Schlafgewohnheiten von _Delacroix_ ================================================================================ Schlafgewohnheiten ------------------ „Danke, dass du das auf dich nimmst“, säuselte Walburga, doch Rodolphus glaubte ihr kein Wort. Ihre Lippen pressten sich zu fest aufeinander und die Hand, die sich auf seinen Arm gelegt hatte, drückte ihn vielleicht eine Spur zu fest. „Ich werde nicht lange fort sein“, versicherte sie, „und die Jungen liegen schon in ihren Betten. Bestimmt wird es ein ganz ruhiger Abend für dich. Und wenn du irgendwas benötigst, scheu dich nicht nach Kreacher zu rufen.“   Rodolphus schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, Tante. Ich habe ein paar Akten dabei. Ich kann mir die Zeit also gut mit Arbeit vertreiben.“   Walburga musterte ihn durchdringend, doch Rodolphus ließ es kommentarlos über sich ergehen. Er wusste, wie es aussah, wenn seine „Tante“ sich ärgerte und wollte das um jeden Preis vermeiden. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem falschen Lächeln. „Deine Söhne sind bei mir in guten Händen“, versicherte er ihr noch einmal, „Ich habe früher oft auf meinen Bruder aufgepasst.“   „Dein Bruder ist nicht Sirius, aber deine Zuversicht in allen Ehren. Versprich mir nur, dass du den Hauself schickst, wenn er außer Kontrolle gerät.“   Rodolphus nickte pflichtbewusst. „Natürlich, Tante“, versprach er ihr und war mehr als glücklich, als sich daraufhin endlich ihre Hand von seinem Arm löste.   „Glaub nicht, ich wüsste das nicht zu schätzen“, erklärte sie, während sie sich dem Kamin zu wandte.   Er nickte noch einmal. „Natürlich nicht.“   „Ich mache mir nur Sorgen um dich.“   „Das musst du nicht.“   „Dein Wort in Merlins Ohr.“     🐾🐾🐾     Leise schloss Rodolphus die Zimmertür. Nachdem Walburga endlich aufgebrochen war, hatte er sich nach oben geschlichen, um bei seinen Schützlingen nach dem Rechten zu sehen. Regulus schlief den Schlaf der Gerechten und war auch nicht aufgewacht, als er ihm die Bettdecke noch einmal bis zum Kinn hinaufgezogen hatte.   Jetzt würde er noch schnell einen Blick auf seinen Bruder werfen, und dann warteten seine Akten auf ihn. 125 Seiten darüber, wie irgendein Trottel es vollbracht hatte, eine öffentliche Toilette nahe des Buckingham Palace so zu verzaubern, dass sie jedem in den Hintern biss, der es wagte, sich auf sie zu setzen. Ein Ereignis, das einen groß angelegten Vergiss-mich-Einsatz zur Folge gehabt hatte, für den der arme Tropf teuer bezahlen würde.   Im Kopf ging Rodolphus die einzelnen Paragrafen durch: Körperverletzung, Gefährdung des Geheimhaltungsabkommens, unerlaubte Anwendung von Magie ... Da kam schon einiges zusammen. Er würde ein Exempel statuieren. Es ging nicht an, dass das Ministerium wichtige Gelder zum Fenster hinauswarf, nur weil irgendein dahergelaufener Magier einen ungewöhnlichen Sinn für Humor hatte.   Aber zunächst ...   Vorsichtig griff er nach der Türklinke, studierte für einen Augenblick das Namensschild, dann drückte er sie hinab und betrat das dunkle Zimmer.   Es war beinahe pechschwarz im Raum. Die Vorhänge waren zugezogen, alle Lampen gelöscht. Die einzige Lichtquelle waren die schwachen Öllampen, die den Flur hinter ihm erhellten. Rodolphus machte einen Schritt in das Zimmer hinein und stieß prompt gegen etwas Hartes. Nur mit Mühe unterdrückte er einen Fluch, bevor er sich hinhockte, um ein Buch vom Boden aufzulesen. Er brauchte ganze vier Anläufe, bis er es schaffte, in der Dunkelheit das Cover von Newt Scamanders „Phantastische Tierwesen & wo sie zu finden sind“ zu identifizieren.   