Mochi-Eis und Rote Bohnen von Susuri ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Unbehaglich streiche ich über den Stoff meines für meinen Geschmack viel zu eng sitzenden schwarzen Cocktailkleids. Erst jetzt wird mir so richtig bewusst, was es heißt, plötzlich als die neue zukünftige Frau Brenner auf einer Feier zu erscheinen: die Menschen werden mich plötzlich zur Kenntnis nehmen, ich muss nicht mehr den livrierten Bediensteten mit den Champagner-Tabletts hinterherrennen, sondern bekomme, ohne das ich es merke, gleich nachgeschenkt und es könnte sogar sein, dass ich auf dem ein oder anderen Foto zu sehen sein werde. Denn nachdem, wer heute alles kommen soll, dürfte auch ein ganz schönes Aufgebot an Presse auf uns warten. Und so wie ich die Kollegen kenne, suchen sie nicht unbedingt nur die schönsten Bilder raus, die dann veröffentlich werden. Ganz übel nehmen kann ich es ihnen allerdings nicht – viel anders würde ich es ja auch nicht machen, wenn ich denn dann mal wieder in einer Redaktion sitzen könnte. Jan scheint meine Nervosität bemerkt zu haben und legt sanft seine Hand auf meine Unruhige. „Alles wird gut, heute Abend kommen doch vor allem Mitglieder der Familie und enge Freunde, die du doch auf den letzten Weihnachts- und Neujahrsempfängen schon gut kennen gelernt hast“ Er streicht mir eine meiner widerborstigen Strähnen aus dem Gesicht. „Und die etwas berühmteren sind doch auch nur normale Menschen, mit denen du genau so gut dich unterhalten kannst, wie mit mir!“ Immer noch nicht ganz beruhigt gebe ich nur leises Grummeln von mir. Für ihn sagt sich das so leicht – er ist schließlich mit solchen Menschen aufgewachsen. Für mich ist es, obwohl wir ja nun schon ein Weilchen zusammen sind, immer noch ein ziemliches Erlebnis zwischen all den Finanz-Tycoonen, Schauspielern, Musikern und Designern zu stehen, die bei den „kleinen und familiären“ Empfängen der Brenner immer zugegen sind. Das Taxi bremst und voller Schrecken wird mir klar, dass wir leider nicht an einer Ampel, sondern vor dem Hotel stehen. „Du wirst sie mit deinem Charme um den Finger wickeln“, murmelt mir Jan noch ins Ohr, bevor er mir noch einen Kuss auf die Wange gibt und dem Taxifahrer das Geld nach vorne gibt. „Stimmt so!“, ruft er und springt aus dem Wagen. „Tschuldigung, Kleene“, grummelt der Busfahrer zu mir. „Aber dit stimmt so ni, da fehlen noch knapp achte!“ Ich muss mich sehr zusammen reißen, um eine kleine Schimpftirade zu unterdrücken. Klar, habe ich kein Problem damit, selber für mein Taxi zu zahlen, oder meinetwegen auch Hälfte Hälfte zu machen, aber so generös zu tun, nur um dann zu wenig zu zahlen – das kann ich mir sparen. Ungeduldig wühle ich in meiner Clutch und fördere vom Grund der Tasche einen Zehn-Euro-Schein, sowie zwei Ein-Euro-Münzen hervor. Mit einem verschämten Lächeln gebe ich das Geld dem Fahrer. „Entschuldigen Sie meinen Mann, behalten Sie den Rest, ja?“ Meinen Mann. Obwohl ich mich ein bisschen darüber ärgere, dass er den Fahrer nicht anständig bezahlt hat und ich mich schon gefreut hätte, wenn er mir die Tür geöffnet hätte, muss ich lächeln. Bald sind wir Mann und Frau. Wir Zeit, sich langsam daran zu gewöhnen, plötzlich nicht mehr nur von „meinem Freund“ sondern plötzlich von „meinem Gatten“ zu sprechen. Nie im Leben hätte ich als Jugendliche gedacht, das ich schon mit sechsundzwanzig unter die Haube käme. Sollte man nicht in meinem Alter noch dumme Dinge tun? Seine Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Kerlen machen? Reisen und das Leben genießen und nicht über vierzig Stunden die Woche arbeiten? Und was, wenn Jan mich wirklich mit dieser rothaarigen Schönheit betrügt – dann verbringe vielleicht ich den Rest meines Lebens mit einem Mann, der zwar sagt, er müsse so furchtbar viele Überstunden machen, aber in Wirklichkeit seine Sekretärin auf dem Vorzimmerschreibtisch flach legt. Ich schüttele über mich selbst den Kopf. So ein Unsinn. Das ist nur die Angst vor dem Sprung. Viele Frauen heiraten in meinem Alter, manche haben sogar schon Kinder, das ist doch ganz normal. Außerdem würde er mich doch nie betrügen – dafür lieben wir beide uns doch zu sehr. Oder? Als ich aus dem Taxi aussteige und mich umblicke, kann ich Jan nirgendwo entdecken. Ist er etwa schon ohne mich hinein gegangen? „Alles gut bei dir?