AX-4 von Futuhiro ================================================================================ Kapitel 1: ----------- 01 Crawford stellte seinen Motor ab und sprang aus dem Auto. Den Zündschlüssel nahm er mit, seinen Wagen ließ er mangels Parkplatz einfach am Straßenrand stehen. Für die drei Minuten, die er hier zu parken gedachte, würde das schon mal gehen. Er spazierte ins Grundstück hinein und hielt direkt auf den Eingang des Einfamilienhäuschens zu. Die Tür stand einen Spalt breit offen, was Crawford irritierte. So unvorsichtig war der Bewohner dieser Behausung sonst nicht. Auf sein Klingeln und Klopfen hin erfolgte keine Reaktion, also blieb Crawford schließlich nichts anderes übrig als unaufgefordert einzutreten. Es war so still hier im Haus. Ob irgendwas passiert war? Er hatte Schuldig abholen und zu einem Termin mitnehmen wollen. Wo war der denn? Nochmal schnell auf Toilette? Suchend begann er durch die Räume zu wandern. Der Flur war spartanisch eingerichtet, geschuldet einem argen Platzmangel. Ein paar Kleiderhaken an der Wand, daneben ein Spiegel, ein Fußabtreter zum Abstellen der Schuhe, mehr nicht. Nach links zweigte die Tür ins Schlafzimmer ab. Sie stand offen und erlaubte einen Blick auf Schuldigs Luxus-Doppelbett, welches noch zerruschelt war. Hätte Crawford auch arg gewundert, wenn der seine Betten gemacht hätte. Im Schlafzimmer war niemand, also ging er weiter. Die Küche war ebenfalls nicht sehr geräumig. Crawford wusste, daß der Herd nur zur Deko dort stand und in der Regel keine ernsthafte Konkurrenz für die Mikrowelle oder den Pizzadienst darstellte. In der Spüle stand ein benutzter Teller, aber Schuldig war auch hier nicht zu finden. Er bekam Schnappatmung, als er ins Wohnzimmer kam. Dort fand er den rothaarigen Telepathen auf ein Holz-X gekreuzigt, welches hochkant an der Wand lehnte. Geknebelt, aufgeschlitzt, mit Stacheldraht umwickelt, an dem er sich die Haut und Kleidung aufgerissen hatte, und mit Nägeln gepinnt. Sein Kopf war etwas zur Seite gekippt, seine Augen so verdreht, daß man nur noch das Weiße sah, und unter ihm sammelte sich eine Blutlache. Kurzum, eine riesige Schlachthaus-Sauerei. Crawford blinzelte und fasste sich wieder. „Schuldig, lass das gefälligst!“, verlangte er streng. Schräg neben ihm erscholl ein Lachen und die Illusion verflüchtigte sich wie Rauch. Es war nur eine Halluzination gewesen, heraufbeschworen von Schuldigs telepathischen Kräften. Dieser saß auf dem Sofa – völlig unversehrt, wie Crawford doch ein wenig erleichtert bemerkte – hatte einen Arm hinten über die Rückenlehne gelegt, und amüsierte sich prächtig. Er hatte ein sehr offenes, ungezügeltes Lachen, das bisweilen regelrecht schadenfroh klang und einem wirklich an die Substanz gehen konnte, wenn man wusste, daß der Spott einem selber galt. „Du Pflaume! Warum machst du das?“ „Es macht Spaß, deine Reaktion zu sehen“, gab Schuldig zu und lachte wieder. „Du hast immer so einen verschlossenen Gesichtsausdruck. Ich wollte mal sehen, wie gut dir etwas Mimik steht.“ Der Hellseher schüttelte leicht den Kopf und atmete nochmal durch, um den Schreck los zu werden. Sein Kumpel hatte einen seltsamen Humor. Der Kerl konnte Gedanken lesen. Es war also nicht so, als ob er auf Crawfords Mimik angewiesen gewesen wäre, um zu erfahren, was sich in ihm abspielte. „Jetzt komm schon, wir sind spät dran.