Niffler and Where to Find Them von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 5: ----------- „Mr. Graves. Mr. Graves, Sir”, flüsterte jemand neben ihm. „Mr. Graves.“ Schlaftrunken rollte er sich herum. Der Störenfried ließ nicht von ihm ab und stupste ihn an der Schulter. „Mr. Graves, Sir. Sie baten mich, Sie um halb drei zu wecken.“ Percival riss die Augen auf. „Stimmt“, murmelte er Weazle ins Gesicht. „Nun, wie spät ist es?“ „Halb drei, Sir.“ Er rollte sich wieder auf den Rücken und streckte sich. Die Wirkung des Schlaftrunks ließ nur zögerlich nach. „Sir, ich habe es mir erlaubt, Ihnen ein Frühstück zuzubereiten. Wollen Sie eine Tasse Tee, Sir?“ Percival sprang aus dem Bett. Tatsächlich, dort stand ein relativ gut gefüllter Anrichtewagen mit Rollen. Schnell hatte er die wenigen Meter überwunden und goss sich Tee in seine Lieblingstasse. „Wie komme ich zu der Ehre?“, fragte er und trank einen Schluck. „Sir, wenn Sie sich in der Zukunft von der Küche fernhalten könnten ...“ Percival drehte sich zu dem Hauselfen um und sah ihn pikiert an. „Entschuldige. Ich hätte hinter mir aufräumen sollen, aber ich hatte Angst, dass meine Eltern wach werden.“ „Benötigen Sie noch etwas, Sir?“ Weazle schien das Thema äußerst peinlich zu sein. „Nein, du kannst gehen. Vielen Dank.“ Der Hauself entschuldigte sich höflich und hatte das Zimmer schneller verlassen, als Percival bis drei zählen konnte. Er machte sich über sein Frühstück her, das um Welten besser aussah und schmeckte, als sein jämmerlicher Versuch vom Vortag. Beiläufig schwang er seinen Zauberstab in Richtung Schrank. Frische Kleidung kam daraus hervor geflogen und drapierte sich auf seinem Bett. Ein neuerliches Schwingen des Zauberstabs förderte seinen Kamm zu Tage, der ihm nun durch die wirren schwarzen Haare strich. Percival musste sich beeilen. Wollte er die Bank untersuchen, noch ehe die Dämmerung einsetzte, hatte er nicht mehr sehr viel Zeit. Maximal zwei Stunden würden ihm zur Verfügung stehen, wenn er pünktlich loskam. Schnell schob er sich die karamellisierten Apfelscheiben in den Mund. Weazle wollte ihn wohl wirklich nicht mehr in der Küche haben, wenn er ihm solche Gaumenfreuden bereitete. Percival beendete sein Frühstück, wusch sich Gesicht und Zähne und sah sich im Spiegel an. Er war nicht gewohnt, so früh aus den Federn zu steigen. Entsprechend verschlafen sah sein Spiegelbild aus. Trotzdem fühlte er sich einigermaßen erholt. Percival zog seinen schwarzen Mantel an und schlich dann auf den Gang hinaus. Mit einem einfachen Lumos leuchtete er seinen Weg vorbei am elterlichen Schlafzimmer, der Familienbibliothek und hinab ins Vestibül. Der Auror wollte gerade zur großen Eingangstür gehen, als es rechts von ihm raschelte. Er wandte den Kopf um. Weazle stand dort und winkte ihn verlegen zu sich. Er trat zu ihm ins Esszimmer. „Was gibt’s?“, flüsterte Percival. „Sir, vielleicht sollten Sie den Weg nehmen, den Sie gestern Abend gekommen sind?“ „Wieso?“ Der Hauself sah verlegen auf den Boden. „Der Haupteingang knarzt etwas.“ Percival sah ihn perplex an. „Habt ihr die Angeln noch immer nicht geölt? Vater hat euch das doch schon vorgestern aufgetragen.“ „Doch, aber das Schmieröl hat leider nicht für alle Angeln gereicht und Ihr wisst doch, dass wir nicht raus dürfen.“ Weazle schwieg peinlich berührt und versuchte, mit seinem Fuß ein Loch in den Boden zu bohren. Percival seufzte ergeben. „Na gut, ich sag Vater nichts davon. Und ich besorg euch auch das Schmieröl. Und ich nehm auch den Seiteneingang, aber wenn ich zurückkomme, wird als erstes die Tür geölt.“ „Ja, Sir.