What U Need? von Sazzzandora (SuLay) ================================================================================ Kapitel 2: Tao-Time. Wait, Tao-Time? ------------------------------------ * Tao-Time. Tao-Time, ja was genau war das eigentlich? Allen voran war Tao-Time nichts Gutes. Zumindest nicht für mich. Oder Tao. Oder generell Menschen. Also prinzipiell konnte es das Beste überhaupt sein, aber im Grunde war es eine Katastrophe. Tao-Time hieß sowas wie möglichst viel hochprozentigen Alkohol auf möglichst wenig Zeit, um den perfekten, zu hohen Pegel schnellstmöglich zu erreichen. Tao-Time hieß, die Sorgen blieben fern. Niemand nahm Tao die „Philo-Sophie“, a. k. a. die Süße aus Philo Drei, und seine Devise war da, wo Wiese wuchs, in seinem Sinn gegebenenfalls aber dann Gras, wiederrum im Sinne von Weed- Wie auch immer. Normalerweise sang er es einem vor, wenn sein Pegel stimmte. Probleme wegwischen mittels Dates oder One Night Stands und Alkohol und im Notfall auch Gras. Hakuna Matata, so wie man es eben kannte. Ganz einfach. Tao-Time. Aka Hakuna Matata plus Carpe Diem plus Carpe Noctem plus was auch immer gesundheitsgefährdend war gleich Tao-Time. Nur 19 plus. Mir zuliebe beschränkte er sich allerdings inzwischen nur noch auf Alkohol, meist auch nicht mehr nur Hochpro, oder gelegentlich nur ein One Night Stand. Er war eine Katastrophe gewesen, als wir ihn kennengelernt hatten. Jedes Wochenende Party, rotzevoll und mindestens ein Mädchen dabei, furchtbar. Ich hatte oft gedacht, er würde an einer Alkoholvergiftung oder sämtlichen Geschlechtskrankheiten auf einmal sterben. Einmal hatte er mir erzählt, er sei jedes Wochenende seit der Oberstufe betrunken gewesen. Auf meine Antwort hin, noch nie so betrunken gewesen zu sein, dass ich hätte brechen müssen, war er total schockiert gewesen. "Tao, ich hab echt keinen Bock-" "Nicht lang schnacke~n", setzte er an und ich seufzte, "Kopf in 'n Nacken!" Damit kippten wir beide die ersten Shots runter. Gott, diesem Jungen sollte ich Alkohol verbieten. Es war so anstrengend, mit ihm feiern zu gehen, wenn man selbst keine Lust hatte. Ich wollte heute einfach nicht. Warum hatte ich mich von den beiden zwingen lassen? Ich wollte nur nach Hause ins Bett. Ich stand etwas abseits mit Tao am gekippten Fenster von Johnnys Zimmer. Apropos Johnny, ich hatte ihn noch immer nicht getroffen und nein, ich kannte ihn auch nicht. Neben uns auf der kleinen Couch saßen drei Jungs und unterhielten sich so lautstark über den Auslandsaufenthalt des einen, dass sie sogar die Musik stellenweise übertönten. Zwei von den drei hatten wirklich sehr laute Stimmen. So laut, dass ich bei aller Liebe nicht weghören konnte. Auch wenn ich es an manchen Stellen wirklich wollte. Aber vielleicht sollte ich wirklich einfach trinken, wie ich vorhin schon einmal überlegt hatte. Vielleicht sollte ich mich mal wirklich abschießen. Wer wusste schon, vielleicht half es ja? Also ich wusste es bloß von anderen, aber bei denen half es wohl. Okay, gut... es "half", aber naja. Ähnlich wie Essen von McDonald’s, es füllte kurz, machte aber auf lange Zeit nicht satt. Vielleicht war es ja doch eine Abwechslung, mal nicht daran zu denken, was passiert war. Ich war mir ja bewusst, dass Alkohol niemals