Mitternachtsmoral von HeliaD ================================================================================ Kapitel 1: Verlust und Gewinn ----------------------------- Kapitel 1 – Verlust und Gewinn Das helle Pfeifen in ihrem Ohr nahm zu und Hermine hielt sich die schmerzende Seite, wo es sich anfühlte, als biss eine Schlange immer wieder in ihr Fleisch. Keuchend sah sie sich um, suchte nach einem roten Haarschopf, oder Harrys grünen Augen in der panischen Masse um sie herum. Angst wummerte basslastig in ihr nach, wann immer sie gegen einen heißen Leib stieß und annehmen musste, dass er einem Todesser gehörte, der die Gunst der Stunde nutzte und sie ihres Lebens beraubte. „Ihr habt keine Chance!“, zischte Voldemorts Stimme über ihren Köpfen hinweg und Hermine wimmerte auf. Als wären die Flüche, die durch die Luft peitschten wie ein grässliches Feuerwerk nicht schrecklich genug, entzog diese kalte Stimme ihnen allen die Hoffnung. Hannah Abbot presste sich verzweifelt die Hände auf die Ohren, um der Stimme zu entgehen und bot die perfekte Angriffsfläche. Hermine sah einen maskierten Todesser seinen Stab zücken und auf die wehrlose Schülerin richten, die einen grellen Schrei ausstieß. „Hannah! Hannah, Vorsicht!“, brüllte Hermine und versuchte zu der Hufflepuff zu kommen. Staub wirbelte umher, nahm ihr die Sicht, die sie so bitter in dem Tumult gebraucht hätte. Der Rauch sog sich in ihre Lunge und ließ sie husten, der Gestank der Flüche raubte ihr zusätzlich den Atem. Der Fluch, der sie von den Beinen riss, kam unvorhergesehen und offensichtlich von der „guten Seite“ – wenn es denn eine solche in einem Krieg geben konnte, denn er ließ sie nur schmerzhaft durch die Luft segeln, ehe er sie gegen die brüchigen Mauern des Schlosses warf, das einst mal zu Hause war. Der Schmerz und der Aufprall pressten ihr die Luft aus den Lungen und prickelten an ihrem Hinterkopf, wo Blut in ihre kastanienbraunen Haare tröpfelte. „Scheiße“, murmelte Hermine benommen und das rohe Gemäuer stach in ihrem Rücken, bröselte auf ihren Kopf. Mühsam versuchte sie sich aufzurappeln, ließ ihre Finger an der kalten Wand entlanggleiten – zumindest an dem Stück, was noch stand. Durch den aufgewirbelten Staub der Trümmer sah sie eine Gestalt auf sich zugehen. Unverkennbar ein Mann der Größe und Masse nach. Es gab nur wenige Zauberer, die so eine Statur aufwiesen. Hermine kannte genau einen, und sie wusste nicht mal, ob sie ihn wirklich Zauberer – geschweige denn Mann, nennen konnte. Hermine versuchte sich möglichst klein zu machen und geräuschvoll mit der Wand zu verschwimmen, um dieser unerfreulichen Begegnung zu entgehen. Oh, wie feige war diese Löwin! „Ich rieche dich. Und du riechst genauso perfekt wie an jenem Tag“, gurrte seine Stimme schneidend. Hermine schloss die Augen und presste ihre Hand an ihr heftig schlagendes Herz, als könnte das den harten Rhythmus drosseln. Fenrir Greyback, das Monster. „Oh, und gemischt mit Panik schmeckst du noch viel besser, will ich meinen.“ Sein Lachen hallte in ihr nach und Hermine gab ihr Versteck auf, richtete ihren Zauberstab auf den Wolf, der schon seine Pranken nach ihr ausstreckte. „So mit Blut besudelt, gefällst du mir gut.“ Seine Stimme wurde einen Ton dunkler und die gelben Augen leuchteten grell in der Dunkelheit. Wie ein grausiger Schatten thronte er vor ihr, die dichte Behaarung gab ihm etwas Wölfisches, spätestens seine spitzen Zähne gaben ihm das animalische Aussehen, welches er brauchte um seine Beute einzuschüchtern. „Komm nicht näher!“, spie Hermine hasserfüllt und hielt ihren Stab gerade auf ihn gerichtet. Sie kannte den Unterricht, kannte die meisten Bücher über etwaige Wesen, aber einen Werwolf zu bekämpfen – und das allein, das traute sich die junge Gryffindor nicht zu. Sie war kein Duellant wie Harry, kein Stratege wie Ronald. Sie war ein kleines Muggelgeborenes Ding mit Köpfchen und vorgeschobenem Mut. „Oh? Keine Angst! Ich will dich nicht fressen, allenfalls etwas annagen, du wirst das perfekte Weibchen an meiner Seite.