alkohol zeigte einfach seine Wirkung. Wieder einmal erzählen wir uns alte Geschichten und ich konnte nicht drumherum kommen festzustellen, dass wir unterschiedlicher nicht hätten leben können. Somit wunderte es mich nicht, dass wir uns unter normalen Umständen wohl nie begegnet wären. Was mich jedoch eher wundern würde, hätte ich nicht schon genug Alkohol im Blut, war mein großes Interesse an den Geschichten von Chris. Ich hing ihm regelrecht an den Lippen, ich kommentierte vieles und gab ebenfalls mein Bestes dazu. Chris schien dies zu bemerken und erzählte immer mehr Geschichten mit immer größerer Freude daran. Auch wenn ich manchmal glaubte, dass er seine Geschichten teilweise bestimmt ausschmückte. Doch das machte sie nur umso unterhaltsamer und ich nahm es ihm nicht übel! Schließlich entstand wieder diese angenehme Stille, die jeden Abend zwischen uns entstand. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, ohne, dass es unangenehm war. Ab und zu genehmigten wir uns den einen oder anderen Schluck aus den Flaschen in unseren Händen. „Ich bin schwul“, sagte Chris auf einmal und nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche und sah konzentriert nicht in meine Richtung. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er das wirklich gesagt hatte und dachte darüber nach. „Okay“, sagte ich schließlich einfach, da die entstandene Pause langsam doch unangenehm wurde. Was sollte ich denn auch schon sagen? Was wünschte ich mir, was mein Gegenüber entgegnete, wenn ich ihm das mitteilte? Ich konnte selbst nicht darauf antworten. Viel zu sehr kreiste die Frage in meinem Kopf, warum er auch mit Frauen von den Partys verschwand. „Weil sie Hacke dicht sind“, sagte Chris und mir fiel auf, dass ich meine Frage wohl laut gestellt haben musste. „Und dann bringst du sie einfach nur nach Hause?“, fragte ich ein wenig verwirrt und Chris meinte, dass die Frauen sonst wohl nur von irgendwelchen unheimlichen Gestalten abgeschleppt werden würden. Darauf wusste ich so nichts zu erwidern. Zu sehr war ich damit beschäftigt mein nun aus unempfindlichen Gründen schnell schlagendes Herz zu ignorieren. Vielleicht war das auch nur die Auswirkung des Alkohols. „Außerdem glauben die anderen dadurch, dass ich auf Frauen stehen würde“, erklärte Chris noch kleinlaut und nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche in seiner Hand. Ich kam nicht drum herum Mitleid dafür zu empfinden. Was für einen Freundeskreis musste er haben, wenn er nicht zu so etwas stehen konnte? Immerhin war trotzdem bekannt, dass er auch Männer mitnahm. War er das einfach gewohnt? Hatte er bereits schlechte Erfahrungen mit den Reaktionen anderer gemacht? Ich dachte wohl einiges länger darüber nach, denn als ich zu Chris schaute, war dieser in sich zusammengesunken und seine Augen waren nur noch ein Spalt breit geöffnet. „Hey, nicht einschlafen!“, sagte ich daher zu ihm. Ich war ehrlich gesagt nicht begeistert von der Idee ihn ins Bett tragen zu müssen und hier sitzen lassen könnte ich ihn auch nicht. Ich rappelte mich auf meine Beine hoch und kam aufgrund des Alkoholpegels ins Straucheln und kniete mich daher neben ihn hin, während ich mich spontan auf seinem Oberschenkel abstützte. Mir fiel auf, dass Chris ein wenig erschrocken hochsah, jedoch mit seinen Augen sofort an meinen Lippen hängen blieb. Kurz dachte ich darüber nach wie gern ich dem unausgesprochenen Gedanken von ihm nachgeben wollen würde, war jedoch froh darüber nicht so viel getrunken zu haben um diese Idee wieder abschütteln zu können. „Komm, ab ins Bett mit dir“, sagte ich daher nur und nahm ihm die Flasche aus der Hand, um diese zuzuschrauben. Chris hingegen gab nur ein verstimmtes Brummen von sich. Also stand ich auf und zog ihn anschließend hoch. Dann drehte ich ihn in die Richtung unseres Wagens, bevor er dann zum Glück auch schon von alleine losging. Am Wagen angekommen versuchte Chris hineinzusteigen, trat jedoch daneben und fiel hin. Also unterstützte ich ihn so gut es ging, um ihn in den Campingbus hineinzukommen. Auf dem Bett ließ er sich fallen und innerhalb kürzester Zeit war er eingeschlafen. Ich stand daneben und ich ärgerte mich. Ich ärgerte mich über mein schnell schlagendes Herz. Ich ärgerte mich über das prickeln meiner Hände, mit denen ich ihm gerade noch aufgeholfen hatte. Ich ärgerte mich darüber, die Situation vorher nicht ausgenutzt zu haben. Ich ärgerte mich darüber, dass ich ihn jetzt anders hinlegen musste, damit auch ich dort liegen könnte. Doch gleichzeitig wurde ich das Grinsen auf meinen Lippen nicht los. Mir gefiel es viel zu sehr zu wissen, dass auch er schwul war. Die leise Stimme in meinem Hinterkopf die mir erzählte, dass er auch seine anderen Geschichten ausgeschmückt hatte, versuchte ich so gut wie möglich auszublenden. Ich wollte viel zu sehr, dass das was er zuletzt sagte, wahr ist. Ich verstand, dass ich inzwischen nur darauf gehofft hatte, dass es zu so etwas kommen würde. In der Zeit, die wir nun zusammen verbracht haben, war er mir immer wichtiger geworden und mein Interesse war größer als ich es angenommen hätte. Ich weiß nicht wie lange ich ihn einfach nur angesehen habe, doch irgendwann zog ich ihn weiter auf das Bett rauf und legte seine Beine ebenfalls hinauf. Seine Kleidung ließ ich ihm, doch deckte ich ihn zu. Danach zog ich mich schnell um und legte mich dazu. Ich habe erwartet, dass meine Gedanken zu dem Thema noch kreisen würden, doch der Alkohol tat sein übriges und ich schlief ebenfalls schnell ein. Ende Kapitel 7 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)