Wie kam das denn auf den Boden?   Mit einem skeptischen Blick erhob er sich wieder, schlich in der Dunkelheit die paar Schritte bis zum Schreibtisch hinüber und legte das Buch auf den Stapel, der dort erwartungsvoll dem Ende der Ferien harrte. Kurz verweilte sein Blick auf Sirius’ Buch für Verwandlungen, dann pflückte er eine Socke von den Seiten, die er mit spitzen Fingern zu Boden fallen ließ, dann wandte er sich wieder seinem ursprünglichen Ziel zu. Vorsichtig tastete er sich über den dicken, dunklen Teppich bis hin zum Bett. Nachdenklich griff er nach der Bettdecke und zog daran, um sie noch einmal ein wenig aufzuschütteln.   Was Sirius wohl mit dem Buch wollte?   Vielleicht war sein Haustier krank, oder - Nein, der Junge war nicht Rabastan. Er hatte bestimmt keine spontane Vorliebe für Drachen, Occamy und Niffler entwickelt. Niemand entwickelte eine Vorliebe für Niffler. Niemand außer Rabastan. Rodolphus schüttelte die Decke auf, dann blickte er in das Bett und erstarrte ...   Sein Schützling war ausgeflogen.     Es dauerte einen Moment, bis die Feststellung richtig eingesickert war. Sirius war weg! Er hatte sich aus dem Bett geschlichen und konnte jetzt schon überall sein! Er wusste nicht, wann Walburga das letzte Mal nach dem Jungen gesehen hatte. Ob sie das überhaupt getan hatte und - Es raschelte leise und Rodolphus Aufmerksamkeit verlagerte sich ein weiteres Mal. Gerne hätte er behauptet, dass es seinen Unternehmungen mit Bellatrix zu verdanken war, dass ihm solche Dinge mittlerweile auffielen, doch die Wahrheit war eine Andere: Er kannte dieses Rascheln aus deutlich harmloseren Situationen. Als er es das letzte Mal gehört hatte, war es von einem Igel gekommen, der für drei Monate in einem Karton unter Rabastans Bett gewohnt hatte. Vielleicht hatte Sirius ja auch einen Igel aufgelesen ...   Mit der Rechten griff Rodolphus nach seinem Zauberstab, mit der Linken nach dem Bettlaken. Vermutlich war es albern, aber unbewaffnet wollte er das Laken nicht anheben. Nicht wenn er nicht wusste, was ihn dahinter erwartete. Kurz sammelte sich Rodolphus, dann schlug er tapfer das Laken nach oben und sah -   „Hi“, gab der Junge unter dem Bett von sich und Rodolphus ließ seinen Zauberstab mit einem Seufzer wieder sinken.   „Merlin, Sirius. Du hast mich erschreckt. Was machst du unter dem Bett?“   „Was machen Sie in meinem Zimmer?“, fragte der Junge misstrauisch zurück.   Rodolphus legte den Kopf schief. „Hat deine Mutter dir nichts erzählt?“, entfuhr es ihm, „Ich passe heute Abend auf dich und Regulus auf.“   „Nein, hat sie nicht und ich brauche keinen Aufpasser. Das kann ich schon allein.“   Rodolphus hockte sich vor das Bett. „Davon gehe ich aus“, stimmte er ihm zu, „aber dein Bruder schläft doch sicher besser, wenn jemand im Hause ist, nicht wahr?“   „Keine Ahnung.“ Sirius zuckte gespielt lässig mit den Schultern. Eine Handlung, die äußerst seltsam anmutete, ob der Tatsache, dass er immer noch unter dem Bett lag.   „Willst du da nicht vorkommen?“, fragte Rodolphus, doch Sirius schüttelte prompt den Kopf.   „Nö“, erwiderte er und machte ernsthaft Anstalten nach dem Laken zu greifen, um es wieder nach unten zu ziehen.   