eine Lösung war, aber manchmal ein Mittel zum Zweck. Tao zog kurz darauf schon los, um uns noch mehr zu holen. Ich drehte mich zum Fenster, um es ganz zu öffnen, um etwas mehr Luft in den inzwischen schon stickigen Raum zu lassen. Dabei machte ich einen Schritt zurück, öffnete es und stieß mit jemandem zusammen. Aber ich hatte doch keine Lust auf Menschen… "Oh, sorry", entschuldigte ich mich sofort. "Sorry!", rief mein Gegenüber gleichzeitig aus. Er war etwa so groß wie ich, schwarzhaarig. Scheinbar hatte er etwas von seinem Drink verschüttet, denn er sah direkt auf den Boden. Dann sah auch ich hinab und sah die kleine Pfütze. "Ist was passiert? Bist du nass geworden?", fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf. Dann lächelte er mich breit an. Ein tiefes Grübchen zeichnete sich auf seiner Wange ab. Daraufhin setzte er sich zu den anderen drei auf die Couch und wurde ebenso lautstark begrüßt. Mild lächelnd beobachtete ich die Szene und hatte kurz darauf wieder die Aufmerksamkeit des Schwarzhaarigen, der mich erneut anlächelte. Hübscher Typ, hatte es bestimmt leicht, dass ihn jemand liebte. Dafür bekam er sofort halbherzigen, ironischen Anschiss von dem jungen Mann mit der Kappe direkt neben ihm. Der, der im Ausland gewesen war. Keine Begrüßung, stattdessen würde er natürlich sofort Leute belästigen und dann noch rumflirten. Etwas belustigt schaute ich den vier noch zu, ehe Tao wieder zu mir kam. Sofort bekam ich von ihm einen Becher mit… irgendwas. „Tao können wir langsamer machen? Ich hab kein gutes Gefühl.“ „Nein. Wir machen langsamer, wenn du aufhörst zu jammern.“ „Aber… ich- eigentlich will ich heim ins Bett.“ „Schlafen kannst du, wenn du tot bist, Pussy. Jetzt hör auf zu heulen und trink. Du Jammerlappen.“ „Junmyeon, ein Jammerlappen? Wie kommt’s?“ Tao und ich sahen auf. Vor uns stand Choi Minho. Er war ein Stück größer als ich, hatte schwarze Haare und trug ein weißes Hemd und schwarze Jeans. Auch er sah wirklich gut aus. Einen Moment hakte es in meinem Kopf, bis ich ihn gänzlich zugeordnet hatte. Peinlich, weil wir uns kannten und quasi Freunde waren. Wir spielten zusammen Theater. Minho war einer der Neuzugänge in unserer Gruppe gewesen. Ich hatte ihm sogar noch von Yifans und meiner Trennung erzählt. Und das war nicht alles, ich kannte Minho aus der Schule. Er war in meiner Parallelklasse gewesen. In der Theater-AG und auch im Schwimmkurs. Und dann hatte ich ihn gerade nicht erkannt, Gott, das musste schon der Alkohol sein. „Die Pussy lässt sich betrügen und jammert dann rum, wenn wer ausnahmsweise mal mit mir feiern gehen soll!“ „Tao, lass gut sein“, schnaubte ich. Minho grinste mich an. „Willst du dich vielleicht lieber mit mir vergnügen, als mit der Schnapsdrossel?“ Ich blinzelte. Er lachte. „Abgeben, mit mir abgeben. Komm mit, wir holen uns ‘ne Cola.“ Diesmal stimmte ich ihm zu und folgte Minho zur Küchenzeile. An dieser gab er mir einen Becher. „Bist du allein hier?“, fragte ich ihn. „Nee, Taemin ist nebenan und Jonghyun unterhält sich mit Taeyong und Johnny, guck.“ Ich folgte seinem Blick. Vielleicht sollte ich gleich noch einmal zu Jonghyun gehen. Er hatte mir immerhin in der Schulzeit viel mit meinem Gesang geholfen. Er war wirklich ein Engel mit einer göttlichen Stimme. Minho füllte indes unsere Becher mit Cola. Dann griff er zum Rum. „Och nee, du nicht auch noch.