Land unserer Väter von Futuhiro (Magister Magicae 1) ================================================================================ Kapitel 17: Partner ------------------- [Moskau, Russland] Die Musik auf dem Schulball war inzwischen sehr viel ruhiger und romantischer geworden. Das Licht war gedämpft und es herrschte wieder eine Lautstärke, bei der man sich unterhalten konnte. Natürlich hatten die Jugendlichen auf ihrer selbst organisierten Feier eine vernünftige Disco gewollt. Aber die wilde Party-Phase war langsam vorbei und der Abend klang aus. Die ersten lagen schon betrunken unter den Tischen und schliefen ihren Rausch aus, einige waren auch schon heimgegangen. Die Mehrheit lungerte nur noch in den Sitzecken oder rauchend draußen vor der Tür herum. Zum Tanzen waren sie inzwischen alle zu müde. Waleri saß an einem Tisch am Rand, den Unterkiefer in beide Hände gestützt, und langweilte sich zu Tode. Sein Schützling machte keine Anstalten, den Ball so schnell zu verlassen. Er schaute sich frustriert um. Die große Sporthalle der Schule war mit goldenen Vorhängen und bronzefarbenen Stoffbahnen ausgeschmückt. Am Rand gab es ein paar Sitzgelegenheiten, Tische und Stühle wie in einem Café, die ursprünglich auch mal sehr geschmackvoll mit Deckchen, Blüten und Konfetti dekoriert gewesen waren. Jetzt waren sie nur noch Ablagefläche für leere und halbvolle Plastikbecher. Die vielen, kleinen Lichtpünktchen, die von der Disco-Kugel durch die ganze Halle gestreut wurden, machten einen mit der Zeit ganz wirr. Wenigstens die Laser-Show war inzwischen wieder abgeschalten worden. Auf der Tanzfläche waren, abgesehen von zertretenen Chips und herumrollenden Flaschen, nur noch drei tanzende Pärchen und ein schlafender 10.-Klässler mit einem Partyhut aus Pappe auf dem Kopf. Mischka war einer derjenigen, der immer noch auf der Tanzfläche herumschunkelte. Er und seine Begleiterin Jelena tanzten eng umschlungen und schmachteten sich gegenseitig an. Mischka kam nicht umhin, ihr das eine oder andere Kompliment zu machen. Das Mädchen aus Mischkas Parallelklasse war ein süßes, kleingeratenes Ding mit zwei hellbraunen, geflochtenen Zöpfen, einer Brille mit runden Gläsern auf der Nase, und einem züchtigen Kleid, das einer Klosterschülerin gut zu Gesicht gestanden hätte. Man sah ihr schon rein optisch an, was für ein anständiges Mädchen sie war. „Du bist echt süß“, wisperte Mischka ihr zu und schlang die Arme noch etwas zärtlicher und verheißungsvoller um ihre Mitte. Jelena kicherte leise. „So betrunken bist du doch noch gar nicht“, gab sie zurück. „Eben. Dann muss es ja stimmen.“ „Ich hab dich bis gestern immer für einen totalen Idioten gehalten“, gestand sie und lächelte Mischka süß an. „Aber du bist ja doch manierlicher und charmanter als ich dachte.“ Sie streckte sich zu ihm hoch und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Du bist auch süß, Mischka.“ „Findest du?“ Sie nickte grinsend. Der Junge fuhr sich verlegen mit den Fingern durch die blonden Haare, dann küsste er Jelena seinerseits. „Es ist schon spät. Wir sind fast die letzten“, bemerkte sie. „Soll ich dich nach Hause bringen?“ „Ich will noch nicht nach Hause. ... Aber hier will ich irgendwie auch nicht bleiben.“ Sie dachte einen Moment nach. „Kommst du eine Runde mit raus? Wir könnten uns in die Wiese setzen und die Nacht genießen.“ „Gern. Ich sag nur kurz Bescheid.“ Jelena sah sich nach Waleri um, als hätte sie ganz vergessen, dass der auch noch existierte. Er hielt sich zwar im Hintergrund und versuchte, sie beide nicht zu auffällig unter Beobachtung zu halten, ging aber trotzdem nie außer Sichtweite. Vor allem weil er so viel älter und erwachsener war, wirkte er wie der reinste Aufpasser. „Muss er denn wirklich mitkommen?“, wollte das Mädchen wehleidig wissen. „Wir sind ganz ungestört, versprochen.“ Waleri erwachte aus seiner halbschlafartigen Langeweile, als Mischka plötzlich vor ihm stand und ihn unschlüssig musterte. „Was ist? Gehen wir?“, wollte Waleri müde wissen, weil er diesen Blick nicht deuten konnte. „Dir macht die Party keinen Spaß, hm?“, stellte Mischka entschuldigend fest. „Es sind deine Feier und dein Mädchen. Genieße es ruhig.“ „Hör mal ...“ Mischka begann verlegen von einem Fuß auf den anderen zu treten. „Wir würden uns gern ... naja ... absetzen, verstehst du? ... Also ... in die Natur. ... Nur wir zwei. Alleine, und so.“ „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, kommentierte der Genius zynisch. „Könnte durchaus passieren. Ich meine, in unserer Kollektiv-Wohnung können wir ja wohl schlecht ... Da haben wir kein Zimmer für uns alleine.