Was ist eigentlich Liebe von Fila ================================================================================ Kapitel 3: Brüder ----------------- Eine liebe Angewohnheit von Takeru war es, morgens am Schultor auf Hikari zu warten. Er war immer sehr pünktlich und sie kam meist erst in den letzten Minuten. So auch heute. „Hi“, sagte er und schaute sie regungslos an. „Hi.“ Sie fragte sich, ob er noch ärgerlich war, als er sich schon wortlos auf den Weg machte. „Takeru, warte mal.“ „Schon gut, du musst es mir nicht sagen.“ Er meinte es ernst. Also hatte Yamato ihm noch nichts erzählt. „Ja, aber ich möchte es. Du kennst denjenigen nämlich.“ Nun wurde er doch hellhörig und wand sich zu ihr um. Hikari stand noch immer am Schultor und machte ein schuldbewusstes Gesicht. Irgendwie amüsierte ihn ihre Scheu. „Nun sei keine Gans und komm her“, sagte er freundlich, und als sie da war: „Wer ist es?“ „Dein Bruder.“ Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. „Yamato?“ Hikari verzichtete auf die Gegenfrage, ob er denn noch andere Brüder hätte und erklärte: „Ich war am Samstag noch mal da, wir sind zusammen Eis essen gegangen ...“ „Yamato mag überhaupt kein Eis.“ „Ja, aber ich glaube, er mag mich.“ Die Worte lösten Entzücken in Hikari aus, ihre Wangen wurden warm. Als sie allerdings Takerus finstere Miene sah, verschwand ihr Grinsen, und sie fragte halb besorgt, halb verärgert: „Hast du vielleicht was dagegen.“ „Ich hätte nichts dagegen, wenn ich glauben könnte, dass er es ernst meinte“, war seine niederschmetternde Antwort, mit der er sich wieder auf den Weg machte. „Was soll das heißen?“ Sie waren jetzt mittendrin im frühmorgendlichen Gewühl, und Hikari hatte Mühe, den Anschluss nicht zu verlieren. Takeru hakte sie kurzerhand bei sich unter und sprach mit gedämpfter Stimme: „Mein Bruder ist leider nicht sehr nett zu Mädchen. Ich will nicht sagen, dass er sie reihenweise abschleppt, aber seine Bekanntschaften wechseln doch recht häufig.“ „Woher weißt du das? So oft bist du ja nicht da.“ „Aber mein Vater. Es ist ja auch nicht nur das. Yamato hat einen Hang zum Jähzorn. Ich weiß nicht, ob er dir was tun würde, aber darauf solltest du es nicht ankommen lassen.“ „Du redest nicht sehr nett über deinen Bruder.“ „Ich sage nur die Wahrheit. Leider. Du solltest ihn nicht wieder sehen.“ „Und wenn ich es doch tu?“ Er seufzte bekümmert. „Dann pass bitte auf dich auf.“ Er klang ernsthaft besorgt. Hikari vertraute Takeru blind, sie wusste, er würde nie etwas sagen, dass er nicht so meinte, aber diesmal konnte sie es nicht nachvollziehen. „Dein Bruder kann sich ändern“, sagte sie. „Möglich. Aber so schnell?“ Sie waren am Klassenzimmer angekommen, in dem noch völliger Disziplinmangel herrschte, da der Lehrer noch nicht anwesend war. Takeru ging an seinen Tisch und setzte sich. „Geht es wirklich nur darum?“ Hikari stand, sich auf seinem Tisch aufstützend vor ihm und schaute ihn prüfend an. „Was meinst du?“ „Ich meine, es könnte gut einen anderen Grund geben, warum du nicht willst, dass ich deinen Bruder treffe.“ Takeru machte ein interessiertes Gesicht. „Du willst ihn nicht mit mir teilen.“ Noch im selben Moment bereute Hikari ihre Worte, aber es war zu spät. Takeru wurde selten richtig wütend, aber er war empfindsam und nahm sich vieles zu Herzen. Und wenn nun seine beste Freundin kam und ihm vorwarf, er wäre eifersüchtig, weil sie seinen Bruder treffen wollte, verletzte ihn das. Sie sah es ihm sofort an und entschuldigte sich schnell, aber damit machte sie es nicht ungeschehen. „Vergiss es“, sagte er mit fremder Stimme. „Ich sage nichts mehr dazu, aber behalte wenigstens im Hinterkopf, was ich bisher gesagt habe.