“ „Nur ein bisschen. Oder willst du wirklich nicht?“ Ich seufzte. Was sollte es schon? Zumindest heute Abend. „Na gut. Hau rein.“ Also schüttete er mir auch etwas in den Becher. Wir stießen an, tranken beide. Er begann mir zu erzählen, welche Ideen er für unser nächstes Stück noch hatte, die wir umsetzen könnten. Es wurde irgendwann zu einer wirklich interessanten Diskussion. Ich hatte selbst noch Ideen. Es begeisterte mich, was er vorschlug. Die Ideen waren echt cool. Unsere Unterhaltung blieb auch noch spannend, als wir davon abkamen und uns noch etwas über die Schulzeit unterhielten. „Wie hast du mich eigentlich in jeder Sportart immer überholt und warst trotzdem nie Leader?“, lachte ich und trank noch einen Schluck der zweiten Rum-Cola. Minho lachte ebenfalls. „Weiß nicht, ich bin vielleicht zu ehrgeizig. Vielleicht bin ich ein zu schlechter Verlierer, keine Ahnung. Aber ich hatte nie was dagegen, mich von dir rumschubsen zu lassen“, er zwinkerte mir zu. „Hab ich gut gemacht, oder?“ „Wahnsinn. Fast schon sexy, hm?“ „Ich hoffe doch. Hat auch Spaß gemacht, dich rum zu schubsen“, diesmal zwinkerte ich. Warum es mir auffiel, wusste ich nicht. Aber Minho legte die Hand auf meine Taille. „Du solltest wieder ein paar Kurse belegen. Dann kannst du mich da weiter rum kommandieren. Nicht, dass du das im Theater nicht schon tust.“ „Ach komm. Dir gefällt das doch“, raunte ich und oh Gott, das war langsam wirklich der Alkohol, „Ohne mein Herumkommandieren, wie du’s nennst, würdest du nicht so viel erreichen. Dein Ehrgeiz braucht das.“ * „Naja und ich kam jetzt aus Japan zurück und bin vor kurzem erst wieder hier eingezogen. Morgen hab ich ein Date, aber ich muss noch die zwei Pappnasen hier betreuen. Altersbedingt, du weißt schon“, lachte der Typ von vorhin vom Sofa. Er redete mit Tao. Worüber interessierte mich nicht sonderlich. Mich interessierte mehr der Rum in meinem Becher, den ich schlussendlich exte. Den Becher stellte ich auf der Fensterbank ab. Ich drehte mich zurück und wäre dabei beinahe wieder in meinen schwarzhaarigen neuen Kumpel reingelaufen, der mich fröhlich anlächelte. Oh so süß, er war gefühlt schon mein neuer bester Freund. Besserer bester Freund. Besser als Tao, das Miststück. Besser als Sehun, der Verräter. Ich erwiderte sein Lächeln. Fuck, der war so heiß in seiner schwarzen Jeans und dem weißen Hemd. Im Hintergrund hörte ich seine Freunde irgendwas rufen und eine kleine Stimme zwischen dem Alkohol sagte mir, dass ich laut gedacht hatte. Mein Gegenüber grinste breit und hielt mir seine Hand hin. Ich begann zu lachen. „Hast du Lust zu tanzen?“ „Ja, auf jeden Fall“, summte ich. Gott, lallte ich wirklich so schlimm? Dann lächelte er wieder so süß. Richtig komisch, er war zwischenzeitig voll verschwommen, das war echt gruselig. Kurz drauf lag seine Hand an meiner Taille und wir tanzten. Und das konnte er echt richtig gut. Wirklich sehr gut. