Pfirsich-Freunde: Nicht nur Liebe geht durch den Magen von Mondsicheldrache (Wie sich mithilfe eines ererbten oder gestohlenen Messers neue Freunde finden lassen) ================================================================================ Kapitel 2: Spaß kann man denen nicht übersetzen, die keinen Spaß verstehen! --------------------------------------------------------------------------- *^* „WAS GEHT HIER VOR?!“ Mit einem lauten Knall flog die Zimmertür gegen die Wand. Erschrocken wich Kouha von seinem heulenden Bruder zurück, als auch schon Kouen hereingeschritten kam. Missmutig überlegte der Kleine, was er tun könnte, um sich keinen allzu großen Ärger einzuhandeln. Eigentlich gefiel Kouen sein wildes Temperament, doch wenn er in ein paar Augenblicken das Blut an Koumeis Wange bemerken würde, wäre es mit dem Spaß endgültig vorbei. „En! Bruder Mei wollte mich einfach rauswerfen!“, rief er also und schaffte es, sogleich einen bösen Blick aufzusetzen. Vielleicht würde der Älteste der Kou-Prinzen ein Erbarmen mit ihm haben. Immerhin wusste jeder, wie kläglich und leicht zu überwältigen Koumei war! Aber Kouen war nicht dumm. Er hinterfragte alles. Wirklich alles. Man konnte ihm einfach keine Lügen auftischen. Natürlich erzielte Kouhas Rechtfertigung ebenfalls keinerlei Wirkung. Kouen wirkte wütend. Seine glutroten Augen und sein ebenso rotes Haar loderten wie Feuer. „Ist das ein Grund, den gesamten Palast zusammenzubrüllen? Und anscheinend ist es nicht dabei geblieben!“ Sein ältester Bruder eilte mit wehenden Gewändern an Koumeis Seite und überprüfte unverzüglich dessen Verletzung. Ungeduldig beobachtete Kouha wie er dem Schwächling wieder auf die Beine half. Koumei stieß ein paar jämmerliche Laute aus. Dieser lausige Schauspieler, wollte er damit noch mehr Mitleid auf sich ziehen, um es Kouha heimzuzahlen und seine Flunkerei entlarven? Wahrscheinlich war das aber noch nicht der Grund, weshalb der älteste Kou-Prinz fassungslos den Kopf schüttelte. Für gewöhnlich war zwar auch Kouen der Meinung, dass ein paar Schläge dem alten Zottel guttaten, doch die Bisswunde in dessen Gesicht war selbst in seinen Augen zu viel des Guten. „Was ist hier passiert?“, knurrte er bedrohlich. Kouha schrumpfte regelrecht in sich zusammen. Er gab keinen einzigen Ton von sich. Also übernahm Koumei das Reden. Er hatte offensichtliche Schmerzen und nuschelte ein bisschen bei dem Versuch, die zerrissene Haut nicht zu sehr zu beanspruchen. „Mein kaiserlicher Bruder… ich habe aufgrund unserer anstehenden Besprechung auf dich gewartet. Kouha ist ohne zu fragen in das Zimmer gestürmt und wollte eine Geschichte vorgelesen bekommen. Ich wollte ihn fortschicken, da ich wusste, dass du gleich erscheinen würdest. Das wollte er allerdings nicht und hat sich auf mich gestürzt.“ Kouha starrte ihn anklagend an. „Mei lügt!