“ „Ist mir nicht entgangen. Du hast mich warten lassen“, stimmte Schuldig zu. Er sprang voller Energie vom Sofa hoch. „Ja, tut mir leid. Ich bin aufgehalten worden.“ Schuldigs Belustigung nahm etwas ab, während sie gemeinsam das Haus verließen. Im Vorbeigehen griff Schuldig sich seinen Haustürschlüssel, dann zog er die Tür einfach schwungvoll von außen ins Schloss. „Ist was passiert?“ „Nein, alles okay. Nur so ein kleiner Idiot, der sich gern mal mit den Falschen anlegen wollte.“ „Sag mir Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Du weißt, daß ich immer da bin, wenn irgendwas ist.“ Crawford nickte. „Ja, ich weiß. Danke.“     Takatori platzte forschen Schrittes in das kleine Büro hinein, in dem seine Spezialtruppe auf ihn warten sollte. Warten lassen hatte er sie in der Tat. Er ließ seine Leute grundsätzlich spüren, daß sie unwichtige, kleine Lichter waren, und von ihm keine Annehmlichkeiten zu erhoffen hatten. Wenn er sich den rothaarigen Kerl so ansah, der gerade der Länge nach auf dem Sofa lag, die Hände im Genick verschränkt hatte, und augenscheinlich schlief, fragte sich Takatori allerdings, ob er nicht immer noch zu lasch mit diesen Flegeln umging. Brad Crawford saß im Sessel der Sitzecke, Nagi auf seiner linken Armlehne, und Farfarello auf einer Armlehne des Sofas. Letzterer wetzte eines seiner geliebten Messer an einem Schleifstein, wohl um sich die Wartezeit zu vertreiben. Keine Ahnung, warum Nagi und Farfarello mit den Seitenlehnen Vorlieb nahmen. Das Sofa hätte locker Platz für drei Leute geboten, wenn Schuldig es nicht alleine in Beschlag genommen hätte. Takatori beschloss, nichts dazu zu sagen. Mochten die sich selber um ihre Sitzplätze schlagen. Hauptsache sie waren anwesend und aufnahmefähig, wenn er mit ihnen reden wollte. „Guten Tag, Boss“, grüßte Crawford in neutraler Tonlage. Takatori antwortete nur mit einem missgestimmten Brummen und pflanzte sich hinter seinen Schreibtisch, wo er zunächst ein paar Unterlagen aus einer Schublade kramte. Es dauerte einen Moment, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. „Ich habe einen Auftrag für euch“, begann er dann. Das metallische Schleifen von Klinge auf Bimsstein setzte sich unbeirrt fort. „Ich will, daß ihr eine Waffe für mich beschafft, die in der Forschungseinrichtung der Medi Tec Foundation entwickelt wurde. Sie nennt sich AX-4 und befindet sich derzeit noch in der Testphase, soll aber alle Erwartungen übertroffen haben. Das Biomechaniker-Team, das an der Waffe ... Mastermind, hörst du mir überhaupt zu!?“, unterbrach Takatori sich selbst, weil es ihn nervte, daß von Schuldig nach wie vor keinerlei Regung zu verzeichnen war. Der Gangster-Boss glaubte langsam, daß der wirklich pennte. „Ja“, gab der Angesprochene mit wacher, klarer Stimme zurück. Gar nicht wie jemand, den man gerade geweckt hatte. Aber mehr auch nicht. Er blieb langgestreckt liegen, die Hände blieben hinter dem Kopf, die Augen blieben zu. „Würdest du mir wohl die Güte antun, dich hinzusetzen?“ „Nein.“ „Wieso nicht?“ „Wieso denn?“ „Schuldig!“, ging Crawford halb bittend halb tadelnd dazwischen, als Takatori schon drohend nach Luft schnappte. „Hör auf zu diskutieren. Setz dich bitte hin.