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und zog ihn zu mir. Ja... der Alkohol half tatsächlich. Zumindest vorübergehend. Aber ich kam mir unglaublich gut vor. Und alles war so viel schöner. So viel besser. Obwohl ich kein Fan davon war, nur 'Spaß' mit Alkohol zu haben, ich hatte wirklich Spaß. Tao als meine ursprüngliche Begleitung unterhielt sich zwar mit einem Mädchen aus meinem Studiengang und diesem Jungen, aber das hielt mich nicht davon ab, zu tanzen. Tanzen machte wirklich Spaß. Ich tanzte viel zu selten. Und es war so viel Action. Alles drehte sich mit und alle waren gut gelaunt, es war unglaublich. Ich kam mir vor wie der König der Welt und gleichzeitig, als sei ich nur von meinen hundert besten Freunden umgeben. Ohne untertreiben zu wollen: Ich war voll. Also wirklich rotzevoll, so wie Tao früher. Eben schon gewesen, aber jetzt war ich so kurz vor Blackout, dass ich vermutete, mehr als nur diesen Abend zu vergessen. Meine Gehirnzellen waren vermutlich alle ähnlich hacke wie ich und würgten sich schon gegenseitig. Ich wusste zwar nicht mehr so wirklich, wieso, aber ich hatte die Zeit meines Lebens gehabt. Wir tanzten meiner Meinung nach wirklich lang und hatten echt Spaß. So kannte ich mich ja selbst kaum. Irgendwann lief ich zur Küchenzeile und trank etwas. Ich war mir nicht sicher, wie viel ich trank. Ich traf nur wieder auf den Schwarzhaarigen. „Junmyeon, ich muss dir was sagen“, raunte er. Seine Hände fuhren über meine Taille. Er zog mich näher an sich heran und küsste mein Ohr. Ich streichelte durch seine Haare. Dann ließ ich mich zu einem Kuss, einem zweiten und auch zu dem ein oder anderen Zungenkuss hinreißen. Ich fasste an seine Hüfte und seufzte leise. „Ich will mit dir schlafen.“ Ich grinste breit. „Im Ernst?“ „Oh ja.“ „Okay“, kicherte ich, „Wann geht’s los?“ „Hey, hyung, kommst du mal?!“, hörte ich jemanden rufen. Ich wusste nicht, wer gemeint war. Ich wusste nur, wie ich später wieder bei Tao war. * „Hey, Junmyeonie? Geht’s dir gut?“ Der Schwarzhaarige saß auf dem Sofa und stand auf. Er kam zu mir und strahlte mich an. „War das schon immer da?“, ich piekte in seine Wange. Er kicherte bloß. Ich wollte ihn noch einmal küssen. Und das tat ich dann auch, nachdem ich mich einfach nach vorn in seine Arme fallen ließ. Er wirkte etwas erschrocken, ein wenig verspannt, doch er ließ sich schnell wieder drauf ein. Irgendwie küsste er anders als vorhin. Süßer. Aber es machte mich jetzt nicht weniger an als zuvor. Im Gegenteil. Wir küssten uns intensiver, immer mehr. Ich fand es so heiß, ihn zu küssen, dass ich leise in seinen Mund keuchte. Seine Hände fuhren meine Taille entlang. Ich spürte sein Grinsen. Irgendwann musste ich lachen und umarmte ihn nur noch fest. Er begann mit mir herumzutanzen. Was seine Freunde sagten war egal. Er sagte auch etwas zu mir. Ich streckte mich an sein Ohr und fragte ihn, wann er es tun wollte, weil ich so langsam ungeduldig wurde. Ich hatte ihm doch gesagt, dass ich auch mit ihm schlafen wollte, wieso gingen wir dann nicht nach Hause? Später lief ich aber noch einmal an die Bar, als er nicht weiter drauf einging. * Ich fragte den Schwarzhaarigen, ob er mir nachlief, als ich an der Bar ankam und was weiter passierte war mir nicht sonderlich präsent. Wir küssten uns, alles war gut, wir tranken noch was. Er erzählte mir irgendwas vom Theater, baggerte mich an oder so… Er wollte nicht mehr tanzen. Schade eigentlich. Es dauerte nicht allzu lang, da war ich wieder bei Tao. Und