“, schrie er wütend dazwischen. Er hatte sehr wohl gefragt und geklopft! Chuu'un hatte ihn sogar passieren lassen. Koumei log wirklich wie gedruckt! Na ja, eigentlich erzählte er die reine Wahrheit, nur wollte sich ein neunjähriges Kind dies nicht eingestehen. Koumei war so fies! Diese alte Petze. Kaum saß er, von Kraftprotz Kouen beschützt, auf der Bettkante und tupfte seine Verletzung mit dem Ärmel ab, wurde er gemein und erzählte wie schlecht sich der Kleinste im Bunde benommen hatte. Da geschahen ihm die Schmerzen vollkommen recht! Dennoch schien Kouen mehr auf die Worte des Älteren zu geben. Kritisch musterten seine glühend roten Augen Kouha. „Ist das so? Ich finde das Blut auf Koumeis Wange sieht nicht aus, als hätte er es sich aufgemalt. Oder versuchst du neuerdings, dich zu schminken und in Frauenkleider zu zwängen, Mei?“ "W-Wie bitte? W-Weshalb sollte ich das tun?", stotterte dieser überrumpelt. Kouen lachte erheitert auf, ehe er Kouha einen fordernden Blick zuwarf. „Nein… hat er ja auch nicht“, gab Kouha kleinlaut zu. „Aha!“ „Aber…“ „Nichts aber! Ich verstehe, dass du gerne Zeit mit uns verbringen möchtest, aber aus unnötigem Jähzorn heraus jemanden zu verletzen ist bösartig!“ „Mei hat es verdient! Er hat mein Messer gestohlen! Dabei ist es doch das einzige, was ich habe!“ „Mag sein“, schnaubte Kouen grimmig, „dennoch ist dieses Verhalten unwürdig. Du möchtest später immerhin ein vielbewunderter Prinz werden. Da musst du auch lernen, dich wie einer zu benehmen!“ „Das war doch nur Spaß!“, beteuerte Kouha und blickte mit großen Hundeaugen zu Kouen auf. „Spaß kann man denen nicht übersetzen, die keinen Spaß verstehen“, brummte dieser und betrachtete Kouha plötzlich mitleidig. „Das war kein Spaß!“, heulte Koumei, dessen Wange ununterbrochen weiter blutete. „War es wohl, das mit deiner Backe ist nur passiert, weil du zu schwach bist, um dich ordentlich zu prügeln!“, keifte Kouha und wollte sich wieder auf den anderen stürzen. Im letzten Moment hielt Kouen ihn an der Schulter fest. „Für Koumei ist es kein Spaß. Vielleicht solltest du dir geeignetere Gegner suchen.“ „Was? Das ist das einzige, das du dazu zu sagen hast, En?“, keuchte Koumei entsetzt, was Kouha höchst zufrieden stimmte. Der Zottel simulierte sowieso nur. Hinterhältig grinsend streckte er ihm die Zunge heraus, was Kouen mit einem Glucksen quittierte. „Na, da verfügt aber jemand über ein heißblütiges Temperament! Ich bin unvorstellbar froh, dass wir dich zu uns geholt haben!“, befand er erfreut. Stolz nickte der kleine Junge und streckte die Brust heraus. „Natürlich! Immerhin bin ich jetzt ein Kaisersohn!“ „Wo du Recht hast, hast du Recht“, stimmte der Ältere zu, während Koumei sich beleidigt im Bett versteckte. Sein Tag war wohl bereits gelaufen. Von seinen Brüdern gebissen und verspottet zu werden konnte einem aber auch die Laune verderben. Trotz dieses kleinen Sieges war das wichtigste Problem immer noch nicht gelöst: Kouha wollte bei seinen Brüdern bleiben. Deshalb kroch er nach einer Weile so unauffällig wie möglich unter das Bett. Leider hatte Kouen im Eifer des Gefechts nicht vergessen, dass er sich noch mit Koumei besprechen musste. Sobald der kleine Junge auch nur einen Finger in die Staubflusen gesetzt hatte, räusperte er sich scharf: „Solltest du nicht in deinen eigenen Gemächern sein?“ Schüchtern blinzelte Kouha ihn an. „Aber wieso das denn? Ich habe doch nichts Böses getan?“ Kouen grunzte belustigt und wuschelte ihm grob durchs Haar. „Das sagtest du bereits. Meinst du, du könntest deine großen Brüder an der Nase herumführen? Wir müssen jetzt arbeiten. Schlimm genug, dass Koumei momentan nicht sonderlich leistungsfähig aussieht und wir durch dein unbeherrschtes Verhalten noch mehr Zeit als ohnehin schon verloren haben.