Lasst die Toten ruhn von Hotepneith (Der 31. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 3: Die Aussage des Heilers ---------------------------------- Yasao war ein alter Mann, ergraut in den Diensten des letzten Kaisers und jetzt von dem neuen übernommen. Durchaus keine Selbstverständlichkeit in Anbetracht der Konkurrenz der Heiler und auch der manchmal doch schwierigen politischen Lage in Heinan. Es zeugte daher nicht nur von Sachverstand, sondern auch von gewissen Diplomatie, dass er noch immer in Amt und Würden lebte. Er rückte auch nur seinen schwarzen Beamtenhut gerade, als ihm Leutnant Sato von dem Wunsch eines besonderen Gastes berichtete, der auf Wunsch des Kaisers ihm zur Seite gestellt worden sei. Während sich der menschliche Ermittler dachte, dass das kaum eine Begründung wäre, die Seiner Lordschaft gefallen würde, klang sie doch so, dass der Heiler nicht plaudern würde, einen lebenden Dämon praktisch neben dem Schlafzimmer des göttlichen Kaisers gesehen zu haben. Yasao fiel allerdings unverzüglich auf die Knie, als er die vornehme Kleidung des unbekannten Gastes sah. Dass es sich um einen Dämon handelte, erkannte er erst, als er vorsichtig die locker herabhängenden Hände betrachtete – Klauen. Und viel zu langes Haar, eine seltsame Boa über der Rüstung …. Wie nur hatte der Kaiser ... gleich. Es handelte sich um einen Befehl. Und im Zweifel um sein Leben. „Yasao, Lord Sesshoumaru,“ meldete Sato geübt mit einer Verneigung, ehe er sich niederkniete. „Der zuständige Heiler, der den Toten untersuchte.“ Lord? Dachte der alte Heiler. Dann war Höflichkeit sicher wichtig. Aber, welchen Einfluss hatte der doch junge Nachkomme der Sonnengöttin auf dem Chrysanthementhron, dass er solche Wesen herzitieren konnte? Der besagte Dämonenlord seufzte nur innerlich, ehe er sagte: „Du hast den Toten untersucht. Wann starb er?“ „Das … das kann ich Euch doch nicht sagen,“ stammelte Yasao, entsetzt bereits bei der ersten Frage zu versagen. Wenn sich der Gast bei dem Kaiser beschwerte, oh, eine ihm so schrecklich erscheinende Verbannung in irgendein ödes Provinzkaff würde noch gnädig sein. Sesshoumaru sah sich missgestimmt nach einem vernünftigeren Lebewesen um. „Sakura.“ Ach du je, dachte die Heilerschülerin, ehe sie auf Knien neben den älteren Mann vorrutschte, dem dabei demonstrierend, dass es lebenserhaltender war den Kopf stets geneigt zu halten. Immer sie. Aber vermutlich war hier ein Dolmetscher Dämon-Mensch nur zu sinnvoll, sollte es nicht im Kreis der Höflinge weitere Lücken geben. Der junge Hundeprinz spannte bereits fast unmerklich die Rechte an. Er hatte sie ja bei ihrem Lehrer Neigi nur aufgefordert mit zu einer Strafexpedition zu kommen, sie vermutete jedoch inzwischen, dass die Strafe sich auf ihn selbst bezog. Aber das hatte sie nichts anzugehen. „Seine Lordschaft, verehrter Yasao, möchte wissen, ob sich irgendwelche Zeichen des Todes bereits an der Leiche fanden. Totenflecken oder – starre.“ „Äh, ja, einige Totenflecken, auf der vorderen Körperhälfte, der Verstorbene lag ja auch auf dem Bauch.