Pride von SpacePirate ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Mittwoch Ich stand in der Schlange an der Essensausgabe, als Kilian mich ansprach und fragte ob ich wieder mit ihm essen wollte. Erfreulich, gleichzeitig aber auch eigenartig, wenn man beachtet wie das letzte Mal verlaufen ist. Das Angebot abzulehnen würde es allerdings noch eigenartiger machen, also nickte ich und bereitete mich mental auf diesen Trip vor. Als ich an den Tisch kam, waren wir nur zur zweit. “Ist alles gut?”, interessierte ich Kilian. “Du siehst so angespannt aus.” “Es ist nichts” Ich klang etwa genau so überzeugend wie ein Laiendarsteller bei seinem ersten Dreh. Er kaufte es mir nicht wirklich ab. Und den Versuch zu lächeln auch nicht. Jetzt kamen noch Newy und der andere Typ von gestern dazu. “Newy hast du ja schon kennengelernt und das ist mein Cousin Cain”, stellte Kilian vor. Unsicher hob ich die Hand und presste ein “Hey” heraus. Cain lächelte mich. “Schön, dich persönlich kennen zu lernen.” “Übrigens tut mir Leid, wegen dem letzten Mal. Diese ganze “Grumpy-Nummer” gehört irgendwie zum Image dazu.”, sagte Newy und machte große Gesten um auf seine Kleidung zu deuten. “Ist schon ok, jeder hat mal schlechte Laune” Ok, es lief besser als erwartet. “Oh man, hätten wir früher gewusst, dass du einer von uns bist, hätten wir dich natürlich auch früher angesprochen und dir alles gezeigt. Wir haben so viel Zeug...” Newy hörte auf zu sprechen, da mir meine Verwirrung scheinbar sehr deutlich anzusehen war. “Einer von euch?”, wiederholte ich zögerlich. Newy und Cain sahen zuerst mich und dann Kilian völlig entgeistert an. Ich drehte mich auch zu ihm. Was hat er bitte über mich erzählt? Man sah wie Kilian mit jeder Sekunde immer panischer wurde und einfach keine Worte fand. “Ähm...also...äh” Plötzlich lachte Cain los. “Oh man, das ist so awkward.” Jetzt hafteten alle Blicke auf ihm. “Ich glaube wir ziehen, dass gerade alle etwas mehr auf als nötig. Wir leben im 21. Jahrhundert Leute, dafür wird schon lange keiner mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt” Ich hatte immer noch keine Ahnung worauf er hinaus wollte und die anderen beiden offenbar auch nicht. “Ja, wir sind alle queer. Aber dafür müssen wir doch keinen Club aufmachen. Ich bin Bi, Newy ist Pan und Kilian ist was ganz besonders und ist ace.” Man hörte Kilian tief durchatmen. “Wir helfen dir gerne weiter, wenn du diskriminiert werden solltest oder so…”, ergänzte Newy. “Wir sind DIE LGBT-Clique in Pottsville und du bist in unsere Mitte willkommen.” “Vielen Dank...?” Konnte die Situation noch komischer werden? War ich so offensichtlich gay? “Wir wollen dir natürlich nicht zu nah treten, aber wenn du willst kannst du dich immer zu uns setzen.”, meinte Kilian. “Ok, das merk ich mir.” “So und jetzt mal bitte Themawechsel.”, plädierte Cain. “Kann mir einer von euch sagen was sich Ms. Miller gedacht hat, als sie diesen Rock angezogen hat?” “Uh super straight... Lass uns über Mode reden!”, lachte Newy. “Oh sorry. Ich meinte natürlich Bier, Monstertrucks, Fußball, Brüste, Gewichtheben!” Er präsentierte mit einem übertrieben ernsten Gesicht seinen kaum vorhandenen Bizeps. “Ich glaube nach der Schule, geh ich erstmal ein paar Bäume mit meinen bloßen Händen ausreißen.” Newy strich über das Gesicht. “Und ich muss mich zum fünften Mal heute rasieren. Ich bin einfach zu männlich!” “Ihr denkt, Ihr seid männlich? Ich esse Salat, nur wenn er mit Motoröl gemacht ist ”, brachte sich Kilian ein. “Und Sie, guter Sir? Wie männlich sind Sie?”, fragte Cain mich. “Ich... Ich habe Liebesromane gekauft, nur um sie zu verbrennen?” “Nicht schlecht. Aber das üben wir nochmal...”, lachte er. Sein Gesicht sah so schön aus, wenn er lachte. Wahrscheinlich war es immer schön, nur beim