“ „Von mir aus, tu was du nicht lassen kannst. Ich bin nicht deine Mutti. Ich werde es dir nicht verbieten.“ „Jaaaaa, aber ...“, druckste Mischka weiter herum. „Du verstehst doch sicher, dass wir dich dabei nicht brauchen können, oder?“ „Und du verstehst sicher, dass ich dich nicht außer Reichweite lassen kann.“ „Komm schon, Waleri!“, jammerte der Junge. „Du weißt über unsere mentale Verbindung auch so, dass alles in Ordnung ist. Du musst nicht in Sichtweite bleiben.“ Der Genius rollte mit den Augen. Diese pubertierenden Jugendlichen immer. „Ich werde mir Mühe geben, dich nicht zu stören, du notgeiler Lümmel.“ „Danke, Waleri!“ Mischka eilte freudestrahlend davon, zurück zu seiner Jelena. „Nimm mich das nächste Mal lieber mit, wenn du Mädels aufreißt“, maulte der bullige Glatzkopf leise in sich hinein und zückte das Handy. Er war immerhin auch ein Mann. Es machte ihm jetzt schon Sorgen, welche Auswirkungen die mentale Verbindung zu Mischka auf ihn haben würde, wenn Mischka heute wirklich noch was mit diesem Mädchen zum Laufen brachte. Er würde sich davor abschirmen müssen, um nicht das zu spüren, was Mischka dabei empfand. Hinter Waleri krachte ein Ast. Trotzdem blieb der Genius ganz gelassen an seinem Baumstamm lehnen und sah sich nicht um. Er wusste ja, wer da kam. Stapfende Schritte näherten sich von hinten, die um so mehr Lärm machten, je mehr der Besucher sich darum bemühte, leise zu sein. „Da bist du ja“, brummte es schließlich entnervt aus der Dunkelheit. Waleri hob mit einem „Ssschhh!“ den Zeigefinger an die Lippen und wandte sich endlich dem Neuankömmling zu. „Wieso hast du so lange gebraucht?“ „Deine sms mit der Wegbeschreibung war lausig! So findet man dich ja nie!“, beschwerte sich Yarupolk mit gesenkter Stimme. Er wusste zwar noch nicht, warum er leise sein sollte, hielt sich aber trotzdem an die Mahnung. „Im tiefsten Wald stehen halt keine Wegweiser.“ „Was tun wir hier? Wieso bist du nicht zur Telefonzelle gekommen, wie wir es ausgemacht hatten?“ Waleri deutete auf die Waldlichtung hinaus, auf der Mischka und Jelena im Gras lagen und die Sterne beobachteten und sich nicht die Bohne darum scherten, dass es schon 2 Uhr in der Nacht war, wo jeder normale Mensch hundemüde sein und schlafen sollte. „Mein Schützling hatte andere Pläne“, meinte er nur. Yarupolk rutschte eine Augenbraue über die Stirn, als er die zwei schwer verliebten Kids bemerkte. Das erklärte, warum er leise sein sollte. Waleri versuchte also unsichtbar zu sein, um die beiden nicht zu stören. „Du hast Mischka nicht erzählt, was wir machen, oder?“ „Nein. Deshalb konnte ich ihm auch schwerlich sagen, dass ich eigentlich zur Telefonzelle will. Er hätte sofort wissen wollen, warum.“ Eigentlich wären sie auf dem Heimweg ohnehin an dem geplanten Treffpunkt vorbeigekommen, so dass Waleri ihm gar nichts hätte sagen müssen. Aber Mischka hatte sich halt spontan für einen anderen Heimweg entschieden, mit Zwischenstopp im Wald. Yarupolk gab einen brummenden Ton von sich, der das Thema beendete. „Naja, egal. Hast du das Zeug mitgebracht?“ „Sicher.“ Waleri zog eine Tüte aus seiner Jackentasche, in der allerlei gesammelter Krimskrams zu finden war. Uhren, goldene Ketten, goldene Ringe, edelsteinbesetzte Ohrringe, EC-Karten und ähnlich wertvolles Zeug. „Das ist viel. Wo hast du das in so kurzer Zeit alles her?“ Waleri lächelte in sich hinein. „Mit meiner Fähigkeit, die Zeit anzuhalten, fällt es mir nicht schwer, im Vorbeigehen Passanten um ihren Krempel zu erleichtern, ohne dass jemand etwas sieht oder merkt.“ „Sehr gut“, lobte Yarupolk und hielt ihm im Gegenzug ein Bündel Geldscheine hin. „Wir kommen künftig bestimmt häufiger ins Geschäft.“ „Das würde mich freuen. Irgendwie muss ich ja mal zu Geld kommen. Das ist doch kein Leben, so ganz ohne eigenes Einkommen und nur auf die Gnade von Mischkas Eltern angewiesen“, grinste Waleri. „Sag mir einfach, was du brauchst.“ „Goldschmuck ist schon okay. Der ist schwer zurückzuverfolgen und bringt viel Geld. Ich glaube, EC-Karten lohnen sich nicht. Wenn man fremde Konten leerräumt, merkt das immer irgendjemand. Geldautomaten sind einfach zu gut überwacht.“ „Okay, dann halte ich die Augen nach Schmuck offen. Denkst du an die Knarre, die ich bei dir bestellt habe?“ „Ich arbeite dran“, versprach der Bergtroll-Genius und warf wieder einen Blick hinaus auf die Lichtung. Die beiden Jugendlichen waren immer noch vollauf mit sich selbst beschäftigt und merkten nichts von diesem Gespräch. Aber Yarupolk gedachte sein Glück trotzdem nicht weiter zu strapazieren. „Ich geh dann mal wieder. Wir sehen uns im Box-Club.“ „Ja“, stimmte Waleri ruhig zu. „Wir sehen uns.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)