“ Ich spüre eine große Hand auf meiner Schulter und springe erschrocken ein Stück zur Seite. Vor mir richtet lächelnd Jan seine Fliege. „Ich hab dir doch gesagt, dass du nicht nervös sein musst – alles wird gut!“ Erleichtert seufze ich. „Ich dachte schon, du wärest bereits ohne mich rein gegangen und ich hätte mich ganz alleine den neugierigen Blicken stellen müssen!“ Er nimmt meine Hand und drückt sie leicht. „Niemals. Du bist in Kürze die Frau an meiner Seite – und das sollen auch alle wissen. Und jetzt komm, es wird ein schöner Abend werden, mach dir keine Sorgen!“ Mit einem letzten beruhigenden Lächeln zieht er mich behutsam in Richtung der von Marmor-Säulen gesäumten Eingangspforte – und für einen kurzen Augenblick verfliegt meine Nervosität, als ich in den edlen Empfangs-Bereich des Hotels trete: Der weiße Marmor-Boden ist mit schweren Teppichen ausgelegt, neben teuer wirkenden schwarzen Leder-Sofas und Sesseln stehen verchromte Glastische, auf denen silberne Schalen mit den edelsten Pralinen, kleine Flaschen Fiji-Wasser und die aktuellen Ausgaben der Cosmopolitan, der WELT und des Manager-Magazins auf die Gäste warten. Ein livrierter Angestellter begrüßt uns mit einem leichten Kopf-Nicken. „Guten Abend die Dame, der Herr. Wenn ich bitte Ihre Einladung sehen dürfte“ Wieder nickt er, als wir ihm die auf schwerem, eierschal-farbenen Papier geschriebenen Einladungen vor die Nase halten. Handgeschrieben wohlgemerkt. „Dann würde ich Sie nun zum Aufzug geleiten, meine Kollegin im Aufzug wird Sie dann in den Ball-Saal im fünften Stock führen.“ Was für eine überluxuriöse Veranstaltung, denke ich etwas bitter. Nicht, dass mir das nicht irgendwo auch gefällt – mal etwas schicker Essen zu gehen, tolle Kleider zu tragen und teuren Champagner zu schlürfen, aber eigentlich ziehe ich doch die Reis-Box vom Vietnamesen um die Ecke, meine Jogginghose und ein Tegernseer-Helles aus der Flasche dem Zirkus hier vor. „Ich fühle mich ein bisschen so, als würden wir gleich zu einem Strafprozess geführt werden, so wie wir hier von einem Angestellten zum nächsten weiter gereicht werden“, flüstert mir Jan kichernd zu, als wir dem Livrierten zu den Aufzügen folgen. Ich drücke fest seine große Hand. „Versprich mir, dass wir nicht ewig bleiben, ja? Und zu Hause kuscheln wir uns dann aufs Sofa, trinken noch ein Bier aus der Flasche und gucken noch ein bisschen Downton Abbey!“, wispere ich ihm leise zu. Er lacht nur wieder, aber erwidert nichts darauf. Bin ich die Einzige, die sich hier ein bisschen unwohl fühlt? Und selbst wenn wir dann nach dem Abend zu müde zum Serien gucken sind – er könnte mich doch zumindest jetzt mit der Aussicht auf einen gemütlichen Restabend beruhigen, oder?   Als sich die Türen des Aufzugs zum Saal im Dachgeschoss öffnen, bin ich für einen kurzen Moment von der Schönheit des Raumes geblendet. Die Firma Brenner hat für den Abend den großen Ballsaal im Obergeschoss des Hilton-Hotels gebucht, der tagsüber den Gästen als Lounge zur Verfügung steht, aber Abends mit Hilfe eines Großteils der Belegschaft zu einem prunkvollen, wie auch modernen Saal umgewandelt werden kann. Die Abdeckungen, die am Tage die Glasdecke verschlossen halten, sind zurück gefahren und geben den Blick auf den wundervollen schwarz-blauen Nachthimmel frei. In der Innenstadt kann man zwar nur wenig Sterne sonst sehen, doch über unseren Köpfen spiegeln sich die vielen Lichter der Kerzen und der großen gläsernen Lüster, die wie von unsichtbaren Fäden gehalten durch den Raum schweben, und es scheint, als stünde man im Death Valley und würde den Sternenhimmel betrachten. Ohne jegliche Lichtverschmutzung. Auf den langen Dinner-Tischen liegen schwere weiße Tischdecken mit dunkelblauen Stickereien – der Farbe des Logos der Firma Brenner. Und Gläser, Besteck und Teller harmonieren mit den dezenten blau silbernen Tischdekorationen, die dezent in der Mitte der Tische platziert sind. Hunderte Kerzen hüllen den Raum in ein warmes, gemütliches Licht und ich bin erleichtert, nicht den Abend im gewohnten gleißenden, unbarmherzigen Licht verbringen zu müssen. Zwischen den zahlreichen Gästen tänzeln geschickt junge Frauen und Männer in schlichten, aber eleganten Uniformen umher und versorgen die Herrschaften mit Champagner, Wein und anderen Aperitifs, sowie köstlich