“ „Und ich darf weiterhin in die Küche“, fügte Percival hinzu. Weazle wurde blass, doch der Hauself traute sich nicht, Widerstand anzumelden. Nicht, nachdem Percival ihm bereits zugesagt hatte, ihn und die anderen gegenüber seinem Vater zu decken. Er sah ihm noch einmal streng ins Gesicht und wandte sich dann der Terrassentür zu. Weazle kam ihm nach. „Du musst mir bei Gelegenheit zeigen, wie man Apfelscheiben karamellisiert“, meinte Percival versöhnlich. Er trat auf die Terrasse hinaus. „Ja, Sir.“ „Also haltet euch bedeckt und warte, bis ich zurück bin.“ „Ja, Sir. Passen Sie bitte auf sich auf, Sir.“ Der Auror überquerte den Rasen und trat auf den Gehsteig hinaus. Von dort würde er endlich zur Bank disapparieren können. Graves Manor selbst war mit einem mächtigen Apparierschutzzauber versehen. Ministeriumsdirektive von höchster Ebene, an die sich alle Auroren zu halten hatten. Percival hatte damals mit seinen sechs Jahren fasziniert zugesehen, als seine Eltern und einige ihrer Kollegen den Schutzwall um das Anwesen errichtet hatten. Inzwischen war es zu einer lästigen Selbstverständlichkeit verkommen. Percival zuckte nicht mit der Wimper und war verschwunden ... ... um im gleichen Augenblick irgendwo unweit der José Martí Statue im südlichen Central Park aufzutauchen. Einige Vögel flogen schnatternd auf, ansonsten blieb alles ruhig. Der Auror eilte zum Ende des Parks und blieb dort in den Schatten verborgen. Neugierig linste er zur Steen National Bank hinüber. Wie er vermutet hatte, lief dort ein Wachmann vor dem Haupteingang auf und ab. Ein Weiterer war vermutlich in der 6th Avenue postiert. Percival beschloss, sich erst einmal um den einen zu kümmern. Er wartete, bis der Mann am Ende seiner Bahn ankam und sich umdrehte, um wieder in die andere Richtung zu laufen. Der Auror apparierte hinter ihn und setzte ihn mit einem Stupor außer Gefecht. Danach schlich er zur Hausecke und sah in die 6th Avenue. Der zweite Wachmann war gerade einmal zwei Meter von ihm entfernt und sah ihm direkt ins Gesicht, erst Schrecken, dann Verwunderung, dann Besorgnis im Gesicht. Der Mann packte seinen Schlagstock etwas fester, zückte ihn aber nicht. Entschlossen trat Percival um die Ecke und setzte auch ihn mit einem Stupor außer Gefecht. Danach wandte er Obliviate an, um die Erinnerung des Mannes an diesen kleinen Überfall zu löschen. Percival vergewisserte sich, dass er alle Wachmänner auf der Straße erwischt hatte und zog seine beiden bisherigen Opfer dann in den rechten Flügelhof der Bank. Dort würde man sie nur sehen, wenn man die Treppe zum Haupteingang hinaufstieg oder herabkam. Die Zeit des Aurors lief. Ohne weiter zu trödeln, apparierte er ins Vorzimmer des Bankdirektors und leuchtete mit Lumos herum. Ms. Walshs Schreibtisch war feinsäuberlich aufgeräumt. Die Tür zu Bingleys Büro war abgeschlossen. Auf leisen Sohlen schlich der Auror zum Treppenhaus und sah hinab. Am Vortag war ihm hier oben kein Wachmann aufgefallen. Ausschließen wollte er aber noch nicht, dass sich gelegentlich einer hierher verirrte. Percival eilte die Treppe hinab und wäre fast erneut in einen Wachmann hineingelaufen, hätte ein Schatten an der Wand ihn nicht abrupt abbremsen lassen. So arbeitete er sich vor, bis er nach mehreren Stupors, Obliviates und Apparieren im Tresorvorraum angekommen war. Ein schlichtes Alohomora öffnete das Allerheiligste der Bank. „Wenn Bingley wüsste ...“, murmelte Percival halb vergnügt, halb besorgt, und trat ein. Für ihn war es bisher ein Leichtes gewesen, in die heilige Kammer der Bank einzudringen. Er war zwar ein ausgebildeter Vollblutauror, dessen Linie bis auf einen der Gründer dieser Einheit zurückreicht. Aber jemand, der eine normale Ausbildung an Ilvermorny genossen hatte, würde hier genauso leicht reinkommen, wie er. „Und verstößt damit wohl wissentlich gegen Rappaports Gesetz ...