Schwarz-Weiße Weihnacht von Maginisha ================================================================================ Kapitel 13: 13.Dezember ----------------------- „Wage es ja nicht!“ Yojis Hand schwebte unschlüssig über der Schüssel mit den Weihnachtsplätzchen. Als er jedoch Kens blitzeschleudernden Blick unter eng zusammengezogenen Augenbrauen sah, zog er sie langsam wieder zurück. Verrückte sollte man ja nicht noch zusätzlich reizen. „Ich habe den ganzen Morgen in der Küche gestanden und die Dinger ausgestochen, Yoji!“, bellte der Athlet und riss die Schüssel mit den bunter verzierten Köstlichkeiten an sich. „Aber die sind nicht für dich, du Vielfraß. Die sind für die Kunden! Wenn du Plätzchen essen willst, back dir gefälligst selber welche!“ Yoji wollte gerade antworten, als hinter ihm jemand die Treppe hinunter polterte. Nur Sekunden später stürmte Omi in den Laden. Er hatte ein schief zugeknöpftes Hemd an, die Wintermütze saß schief auf dem Kopf und seine Jacke hing halb herunter, weil er versuchte, sich gleichzeitig anzuziehen und den Rucksack umzuschnallen. „Bin spät dran!“, verkündete er überflüssigerweise. „Oh, du hast dran gedacht. Danke, Ken!“ Bevor einer der beiden im Blumenladen Stehenden reagieren konnte, hatte sich Omi die Schüssel mit den Plätzchen geschnappt und war mit einem fröhlichen „Bis heute Abend!“ zur Tür hinaus gestürmt.   Wie vom Donner gerührt sah Ken auf die halb geöffnete Tür, durch die der Wind jetzt leise rieselnde Schneeflocken hereinwehte. Die eintretende Kälte rief Aya auf den Plan. Mit gerunzelter Stirn schob er die Tür wieder zu. „Ihr solltet darauf achten, dass die Tür geschlossen bleibt. Die Kälte tut den Blumen nicht gut.“ „Aber Aya...“ Yoji hob an, sich zu verteidigen. Er kam jedoch nicht weit, denn jetzt kam wieder Leben in Ken. „Hat der sie nicht alle?“, platzte es aus dem Fußballer heraus. „Der kann doch nicht alle Plätzchen mitnehmen. Was glaubt er denn, wer er ist?“ „Derjenige, dem du gestern versprochen hast, Plätzchen für seine Probe heute Vormittag zu backen“, erwiderte Aya seelenruhig und fing an, die Pflanzen zu wässern. „Du hast gemeint, du machst einfach ein paar mehr.“ „Ja ein paar“, jaulte Ken gequält auf. „Aber doch nicht alle! Jetzt muss ich ja wieder von vorne anfangen!“ Yoji klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Du schaffst das schon, Kennilein. Bist doch unser Meisterbäcker.“ Ken murmelte noch etwas Unfreundliches und nahm dann die Schürze des Blumenladens ab, um diese wieder mit der Küchenschürze zu vertauschen, die er sich von Momoe-San geliehen hatte. Er konnte nur hoffen, dass Yoji das nicht auch noch mitbekam. Wenn er Ken mit dem weißen, rüschenbesetzten Teil erwischte, würde er ihn das die ganze Weihnachtszeit nicht vergessen lassen. Und danach vermutlich auch nicht.     Schwitzend zog Ken das heiße Blech mit den Plätzchen aus dem Ofen. Die letzte Ladung war ein bisschen braun geworden, aber wenn er ordentlich Zuckerguss draufschmierte, würde das wohl keiner merken. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und drückte den Rücken durch. Diese ganze Backerei war echt anstrengend. Aber nur keine Müdigkeit vorschützen. Jetzt galt es noch die Verzierungen anzubringen, dann war er endlich fertig. Er hatte die neue Schüssel mit Plätzchen kaum auf dem Ladentisch platziert, als sich die Ladentür mit stürmischen Gebimmel öffnete. Herein stürmte eine ganze Horde Schulmädchen. Als sie den mehlbestäubten Ken und seine Plätzchen erblickten, stürzten sie sich auf ihn und Bäcker und Kekse verschwanden unter einem schnatternden Haufen von Schuluniformen.   