“ Ein leises Seufzen war der einzige Protest, den Schuldig sich gegenüber Crawford erlaubte. Dabei öffnete er endlich die Augen und nahm gehorsam eine aufrechte Sitzposition ein, auch wenn er die Arme verschränkte und die Beine übereinanderschlug und damit eine gänzlich abwehrende Haltung zur Schau trug. Brad Crawford war so ziemlich der einzige, der den rothaarigen Gedankenleser halbwegs im Zaum halten konnte. Überhaupt war er der einzige, dem Schuldig sowas wie Loyalität angedeihen ließ. Wahrscheinlich weil Schuldig als Gedankenleser sehr genau einschätzen konnte, wie Crawford wirklich zu ihm stand, und ihm deshalb weitestgehend vertraute. Farfarello nutzte die Gelegenheit, um von der Sofalehne auf die nun freie Sitzfläche hinunter zu rutschen. „Der Auftrag!“, hob Takatori sauer von Neuem an. „Beschafft mir diese Waffe AX-4. Es heißt, sie muss auf jemanden eingerichtet werden und kann dann nur noch von diesem einen Menschen benutzt werden. Also stellt nichts Dummes mit ihr an, damit sie nicht wertlos für mich wird.“ „Was für eine Art Waffe ist das?“, hakte Crawford nach. „Was kann sie denn?“ „Angeblich kann sie eine ganze Menge. Aber ich glaube den wilden, haltlosen Gerüchten nicht, solange ich es nicht mit eigenen Augen gesehen habe.“ „Medi Tec Foundation“, überlegte Schuldig laut. „Das sind medizinische Labore. Haben wir es mit einer biologischen Waffe zu tun?“ „So sagt man zumindest. Aber es handelt sich definitiv nicht um einen Virus oder ein Gift oder etwas in der Art.“ „Sonst noch was Interessantes?“, wollte Crawford wissen. „Das ist alles.“ „Gut. Verlassen Sie sich ganz auf uns, Boss“, meinte Crawford also, zeigte ein untertäniges Nicken und erhob sich. Förmlich in der gleichen Bewegung scheuchte er seine Kollegen mit einem Fingerschnipsen hoch, damit sie es ihm gleichtaten.   „Verlassen Sie sich ganz auf uns, Boss!“, äffte Schuldig Crawfords Stimme nach, während sie durch die Gänge des Geschäftsgebäudes spazierten und den Ausgang suchten. „Hast du was gesagt?“, gab der mit leicht drohendem Unterton zurück. Einem Schuldig sollte man besser nicht drohen, das wusste Crawford. Aber deswegen auf der Nase rumtanzen ließ er sich trotzdem nicht. „Du kriechst diesem Wichser zu sehr in den Allerwertesten.“ „Er bezahlt uns gut dafür.“ „DAFÜR!?“, entgegnete Schuldig ungläubig. „Er bezahlt uns, okay. Aber von 'gut' kann eigentlich keine Rede sein, wenn du mich fragst.“ „Dich frag ich aber nicht!“, konterte Crawford und brachte Schuldig damit zu einem amüsierten Schnaufen, der natürlich wusste, daß er so rüde Kommentare ganz und gar kameradschaftlich verstehen durfte und nicht ernst nehmen musste. „Ganz schön dürftig“, kommentierte Farfarello mit wenig Begeisterung. Brad Crawford und Schuldig brauchten beide einen Moment, um zu kapieren, daß er einen Themenwechsel eingeleitet hatte und von etwas ganz anderem sprach als sie. „Das war ja nicht gerade viel, was Takatori uns über diesen Auftrag erzählt hat“, präzisierte Farfarello auf ihre fragenden Blicke hin. „Seh ich auch so. Schuldig, was weiß er wirklich über diese Waffe?“, fragte Crawford nach, wohl wissend, daß der Gedankenleser einiges mehr an Informationen abziehen konnte als der Boss freiwillig preisgab. „Schwer zu sagen. Wirklich zu wissen scheint er eigentlich gar nichts. Er hat nur einen ganzen Eimer voll Kauderwelsch aufgeschnappt, den er selber nicht glaubt. Aber keine konkreteren Informationen, die zu irgendwas nütze wären.