“ Ein so junges Mädchen sollte sich doch nicht mit Toten auskennen, sondern Gedichte schreiben oder Laute spielen, ihren Ehemann beglücken. Sie sah eigentlich recht hübsch aus und schien fügsam zu sein. Gut, dachte Sakura erleichtert. Der alte Heiler kannte sich nur nicht mit solchen Fragen aus, war aber vom Fach. Nun ja, sonst wäre er kaum am Kaiserhof. „Also hatte die Starre bereits nachgelassen? So, dass er vermutlich bereits seit Stunden verstorben war? Er wurde morgens gefunden?“ „Ja, ja, genau. Er wies keinerlei Starre mehr auf. Stimmt, da hast du … habt Ihr recht.“ Das war wohl eine menschliche Heilerin, die für Dämonen oder gar den Kaiser arbeitete. Da ziemte sich Höflichkeit. Auch, wenn er es ungewohnt fand eine so junge Frau als Heilerin zu sehen. „Also müsste der Tod bereits am Abend erfolgt sein?“ „Ich kenne mich da nicht so aus, aber es klingt logisch, ja. Er war auch bereits kalt.“ Sie riskierte einen fragenden Blick zu der Schleife um die Taille Sesshoumarus, der, ungewöhnlich für ihn, mit dem Gesicht zu den Menschen stand. Der Grund lag schlicht darin, dass er lieber drei Menschen ansah als zehn, die draußen vor seinem Fenster mit einem Ball spielten. „Was für Verletzungen konntest du an ihm finden?“ erkundigte sich der Dämonenprinz nur sachlich, bemüht sich unter Kontrolle zu halten. Vater würde es fertig bringen ihn hier für Wochen sitzen zu lassen. Was geschehen würde, würde er sich diesem Befehl entziehen, nun, da versagte leider nur seine Phantasie, kaum die des Fürsten. Ein Bad in einem Vulkan oder noch einmal so etwas wie dieser unselige Hundedämon mit der noch unseligeren Steuerprüfung? Oder noch etwas viel Grässlicheres? Eine Heirat? „Nur eine, Lord Sesshoumaru,“ erklärte Yasao eifrig, froh eine fachgerechte Frage beantworten zu können. Immerhin waren außer ihm noch zwei Menschen im Raum, die seine Furcht vor einem Dämon anscheinend nur bedingt teilten, was in ihm die Hoffnung weckte, dieses Monster würde ihn nicht zerreißen, sondern unter der Kontrolle des mächtigen Kaisers stehen. „Es handelte sich um eine offenkundige Stichverletzung, zwischen dem linken Schulterblatt und der Wirbelsäule, zwischen zwei Rippen. Genau in das Herz.“ „Zufall oder ein Fachmann.“ „Ja, genau das könnte man vermuten, Lord Sesshoumaru.“ „Was für ein Messer?“ Yasao blickte etwas hilfesuchend zu der jungen Frau neben sich. Sakura übernahm mit innerem Seufzen. „War die Klinge flach, oder die Verletzung sehr groß? Könnte es sich der Größe nach um eines dieser Messer gehandelt haben, die jeder Beamte zum Brieföffnen besitzt? Oder eher ein Schwert?“ „Oh, nein, sicher kein Schwert. Eher ein kleines Messer, ja, ein Brieföffner oder etwas ähnlich Scharfes. Der Einstich war recht klein und schmal, also, eher unauffällig. Man sah ihn nur, weil der Kimono Blut zeigte. Erstaunlich viel Blut, übrigens, dafür, dass der Einstich so direkt war.“ „Dann sollte Isamu Watabe gleich nach dem Stich verstorben sein?“ fragte Sesshoumaru prompt. „Das sollte man annehmen, aber ...“ „Aber?“ Nur ein Narr hätte die Drohung in der kühlen Stimme überhört. Yasao war keiner. „Nur ein Lebender blutet, Lord Sesshoumaru, wenn ich das so sagen darf. Aber bei einem Stich in das Herz stirbt man gewöhnlich gleich.“ „Sakura?“ „Ja,“ bestätigte die so Angesprochene eilig. „Eine Blutung kann nur solange auftreten, wie das Herz schlägt.