“ Er schien sich an einem versöhnlichen Grinsen zu versuchen, was sein verschandeltes Aussehen noch grotesker wirken ließ. Hermine wich unwillkürlich zurück und erschauerte. „Niemals“, flüsterte sie, bereit die Gänsehaut zu ignorieren, die über ihren Rücken rollte. Im letzten Moment, wo der Jäger zum Sprung ansetzte, alle Muskeln in dem beeindruckenden Körper angespannt, tauchte eine Hexe vor Hermine auf. Hermine registrierte nur am Rande, dass es sich um Lavender Brown, ihre ehemalige Rivalin um Rons Gunst handelte. Was für Lappalien hatten sie einst bewegt, welch tiefer Groll ihr Handeln bestimmt? Lavender peitschte ihren Stab mit einer geübten Bewegung durch die Luft und Greyback wich tatsächlich knurrend zurück, wenn auch nur kurz. „Hilf Harry! Beende das!“, rief Lavender ihr grimmig zu und Hermine nickte, fand sich aber unfähig sich zu bewegen. Stumm und gelähmt sah sie zu, wie Lavender den Wolf in Schach hielt so gut sie konnte, schlussendlich jedoch die Oberhand abgeben musste. Kein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, als der Wolf sie anfiel. Hermine schlug die Hand vor den Mund, als Lavenders Körper sich krümmte, als das Gift des Wolfes durch sie hindurchpulsierte. Blut rann über ihr blasses Gesicht, sickerte in ihre Kleidung und tropfte auf den Boden. Der grenzenlose Schmerz strahlte aus allen Poren der Hexe und Hermines Magen rebellierte. Was hatte sie getan? Wie konnte sie das zulassen, was sich in aller Perversion vor ihren Augen abspielte? Und doch konnte sie nichts weiter tun, als zusehen und verkrampft auch ihrem Ende durch die Hand des Wolfes entgegenblicken. Greyback ließ von Lavender ab und noch immer war Hermine wie gelähmt, als hätten die grellgelben Augen sie hypnotisiert. „Du bist nicht weggelaufen“, stellte der Wolfsmann zufrieden fest und näherte sich ihr. Aus seinem Mundwinkel lief ein feiner Rinnsal von Lavenders Blut, glitt durch die Haare an seiner Brust und ließ Hermine unangenehm erschauern. „Das blonde Ding wird wegen dir sterben.“ Als er über Lavender schritt, nahm er sich die Zeit dem nun schrecklich reglosen Körper einen Tritt zu verpassen. Noch immer hafteten Hermines aufgerissene Augen an dem Körper der Frau, die bereitwillig ihr Leben gegeben, vielleicht sogar verschwendet hatte, um ihres zu schützen. Der Zauberstab, den sie so fest umklammert hielt, rutschte aus ihren schweißnassen Händen und klapperte zu Boden. Der Wolf zeigte ein animalisches Grinsen und kam näher, überbrückte den letzten Abstand, den sie zueinander hatten und ihre Gliedmaßen rührten sich nicht. Alles stürzte auf Hermine herein und die ohnmächtige Verzweiflung trieb Spielchen mit ihrem Körper. „Verpiss dich, Greyback“, funkte eine scharfe Stimme dazwischen und schob Hermines Körper hart hinter sich. Hermine schüttelte sich aus ihrer Trance und musterte die dunklen, blutverkrusteten Roben vor sich aufmerksam. Ein Japsen entkam ihr, als Antonin Dolohov ihr einen Blick über die Schulter zuwarf, kühl, berechnend. Ihr wurde klar, dass er den Wolf wohl nicht aus Herzensgüte vertrieb, sondern den Triumph, Potters Schlammblut an Voldemort weiterzureichen, selbst einstreichen wollte. „Sie gehört mir!“, fauchte der Wolf angespannt und bleckte die Zähne. Dolohov benötigte nur einen Schlenker seines Zauberstabs und der Wolf knurrte tief. „Das bereust du. Ich krieg die Hexe.“ Hermines Herz klopfte wild, als der Todesser sich zu ihr herumdrehte. Er musterte ihre Gestalt abfällig, ehe er nach ihrem Zauberstab griff und ihn zwischen seinen Fingern rollte. „Wie konnte das passieren?