“ „Und was ist das für ein Kauderwelsch?“ „In Takatoris Kopf spukten Gedankengänge wie 'hochintelligent' und 'sie soll ihre Form beliebig verändern können' herum.“ Crawford zog die Stirn in Falten. „Stimmt. Das würde ich auch nicht glauben, wenn mir das einer erzählt.“ Er grübelte einen Moment vor sich hin. „Was will er mit einer Waffe, über die er im Grunde gar nichts weiß?“, zog er schließlich Resümee. „Nagi, hock dich an deinen Computer und finde was über die Medi Tec Foundation Labore raus. Und über dieses AX-4, wenn du kannst. Und dann bring uns dort irgendwie rein!“ Der stille Junge nickte lediglich zustimmend.     „Okay, jeder kennt seine Aufgabe. ... Und, Schuldig ... !?“ „Ja-ja, nicht lange rumfackeln, schon klar“, entgegnete der enttäuscht. Diese Leier kannte er schon. Crawford mochte es nicht, wenn er während einer Mission zu lange mit seinen Opfern spielte. Dabei machte das so viel Spaß. Aber Crawford dachte da pragmatischer und wollte keine wertvolle Zeit verlieren. „Ich sag das nicht zum Spaß. Die Gefahr, aufzufliegen, wächst mit jeder Minute, die wir da drin sind!“ „Ist ja gut, ich hab´s verstanden.“ Er nickte, bevor er mit einem Handzeichen das Kommando gab, auszuschwärmen. Auf dem Gelände waren sie bereits. Jetzt hieß es, einen gesicherten Korridor für das Vorrücken ins Gebäude und den späteren Rückzug zu schaffen und zu halten. Kaum 10 Minuten später hatte sich Crawford bereits durch die enge, staubige Belüftungsanlage bis zu seinem Ziel vorgearbeitet. Er hasste das. Aber es war nunmal der sicherste und schnellste Weg durch solch einen Komplex, so unkomfortabel er auch war. Crawford lugte etwas genervt aus dem Lüftungsschacht. „Meine Fresse, da unten geht es ja zu wie im Bienenstock“, befand er leise. Überall rannten hektische Leute mit Vollschutz und Maschinengewehren herum, und zwar gleich in ganzen Gruppen. Die Station schien in hellem Aufruhr zu sein. „Haben die uns etwa schon bemerkt und suchen uns?“ Nagi saß neben ihm und hantierte mit unbewegter Miene auf seinem Tablet herum. Er hatte sich mittels dieses Dings und eines Kabels ins zentrale Netzwerk der Forschungseinrichtung gehackt und sabotierte fröhlich vor sich hin. Auf Crawfords Frage hin schüttelte er jedoch den Kopf. „Es wurde eine Alarmstufe ausgerufen. Aber schon bevor wir gekommen sind. Die suchen was anderes.“ „Welche Art von Alarmstufe?“ Nagi fummelte auf seinem Touch-Screen herum und legte schließlich abwägend den Kopf schief. „Wenn ich dir was von 'Code 49' sage, wird dir das nicht viel nützen.“ „Super ...“, seufzte der Hellseher. Er schaute wieder in den Gang hinunter. Wie sollten sie jetzt da reinkommen, wenn eh schon alles auf Gefechtsstation war? Eine Truppe von gut 15 bewaffneten Securitys blieb ziemlich genau unter Crawfords Ausguck stehen, um zu beratschlagen. Crawford schaute auf die Armbanduhr, um abzuschätzen, wie sie im Zeitplan lagen. Immerhin hatte er keinen Kontakt zu Schuldig und Farfarello und die beiden würden ihre Teile der Absprachen ungeachtet etwaiger Verzögerungen durchziehen. Plötzlich wich einer der Männer zurück, schrie hysterisch auf, hob sein Maschinengewehr und begann unter Hilfe-Rufen wild um sich zu schießen, bis er all seine Kollegen durchsiebt und niedergemäht hatte und keiner mehr übrig war. Eine