Lasst die Toten ruhn von Hotepneith (Der 31. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 8: Die Lösung des Leutnants ----------------------------------- Sakura war erleichtert, als sich Seine hündische Lordschaft erneut dem Fenster zuwandte. Sie kannte seine – zumeist ihr – peinlichen Fragen zum Thema Menschen. Solange es sich nur um medizinische Probleme handelte, hatte sie ein Glückskleeblatt gezogen.   Sesshoumaru betrachtete für sich noch einmal alle Aussagen, die er hatte. Hm. Konnte es so einfach sein? Nun, einfach war es nicht, es handelte sich immerhin hier um den Kaiserpalast mit jeder Menge Diener und Leuten, die hofften aufsteigen zu können. Er kannte das nur zu gut von Vaters Schloss – und er schätzte Leute, die sozusagen über Leichen gingen, in keinster Weise. Nun, nicht, dass er je gezögert hatte jemanden zu töten. Aber Dämonen und auch Menschen, die Intrigen planten, bewusst nicht ihr eigenes Leben aus Spiel setzten, aber sozusagen den noch warmen Körper ihres Vorgängers beerben wollten ... dafür hatte er höchstens seine Giftklaue übrig. Nun gut, ermahnte er sich. Der Leutnant sollte berichten, er musste dann noch mit dem Kaiser reden und dann war er wieder in der freien Natur. Dieser, wenngleich riesige, Palast in Heinan, war nichts für einen Dämon von Stand. Er hörte, dass Sato zurückkam und wandte sich um, wartete jedoch, bis der Leutnant höflich niederkniete und sich verneigte. „Du hast eine Lösung?“ Auweia, dachte Sakura, die nur zu gut erkannte, dass sich Isamu Sato anspannte. Das hatte so nach einem: natürlich nicht, du Idiot, geklungen. „Ich habe einen Verdacht, ja, Euer Lordschaft,“ erwiderte der menschliche Ermittler jedoch nur wohlerzogen. An diesem Jugendlichen hing sein Leben! „Wenn ich berichten dürfte ...“ Er durfte, das sagte ihm das Schweigen. „Nach der Aussage des kaiserlichen Heilers liegen möglicherweise zwischen dem eigentlichen Tatzeitpunkt und dem Tod einige Minuten, um nicht zu sagen, Stunden. Ich gehe daher davon aus, dass zu dem Zeitpunkt, an dem Fürst Isamu Watabe seine Tür verriegelte, er bereits tödlich verletzt war. Es war grundsätzlich für mich nahe liegend, die Zeiten, die das Opfer, mit seinem Bruder, in der Zeit davor verbrachte, zu überprüfen. Sowohl die Zeit bis zum Aufenthalt in den Wartehallen, in diesem Fall im Saal der Kraniche, als auch jede Bewegung danach konnte rekonstruiert werden. Falls der Fürst zu dem Zeitpunkt der Audienz bereits eine solche Verletzung des Herzens gezeigt hätte, hätte diese wohl deutlich werden müssen, als er vor dem Kaiser flach auf dem Boden war, spätestens beim Aufstehen. Aber er stand zwar langsam auf, durch die bekannten Schmerzen, aber er stand. In dem schmalen Flur, der vom Empfangsraum nach draußen führte, gingen die Brüder hintereinander. Es wäre daher für einen Fusudo-freundlichen Schreiber, beauftragt oder nicht, ein Leichtes gewesen, die Tür aufzuschieben und den hinten gehenden Isamu Watabe zu erstechen, die Tür wieder zu schließen und sich zu setzen. Vermutlich war der Mörder sehr überrascht, dass nichts weiter passierte, nun ja, das Opfer ging anscheinend, wenn auch von erheblichen Schmerzen geplagt, weiter. Der Fürst war es nur zu sehr gewohnt Schmerz zu verbergen und so gelang es ihm auch die Schuhe anzuziehen, mit seinem Bruder zurück in den Palast des Daimyo zu gehen. Als Takeru ihn vor Erleichterung auf die Schulter schlug, schmerzte