“, zischte er aufgebracht. „Wie konntest du das Wichtigste verlieren, was du hast!“ Hermine zuckte zurück, als seine Augen Funken zu sprühen schienen vor Wut. „Ich war überrascht“, sagte sie leise und es ging beinahe unter den Kampftumulten unter, die in unveränderter Geschwindigkeit um sie herum tobten. „Pass auf, dass du nicht noch mal überrascht wirst, du dummes Ding!“, knurrte Dolohov und schob ihr den Zauberstab zwischen ihre zitternden Hände. Sie konnte ihn kaum halten und ihre Brust bebte vor Panik und Adrenalin. „Setz einfach alles daran, dass der dunkle Lord… dass… beende das einfach!“, zischte er ihr kalt zu und wandte sich um, um sich ins Kampfgetümmel zu schmeißen. Hermine nahm sich noch einen Augenblick Zeit sich zu besinnen, ihren Körper wieder unter Kontrolle zu kriegen und um sich zu straffen. Sie wusste nicht, was da passiert war, doch sie wollte auch nicht auf einen erneuten Angriff von Greyback warten. Sie konnte nicht. Scham kroch in ihr hoch, dass sie zugelassen hatte, so verwundbar zu werden, obwohl sie sich geschworen hatte zu kämpfen. Ein Blick auf Lavender bescherte ihr einen weiteren Grund dafür endlich aktiv zu werden. Ihre Augen suchten nach Dolohov, der mit beinahe tänzerischer Gewandtheit das Schlachtfeld für sich einnahm, überall und nirgends mitmischte. Er schien nicht ganz bei der Sache zu sein, denn die Flüche, die er ausstieß, waren weder dunkel, noch sonderlich effektiv. Ein paar Verwirrungszauber. Doch er schien nicht wirklich zu zielen, denn öfter als nicht, traf er die Todesser, die um ihn herum erbittert kämpften. Sie keuchte auf, als sie erkannte, was er unter dem Deckmantel des Krieges wirklich tat. Seine Flüche trafen ihr Ziel. Er kämpfte nicht mehr als Todesser. ~HG/AD~ „Miss Granger, sieht der Zaubergamot es richtig, dass Sie hier aus freien Stücken stehen und für diesen Zauberer aussagen möchten?“, hakte Kingsley nach. Hermines Augen huschten über den Gefangenen. Sein monatelanger Aufenthalt in Azkaban nach dem zweiten Krieg, hatte ihn unverkennbar ein zweites Mal gezeichnet. Das Haar trug er länger und strähnig, die Haut strahlte blass in der Dunkelheit. Hermine sah, wie er noch immer vor Kälte zitterte, auch nachdem er den angenehm temperierten Saal betreten hatte. Festgebunden und wehrlos harrte er den Dingen, die ihm blühen, den Kopf wohlweislich gesenkt. Die dunklen Augen hielten längst kein Leben mehr, starrten gebrochen auf seine festgebundenen Hände. Und doch hatte sie diesem Mann so viel zu verdanken. Sie alle. „Ja.“ „Bitte fahren Sie fort.“ „Antonin Dolohov hat bereits, bevor es ersichtlich wurde, dass die dunkle Seite verlieren würde, für Harry Potter gekämpft.“ Hermine wartete ab, bis das Raunen der Menge mit den gezischten Flüstereien verebbte und Kingsley ihr zunickte. Es war nicht ersichtlich, ob Kingsley es schätzte diese Worte aus ihrem Mund zu hören, doch Hermine würde es dennoch tun, weil es das Richtige war. „Als Fenrir Greyback mich angriff, hat er den Werwolf vertrieben, mir meinen Zauberstab gereicht und seinem Wunsch Ausdruck verliehen, dass Voldemort gestürzt wird“, setzte sie fort. „Was wollte er als Gegenleistung für seine Hilfe?“, hakte eine ältere Hexe mit streng zurückgekämmtem Haar nach. „Er wollte nichts. Nur, dass ich nicht erneut in so eine Lage gerate.“ „Ein schwacher Versuch sich auf beiden Seiten zu empfehlen! Wie überaus clever sich an Harry Potters engste Vertraute - dazu noch muggelgeboren, heranzumachen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen!“ Hermine seufzte, als sie ein Stück Pergament vor sich zog. „Ich habe hier eine genaue Auflistung der Personen, deren Leben Mr Dolohov in der Schlacht rettete, in dem er seine eigenen Todesserkollegen zur Strecke brachte, oder sie am Töten hinderte.