Sache von Sekunden. Crawford machte riesige, erschrockene Augen, als er dieses Massaker beobachtete, auch wenn er sofort einen Verdacht hatte, was das sollte. Es war ja nicht das erste Mal, daß sowas passierte. Auch Nagi neben ihm hielt sich den Mund zu, um nicht aufzuquietschen. Der Amokläufer brach in die Knie, nachdem er all seine Kollegen erschossen hatte, und blieb um Atem ringend und zitternd auf dem Boden sitzen. Zwei Sekunden später wurde er selbst mit einem präzisen Kopfschuss umgenietet und kippte tot um. Die Ruhe hernach war gespenstig. Crawford schauderte ungewollt. Nach einigen Momenten näherten sich endlich ruhige Schritte, mit denen Crawford schon gerechnet hatte. Im Gang unter der Öffnung des Lüftungsschachtes erschien ein rothaariger Kerl: Schuldig. Er hatte die Pistole noch locker in der Hand. Damit war die Frage, wer den letzten Sicherheitsmann per Kopfschuss ausgeknipst hatte, also geklärt. Schuldig überflog mit seinem Blick den Haufen Leichen, um sicher zu gehen, daß davon keiner mehr lebte, dann schaute er hoch zu Crawford und gab ihm mit einer ruckhaften, seitlichen Kopfbewegung zu verstehen, daß er runterkommen sollte. „Dieser elende, ungeduldige ... argh!“, fluchte Crawford leise und fand auf die Schnelle nichtmal ein passendes Schimpfwort für seinen Kollegen. Etwas sauer öffnete er die Gitterabdeckung und sprang in den Gang hinunter zu Schuldig und seinem Berg von Opfern. Er wusste von Nagi, daß es in diesem Gang hier keine Überwachungskameras gab, also erlaubte er sich eine gewisse Unvorsichtigkeit. „Kannst du dich nicht EINMAL an den Plan halten, Mann? Wieso bist du nicht mehr auf deinem Posten?“, raunzte er Schuldig mürrisch an. „Wozu? Hat doch nichts gebracht.“, erwiderte der gelassen. Crawford schaute unglücklich auf die vielen toten Sicherheitsleute und schüttelte den Kopf. Schuldig war noch nie ein Fan davon gewesen, recht viele Überlebende übrig zu lassen. Er arbeitete bei sowas penetrant gründlich. Vermutlich hatte Schuldig dem ausgetickten Security mittels seiner telepathischen Fähigkeiten glaubhaft gemacht, daß seine Kollegen sich in grausige, blutrünstige Zombies verwandelten, woraufhin der arme Kerl sie alle panisch niedergeschossen hatte. Schuldig spielte gern mit den Ängsten seiner Mitmenschen und genoss das extremst. Crawford seufzte leise. „Lass uns hier verschwinden, bevor die jemand entdeckt.“   Der Telepath schielte vorsichtig um die Ecke, verschwand dann wieder in seiner Deckung und suchte mit seinem Blick die Wände nach Videoüberwachung ab. „Fünf“, stellte er dabei in den Raum, womit er die Anzahl der Gegner meinte, die gerade auf dem Weg zu ihnen waren. „Hätte ich dir auch sagen können“, kommentierte Brad Crawford nüchtern. Schuldig ignorierte ihn. „Gibt´s Kameras?“, wollte er wissen, da er wider Erwarten selber keine entdecken konnte, und erntete ein Handzeichen mit hochgestrecktem Zeige- und Mittelfinger von Nagi. Zwei also. Schuldig schloss daraus, daß die nach wie vor aufzeichneten und der Junge sie noch nicht abgeschalten hatte, obwohl er sich ins Netzwerk eingehackt hatte und sein Möglichstes tat. Schuldig zog eine Schnute und überlegte sichtlich, wie er mit den Gegnern am gefahrlosesten umgehen konnte. Crawford schnappte Schuldig an der Kleidung und zerrte ihn in eine andere Richtung mit sich davon. Einerseits