Affection von Votani ================================================================================ Stranger in the Village [Robin/Nojiko] -------------------------------------- Nojiko blinzelt, ehe sie einige Schritte zurücksetzt, um abermals einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Von dieser Seite hat sie eine direkte Sicht auf den Garten mit seinen ordentlich gepflanzten Orangenbäumen, die Bellemeres Vermächtnis darstellen. Gleichzeitig kann sie jedoch weiter sehen, denn dahinter befindet sich die kleine, versteckte Bucht, in der Nami vor ihrem Aufbruch mit der Strohhutbande stets ihr Boot geankert hat. Schon lange hat dort nichts mehr vor Anker gelegen – und nun sitzt eine riesige Schildkröte dort im Wasser. Auch ein Augenreiben enttarnt die Schildkröte nicht als eine Illusion. Stattdessen nimmt Nojiko den festgeschnallten Sitz auf ihrem massiven Rücken wahr, der eindeutig darauf hinweist, dass das Tier einen Reiter hat, der fehlt. Neuigkeiten verbreiten sich allgemein schnell in Kokos und Geheimnisse gibt es hier auch keine. Nojiko weiß das, denn wie die meisten Bewohner, hat sie ebenfalls ihr gesamtes Leben in diesem Dorf verbracht. Doch anders als die meisten steht sie Reisenden, die den Weg nach Kokos finden, nicht feindlich oder abweisend gegenüber - selbst wenn sie eine riesige Schildkröte mitbringen. Das Sonnenlicht filtert durch die Fenster des Inns, als Nojiko es betritt. Ihre Augen wandern über die Tische, bis sie auf einer Frau zum Ruhen kommen, die mit übereinandergeschlagenen Beinen am Tresen sitzt. Ihre Haut ist gebräunt und die Haare pechschwarz, während ein violettfarbener Cowboyhut auf ihrem Kopf ruht. Sie sitzt allein, denn alle anderen sitzen distanziert und mit misstrauischen Blicken an den Tischen weit entfernt von ihr. Nach Arlongs brutaler Herrschaft über das Dorf kann man es keinem übernehmen. Ein lautloses Seufzen entweicht Nojikos Lippen, als sie den Innenraum des Inns durchquert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Genzo hier aufkreuzen und die Frau in die Mangel nehmen wird. Nojiko schwingt sich auf den Barhocker neben der hübschen Frau. „Ist das deine Schildkröte, die in meiner Bucht sitzt?“ Die andere Frau hebt den Blick, während ihre Finger weiterhin mit ihrem Glas spielen. Eine Olive schwimmt in der hellen, fruchtigen Flüssigkeit ihres Drinks und das leichte Heben der Mundwinkel weist auf Belustigung hin. „Ich war mir nicht bewusst, dass die Bucht jemanden gehört.“ „Wir kriegen nicht viele Besucher hier“, wechselt Nojiko das Thema und ihr Blick steift vielsagend durch die Bar. „Jedenfalls nicht mehr.“ Die andere Frau lächelt, vollkommen unbeeindruckt und gefasst. „Das erklärt die feindseligen Blicke und die unfreundliche Bedienung.“ „Oh, du hast sie also schon bemerkt, gut.“ Nojiko hält ihr die ausgestreckte Hand entgegen, direkt über den freien Stuhl zwischen ihren Plätzen. „Ich heiße übrigens Nojiko.“ Für einen Moment wird ihre Hand nur amüsiert angestarrt und Hitze steigt Nojiko unwillkürlich in die Wangen. Letztendlich umfasst die Frau ihre Hand jedoch in einem kurzen Gruß. Für einen kurzen Augenblick liest Nojiko ein Zögern von ihren Lippen ab, eine bereitgelegte Lüge. Oder bildet Nojiko sich das ein? „Robin“, stellt sich die Frau schließlich vor. Der Moment ist so schnell vorbei und das kecke Lächeln so schnell wieder auf ihrem Gesicht, dass Nojiko den vorigen Gedanken verwirft. „Hör’ zu, Robin. Der örtliche Polizist ist auf dem Weg hierher. Einige Bewohner haben ihn alarmiert – und ich will nicht oberflächlich erscheinen, doch man kann dir ansehen, dass du nicht einfach eine herumreisende Frau bist, die keine Geheimnisse mit sich herumträgt.“ Manchmal ist es vom Vorteil, einfach mit der Tür ins Haus zu fallen, anstatt erfolglos um den heißen Brei herumzureden. „Er soll ruhig kommen“, sagt Robin und zuckt mit den Schultern. „Ich bin sicher, dass wir das friedlich aus der Welt schaffen können. So oder so sehe ich keine Gefahr.