Lachen eben ganz besonders. Also lächelte ich zurück wie ein bekiffter Affe... Oh Gott und ich hab mich tatsächlich gefragt wie sie gewusst haben können, dass ich schwul bin. Es war eher ein Wunder, dass es Leute gab, die es noch nicht wussten! Leider konnten wir unser Gespräch über unsere Männlichkeit nicht zu sehr ausweiten, da die Pause sich dem Ende neigte. Wir verabschiedeten uns mit einem förmlichen Handschlag voneinander und vereinbaren dann morgen auszudiskutieren wer von uns mehr rohe Eier trinken kann. Die Mathe Hausaufgaben hatten keine Chance, sie konnten nicht gegen den anderen Gedankenstrom in meinem Kopf ankommen. Jahrmarkt-Orakel, Katzen, Astronomie und Cain. Cain und seine dummen, weichen Haare, sein widerliches, ansteckendes Lachen, seine ekelhaften, schönen Lippen... Zusammenfassend: Ich war gerade zu gay um an Mathe zu denken. In meinem Kopf fanden, gerade ganz andere Kurvendiskussionen statt. Meine Mutter klopfte an der Zimmertür und kam, ohne auf eine Antwort zu warten, herein. “Dein neuer Freund ist draußen auf der Veranda. Schick ihn lieber weg, bevor dein Vater das mitbekommt.” Ich spürte wie mein Herz in Panik anfing in den Overdrive zu schalten. Mein neuer Freund?! Was? Wie? Nein, ganz ruhig. Sie kann es nicht wissen, sonst hätte sie nicht so reagiert… Dafür war sie viel zu entspannt. Sie hat noch keine Mistgabel dabei. Ohne noch weiter zu überlegen, sprintete ich die Treppe runter und stellte mit Erleichterung fest, dass meine Mutter nur den Kater meinte. Er spazierte auf unserer Veranda umher und miaute herzzerreißend. Als ich die Tür öffnete, lief er sofort zu mir und rieb sich schnurrend an meinen Beinen. So kannte ich ihn ja noch gar nicht. Vielleicht war er heute hungriger? Ich kniete mich hin um ihn zu streicheln, hörte aber wie meine Mutter die Treppe herunterkam. “Dafür hab ich dich nicht geholt. Du sollst ihn wegschicken. Wir holen uns keinen Streuner in Haus.”, mahnte sie. “Ich hab es versucht, er hört nicht auf mich”, log ich, während ich mein Bestes versuchte den Kater beim streicheln nicht weh zutun. Wer hätte gedacht dass Tiere streicheln gelernt sein muss. Gibt es da Youtube-Tutorials zu? “Du darfst nicht hier bleiben, du musst gehen. Kusch! Kusch!”, sagte ich zum Kater theatralisch, um meine Mutter zu überzeugen, dass ich bereits alles in meiner Macht stehende probiert habe. Es schien zu funktionieren, denn sie zog mit einem Seufzer von dannen. Ich wollte schon immer ein Haustier haben, aber man sah ja die Einstellung meiner Eltern zu diesem Thema. Für meine Mutter waren Tiere nur Dreckschleudern und mein Vater meinte ich wäre noch nicht alt genug um die Verantwortung für ein anderes Lebewesen zu tragen. Was für ein dummes Argument. Das sagt man vielleicht zu 5-Jährigen, aber doch nicht zu einem 17-Jährigen. Manche haben schon eigene Kinder in meinem Alter, da darf ich wohl eine Katze haben! Ich musste mich kurz selbst daran erinnern, dass dieser Kater schon Newy gehörte. “Du bist hungrig, ich bring dir gleich was!”,versprach ich und ging in die Küche. Dieses Mal wollte ich ihm Schinken auf einem Teller anbieten. Plötzlich hörte ich ein Fauchen von draußen. Meine Mutter hatte die Sprüh-Flasche geholt und benutzte sie um meinen Besucher zu vertreiben. Der Kater stellte sein ganzes Fell auf und fauchte erneut. “Hey, lass das!”, rief ich. Vergebens denn sie sprühte nochmal in seine Richtung und der Kater lief weg. “Nächstes Mal, hol ich den Gartenschlauch”, drohte sie und schloss die Tür. “So wird das gemacht.” Es hatte keinen Sinn mit ihr zu diskutieren, dass hab ich schon zu oft versucht. Das Einzige, was ich machen konnte war mich in meinem Zimmer verkriechen und die Tage zählen bis ich endlich ausziehen kann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)