war es ja schon recht komfortabel, ihn die ganze Drecksarbeit machen zu lassen und sich dann nur noch um das Finden des Weges kümmern zu müssen. Langsam wurde es nämlich ganz schön lästig, alle Nase lang über Soldaten zu stolpern. Aber andererseits wünschte Crawford sich schon manchmal, daß Schuldig seinen Weg nicht ständig mit Leichen pflastern würde. Es war ja nicht so, als ob sie die Securitys nicht auch umgehen und andere Wege hätten nehmen können. Wieso rannten in einem medizinischen Labor überhaupt so viele schwer bewaffnete Kampftruppen rum? Crawford fragte sich langsam echt, was für eine Waffe das war, die hier entwickelt wurde. Aber leider hatten sie darüber nichts herausgefunden. Sämtliche Daten zu diesem Forschungsprojekt schienen auf einem Server ohne Online-Anbindung zu liegen, so daß Hacker von außen nicht herankamen.   Die drei arbeiteten sich durch einige Gänge. Dieser Komplex war wesentlich größer als er von außen aussah, weil der weit verzweigte Großteil unterirdisch lag. Das Gebäude oben drauf war ja nur die Spitze des Eisberges. Allerdings hatte diese Einrichtung etwas sehr Hermetisches und Steriles. Nirgends Bilder oder Pflanzen. Nur nackte, leere Gänge, kalte, weiße Neonröhren und ab und an ein paar Schiebetüren. Selten kam man mal an einem Monitor vorbei, der in die Wand eingelassen war und irgendwelche nutzlosen Informationen anzeigte. Nagi ging mit seinem Tablet vornweg, weil er darauf unter anderem den Lageplan hatte. Hin und wieder blieb er wortlos stehen. Dann deaktivierte er wohl irgendwelche Bewegungsmelder oder Kameras, die ihnen im Weg waren, vermutete Crawford. Schuldig lief neben ihm her, immer einen Blick über die Schulter nach hinten gerichtet, um Verfolger sofort zu bemerken. Crawford selbst behielt die Gänge vor ihnen im Auge, damit Nagi ungestört und ohne Ablenkung auf seinen Bildschirm starren konnte. „Hier ist es.“ Der Junge blieb vor einer metallenen, doppelflüglichen Schiebetür stehen und wollte sich sofort über das Scannerfeld an der Seite hermachen. Hier erhielt man nur mit einem autorisierten Handabdruck Zugang. Er zog ein Kabel aus der Tasche und stopfte den einen Stecker in eine Buchse seines Tablets. Schuldig drehte sich weg, mit dem Rücken zur Tür, und beobachtete den Gang solange Nagi arbeitete, damit sie nicht von unliebsamen Passanten aufgegabelt wurden. Bei dieser Art von Missionen hatten sie eine eingespielte Arbeitsteilung. Brad Crawford orakelte, was sie hinter der Tür finden würden, vorrangig, um da drin keine herumlungernden Soldaten zu überraschen. Aber was er sah, verdutzte ihn. Umgekippte Stahltische, eingeschlagene Computermonitore, ein zersplitterter und ausgelaufener Wassertank, in dem dicke, zerfetzte Schläuche baumelten, auf dem gefluteten Boden verstreute Dokumente. „Spar dir die Mühe“, hielt Crawford Nagi zurück. „Das Labor hinter dieser Tür ist komplett zerstört. Da ist nichts mehr drin.“ Schuldig sah fragend herum. „War jemand vor uns da?“, hakte er irritiert nach. Das hätte den unnormalen Security-Auflauf hier erklärt. Niemand fragte, woher Crawford sein Wissen bezog. „Weiß nicht. Die Waffe ist jedenfalls weg. Aber weit kann sie noch nicht sein“, entschied der Kopf der Truppe. Er winkte seinen beiden Mitstreitern, ihm zu folgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)