Ein beherzter Griff vonseiten Rodolphus’ unterband sein Tun. „Lass es mich umformulieren“, versuchte er es noch einmal, „Ich möchte, dass du da unten vorkommst.“   „Kann ich nicht.“   „Und warum?“   Für einen Augenblick schien das Kind irritiert. Rodolphus nahm an, dass seine Mutter selten Fragen mit W stellte. Pech für Sirius, dass Rodolphus ihnen eine größere Wichtigkeit beimaß und wert darauf legte, entsprechende Antworten zu bekommen.   „Das äh ist so ein Gryffindording“, erklärte der Junge schließlich und versuchte prompt noch einmal das Laken zu sich nach unten zu ziehen.   Erfolglos.   Rodolphus legte die Stirn in Falten. „Sirius, wir wissen beide, dass das kein Gryffindording ist.“   Sirius zog einen Schmollmund. „Das können Sie gar nicht wissen“, entgegnete er.   „Du wärst überrascht, was ich alles weiß. Und jetzt komm da unten vor.“   „Ich sagte doch schon, dass ich das nicht kann.“   „Und ich sagte bereits, dass ich dir nicht glaube.“ Rodolphus stemmte die Hände in die Hüften und setzte seinen finstersten Blick auf. Normalerweise hatte er den für Kätzchen, Hündchen und Drächlein reserviert, die dringend ein Dach über dem Kopf suchten, aber in diesem Fall machte er eine Ausnahme. „Da unten ist es doch sicher schrecklich unbequem“, versuchte er Sirius noch einmal mit Logik beizukommen, „Wenn du raus kommst, können wir zusammen einen Becher heiße Milch trinken.“   „Für wie alt halten Sie mich? Sechs? Für Getränke ohne Schokolade drin, beweg ich nicht mal meinen kleinen Zeh.“   Rodolphus presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Na fein, na fein“, gab er nach, „von mir aus kannst du auch eine heiße Schokolade kriegen. Aber vorher kommst du unter diesem Bett hervor.“   Der Junge schien zu überlegen und für einen kurzen Augenblick glaubte Rodolphus bereits, er habe gewonnen, doch dann -   „Nö“, verkündete Sirius dreist, „Mir gefällt es hier. Ich komm nicht raus.“   Rodolphus seufzte. „Die Geschichte wird damit enden, dass ich entweder genervt gehe, oder dich unter diesem Bett hervor hexe, nicht wahr?“   Sirius nickte. „Ich würde Ersteres bevorzugen“, versicherte er.   „Soll ich dir vorher noch verraten, was ich denke?“   „Nö.“   Rodolphus knirschte mit den Zähnen und ignorierte den Einwurf. Vielleicht wollte Sirius es nicht hören, aber das würde ihn nicht davon abhalten, es trotzdem auszusprechen. „Ich denke, du hast einen Grund, warum du nicht unter deinem Bett hervorkommst“, eröffnete er, „Und ich denke auch, es hat nichts mit der Bequemlichkeit deiner kleinen Höhle zu tun. Du versteckst etwas. Etwas, was ich nicht sehen soll. Und da ich es nicht sehen soll, nehme ich an, dass es dir Ärger bringen wird. Also ... Entweder du kommst da jetzt vor, zeigst es mir und ich entscheide, was ich mit dem Wissen um dein Geheimnis anfange, oder ich werde in den Salon gehen, auf deine Mutter warten und sie entscheiden lassen. Nun?“   Jetzt war es an Sirius ihn finster anzufunkeln. „Mutter als Druckmittel zu nutzen ist unfair“, murrte er, während er vorsichtig ein bisschen nach vorne rutschte.   „Das ist so ein Slytherinding“, entgegnete Rodolphus, doch Sirius schien das nicht so lustig zu finden. Mit sichtlich hängenden Schultern schob er seinen Oberkörper unter dem Bett hervor.   „Zufrieden?