“ In dem Moment betrat der Lehrer das Klassenzimmer und Hikari hatte bis zur Pause keine Gelegenheit, mit Takeru zu reden. Er wollte tatsächlich nichts mehr dazu sagen und bat sie, dies zu akzeptieren, so wie er ihre Beziehung zu Yamato fortan respektieren würde. Sie war einerseits erleichtert, aber andererseits spürte sie, dass er es nicht ganz ernst meinte. Und jetzt stand etwas zwischen ihnen. Die nächsten Tage entwickelten sich für Hikari zu einer Art Achterbahnfahrt der Gefühle. In Takerus Nähe fühlte sie sich eingehemmt. Über Yamato sprachen sie nicht; er fragte nicht danach und sie, die eigentlich gerne darüber reden wollte, traute sich nicht. Sie fanden auch nicht zu ihrem vertrauten Ton zurück und verbrachten kaum mehr Zeit außerhalb der Schule zusammen. Als es ungefähr zehn Tage so ging, beschloss sie, das Thema vor Yamato zur Sprache zu bringen. An einem Mittwoch traf er sie in der Nähe ihrer Schule. Wie immer, wenn sie ihn sah, machte ihr Herz kleine Luftsprünge, und sie rannte ein bisschen, um schneller bei ihm zu sein. „Hallo. Schön, dass du da bist“, sagte sie fröhlich, und er erwiderte ihr Lächeln nur ein wenig zurückhaltend und küsste sie leicht auf die Wange. „Worauf hast du heute Lust? Kino?“, fragte er und nahm ihr die Schultasche ab. „Ich würde gern über etwas mit dir reden“, erklärte Hikari wenig diplomatisch. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, dass die Brüder ihre Differenzen beilegen sollten. Yamato sah sie argwöhnisch an. Gespräche, die so begannen, endeten meistens nicht gut. Hikari erwiderte den Blick kurz und senkte dann die Augen. Yamato sprach ja nicht gern über unangenehme Dinge, und nun bekam sie Angst vor einer möglichen Überreaktion. „Es ist wegen Takeru“, begann sie vorsichtig und blickte zu ihm auf. „Hast du in letzter Zeit mit ihm gesprochen?“ Yamato seufzte leicht genervt. Takeru war letztes Wochenende bei ihnen gewesen, natürlich hatte er mit ihm gesprochen. Oder vielmehr hatte Takeru auf Yamato eingeredet und ihn ermahnt, mit Hikari bloß keine Spielchen zu treiben. Etwas uncharmant hatte Yamato ihn gebeten, sich herauszuhalten. Aber das sagte er nicht. „Wir haben uns kaum gesehen. Wieso?“ Hikari schniefte leise und senkte wieder den Blick. „Er ist nicht einverstanden, dass wir … dass ich mit dir …“ „Zusammen bin?“, beendete Yamato den Satz ein bisschen ungeduldig und warf sich Hikaris Schultasche über die Schulter. Hikari nickte und sah unglücklich zu ihm auf. „Er ist sehr still in letzter Zeit. Mit mir redet er nicht mehr viel.“ „Und was soll ich da machen?“ Er wusste, dass sie gerne etwas anderes von ihm gehört hätte, aber was Takeru und sie für Streitereien hatten, war ihm mehr oder weniger egal, auch, wenn er selbst das Streitobjekt war. Außerdem hatte er keine Lust, sich anzuhören, was Takeru über ihn erzählte, daher fuhr er schulterzuckend fort: „Takeru hat seine eigene Meinung, dagegen kann man nichts machen.“ Hikari ließ nicht locker. „Dir scheint er auch auszuweichen, oder?“ „Möglich.“ „Stört es dich nicht?“ Yamato biss die Zähne aufeinander. Das Gespräch störte ihn. Hikari störte ihn. Er war nicht hergekommen, um sich Vorhaltungen machen zu lassen, weil sein kleiner Bruder in der Trotzphase steckte. Er atmete laut aus, während er den Arm mit ihrer Tasche wieder herunternahm und sich mit der freien Hand durchs Haar fuhr. „Wir sollten mit ihm reden“, fuhr Hikari einfach fort, die nicht bemerkte, dass Yamato immer böser wurde. „Bestimmt ist er sehr unglücklich.“ Yamato schnaubte verächtlich, dann sah er Hikari einen Moment an und in ihr nichts anderes, als das kleine Mädchen von damals; naiv und quengelig. Für eine Sekunde wollte er ihr die Tasche in die Hand drücken und einfach gehen, aber dann fiel ihm etwas ein, und er erklärte in herablassendem Tonfall: „Unser lieber Takeru hat ein Problem damit, dass wir uns treffen, und du willst ihm nachlaufen? Bitte. Aber dir ist doch wohl klar, dass die einzige Lösung ist, dass wir uns eben nicht mehr treffen?!“ Hikari schwieg betroffen, und Yamato hatte erreicht, was er wollte. Hikari hatte sich zu früh zu schnell von ihm abhängig gemacht, zumindest psychisch, doch seelische Erpressung war für sie ein Fremdwort, und er brauchte bloß die richtigen Worte, um ihre Angst vor einer Trennung zu schüren. Da stand sie nun vor ihm, mit gesenktem Kopf und Tränen in den Augen, hin- und hergerissen zwischen langjähriger Freundschaft zu Takeru und erwachender Zuneigung zu Yamato. Sie tat ihm fast leid und so sagte er bemüht sanft: „Lass ihm einfach Zeit. Er beruhigt sich schon wieder.