“ Je nachdem, was er hier herausfand, würde sich die ganze Geschichte wohl doch ziemlich heikel entwickeln.  Percival sah sich um. Der Tresor war kleiner, als er erwartet hatte. An der linken und rückwärtigen Seite waren zahlreiche kleine Fächer eingelassen. Mehrere große Schließfächer zu seiner Rechten beinhalteten wohl das bankeigene Vermögen. Appare Vestigium musste er zweimal wirken, da es ihm beim ersten Mal nicht gelang. Frustriert brummte er und versuchte, in dem goldenen Nebel etwas zu erkennen. Und grummelte dann erneut. Eine magisch begabte Person hatte sich hier in letzter Zeit nicht aufgehalten. „Wie ich’s mir dachte ...“ Für den Diebstahl war offensichtlich ein NoMaj verantwortlich. Appare Vestigium würde ihm dabei nicht helfen können. Der Auror wollte sich gerade abwenden, als der Zauber plötzlich doch Informationen preisgab. An der rechten Seite ploppten magische Abdrücke von Goldbarren aus den Fächern und fielen zu Boden. Percival traute seinen Augen nicht recht. Das dazu gehörige Fach stand sperrangelweit offen. Fußspuren eines Zauberers konnte er aber nach wie vor nicht erkennen. „Was in Mercy Lewis Namen geht hier vor?“, fragte er sich verwirrt. Ein zweites Schließfach öffnete sich und weitere Goldbarren kamen daraus hervor. Percival reckte den Hals, um in die Fächer blicken zu können, sah aber, dass sie leer waren. „Huh?!“ Die Goldbarren, die aus dem ersten Fach gefallen waren, begannen zu verschwinden. Der Auror sah es zunächst nicht, weil er viel zu sehr auf das dritte Schließfach fixiert war, das sich mittlerweile geöffnet hatte. Dahinter befanden sich jedoch nur NoMaj-Geldscheine, Dollar in Hülle und Fülle, an denen der Täter kein Interesse zu haben schien. „Hä?“ Percival sah wieder auf den Haufen aus Goldbarren und zuckte dann zusammen. Dort saß eine flauschige Kugel und schob sich mit einer pelzigen Pfote die Goldbarren in den Bauch. Er trat zur Seite und beugte sich hinab, um die Kreatur besser erkennen zu können. „Pelziges Ding.“ Fasziniert sah er dabei zu, wie die Fellkugel einen Goldbarren nach dem anderen in seinem Bauch versenkte. Offensichtlich waren Goldbarren aus zwei Fächern genug, denn es machte sich an den Rückweg. Percival stolperte dem kleinen Geschöpf hinterher. „AUTSCH!“ Er war zu euphorisch, um auf seine Umgebung zu achten, und war prompt gegen die Messingstäbe gelaufen. Jetzt rieb er sich die Stirn und sah dem mysteriösen Wesen dabei zu, wie es glatt durch die Stäbe hindurch verschwand und den Wirkungsbereich des Appare Vestigium Zaubers verließ. „Verdammt!“ Schnell überwand er die Absperrung. Im Vorraum verweilte er gar nicht länger. Percival konnte sich auch so denken, wohin das Wesen wollte. Im Erdgeschoss angekommen wirkte er den Aufspürzauber erneut, stärker dieses Mal, sodass er sich auf die komplette Etage ausdehnte. Hier war es gar nicht so leicht, den pelzigen Dieb wieder aufzuspüren. Zumal Percival hier nun auch über mehrere Fußspuren von Hexen und Magiern stolperte. Mindestens fünf von ihnen hatten sich hier kürzlich aufgehalten. „Scheiße!“ Erst hatte er nichts, dann auf einmal viel zu viele Verdächtige. Percival bog um die Ecke und sah die Gänge entlang. Dort bei dem Wachmann, den er eine halbe Stunde zuvor betäubt hatte, hüpfte es auf dem Boden in Richtung Ausgang. Er hetzte dem Geschöpf hinterher, sprang über den Bewusstlosen und lief ebenfalls Richtung Ausgang. Und verharrte. Würde er die magische Verfolgungsjagd in den Straßen New Yorks fortsetzen, würden unweigerlich einige NoMajs auf ihn aufmerksam werden. Das kleine Wesen, das offensichtlich der Dieb war, mochte auf die Entfernung auch wie eine Ratte wirken. Kein seltener Anblick in New York. Zu gerne hätte er gewusst, um was für ein Geschöpf es sich handelte. Percival hatte von nichts dergleichen gehört. Trotzdem musste er sich davor hüten, durch seine Neugier die Welt der Hexen und Zauberer den NoMajs preiszugeben. „Scheiße!