Nur mit Mühe und unter dem Einsatz aller seiner Backwerke kam Ken schließlich zerzaust aber lebend davon. Mit einem lauten Seufzen ließ er sich an der Tür zum Laden hinab sinken und sah mit betrübten Blick auf die Schüssel, in der nur noch ein paar einsame Krümel lagen. „Also auf ein Neues“, stöhnte er und wankte noch ein wenig benommen die Treppe hinauf. Er hoffte nur, dass er noch genug Eier da hatte. Zimtsterne würde er wohl nicht nochmal machen. Am besten wich er auf Rollenplätzchen aus. Die gingen am schnellsten.   Gähnend kam Ken mit der wieder gut gefüllten Schüssel voller frischer Plätzchen die Treppe hinunter, als er schon das laute Schluchzen hörte, das aus dem Laden zu ihm herauf drang. Als er den Laden betrat, sah er auch, woher das Weinen kam. Mitten im Laden stand Sakura, der dicke Tränen über die Wangen liefen. Yoji versuchte gerade, sie zu beruhigen, während Aya mit grimmiger Miene daneben stand. Als er Ken und die Plätzchen erblickte, hellte sich seine Miene ein wenig auf. Was in Ayas Fall bedeutete, dass sich seine Augenbrauen nicht mehr ganz berührten. Sein Mund blieb vollkommen unbeteiligt. Ken, der das Mienenspiel trotzdem bemerkt hatte, machte vorsichtig einen Schritt rückwärts und legte schützend den Arm um die Schüssel mit den Plätzchen. „Was ist hier los?“, fragte er vorsichtig und fluchtbereit. „Sakura wollte Geld für den Erhalt ihrer Laufmannschaft sammeln und jetzt sind die Sachen, die sie dafür gefertigt hatte, gestohlen worden.“ Ken machte noch einen Schritt rückwärts. „Was für Sachen?“ „Plätzchen.“ Das Wort schwebte zwischen Aya und Ken wie ein scharfes Schwert. Es war nur die Frage, wer zuerst danach greifen würde. Yoji, der von dem sich anbahnenden Drama nichts bemerkt zu haben schien, schob Aya zur Seite. „Ken, du musst Sakura welche von deinen Plätzchen abgeben. Wir können sie doch nicht so wieder nach Hause schicken.“   Ken war drauf und dran den Kopf zu schütteln. Er hatte heute schon die dritte Fuhre Kekse gebacken. Er war müde, ihm tat der Rücken weh und wenn er noch ein einziges Tütchen Vanillezucker aufmachen musste, würde er einen Schreikrampf bekommen. Nein wirklich: Was zu viel war, war zu viel. Aber dann fiel sein Blick auf Sakuras große, tränenverschleierte Augen und er spürte, wie ihm warm wurde und sein Herz zu klopfen begann. Wie von selbst gaben seine Hände die Plätzchenschüssel an Yoji weiter und er hörte sich selber sagen: „Nimm nur alle. Ich kann ja neue backen.“   Sakuras Gesicht hellte sich augenblicklich auf und sie nahm vor Ken Aufstellung. „Vielen, vielen Dank, Ken. Das werde ich dir nie vergessen“, sagte sie mit einer tiefen Verbeugung. „Ich schwöre, wenn ich dir einmal aus der Klemme helfen kann...“ „Ach schon gut“, winkte Ken ab und kratzte sich verlegen im Nacken. „Ist wirklich nicht der Rede wert.“   Als Sakura mit den Plätzchen zur Tür hinaus verschwunden war, fühlte Ken Ayas Blick auf sich ruhen. Der rothaarige Weiß-Anführer nickte ihm zu. „Danke, Ken“, sagte auch er, bevor er sich umdrehte und wieder im Nebenraum verschwand. Ken sah ihm eine Weile nach, bis er plötzlich hinter sich ein Glucksen hörte. Er wurde lauter und lauter, bis Yoji nicht mehr an sich halten konnte. Er lachte lauthals los. Ken, der immer noch leicht benebelt war, drehte sich herum und sah ihn verständnislos an. „Was ist los? Was ist so komisch?“ „Die Schü...die Schü...die Schürze!“, brachte Yoji schließlich hervor und hielt sich vor Lachen den Bauch. Ken sah an sich herab und stöhnte laut auf. Natürlich. In der ganzen Aufregung hatte er vergessen, die weiße Schürze abzunehmen. Er schloss ergeben die Augen. „Ich gehe dann mal wieder backen“, murmelte er und schlich von Yojis lautem Gelächter begleitet die Treppe zur Wohnung hinauf. Vielleicht hatte er ja Glück und der Backofen explodierte endlich unter der Dauerbelastung. Das würde ihm immerhin einiges an Peinlichkeit ersparen.         Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)