“ „Und wenn nicht?“ Yamato war im Trostspenden nicht sehr geübt, und allmählich wurde er ungeduldig. Seit fast zehn Minuten stand er hier mit Hikari vor ihrer Schule, unter den neugierigen Blicken einiger Schüler, die an ihnen vorbeigingen und sich bestimmt fragten, warum das Mädchen vor ihm am Weinen war. Einen letzten Versuch unternehmend, stellte er ihre Tasche auf den Boden und legte beide Arme um Hikari. Fast dankbar schmiegte sie sich nun an ihn, aber der von ihm befürchtete große Heulanfall trat nicht ein. Stattdessen legte sie ihre Hände in seinen Nacken und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihren Kopf an seine Brust zu legen. Jemanden auf diese Art und Weise zu umarmen, war für Yamato ungewohnt; wenn er sonst ein Mädchen in den Armen hielt, dann entweder kurz und freundschaftlich zur Begrüßung, oder leidenschaftlich und verlangend küssend, weil er mit diesem schlafen wollte. Mit Hikari schlafen wollte er zwar irgendwann auch, sonst wäre er bestimmt nicht hier, doch in dieser Umarmung lag soviel Fremdes für ihn, fremde Gefühle und Erwartungen, dass er sie nicht lange aushielt und sie schließlich löste. „Geht’s wieder?“, fragte er etwas heiser, und sie nickte und lächelte endlich wieder. Erleichtert atmete Yamato durch und hob die Schultasche wieder auf. „Gehen wir.“ Sie gingen ins Kino und sahen irgendeinen Actionfilm. Yamato bezahlte die Tickets und wollte auch das Popcorn kaufen, aber Hikari weigerte sich, alles auf seine Kosten zu machen und bezahlte das Popcorn und die Getränke für beide. Es machte ihr nichts aus, dass dafür beinahe ihr restliches Taschengeld draufging; sie wollte Yamato zeigen, dass sie kein Püppchen war, das sich auf jedes Vergnügen einladen ließ. Sie setzten sich auf ihre Plätze in der hinteren Reihe, Yamato links von Hikari, das Popcorn zwischen ihnen und die Getränke in den Halterungen an den Sitzen. Sie unterhielten sich gedämpft ein wenig über die Schule und naschten dabei, bis schließlich der Film begann. Der Film war unterhaltsam, aber viel erregender war Yamatos rechte Hand, die sich im Laufe des Films erst auf ihr Bein legte, und schließlich unter ihrem Rock der Schuluniform verschwand, wo sie die Innenseite ihrer Schenkel massierte. Hikari keuchte erschrocken und wollte ihn wegstoßen, aber Yamato blieb hartnäckig und beruhigte sie. Es würde ja keiner etwas merken, sie säßen in der letzten Reihe und es wäre dunkel im Saal. Hikaris Wangen wurden heiß, sie sah sich vorsichtig nach rechts um, aber die dort Sitzenden hatten tatsächlich nur Augen für den Film. Sie biss sich auf die Lippe und schaute nach links zu Yamato. Im schwachen Licht trafen sich ihre Blicke. Seine Miene verriet mal wieder nichts von seinen Gedanken, aber er beobachtete sie genau mit grimmiger Zufriedenheit, während seine Hand weiter zwischen ihren warmen Schenkeln steckte, die sie, um das Gefühl zu verstärken, zusammenpresste. Ihr Anblick amüsierte ihn; mehr noch, der fast ängstliche Ausdruck auf ihrem Gesicht, etwas zwischen Scham und Lust, erregten ihn nun selbst, und für einen Moment war er versucht, ihre Hand zu nehmen und in seinen Schoß zu legen, aber das ging dann wohl doch zu weit. Dennoch hatte er erreicht, was er wollte, nämlich das Feuer in Hikari zu entfachen, und so zog er seine Hand schließlich zurück, strich ihren Rock wieder glatt, führte ihre Hand an seinen Mund und küsste sie auf den Handrücken. Dann wandte er sich wieder der Leinwand zu und genoss die Vorstellung, dass Hikari vor unerfülltem Verlangen, wahrscheinlich beschämt über ihre Gefühle, neben ihm saß und ihre Gedanken sortieren musste. Sie hatte ihn für den Rest des Films nicht mehr angesehen und auch nichts gesagt. Aber als sie später draußen waren und zum Bus gingen, legte sie fast zärtlich ihre linke Hand in seine rechte und lächelte still vor sich hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)