“ Die Worte klangen nicht einmal vorwurfsvoll, doch Kouha schämte sich prompt in Grund und Boden. „Es tut mir leid… auch das mit Mei…“ Kouen nickte zufrieden. „Na also, du scheinst langsam eine zuvorkommende Seite zu entwickeln.“ Der jüngste Bruder strahlte. „Echt? Findest du?“ Kouen lächelte warm. Er ließ sich oft von Kouhas niedlicher Seite einnehmen. Mehr als Koumei zumindest. Vielleicht lag es daran, dass er Kouha zuerst für seine Schwester gehalten hatte... "En?", drängte der jüngste Prinz. „Aber natürlich. Du wirst eines Tages ein großer Krieger werden, da bin ich mir sicher.“ „Oh ja, das werde ich!“ „Aber dafür musst du auch erkennen, wann es für dich an der Zeit ist, zu gehen. Zum Beispiel jetzt“, meinte Kouen vielsagend. Geknickt kauerte sich der Jüngere neben Koumeis vom Bett baumelnden Beinen zusammen. „Ich will aber bei euch bleiben, Bruder En. Alleine ist es so langweilig. Im Palast gibt es nichts, was ich nicht schon getan hätte, im Garten ebenso wenig!“ „Du könntest dir Spielkameraden suchen“, schlug der Ältere vor. „Aber die anderen Kinder hier sind alle so dumm und hochnäsig. Sie starren mich an wie Abschaum!“ „Mach dir deswegen keinen Kopf. Wenn sie einmal sehen, wie geschickt du mit dem Schwert umgehen kannst, werden sie dich bewundern.“ „Aber Mei hat mein Messer auf seinen Schrank geschleudert…“, klagte Kouha weinerlich. Überrascht blickte Kouen zu dem gepeinigten Zottel. „Was? Ist das so abwegig?“, schnappte dieser beleidigt. „Nun…“, brummte der erste Prinz grinsend und Kouha krähte fröhlich: „Oh ja!“ „Danke. Ihr seid wirklich die besten Brüder, die man sich wünschen kann!“, schmollte Koumei und zog sich die Decke über den Kopf. Kouen seufzte schwer. „Kouha, lass uns ein Abkommen treffen.“ „Ein Abkommen?“, hakte der Kleine misstrauisch nach. „Ganz genau. Ich gebe dir dein Messer wieder und du versprichst mir, Koumeis Gemächer danach zu verlassen und uns nicht zu stören, bis wir mit unseren Besprechungen fertig sind. Außerdem wirst du solange niemanden mit deiner Waffe angreifen, verstanden?“ Diese Forderungen gefielen Kouha überhaupt nicht. Andererseits wollte er unbedingt sein Messer wieder haben, immerhin hatte seine Mutter es ihm vererbt. Er musste ja nur so tun, als ob er sich an Kouens Bedingungen halten würde. Genau, so würde er es machen und dann würde er sich als erstes kreischend auf Koumei werfen und ihn so lange würgen, bis Kouen keinen anderen Weg mehr sehen würde, den Zottel zu retten, als ihn bleiben zu lassen. Also murmelte er missmutig: „Na gut… aber du bist gemein. Alter Erpresser. Wenn ihr fertig seid, müsst ihr mir zur Strafe bis zum Neujahrsfest jeden Abend vorlesen!“ Kouen schnaubte spöttisch: „Du bist verrückt. Selbstverständlich werden wir das nicht tun. Also, was ist, bist du nun mit den Bedingungen einverstanden, oder nicht?“ „Jaaa, En.“ Der Größere nickte zufrieden. Vollkommen problemlos reckte er sich und zog das herrliche Küchenmesser aus dem Sandelholz. Gierig schnappte Kouha nach seinem Schatz, aber Kouen hielt die Klinge zu hoch für ihn. „Hältst du dich auch wirklich an unsere Abmachung?