“, wiederholte er. Percival machte auf dem Absatz kehrt. Es erschien ihm sinnvoller, sich noch einmal in der Bank umzusehen. Vielleicht hatte er bisher etwas übersehen? Drei NoMajs hatte er im Erdgeschoss des Geldinstituts betäubt. Er durfte nicht vergessen, sie noch einmal zu oblivieren, bevor er ging. Die Fußspuren der anderen Hexen und Magier, die sich kürzlich hier aufgehalten hatten, führten alle ziemlich kollektiv zu den Schaltern, an denen er tags zuvor auch gewartet hatte. Bei genauem Hinsehen erkannte er sogar seine eigenen Fußabdrücke, wie er an der Säule aus rotem Marmor gewartet hatte. Eine der Spuren führte um ihn herum, aber die konnte auch schon älter sein. Zwei der Spuren führten die Treppe nach oben, eine davon war seine. Eine weitere Spur führte direkt zum Aufzug und war somit schon älter. Trotzdem war es nicht ausgeschlossen, dass diese etwas mit dem pelzigen Dieb zu tun hatte. Keine der Spuren führte in den Tresorraum, was ihn wunderte. Die restlichen Fußabdrücke führten allesamt wieder aus der Bank hinaus. Der Auror war in einer Sackgasse angekommen. Um jede der Spuren vom Betreten der Bank bis zum Verlassen zweifelsfrei zurückzuverfolgen, würde er einen ganzen Vormittag benötigen. Zeit, die er nicht hatte. Selbst wenn er in der nächsten Nacht wiederkehrte, würde sich das Bild morgen verändert haben. Und die Wachleute würden auf der Hut sein. Percival hatte sie heute überrumpelt. Er ging davon aus, dass sie kollektiv über den Vorfall Stillschweigen bewahren würden. Schließlich hing ihr Job davon ab. Aber ein zweites Mal wollte er sie nicht betäuben und oblivieren müssen. Percival brummte verdrießlich und sah sich um. Hier würde er nichts Neues erfahren. Er wusste zwar nun, wer das Gold genommen hatte. Aber wie er den pelzigen kleinen Gesellen aufspüren konnte, ohne dabei halb NoMaj-New York aufzuscheuchen, war ihm noch nicht klar. Percival beschloss, es für diese Nacht gut sein zu lassen, zumal es draußen bereits hell wurde. Er hielt sich schon viel zu lange in der Steen National Bank auf. Eilig ging er die Wachleute ab, die im Erdgeschoss verteilt herumlagen und oblivierte sie sicherheitshalber noch einmal. Er wollte die Bank gerade verlassen, als ihm etwas ins Auge blitze. Percival machte einen Satz und sprang zur Seite. Was hatte ihn erschreckt? Zunächst hatte er geglaubt, ein grelles Licht von außerhalb der Bank hätte ihn geblendet. Er stand reglos hinter einer der Säulen und blickte in Richtung Eingangstür. Nichts regte sich. War es möglich, dass die Wachen draußen schon wieder wach waren? Ein schneller Blick auf seine Taschenuhr verriet ihm, dass er noch mindestens eine viertel Stunde seine Ruhe haben sollte. Was war es dann? Percival trat von der Säule hervor und sah sich noch einmal um. Schwang den Zauberstab mit seinem Lumos. Und wurde erneut geblendet. Er sah genauer hin und entdeckte etwas Glitzerndes unter einer der Sitzbänke. Dort lag ein Diamantohrring. Percival nahm das Schmuckstück in die Hand. Seine Trägerin kam zweifelsohne aus gehobenem Hause. Der Auror war jedoch mehr auf das Stückchen Haare fixiert, das an dem Ohrring hing. Es sah dem Fell des pelzigen Diebs zum Verwechseln ähnlich. Und wenn er ehrlich war, eine andere Spur hatte er momentan nicht. Die Fellprobe steckte er ein, den Ohrring brachte er zum nächsten Schalter. Die Dame, die ihn verloren hatte, würde sicher hocherfreut sein, ihn wieder zu bekommen. Dann oblivierte er die Wachmänner ein drittes Mal und disapparierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)