aussehenden Tapas, bei deren Anblick mir das Wasser im Mund zusammen läuft. Mein Chef hatte es heute für nötig gehalten, mich besonders lange arbeiten zu lassen, obwohl er wusste, wie meine Abendplanung aussah. Er selbst war ja auch zu dem Dinner eingeladen. Also blieb mir, nachdem ich meinen Schlüssel an der Pforte abgegeben hatte und in Rekordzeit nachhause geradelt bin gerade noch genug Zeit, um kurz unter die Dusche zu springen, mein Make-up aufzufrischen und mich in dieses viel zu viel zeigende Kleid zu quetschen. Nicht mal für einen kleinen Snack hatte dieser Sprint gereicht, und als ich gerade noch dabei war, mir zu Hause einen Müsliriegel für den Weg in die Handtasche zu schmuggeln, hatte mir Jan nur einen Blick zu geworfen der sagte: Meine Zukünftige rennt nicht mit einem Schokoladen-Müsliriegel in der teuren Prada-Clutch herum. Also gabs nicht mal den. Obwohl es heute Abend ein mehrgängiges Menü geben soll, sehe ich an der Wand glänzende und vor allem bereits geöffnete Edelstahl-Warmhalter, in denen es augenscheinlich warmes Fingerfood gibt. Instinktiv, von meinem knurrenden Mangen geleitet, will ich schon darauf zu steuern, als ich Jans Hand spüre, die sich wie ein Schraubstock um meinen Arm schließt. „Du willst doch nicht gleich zum Essen stürmen, wenn in Kürze serviert wird“, zischt er mir zu. „Was für einen Eindruck macht das denn?“ Ich reiße meinen Arm los und blicke ihn aus schmalen Augen an. „Eventuell einen hungrigen? Ich hab seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, wenn ich nicht bald was esse, dann kipp ich dir um! Und was macht das für einen Eindruck erst?“, zische ich zurück. Hinter uns höre ich ein Räuspern. Ich drehe mich um und blicke in die stahlblauen Augen von Jans älteren Bruder Jonathan. Mit einem breiten Grinsen streckt er uns jeweils ein bis an den Rand gefülltes Glas Champagner entgegen und ich bin mir ziemlich sicher, dass er für so volle Gläser bei den Kellnerinnen seinen Charme hat spielen lassen. Jonathan Brenner ist einer der wohl begehrtesten Junggesellen Frankfurts – und da nun sein kleiner Bruder in den Hafen der Ehe einfährt, fragt sich ein Großteil der Damenwelt, wann es wohl bei Playboy Nummer eins so weit ist. Und ob sie die Glückliche sein könnte. Wie immer trägt er einen seiner charakteristischen, sehr eng sitzenden grauen Anzügen – auch wenn auf der Einladung deutlich um Schwarz für den Herren gebeten wurde – und sieht, mit seinen perfekt gestylten blonden Locken, ich muss es zugeben, wirklich nicht schlecht aus. Nur die Tatsache, dass er das auch weiß und es mit einer Arroganz nach Außen trägt, macht ihn für mich unausstehlich – und für die Frauen aller Altersklassen anscheinend unwiderstehlich. Zumindest wenn ich Jans Geschichten glaube, nach denen sein älterer Bruder, als sie noch zusammen unter einem Dach gewohnt haben, manchmal jeden Abend mit einer neuen Frau heim gekommen ist. Seine Aufmerksamkeit wandert systematisch meinen Körper in dem engen Kleid hinauf und hinab und ich fühle mich seltsam nackt unter dem unverhohlen lüsternen Blick. „Na, bereits der erste Ehekrach vor der eigentlichen Ehe?“, lacht er ohne ein Wort der Begrüßung und entblößt dabei seine perfekten, strahlendweißen Zahnreihen. „Noch kannst du ihm leicht entkommen, Merle, nutze die freie Zeit und fliehe vor meinem kleinen Bruder!“ Jan schnaubt leise, doch auf seinem Gesicht sitzt das perfekte Business-Lächeln, was er mit dem Verlassen des Taxis aufgesetzt und nur eben kurz vergessen hat. „Und wohin sollte sie, wie du es sagst, fliehen? Etwa in deine? Die, des größten Casanovas, den Deutschland zu bieten hat?“, auch er entblößt seine Zähne, was für Außenstehende vielleicht wie ein Lächeln aussieht, doch es erinnert mich mehr an das Zähne fletschen eines Tigers. „Wieso denn nicht“, erwidert er lachend, greift sich vom Tablett eines vorbeikommenden Kellners selber eine Champagner Flöte und erhebt sein Glas zum Prost. „Auf meinen Bruder, seine bezaubernde Verlobte und die bevorstehende Hochzeit!“, sagt er und stößt mit uns an. Die Blicke, die er und sein Bruder sich zuwerfen werfen förmlich Funken, so angespannt ist die Stimmung. „Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigt, ich muss weiter, die anderen Gäste begrüßen“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)