“ Bei ihren Worten brennt die Wut heiß in Nojikos Bauch, denn niemand benimmt sich so abfällig, wenn es um Genzo geht. „Er ist mein Ziehvater“, entweicht es ihr und bereut es im selben Moment wieder. Immerhin geht es Robin nichts an. Robin hebt die feinen Augenbrauen und ihre dunklen Augen bohren sich in Nojiko hinein. Sie lässt abermals ein Schweigen folgen, als ob sie ihre Meinung zu dem Thema abwägen muss. Und Nojiko kann aus ihren geschmeidigen Bewegungen herauslesen, dass sie nicht lügt, wenn sie sagt, dass Genzo keine Gefahr für sie darstellt. Ihre Aura besagt, dass kaum etwas eine ernste Gefahr für sie ist und ihr etwas anhaben kann. Allerdings kann Nojiko nicht einmal erahnen, woran es genau liegt oder was Robin so gefährlich macht. „Möchtest du, dass ich meinen Drink woanders zu Ende trinke?“, fragt Robin schließlich und Nojiko erahnt einen doppelten Boden in ihrer Frage: Bietest du mir einen anderen Ort an, an dem ich meinen Drink zu Ende trinken kann? Nojiko schluckt, doch der plötzliche Kloß in ihrem Hals will sich nicht lösen. „Es... Es wäre besser so, denke ich.“ Sie braucht sich nicht erneut umzudrehen um zu wissen, dass man sie beobachtet. Selbst wenn sie gehen, wird Genzo irgendwann bei ihr auftauchen. Doch sie muss ihm im Notfall nicht die Tür öffnen, nicht solange sie Besuch hat. Sie erhebt sich und nickt der anderen Frau zu, die sich elegant von ihrem Barstuhl hebt. Der Minirock ist furchtbar kurz und rutscht ein wenig nach oben, als der Stoff am Holz des Stuhls hängen bleibt, einen braungebrannten Oberschenkel fast gänzlich bis zur Hüfte preisgebend. Nojiko wendet den Blick ab, zieht die Augenbrauen zusammen und marschiert aus der Bar. Im Gegensatz zu Robin ist sie nicht so freizügig mit ihrem Körper und nicht einmal halbwegs so elegant. Der Sand knirscht hinter ihr und sie kann den langen, wohlgeformten Schatten der anderen Frau neben sich auf dem Boden sehen, eine Hand noch immer das Cocktailglas haltend. Sie hat nicht einmal Gepäck dabei. Die Tür knarrt, als Nojiko sie öffnet und ihren Gast hineinbittet. In Robins Gegenwart, die wirkt, als sei sie luxuriösere Dinge gewöhnt, kommt ihr das kleine Haus, in dem sie aufgewachsen ist, plötzlich seltsam klein und altmodisch eingerichtet vor. Lauter als nötig tritt Nojiko die Tür hinter ihnen zu. „Setz dich“, weist sie Robin an und macht eine Handbewegung zu dem kleinen Tisch hinüber, während sie sich ein Glas herausholt und unter den Wasserhahn hält. Doch anstatt ihrer Aufforderung nachzukommen, schlendert Robin zum Fenster hinüber. Sie nippt an ihrem Drink, als sie den Garten betrachtet. „ Du kannst Ramirez also von hier aus sehen“, sagt sie und Belustigung schwimmt in ihrem Ton mit. „Sieht aus, als genießt er die Sonne.“ Nojiko bleibt neben ihr am Fenster stehen, einen Arm vor dem Bauch verschränkt, während die andere ihr eigenes Glas hält. „Das erklärt den Sonnenhut...“ Robin dreht den Kopf in ihre Richtung, wobei sie Nojiko problemlos überragt und glatt ein wenig zu ihr nach unten sehen muss. „Er hat ihn in Alabasta erworben.“ „Stammst du von dort?“, erkundigt sich Nojiko, obwohl sie von diesem Ort noch nie etwas gehört hat. Vielleicht besucht Nami ihn irgendwann mit ihrer verrückten Mannschaft. Der Gedanke an ihre Schwester bringt sie zum Lächeln. Als Nojiko aufschaut, sieht sie Robins Augen, die zu ihren Lippen hinuntergewandert sind. „Nein, aber es ist etwas wie ein temporäres Zuhause“, erwidert diese schließlich vage, ehe sie sich abwendet und den Tisch ansteuert, um sich zu setzen. „Allerdings ist Alabasta nicht einmal halbwegs so friedlich wie dein Dorf, Nojiko. Oder deine Bucht.“ Nojiko kann das raue Lachen nicht herunterschlucken und es bahnt sich ungefragt den Weg aus ihrer Kehle. „Du hättest es vor ein paar Wochen noch sehen sollen. Da war hier nichts friedlich. All die Dorfbewohner, die du gesehen hast, waren bereit ihr Leben aufzugeben, nur um sich gegen ihre Unterdrücker zu stellen.