allerdings nicht nur die alte Kriegsverletzung, sondern auch die … ja, nennen wir es Verstopfung im Herz, wie ich von einem Heiler einst hörte, löste sich, und Isamu Watabe begann innerlich zu verbluten. Als einige Minuten später der Diener kam, hörte er noch den Fürsten reden. Er meinte, er klang schmerzerfüllt, aber womöglich einfach auch schon sehr müde durch den hohen Blutverlust. Womöglich wollte der Fürst noch ins Bad um sich in dem kalten Wasser, so sehr es auch ungesund sein mag für Schmerzen, zu erfrischen, da er sich ungewohnt matt fühlte. Er brach jedoch auf dem Weg dahin zusammen.“ Der Leutnant warf einen vorsichtigen Blick zurück. „Soweit ich die Aussagen des kaiserlichen Heilers und der werten Sakura richtig verstanden habe, ist Verbluten eine nahezu … geräuschlose Methode zu sterben.“ Erleichtert erkannte er ihr unbewusstes Nicken. Er wusste nur zu gut, wie viel der Herr der Hunde und dessen Sohn von ihr hielten – man sollte nie Leute verärgern, auf die man angewiesen war. Überdies schätzte auch er ihre kluge und diplomatische Art, ganz anders als bei so vielen Frauen, die er kennengelernt hatte. War das dämonische Schulung? Womöglich konnte er sich da etwas absehen. Aber nun sollte er seinen Fall darlegen und es ziemte sich nicht einen Prinzen warten zu lassen. „Es wäre möglich, dass Fürst Isamu bereits so ermattet war, dass er nicht mehr daran dachte um Hilfe zu rufen, zumal er sie ja in Form des Dieners bereits weggeschickt hatte. Während Seiichi und sein Bruder ihn nur für krank hielten und vermuteten, dass er eingeschlafen war, ihn Takeru daher auch bei dem Daimyo entschuldigte, starb er.“ „Und den Riegel hatte er selbst vorgelegt.“ „Ja, Euer Lordschaft, das entnahm ich der Aussage des Wachpostens.“ Wieso diese Rückfrage? Hatte er etwas übersehen? Der Posten war ihm überaus aufmerksam vorgekommen. „Auch Lord Takeru erwähnte dies, ebenso Seiichi.“ „Seiichi erwähnte nur, dass der Riegel vorlag, als er kam.“ Sesshoumaru wandte sich erneut zum Fenster. Dass es dieser Menschenbande nicht zu langweilig war, immer dieses Ballspiel zu spielen? Gab es nichts zu tun? Der Garten dort hinter dem Teich mit den Kois sah hübscher aus, die kunstvoll gearbeitete Brücke in eine, wenn auch nur künstlich geschaffene, Natur. Gleich. Er musste nachdenken. Hatte dieser Sato tatsächlich recht? Es gab einige Punkte, die fragwürdig waren. Und die beiden Menschen im Raum mussten eben warten, bis er mit seinen Überlegungen fertig war.   Isamu Sato warf einen erneuten, raschen Blick zu Sakura. Diese schloss hastig kurz die Augen um Schweigen zu ermahnen. Sie mussten warten, das war klar – ebenso klar war auch, dass Seine Eisigkeit immerhin über die ganze Sache sehr gründlich nachdachte. Nach doch so einigen Fällen vermutete sie, dass Lord Sesshoumaru die richtige Lösung finden würde. War es die von Sato? Wenn nicht, würde der Hundeprinz nicht zögern den zu korrigieren. Allerdings würde er auch sagen, wenn der Leutnant seiner Meinung nach richtig lag. Menschen würden sich da zieren, aus persönlichen Erwägungen. Dämonen nie. Sie zuckte förmlich zusammen, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass eine Schiebetür auf der hinteren, linken Seite des Raumes einen Spalt weit geöffnet wurde. Sie erkannte seidene Gewänder und bloße Füße und bemühte sich zu Boden zu starren, um nicht zu erkennen zu geben, dass sie wusste, wer da