“, fragte er in dem gleichen Tonfall, den Bellatrix immer nutzte, wenn sie so gar keine Lust dazu hatte, sich mit ihm zu arrangieren. Bei ihr war das ein klares Zeichen, dass man vorsichtig sein musste, denn sie konnte genauso impulsiv reagieren, wie ihre Tante Walburga. Ob Sirius wohl auch dieses unleidliche Temperament besaß? Und ob er es wagen würde, es gegen ihn zu nutzen?   Rodolphus schüttelte betont langsam den Kopf. „Noch sitzt du halb unter dem Bett“, erinnerte er ihn.   Sirius schnaubte unzufrieden. „Na schön“, gab er nach, „aber wenn Frank Sie beißt, ist es Ihre Schuld.“   „Frank?“, fragte Rodolphus, während Sirius endgültig unter dem Bett hervorkroch. Er hatte die Füße noch nicht ganz hervorgezogen, da stürzte bereits etwas an ihm vorbei. Es flitzte über den Teppich, als habe es noch nie etwas anderes getan und verschwand schließlich mit einer eleganten Bewegung direkt unter Sirius Kleiderschrank.   Der Junge seufzte. „Na toll, da krieg ich ihn wieder ewig nicht mehr vor“, murrte er unglücklich.   Rodolphus blinzelte mehrfach. „Frank“, wiederholte er dann.   „Frank Foxnatra“, präzisierte Sirius grinsend, „Er ist mein Haustier.“   „Er ist ein Rotfuchs.“   „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen.“   Rodolphus schüttelte ungläubig den Kopf. „Wo zum Kuckuck hast du diesen Rotfuchs her?“   Sirius zuckte mit den Schultern. „Hab ich bei den Mülltonnen gefunden.“   „Bei den Mülltonnen?“   „Ja und ich werde ihn behalten. Ich bringe ihm Tricks bei und ich füttere ihn und in Hogwarts kann er Eulen jagen und Kröten. Fressen Füchse Kröten?“   Rodolphus nickte langsam, selbst erstaunt, dass er das noch wusste. „Füchse fressen fast alles“, klärte er Sirius auf, „Aber sie sind schwer zu zähmen. Vermutlich brennt er dir bei erstbester Gelegenheit mit einer Katze durch.“   „Wird er nicht. Frank ist ein treuer Freund.“   „Einer, der Angst vor Menschen hat.“   Sirius verschränkte die Arme vor der Brust. „Er ist nur ein bisschen scheu.“   „Er versteckt sich unter deinem Schrank“, fasste Rodolphus das Offensichtliche zusammen. „Glaub mir, ein bisschen scheu sieht anders aus. In Hogwarts wird Frank seines Lebens nicht mehr froh. Da gibt es viel zu viele Menschen für ihn.“   „Dann darf ich ihn nicht behalten?“   Rodolphus schüttelte den Kopf. „Ich denke, das wäre nicht sehr gut für ihn.“   „Und was machen wir dann?“   Rodolphus seufzte schwer. „Ich schlage vor, wir gehen erst mal eine heiße Schokolade trinken und dann suchen wir ihm ein Stückchen Fleisch und locken ihn unter deinem Schrank hervor.“   „Und dann?“   „Packen wir ihn in einen Karton und bringen ihn zu Rabastan. Er hat Erfahrung mit Füchsen und kann ihn sicher irgendwo unterbringen, wo es ihm gut gehen wird.“   Sirius sah ihn skeptisch an. „Sicher?“, fragte er.   Er nickte. „Sicher. Er besorgt ihm einem Platz in einem Zoo oder bringt ihn in den Wald. Irgendwohin, wo er in Ruhe leben kann und keine Angst mehr haben muss.“   Einen Moment lang musterte Sirius seinen Schrank, dann nickte er langsam. „Na schön“, stimmte er nicht sehr begeistert zu. „Aber er hätte ein tolles Haustier abgegeben.“   „Erschreckend viele Tiere würden theoretisch ein tolles Haustier abgeben“, murmelte Rodolphus, „Leider gibt es meistens irgendeinen Haken an der Sache. Die einen wollen dich fressen, die anderen speien Feuer und dann sind da noch die, die deine Ersparnisse klauen, sobald du auch nur ein Auge schließt.“   „Klingt als hätten Sie da Erfahrungen.“   „Bedauerlicher Weise, ja.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)