“ „Ja!“ „Tatsächlich? Hattest du nicht vor, dich sofort wieder auf einen von uns zu stürzen?“ Betreten senkte der kleine Prinz den Kopf. "Nein...", quengelte er. Kouen hob bedeutungsschwer eine Augenbraue. "Sicher nicht?" Jetzt Kouha fühlte sich doch ertappt. Es nützte einfach nichts, den anderen anzulügen. „Ja…“, gab er kleinlaut zu. „Du bist ein hinterhältiger kleiner Kerl!“, rief Kouen aus. Aus unerfindlichen Gründen wirkte er sogar stolz darauf. Dennoch konnte er Kouha diese bösartigen Gedanken nicht durchgehen lassen. Ehe sich’s der dritte Prinz versah, hatte sein ältester Bruder ihn schon am Kragen gepackt und schleifte ihn mit sich aus dem Zimmer hinaus. Protestierend und bettelnd stemmte Kouha seine Füße in den Boden, doch gegen die Kraft des neunzehnjährigen Mannes kam er nicht an. „Denk an dein Messer“, warnte Kouen, „wenn du dich nicht benimmst, nehmen wir es dir wieder ab.“ Spätestens in diesem Moment verstand der Kleine, dass er besser gehorchen sollte. Maulend ließ er sich von seinem Bruder den Flur entlang ziehen, bis sie vor dem Tor zum Palastgarten angelangt waren. Die dort postierten Wachen gaben sich viel Mühe die uneinigen Geschwister nicht allzu neugierig anzustarren. Als Kouha ihnen eine hasserfüllte Grimasse schnitt, wandten sich auch die letzten sensationsgierigen Gesichter ab. Kouen stieß währenddessen ächzend die schweren Torflügel auf. Dann spürte Kouha nur noch einen Schubs und er taumelte in die Abenddämmerung hinaus, die kleinen Hände fest um den Griff seines Erbstücks geklammert. „Du gehst jetzt ein wenig in den Garten. Kannst ja spazieren gehen. Im Dunkeln ist es dort viel spannender, als bei Tageslicht. Die Wachen werden dich daran hindern, Koumei und mich zu stören. Wenn du uns nicht immer heimsuchen würdest, wären wir schneller mit der Arbeit fertig und könnten uns danach länger mit dir beschäftigen. Genauso ist es jetzt. Je weniger Ärger du machst, desto eher darfst du uns wieder Gesellschaft leisten. Also benimm dich und spiel ein bisschen. Meinetwegen kannst du ausnahmsweise Messerwerfen auf den alten Krüppelbaum am Zierteich veranstalten.“ Eigentlich war diese Erlaubnis ein großes Zugeständnis, denn Messerwerfen durfte Kouha ansonsten nur unter Aufsicht. Doch er wollte lieber bei seinen Brüdern bleiben. So schmollte der Prinz nur vor sich hin, während Kouen vor sich hin grummelnd ins Haus zurückkehrte und ihn mutterseelenallein in der hereinbrechenden Dunkelheit zurück ließ. Die ersten paar Minuten stand Kouha verloren, wie eine ausgesetzte Katze, vor dem Eingang. Dazu passte auch der Hunger, der seinen Magen heftig knurren ließ. Hätte er doch bloß noch ein paar Feigen aus der Palastküche gestohlen! Doch bald verblasste dieses Problem. Die sommerliche Abendluft trug einen angenehm warmen Duft mit sich. Wahrscheinlich waren die Heidelbeeren reif. Aber den Prinzen interessierten sie nicht sonderlich. Ein lauer Windhauch strich durch seine vom Kampf zerknitterten Gewänder. Für gewöhnlich hätte Kouha dieser angenehme Abend zu begeisterten Unternehmungen angestiftet. Nachtwanderungen fand er ungeheuer spannend. Wer wusste schon, auf welch zwielichtige Gestalten man zu dieser Zeit stieß und das erfüllte ihn mit