wen sah ich da? Ja, den Schwarzhaarigen, auf dem Sofa. Richtig komisch. ABER! Sehunie war da! * Mir tat der Kopf höllisch weh, als ich aufwachte. Meine Augen brannten, ich hatte einen furchtbaren Geschmack im Mund und mir war schwindelig und schlecht. Ich wusste weder, wo ich war, noch, wie ich hergekommen war und erst recht wusste ich nichts mehr von letzter Nacht. Nichts, außer, dass ich mit Tao zur Studentenparty gegangen war. Ein katastrophaler Fehler. Tao und Studenten? Grenzwertig, aber machbar. Tao und Party? Vertretbar, mit einer guten Versicherung. Tao plus Studenten plus Party? Ein absolutes No-Go. Ich hatte bloß Bruchstücke im Kopf. Irgendeinen schwarzhaarigen Typen, Sehun war da… naja und Tao. Aber um Gottes Willen, ich war doch nicht mit jemandem heim gegangen, oder?! Das würde ich nicht entschuldigen können. Das wäre furchtbar. Niemand durfte das wissen, Yifan erst recht nicht. Verdammt nochmal, was wenn doch? Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie es ihm gehen würde, wenn er das erfuhr. Es sah doch furchtbar aus, wenn ich so schnell nach dem Ende meiner Beziehung so etwas anstellte. Zumal ich noch lang nicht über Yifan hinweg war. Ich wollte ihm das nicht antun, ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass es mir nichts bedeutet hatte. Ich wollte auch mir nicht das Gefühl geben. Es hatte mir die Welt bedeutet, mit ihm zusammen zu sein. Mit dem Kopf noch im Kissen und halb unter der Decke, tastete ich mich ab. Ich trug Jogginghosen und ein Shirt und noch Boxershorts, wobei ich echt hoffte, dass es meine eigenen waren. Aber wenigstens trug ich überhaupt Klamotten. Das war doch ein Anfang. Naja und ich fühlte mich auch nicht so, als hätte ich vergangene Nacht Sex gehabt. Also... zumindest nicht in diesem Sinne. Aber oh Gott, was wenn doch?! Das Bett in welchem ich lag, war sehr bequem und roch auch echt angenehm, schön und gut, aber es war weder mein eigenes, noch Taos, Sehuns oder sogar Yifans und das machte mich gerade ein bisschen fertig. Erst nach einer weiteren kleinen Weile stand ich vorsichtig auf. Ich gähnte leise und sah mich um. Das war definitiv kein bekanntes Zimmer. Fuck, ich kam mir vor wie ein Flittchen, ohne genau zu wissen, ob wirklich was gelaufen war. Das würde Yifan mir nicht verzeihen. Sowas war mir noch nie passiert, mir war noch nicht einmal so ein Gedanke jemals gekommen. One Night Stands waren nichts für mich. Ich mochte den Gedanken nicht, mit jemandem zu schlafen, den ich nicht kannte. Das kleine Appartement sah aus, wie eins aus dem teuren Wohnheim, in welchem wir auf der Party waren, ergo musste es ein solches sein. Neben dem recht breiten Bett stand ein Kleiderschrank mit großen Spiegelflächen. Auf dem Nachttisch stand ein Wecker. Es war 12:04 Uhr. Ich sah aus, wie zerkaut und ausgekotzt und war leichenblass mit stark geröteten Augen und dunklen Augenringen. Ich musste geheult haben. Wüsste ich es nicht besser, würde ich mich für einen Zombie halten. Ja, ich fühlte mich auch gerade so, aber naja. Und hey... so hätte mich doch bestimmt auch niemand aufgerissen, oder? Und ich auch niemanden, das war ja furchterregend. Oh Gott, Tao hatte so Recht, ich war potthässlich wenn ich weinte. Hinter einem Raumteiler, der mir auch