eben aus dem kaiserlichen Schlafzimmer guckte. Sie war sicher, der Hundeprinz hatte ihn bemerkt, aber er blickte nur weiterhin aus dem Fenster, als er langsam sagte: „Nun, Sato, ich werde als Verteidiger argumentieren. Du hast sorgfältig recherchiert. Vor der Audienz kann Isamu Watabe nichts zugestoßen sein, selbst, wenn er nur innerlich verblutete. Jemand wäre das während des stundenlangen Wartens aufgefallen, erst recht beim Verneigen und Aufstehen vor dem Kaiser. Überdies ist zu bezweifeln, dass er dann noch eine klare Aussage hätte treffen können. Der schmale Flur aus dem Audienzsaal in den überdachten Gang bot allerdings Anlass zu einer genaueren Überprüfung. Dennoch: auch, wenn die Warteliste der Audienzsuchenden lang ist und die Besuche beim Kaiser genau geplant werden und zeitlich begrenzt ….es konnte niemand genau wissen, wann die beiden Watabes aus der Audienz gingen. Zum einen beginnt der Plan bereits um zehn Uhr vormittags und es war bereits gegen ein Uhr nachmittags als sie aufgerufen wurden, Verschiebungen sind da immer möglich, zum Anderen wäre ein Mann, der bei jedem Audienzbesucher um eine gewisse Zeit die Tür aufschieben will, sicher seinen Kollegen aufgefallen. Schreiber sitzen gewöhnlich nie allein. Zum Dritten: niemand konnte wissen, ob der Kaiser die Watabes anhören und wegschicken oder gleich verhaften und hinrichten lassen würde, was Takeru ja befürchtete. Viertens: auch ein zufälliger Mord ist nahezu auszuschließen. Falls ein Fusudo-freundlicher Mann rein zufällig seinen Arbeitsplatz verlassen wollte und die beiden Watabes erkannte – warum sollte er Isamu treffen? Nach der höfischen Regel hätte der jüngere Bruder hinter ihm gehen müssen, im Halbdunkel des Ganges, in der Hofkleidung waren sie für Menschen gewiss nicht zu unterscheiden. So stellt sich durchaus die Frage, ob nicht Takeru das Ziel war. Allerdings – warum? Den Befehl zu dem Massaker an den Fusudos und anderem gab Isamu, er war der Fürst. Sein jüngerer Bruder ist nicht einmal der Erbe. Was sollte sich jemand erhoffen. Aber gut, das Motiv … Das Wie ist das Entscheidende, nicht das Warum.“ Und Sakura begriff plötzlich, dass diese für Sesshoumaru geradezu ausufernde Rede an den Kaiser gerichtet war, nicht an Sato. Sicher ein Befehl des Inu no Taishou. Seine Lordschaft wandte sich um, noch immer erfolgreich so tuend, als habe er den Lauscher nicht bemerkt. „Wie. Du hast recht. Nicht vor der Audienz, nicht dabei und weder in dem schmalen Gang noch in dem Korridor später. Takeru sagte aus, und du hast dir sicher Bestätigungen eingeholt, dass sie immer noch hintereinander liefen, da sehr viele Männer unterwegs waren. Takeru ging voran, Isamu hinten. Selbst wenn ein Mann den Fürsten Watabe hätte ermorden wollen – es wäre ein ungemeines Risiko gewesen, geradezu Selbstmord, das in aller Öffentlichkeit zu tun, aus einer spontanen Regung heraus. Jemand, sei es andere Leute auf dem Gang, sei es aus den Fenstern um die Höfe, hätten sehen können, wie ein Mann stehen blieb, einen Dolch aus dem Ärmel zog und zustieß. Spätestens, wenn das Opfer zusammenbrach, wäre der Täter überführt gewesen. Nein, nicht da.“ Der Leutnant wagte einen irritierten Blick bis zu der Schleife um die Taille des Hundeprinzen. „Ja, so glaubt Ihr, dass Takeru seinen Bruder bei diesem scheinbaren Zuschlagen auf die Schulter ermordete?“ „Nein.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)