makabrer Aufregung. Doch heute nicht. Anstatt sich über Abenteuer Gedanken zu machen, überlegte er fieberhaft, mit welcher Strategie er sich wieder in den Palast schmuggeln könnte. Allerdings stellten die Wächter vor dem Tor ein unüberwindbares Hindernis dar. Niedergeschlagen plumpste er zu Boden. Es gab keinerlei Möglichkeit, seinen Willen durchzusetzen, nicht wenn Kouen sich gegen einen stellte. Niemand wollte etwas mit ihm zu tun haben, nicht einmal seine Brüder. En hatte gesagt, er sollte mit anderen, gleichaltrigen Kindern spielen, doch Kouha konnte sie alle nicht leiden: Sein jüngerer Cousin Hakuryuu war eine verachtenswerte Heulsuse und seine Cousine Hakuei interessierte sich nicht für ihn. Dann gab es da noch ein paar schäbige Dienerkinder. Aber sie waren dumm wie Stroh, stanken nach Dreck und sahen genauso aus. Kurzum, da war niemand mit dem er seine Zeit verbringen wollte, ganz egal wie viel Langweile er dafür ertragen musste. Keiner mochte den dritten Prinzen. Jeder Mensch im Palast betrachtete ihn abwertend und fürchtete sich insgeheim vor ihm. Und dem Kaiser wäre es sicher am liebsten, wenn Kouha sich einfach in Luft auflösen würde, genau wie seine Mutter. Bestimmt war die beste Frau auf der ganzen Welt Koutoku ein Dorn im Auge, nur weil sie sich anders als die anderen Konkubinen verhielt. Dabei war sie so lieb und Kouha konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als sich um seine Mutter zu kümmern und ihr niedliche Zöpfchen zu flechten, was ihr stets ein vergnügtes Lächeln entlockte. Niemand sonst achtete auf sie. Jeder hielt seine Mutter für übergeschnappt. Alleine der Gedanke entfachte eine große Wut in Kouha. Langsam quoll der Zorn in ihm beinahe über. Sein Leben war einfach ungerecht! Man behandelte ihn wie einen Aussätzigen! Traurig strich er über sein blankgeschliffenes Messer. Es gab keine schönere Waffe im ganzen Kou Reich. Irgendwann würde er es mit ihrer Hilfe allen zeigen. Dann würden all die Leute, die ihn mit Verachtung betrachtet hatten, für ihre Grausamkeit büßen. Auch Mei und En, die alten Spielverderber, beschloss der Junge grimmig. Natürlich nicht so sehr wie der Kaiser, welcher sie einfach in das letzte Loch des Palast weggesperrt hatte oder wie die hohen Beamten die hinter vorgehaltenem Fächer spöttische Kommentare über den aggressiven Jungen und seine kindische Mutter abließen. Genau, Kouha würde sie sein Küchenmesser spüren lassen, wie er es bereits des Öfteren getan hatte. Schon seit langem besaß er diese Waffe, war mit ihr an seiner Seite groß geworden und hatte allerhand Unsinn mit ihr angestellt. Sehr zum Leidwesen der Bediensteten und von Koumei. Pah, was behauptete der hässliche Zottel auch, dass er die Klinge gestohlen hätte? Kouha hatte sie rechtmäßig von seiner Mutter geerbt! Zugegeben, seine Mutter lebte noch, aber geerbt hatte er sie trotzdem! Ganz sicher! Das Messer war immer da gewesen, er konnte sich nicht daran erinnern, es entwendet zu haben. Manchmal besaß Koumei eine blühende Fantasie. Leider glaubte Kouen dem Zottel in dieser Angelegenheit, gleichgültig wie oft Kouha bereits beteuert hatte, die Waffe sei nicht unrechtmäßig in seinen Besitz gelangt. Was würde er darum geben, wenn er der Älteste der drei