aus den anderen Wohnheimzimmern bekannt vorkam, fand sich ein etwas weiterer Raum, der mit Sofa, Couchtisch, Fernseher, Küchenzeile und einem kleinen Esstisch, um den herum drei Stühle standen, vollgestopft war. Alles war sehr hell und besonders durch den Sonneneinfall wirkte es sehr fröhlich. Ganz anders als meine aktuelle Situation. Ein Wandkalender, sowie ein paar Bilderrahmen und eine doch recht große Zimmerpflanze neben dem Kühlschrank, machten es tatsächlich sehr wohnlich. Der Typ auf dem Foto kam mir dezent bekannt vor, aber… Nein, den hatte ich noch nie gesehen. Keinen davon. Doch- Moment, einen davon. Von dem hatte ich mal einen Vortrag gehört… er war Doktorand. Die anderen drei… ne. Nun lief ich in den angrenzenden Bereich und direkt ins kleine zugehörige Badezimmer und nutzte die Toilette, wusch mir die Hände und mein Gesicht. Auf einem kleinen Wäschehaufen lagen eine schwarze Jeans und ein weißes Hemd. Oh Fuck. Das waren doch nicht… Minhos Sachen? Ganz plötzlich hatte ich wieder den Schwarzhaarigen vor Augen, in seinem weißen Hemd, der schwarzen Hose, wie er mich angrinste und- oh verdammt. OH VERDAMMT. Minho hatte mir gesagt, dass er mit mir schlafen wollte. Und ich hatte zugestimmt. WIESO?! Etwas panisch wusch ich mir das Gesicht mehrfach. Ich fühlte mich aber wirklich nicht, als hätte ich- naja. Aber- Fuck. Was wenn doch? Ich wusste ja nicht- oh mein Gott. Ich ging nun deutlich nervöser wieder raus und bemerkte einen Zettel, der an der Zimmertür hing. Auf Mandarin stand irgendwas von Bibliothek und gleich zurück und ein Smiley und dann ging die Tür plötzlich auf und - Minho sprach kein Mandarin. Und der schwarzhaarige Typ vor mir war auch nicht Choi Minho. Eins und Eins zusammengezählt… der Typ war natürlich der von den Fotos. Aber… meinem betrunkenen Ich, das sowieso in dem Zustand nicht sonderlich gut mit Gesichtern war, verzieh ich. Größer als ich, schwarze Haare, gleiche Kleidung wie Minho gestern… Hatte ich mit Minho mitgehen wollen und es… naja nicht geschafft? Also nicht, dass ich jetzt glücklicher wäre, wenn ich mit Minho- also immerhin kannte ich Minho, aber nein danke. Ich wünschte, ich wäre zu Hause in meinem Bett aufgewacht. „Guten Morgen, Junmyeon“, grüßte der Schwarzhaarige und lächelte, „Bist du schon ausgeschlafen?“ Seine Haare waren dezent gestylt, er hatte sehr dunkle Augen und auf seiner Wange zeichnete sich ein Grübchen ab. Jetzt so in Natura kam er mir schon bekannter vor. Vielleicht hatte ich ihn mal unbewusst auf dem Campus gesehen. Zumal wir uns ja scheinbar gestern kennengelernt hatten. „Ja… Nein. Kennen wir uns von gestern?“, fragte ich vorsichtig. Er blinzelte. Einen Moment schien er wie aus der Rolle zu fallen, ehe sich sein Lächeln wieder aufbaute und breiter wurde, als zuvor. „Äh ja, wir haben uns schon einmal kennengelernt und du warst ziemlich… sorry, ich komm erst mal rein.“ Er schloss die Tür hinter sich. Ich folgte ihm zur kleinen Küchenzeile, auf der er zwei Tüten ablegte. Eine mit Büchern, eine mit Gemüse und sonstigen Einkäufen. Er packte sie aus und sprach währenddessen weiter. „Du warst sehr betrunken und deine Freunde haben sich Sorgen gemacht. Dann, naja, hast du dich übergeben und plötzlich geweint und dann sind Tao, du und ich hoch in mein Zimmer, damit wir uns umziehen können.