“ Nachdenklichkeit erhält Einzug in Robins Gesicht und eine leichte Falte bildet sich auf ihrer Stirn, die sie jedoch kein Stück weniger schön aussehen lässt. „Vielleicht haben Kokos und Alabasta doch etwas gemeinsam“, sagt sie schließlich, erklärt jedoch nicht, was sie damit meint. „Warum bist du hier in Kokos?“, fragt Nojiko, als sie sich zu Robin an den Tisch setzt und der anderen Frau beim Austrinken ihres Cocktails zusieht. Sie muss das Glas nachher zur Bar zurückbringen, wird ihr klar. Man hat nur zugelassen, dass sie es mitnimmt, weil Nojiko bei ihr gewesen ist. Weil sie vielleicht Schlimmeres verhindert hat, in dem sie die Fremde mit sich genommen hat. Ein Schauer läuft Nojiko bei dem Gedanken daran, worauf es hinausgelaufen wäre, über den Rücken. Als ob Robin es bemerkt, bildet sich ein schmales, laszives Lächeln auf ihre Lippen. „Ich habe einen Auftrag in der Nähe zu erledigen. Normalerweise besuche ich den East Blue nicht.“ Abermals folgt ein Schulternzucken. „Um ehrlich zu sein, ist es das erste Mal, dass ich mich im East Blue aufhalte.“ Nojikos Stirn kräuselt sich. „Dann muss es ein wichtiger Auftrag sein“, kommentiert sie. „Heißt das, du kommst von einem der anderen Blues?“ „Alabasta liegt auf der Grandline“, korrigiert Robin sie und etwas Eiskaltes bildet sich in Nojikos Magengrube. Allerlei Gerüchte grassieren über die Grandline, vor allem jedoch, dass die meisten ihre Reise dorthin nicht überlebten und niemals wiederkehrten – und nun saß ihr diese Frau gegenüber, die ihr nur nonchalant in die Augen schaut, als saugt sie Nojiko ihre Gedanken förmlich aus dem Kopf. „Es gibt keinen anderen Weg von der Grandline als den Calm Belt, aber niemand...“ Nojiko beendet ihren Satz nicht, aber das braucht sie nicht. „Es wurde etwas brenzlig, aber mit Ramirez und meinen Fähigkeiten ist es uns gelungen. Außerdem waren die Seekönige mit einem anderen Schiff beschäftigt, welches uns in den Calm Belt hineingefolgt ist“, sagt Robin, erklärt jedoch nicht, warum man sie verfolgt hat. Nojiko ist sich nicht einmal sicher, ob sie die Geschichte hören möchte. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, spricht Robin unbeirrt weiter, da rein gar nichts sie zu erschüttern scheint. Fast kommt es Nojiko so vor, als sei sie im Gegensatz zu Robin wohlbehütet auf ihrer Insel aufgewachsen. Im Grunde ist sie das auch, zumindest verglichen mit ihrer kleinen Schwester. „Das sollte jemand, der sein Leben für seine Freiheit aufs Spiel gesetzt hat, wissen, nicht?“, fügt Robin hinzu und wieder fühlt sich Nojiko, als wird sie durchleuchtet. Es jagt ihr einen Schauer die Wirbelsäule hinab. Nojikos Wangen fühlen sich warm an und sie wendet den Blick ab, lehnt sich im Stuhl zurück, um Distanz zwischen sie zu bringen, obwohl der gesamte Tisch sie voneinander trennt. „Jemand anderes hat es für uns getan. Man hat uns gerettet.“ „Hm...“, entweicht es Robin. Sie stützt das Kinn auf der Handfläche ab, während sich ihr Blick noch immer in Nojiko hineinbohrt, sie kann ihn deutlich auf ihrer Haut fühlen. „Es gibt also doch noch selbstlose Samariter auf der Welt?“ Nojiko schnauft. „Ich habe es auch nicht für möglich gehalten.“ „Ich wundere mich, ob es die in Alabasta auch gibt. Ob es jemanden gibt, der für dieses von Hass zerfressende Land kämpfen und sein Leben geben würde“, mutmaßt Robin, doch ihr amüsierter Gesichtsausdruck verrät, dass es ihr eigentlich egal ist, dass ihr Herz nicht an diesen Ort, sondern an etwas anderen, gebunden ist. Doch an was? „Wie lange wirst du bleiben?“, fragt Nojiko und räuspert sich im selben Atemzug. „Ich meine, hier in Kokos.“ „So lange wie ich möchte“, antwortet Robin. Nojiko nickt nachdenklich, zu sehr auf das Kribbeln auf ihrer Haut und in ihrem Bauch konzentriert. Genzo wird nicht begeistert sein. Keiner im Dorf wird es sein, genauso wenig darf Nojiko es sein. Die Frau ihr gegenüber ist gefährlich – geheimnisvoll und widerspenstig und ihr Blick stellt Nojiko die feinen Härchen im Nacken auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)