Brüder und ein rechtmäßiger Sohn des Kaisers mit seiner Hauptfrau wäre! Dann würde niemand es wagen, ihm zu widersprechen. Erst recht würde sich niemand anmaßen, ihn einfach auszusperren wie einen bissigen Hund! So eine Frechheit! Nachdem sich der dritte Prinz lange genug in Selbstmitleid und Zorn gewälzt hatte, beschloss er schließlich dennoch, mehr aus seinem Abend zu machen, als beleidigt vor dem Palast zu hocken. Immerhin wollte ihn heute niemand früh ins Bett schicken, diese Gelegenheit musste ausgekostet werden. Hätten seine Zofen gewusst, dass Kouha drauf und dran war, ganz allein im dämmrigen Garten zu verschwinden, wäre das Entsetzen groß gewesen. Ab und an „verirrten“ sich nämlich tatsächlich üble Gestalten dorthin. Erst vor ein paar Wochen hatte man einen Attentäter dingfest gemacht. Es war eine seltene Ausnahme, dass jemand die strengbewachten Mauern übersteigen konnte und dem Palast derart nahe kam, ohne von den Wachen überwältigt zu werden, dennoch sorgten sich alle um die Sicherheit der kaiserlichen Familie. Besonders um die Kinder. Doch die hielten nichts von unnötiger Vorsicht, im Gegenteil: Kouha fand das ungeheuer aufregend. Er wollte auch gerne einen Attentäter stellen, vielleicht würde man ihn dann endlich akzeptieren. Möglicherweise hatte Kouen ihn nur nach draußen verbannt, damit der dritte Prinz endlich eine Chance dazu erhielt, sich zu beweisen! Mit einem Mal wog der Zorn auf den älteren Bruder gar nicht mehr so schwer. Die Möglichkeit erschien Kouha plausibel. Ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Ein Blick auf die düster aufragenden Baumwipfel fachte sein Interesse noch mehr an. Die dunklen Schatten konnten jede Menge Mörder und Diebe verbergen, die nur darauf warteten, von ihm gefunden und zerstückelt zu werden! Oh ja, Kouha würde auf Verbrecherjagd gehen. Mei und En würden Augen machen! Und dann würden sie ihn nicht mehr so leichtfertig aus ihren Gemächern schicken, sondern sich darum reißen, ihm vorlesen zu dürfen! Mit einem fröhlichen Kichern sprang Kouha fort von dem sanft erleuchteten Palast. Sein Messer schwang munter in seiner Hand. Jeder Schritt brachte ihn der undurchdringlichen Finsternis des Ziergartens näher. Welch ein aufregendes Abenteuer! Er würde sie alle das Fürchten lehren! Nur leider sollte der kleine Prinz nicht allzu weit kommen, denn kaum hatte er sich ein paar Pferdelängen unter dem geschwungenen Palastdach hervorgewagt, traf ihn etwas Steinhartes am Hinterkopf. Ein heftiger Schmerz erfüllte seinen Schädel. Die Wucht des Aufpralls des unbekannten Geschosses war derart stark, dass ihm seine Klinge aus der Hand fiel. Singend blieb sie im Ziergras stecken. Gleich darauf folgte Kouha, nur dass er wie ein nasser Sack auf den Boden klatschte. So viel zum Thema Verbrecherjagd und Fürchten lehren… Wahrscheinlich können Mei und En morgen meine Knochen zusammenkratzen, aber das geschieht ihnen Recht, wenn sie mich nicht haben wollen…, dachte Kouha nüchtern, ehe ihm schwarz vor Augen wurde. Vom Dach herab ertönte unterdessen ein höhnisches Lachen. Doch davon bemerkte der Kaisersohn nichts mehr. Er hatte in diesem Moment vollständig das Bewusstsein verloren. *^* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)