“ „Wir?“ „Du hast äh… mir auf die Hose gekotzt.“ Mir lief wahrscheinlich die gesamte Farbe aus dem Gesicht. Nein, Stopp, ich lief eher feuerrot an. Davon wusste ich nichts mehr. „Oh mein Gott, es tut mir furchtbar leid, das passiert mir sonst nicht. Ich trinke eigentlich auch nie viel, aber Tao nötigt einen immer. Ich bezahl dir die Reinigung-“ „Blödsinn, ich wasch das gleich. Hast du Hunger? Ich hab was zum Kochen dabei.“ Wollte ich essen? „Weiß nicht- w-weißt du, wo Tao ist?“ Er zeigte auf das kleine Sofa. „Der schläft noch. Ich hab alles für… Äh… Bibimbap mitgebracht? Magst du das?“ Ich blinzelte. Jeder normaltickende Koreaner liebte Bibimbap. Natürlich mochte ich es. Entsprechend nickte ich. „Uh, ja. Sag mal- uhm…“ „Yixing“, lächelte er. „Sag mal Yixing… Es ist unangenehm zu fragen, aber… hatten wir Sex oder sowas?“ Überrascht sah er mich an. Seine Augen weiteten sich einen Moment, ehe er zu lachen begann. „Nein, nein. Also du hast mich irgendwie drauf angesprochen, aber wir haben nicht miteinander geschlafen. Zumal Tao mich wahrscheinlich in der Luft zerrissen hätte. Aber als du so geweint hast, ist mir sowieso die Lust vergangen.“ Entsetzt stöhnte ich. Ich war also so hässlich, dass man nicht einmal mehr mit mir schlafen wollte. Nicht, dass ich wollte, dass jemand Fremdes mit mir schlief. Aber es ging ums Prinzip! „Na danke“, murrte ich. „Oh nein, sorry! So meinte ich das nicht! Mein Koreanisch ist nur noch nicht gut genug! Ich meinte, dass ich nicht mit jemandem schlafen würde, der so aufgelöst und nicht wirklich bei Sinnen ist. Also- sorry. Uh- du studierst auch, oder?“ Nun sammelte er die Bücher aus der zweiten Tüte. Pädiatrie, Chirurgie, Neurologie, Anatomie, Psychotherapie, Erinnerungssoziologie. „Film- und Theaterwissenschaft, Schauspiel und Gesang. Ich hab auch ein paar Kurse in Psychologie und Soziologie belegt. Ich will ins Musical, wenn ich fertig bin. Du bist Mediziner? Geht ihr nicht normalerweise auf eure eigenen Partys?“ „Nicht, wenn meine Freunde da nicht auch sind“, kicherte er, „Ich bin im elften Semester, bald fertig und war fünf Wochen im Praktikum auf einer Kinderstation. Parallel bin ich ansonsten in der Neurologie. Aber weil ich Psychologie und Soziologie spannend und gut zur Ergänzung finde, wollte ich das auch lernen. Ich hab in Changsha angefangen und hab ein volles Stipendium bekommen.“ Oh wow. Der Typ musste fachlich echt Bombe sein. Oder sonst was können oder engagiert sein. Er würde bestimmt ein guter Arzt werden. Den optischen Bonus hatte er auch. „Hast du schon mal irgendwo mitgespielt?“ Er nahm zwei Schneidbretter hervor und drückte mir ein Messer in die Hand. Dann packte er die Bücher weg, während ich erzählte. „Zwei kleine Musicals, drei Theaterstücke und ein Web-Drama für einen Uni-Workshop.“ Der Schwarzhaarige strahlte mich an. „Du bist ein Star?!“ „Nein, nein.“ „Darf ich davon was ansehen oder ist es dir unangenehm?“ „Das Drama ist online… vom Rest hab ich keine Videos.“ Ein Niesen erklang. Wir sahen zum Sofa. Taos verstrubbelter Kopf tauchte auf. Er blinzelte müde und sah sich um. Als er mich sah, war er plötzlich hellwach und sprang auf. „Myeonie hyung, lebst du noch?!