“ Hermine hielt die Liste hoch. Sie war nicht allzu lang, denn Hermine konnte nicht den dunklen Mann verfolgen und gleichzeitig ihren eigenen Hintern retten, aber sie enthielt genug Namen um aufzurütteln. „Darunter Luna Lovegood, Neville Longbottom, Dennis Creevey, Susan Bones und auch dich Kingsley”, sagte sie spitz. “Und all das, bevor absehbar war, dass Voldemort fällt.” Antonins Augen erwachten zu Leben, als sein Kopf in ihre Richtung rückte. Da lag keine Dankbarkeit in seinem Blick, allenfalls seichtes Interesse und ein Hauch Wut. Dennoch blieb ihre Stimme fest. „Ich glaube nicht, dass Antonin Dolohov ein unschuldiger Mann ist, dennoch bin ich davon überzeugt, dass er Reue für seine Taten empfindet. Er ist ein besserer Mann geworden“, schloss sie und sah ihm in die Augen. Seine Kiefer pressten sich aufeinander und die Augen kniffen sich zusammen, als er den Kopf von ihr wegdrehte, als ertrug er ihren Anblick nicht länger. ~HG/AD~ Kingsley betrachtete Hermine einen Moment, ehe er sich erhob, um das Urteil zu verlesen. Er war nicht zufrieden mit ihr, hätte diesen Mann lieber in Azkaban gesehen, doch die Beweise, die allein sie geliefert hatte, ließen das nicht länger zu. „Antonin Dolohov ist nicht unschuldig“, begann er mit fester Stimme und ein Strom Erleichterung pulsierte durch die schaulustige Menge, die bereits nach falscher Gerechtigkeit gierte. „Aber er ist auch dafür verantwortlich, dass viele unschuldige Menschenleben gerettet wurden. Miss Granger hat uns ihre Erinnerungen zur Verfügung gestellt und der Zaubergamot hat keinerlei Spuren von Außeneinwirkung oder Veränderung feststellen können.“ Hermine reckte das Kinn. Sie würde nicht bereuen diesen Schritt getan zu haben, ganz gleich wie viele Menschen ihr giftige Beleidigungen ins Ohr wisperten. „Es ist klar erkennbar, dass Antonin Dolohov tatsächlich Verdienste für die richtige Seite geleistet hat, bevor ein klares Ende erkennbar war. Der Zaubergamot sieht diese Handlungen als Zeichen der Reue für seine schändlichen Taten an, ein Stück Wiedergutmachung für all das Leid, welches Mister Dolohov über uns gebracht hat.“ Dolohov zuckte zusammen und hielt die Augen während des ganzen Vortrags geschlossen, nur eine Schweißperle lief über seine Schläfe und zeigte, dass er emotional involviert war. „Er wird seine Strafe weiter absitzen, doch das nicht in Azkaban, sondern in seinem Anwesen in England, wo er unter Hausarrest stehen wird.“ Kingsley versuchte die Bitterkeit aus seinen Worten zu verbannen, doch Hermine hörte es heraus. Er war nicht mal selbst einverstanden mit der Gerechtigkeit, die er dem Gefangenen zuteilwerden ließ. „Seine Gelder bleiben eingefroren bis auf das, was er zum Leben braucht. Besuche sind vorerst nicht gestattet, bevor das erste Jahr vorüber ist und die Gutachter sicher sind, dass er sich der Gesellschaft gegenüber angemessen verhält. Magie wird ihm im zweiten Jahr gewährt, wenn er sich bewährt. Ausgänge unter strengsten Abläufen im dritten Jahr“, erläuterte Kingsley. „Es ist ihm gestattet zu heiraten, wenn sich eine Hexe findet, die dazu bereit ist.“ Dieser Punkt ließ sie alle stutzen. Hermine runzelte die Stirn, als ein mattes Lächeln über Dolohovs schmale Lippen glitt, welches Erleichterung sehr nahe kam. „Mister Dolohov selbst, hat auf diesen Punkt bestanden und wir haben keinerlei Einwände, solange eine solche Verbindung aus freien Stücken geschieht.“ Hermine runzelte die Stirn und wunderte sich, ob er eine Verlobte hatte, die auf ihn wartete. Ihre Augen harrten noch ein paar Sekunden länger an Dolohov, der jedoch keinerlei Anzeichen mehr von sich gab, was sein Innerstes betraf. Kingsley schloss das Urteil und der Tumult begann, um sie herum auszubrechen. Unverständnis über eben jenen Beschluss hallte noch lange in ihr nach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)