“ Das wurde ja immer besser. Er kannte das schließlich aus Kämpfen – wenn man jemandem das Herz durchstieß, war der tot. Mausetot, gleich ob Dämon oder Mensch, um das so auszudrücken. Wieso sollte dieser Kleinfürst dann so viel Blut noch verloren haben? „Dann wäre die Blutung ein Hinweis darauf, dass Isamu Watabe noch lebte, obwohl er bereits Minuten zuvor den Stich bekommen hatte.“ Er sah zu dem Leutnant, der sichtlich unglücklich wirkte. Ja, das öffnete das Zeitfenster für den Mord noch einmal etwas mehr, darüber sollte der Kerl ruhig nachdenken. „Ja, Lord Sesshoumaru,“ erwiderten Yasao und Sakura förmlich im Chor. De alte Heiler ergänzte: „Ich hörte allerdings schon von Kriegern, die trotz schwerster Verletzung noch zu kämpfen vermochten und erst danach starben. Zwar lernte ich niemanden persönlich kennen, aber ...“ Ja, aber. Dieser Watabe war offenbar ein Krieger gewesen, er hatte sich ja auch bei diesem Feldzug gegen den anderen Clan eine schwere Verletzung zugezogen, an der er immer noch litt. Schmerzen ertragen konnte der also sicher. Hatte der womöglich nicht einmal gemerkt, dass er eigentlich eine Leiche auf zwei Beinen war, weil ihn der Rücken sowieso schmerzte? Und wieso geriet immer er selbst in solche verzwickten Lagen? Er war schon ein armer Hund … Und sollte jetzt zusehen, dass er hier weitermachte und sich nicht tagelang in diesem Studierzimmer aufhalten. „Sato, in welcher Lage wurde der Tote gefunden?“ Der Leutnant richtete sich eilig etwas auf. „Er lag auf dem Boden, auf dem Bauch, das Gesicht seitlich, als ihn sein Diener und sein Bruder fanden, offenbar auf halbem Weg in das Bad. Er trug die schwarze Beamtenmütze nicht mehr, aber noch die Hofkleidung. Bei dem Versuch der Rettung veränderte Seiichi, der Diener, allerdings die Position der Leiche. Ich weiß nicht, ob das noch etwas an den Totenflecken änderte.“ „Nein,“ antwortete Yasuo prompt, ehe er höfisch erfahren erkannte, dass er gerade dem vornehmen Dämon, ja, Gast des Kaisers, vorgegriffen hatte. Erst auf dessen Handbewegung sprach er weiter. „Totenflecken sind bei Blutverlust immer selten oder auch gar nicht vorhanden. Es waren auch nicht viele, ich vermutete zunächst, sie seien schon wieder verblasst.“ Unnatürliche Tote hatte er nur in seiner Jugend auf den Schlachtfeldern gesehen. In aller Regel behandelte er Lebende. Der junge Hundeprinz dachte kurz an vergangene Fälle. „Also hast du auch keine Abwehrverletzungen gefunden.“ „Nein, Lord Sesshoumaru, wenn Ihr damit Verletzungen an den Händen oder so meint. Auch der Kimono war nur an dieser Stelle zerschnitten.“ Das wiederum ließ eigentlich nur einen dämonisch-logischen Schluss zu. Was zur … hatte dieser dämliche Kaiser für schlafmützige Wachen und Bedienstete, wenn ein Kerl, der den ganzen Tag über nicht allein war, ohne Gegenwehr von hinten erstochen wurde, ohne dass es jemand bemerkte? Oder es gar bemerken wollte? Die einzige Zeit, die ausgeschlossen werden konnte, war die, nachdem ihn sein Bruder verlassen und das Opfer die Tür hinter sich von innen verriegelt hatte. Oder? Hatte er das Wie hatte er das Wer. „Du kannst gehen, Yasao, aber wenn noch medizinischer Rat nütze ist, werde ich Sakura zu dir schicken.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)