“ Er kam auf mich zu und fiel mir regelrecht um den Hals. Ich hielt das Messer so weit weg, wie möglich und versuchte, es vor lauter Attraktion niemandem um die Ohren zu hauen. Tao setzte sich seitlich auf meinen Schoß und streichelte meine Haare, sah mich besorgt an. „Geht’s dir gut? Hat Yixing hyung dich geärgert?“, er switchte auf Mandarin, „Was hast du angestellt?“ „Gar nichts, wir kochen doch nur!“, verteidigte sich Yixing ebenfalls auf Mandarin. „Ist Mandarin deine Muttersprache?“, klinkte ich mich ein. „Xiang. Aber das spreche ich nur zu Hause. Schön, dass du Mandarin kannst.“ Er freute sich ehrlich. Sah ganz verträumt und glücklich aus. „Wie lang sprichst du‘s schon?“ Ich überlegte kurz. „Lang… Weiß nicht genau. Bestimmt über zwölf Jahre.“ Damals, als Sehun mein Nachbar gewesen war und ich ja so oft bei ihm und seiner Adoptivfamilie gewesen war, hatte ich viel gelernt. Durch Yifan ja auch noch und jetzt lebte ja Tao bei uns. Ich war schon immer irgendwie von Mandarin umgeben gewesen. Ich mochte es auch und verstand und sprach es wirklich gut. Eine Weile schnitten wir nur Gemüse, bis Yixing es blanchierte und Reis aufsetzte. Also Tao schnitt, ich umarmte den Jüngeren nur und begab mich langsam wieder auf die Schiene des Selbstmitleides. „Tao? Wieso hab ich geheult?“ Er seufzte leise. „Weil er da war. Du hast mit Yixing… getanzt und dich übergeben und dann hast du geweint und wir sind hier hoch.“ „Tut mir leid. Ich glaub, ich fang mich gar nicht mehr. Ihr habt sicher keinen Bock mehr auf mein Geheule-“ „Hyung, Hunie und ich sind deine Familie. Wir passen auf dich auf, so wie du auf uns, egal wie ätzend wir drei manchmal sind.“ Ich schniefte. Dann wischte ich über meine Augen und lehnte mich wieder an Tao. „Wir sind bei dir, keine Panik“, beruhigte mich der Blonde, „Irgendwann ist es gut. Dann ist dir egal, ob du ihn siehst oder nicht. Er ist ein Feigling.“ Ich nickte knapp, blieb aber still. „Ist es unhöflich, wenn ich mich einmische?“, fragte Yixing nun. Er sah mir ernster in die Augen, als die vergangene Stunde. Auf meine Zustimmung hin begann er zu sprechen. „Tao hat mir gestern erzählt, was passiert ist. Es war nicht in Ordnung, was die zwei angestellt haben. Das ist nicht zu entschuldigen und das hast du absolut nicht verdient. Sowas tut man niemandem an, den man liebt. Wer dir sowas antut, ist es meiner Meinung nach nicht wert, dass ihm so hinterher getrauert wird, aber das ist nicht meine Entscheidung. Sei dir bitte einfach bewusst, dass du mehr wert bist, als das.“ „Danke“, murmelte ich. * „Hattest du eigentlich mitbekommen, dass Sehunie kam?" „Sehunie war da?" „Ja! Oh hey, es gibt sogar Videos von deinem Absturz, willst du sie sehen? Du hast echt Gas gegeben, hyung! Richtig sexy!“ „Großer Gott, Tao, nein!“ Er lehnte sich über unser Sofa zu Hause, kletterte über die Lehne und legte sich halb auf mich drauf. „Ich will das nicht sehen, ich- OH MEIN GOTT! ICH HAB YIXING GEKÜSST?!“ „Das ist Minho- da.“ „Ah. Oh Gott. Oh Fuck“, stöhnte ich leise, „Fuck, nicht ernsthaft? Samstag proben wir, ich kann da nicht hin!“ Der Blonde rollte mit den Augen. „Jaja. Oha wow, dann kannst du ja gar nicht mehr in die Uni, WEIL YIXING HAST DU AUCH GEKÜSST!“ „ICH HAB- WAS?!“ * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)