Schwarz-Weiße Weihnacht von Maginisha ================================================================================ Kapitel 11: 11.Dezember ----------------------- „Er ist weg!“ Ken befreite seine Hände aus den wattierten, roten Handschuhe, und klopfte seine Taschen ab. Verdammt! Der Zettel mit der Wegbeschreibung war und blieb verschwunden. Jetzt stand er hier mitten im Schneetreiben auf einer ihm unbekannten Straße in einem Weihnachtsmannkostüm und konnte seinen Einsatzort nicht finden. Fluchend fischte er sein Handy aus dem Tiefen des dicken Mantels und fluchte erneut und umso lauter, als er auf das kleine, leere Symbol auf dem Display starrte. „Kein Empfang. Na wunderbar. Omi wird mich umbringen!“   Er war auf dem Weg zu dieser Weihnachtsparty. Eines ihrer Ziele sollte dort auftauchen und Ken war es zugefallen, sich in Verkleidung unter die Leute zu mischen, um die notwendigen Informationen für den Zugriff zu erhalten. Wie es dazu gekommen war, konnte er sich eigentlich selbst nicht wirklich erklären. Obwohl...doch, er wusste warum. Yoji hatte heute freigenommen, Omi war zu klein für das Kostüm und Aya...nun ja, er war eben Aya. Angesichts seines Gesichtsausdrucks hatte Ken das Kostüm und den Undercover-Einsatz vorgezogen. Und nun stand er hier und wusste nicht, wo es lang ging. Die Adresse hatte er noch im Kopf, aber wo die Straße lag, entzog sich leider seiner Kenntnis. Es würde ihm also nichts weiter übrig bleiben, als nach dem Weg zu fragen.   Er stieg von seinem Motorrad und machte sich auf dem Weg zu einem naheliegenden Wohnhaus. Von drinnen strahlte warmes Licht durch die Fenster und Ken konnte nicht anders, als die Bewohner ein wenig zu beneiden. Immerhin mussten sie sich nicht hier draußen in dieser Hundekälte herumtreiben. Wobei er zugeben musste, dass das Kostüm ihn schon warm hielt. Er trug einen dicken, roten Mantel mit weißem Pelzbesatz und breitem, schwarzen Gürtel, passende rote Hosen und schwere, schwarze Stiefel. Dazu noch ein falscher, buschiger, weißer Bart, ebensolche Augenbrauen und zur Krönung des Ganzen eine ebenfalls über und über mit weißem Pelz besetzte, rote Zipfelmütze mit diesem weißen Bommelding am Ende. Er fand, dass er es hätte schlechter treffen können. Yoji war bei so einem Einsatz mal als Elf unterwegs gewesen. Bei der Erinnerung an Yojis Beine in Strumpfhosen musste Ken sich heute noch schütteln. Immerhin würde ihn mit Sicherheit niemand wiedererkennen. Von seinem Gesicht war ja so gut wie nichts zu sehen.   Er rieb noch einmal die frierenden Hände aneinander und drückte dann entschlossen auf den Klingelknopf. Es läutete melodiös und das Stimmengewirr, das er gerade noch von drinnen gehört hatte, verstummte plötzlich. Schritte näherten sich der Tür, diese wurde geöffnet und er sah sich einer blonden Frau gegenüber, die ihn mit breitem Grinsen anstrahlte. „Oh seht nur, Mädels!“, rief sie über die Schulter hinweg. „Ich glaube, wir bekommen Besuch.“ „Ich wollte nur...“, begann Ken, wurde aber von der Frau sofort unterbrochen. Sie winkte eilig mit der Hand und legte den Zeigefinger auf die Lippen. „Psst, das soll doch eine Überraschung sein. Komm nur rein.“   Ehe Ken protestieren konnte, hatte sie ihn am Arm gepackt und ihn nach drinnen gezerrt. Aus dem Nebenraum hörte er vielstimmiges Gekicher und Geschnatter und kurz darauf fand er sich inmitten einer Schar Frauen verschiedenen Alters wieder. Sie saßen auf Sofas, Sesseln und Stühlen, hielten Gläser in der Hand und hatten sich um einen Tisch voller kleiner Leckereien versammelt. Anscheinend war auch das hier eine Art Party. „Ich wollte nur...“, versuchte er noch einmal sein Glück, aber eine der Frauen sprang auf und eilte mit ihrem Stuhl nach vorne. „Nimm doch Platz, Santa Claus“, kicherte sie und drückte Ken auf den Stuhl. „Los, Minako, das hier ist dein Abend. Du darfst dir etwas von Santa wünschen.“ Eine junge Frau, die zwei Glitzerherzen auf den Wangen hatte, wurde nach vorne geschoben und plötzlich fand sich Ken mit einem Schoß voller Minako wieder. Die junge Frau kicherte und gluckste. „Ihr seid ja verrückt!“, rief sie ihren Freundinnen zu. „Das wäre doch nicht nötig gewesen!“ Die anderen beeilten sich, ihr zu versichern, dass das durchaus notwendig wäre und die blonde Frau, die Ken hereingeholt hatte, grinste sie nur breit an: „Du wolltest einen echt westliche Feier. Ich habe getan, was ich konnte. Das gehört nun mal dazu.“   Minako wurde ein wenig rot, wandte sich zu Ken und sah ihn unter dunklen, halb niedergeschlagenen Wimpern halb scheu, halb kokett an. „Ich glaube, ich war ein sehr unartiges Mädchen dieses Jahr“, hauchte sie, woraufhin ihre Freundinnen wieder anfingen zu kreischen und Ken zum wiederholten Mal sein Kostüm verfluchte. Warum war es hier nur so warm? Schweiß begann, seinen Rücken herabzulaufen und der weiße Bart kitzelte in seiner Nase. Er hatte keinen Zweifel, dass seine Gesichtsfarbe inzwischen sehr gut zu seinem Kostüm passte. „Hast du denn auch deine Rute dabei, Santa?“, wollte eine der Frauen aus der Runde wissen und lautes Gelächter antwortete ihr. „Das werden wir ja gleich sehen!“, johlte eine andere und nahm einen großzügigen Schluck aus ihrem Glas. „Los, gebt Santa mal was zu trinken. Er ist ja ganz verschüchtert.“ „Ich glaube, hier liegt eine Verwechslung zu“, krächzte Ken heiser. Das hier lief so gar nicht nach Plan. Er musste hier sofort raus! Minako hatte es sich auf seinem Schoß so richtig bequem gemacht und nach seiner Hand gegriffen. Langsam führte sie sie in Richtung ihres Brustkorbs. „Hör mal Santa, mein Herz klopft ganz laut. Willst du mal fühlen?“     Der Mann in der knapp geschnittenen Polizeiuniform hatte gerade seinen Zeigefinger nach dem Klingelknopf ausgestreckt, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein ziemlich derangierter Weihnachtsmann an ihm vorbeistürzte. Er hastete über die Straße, wobei er seine rote Mütze und Teiles seines Bartes verlor. Er beachtete diese Tatsache jedoch nicht, sprang auf ein am Straßenrand abgestelltes Motorrad und raste davon, als wären 77 schreckliche Dämonen hinter ihm her. Der „Polizist“ hob eine sorgfältig gezupfte Augenbraue, schüttelte leicht den Kopf und wandte sich dann zu der überraschten Frau um, die so eben im Türrahmen erschienen war. „Ist das hier der Jungesellinen-Abschied von Minako Kobayashi?“, fragte er und schob seine Mütze mithilfe des Schlagstocks nach oben „Ich habe gehört, sie war ein ganz unartiges Mädchen.“       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)