Niffler and Where to Find Them von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 10: ------------ Percival streckte sich. Er lag seit etwa einer halben Stunde wach im Bett und genoss es, einfach mal seine Ruhe zu haben. Nichts war zu hören, weder von den Hauselfen, noch von seiner Familie. Und auch aus dem Weidenkorbgefängnis, das er dem kleinen Dieb am Vorabend noch gebaut hatte, war nichts zu hören. Zumindest hoffte er, dass Coffee nicht ausgebüchst war. Nicht auszudenken, wenn der kleine Strolch das Haus ausgeräumt hätte und dann verschwunden wäre. Percival rollte sich auf die Seite, sah zu dem Korbgefängnis und dann aus dem Fenster. Es war ein strahlendschöner Samstagmorgen. Eigentlich viel zu schade, um ihn mit einem Verhör zu verschwenden. Aber Percival wollte herausfinden, ob Coffee tatsächlich die Bank ausgeräumt hatte. Und wenn ja, wo sich das Gold nun befand. Ob er ein Einzeltäter war oder ob ihn jemand bewusst in der Bank hat laufen lassen. Ob Mrs. Davis etwas damit zu tun hatte. Der Auror fläzte sich zwischen Matratze und Daunendecke. Eigentlich wusste er gar nicht, womit er anfangen sollte. Die Hausdurchsuchung bei Mrs. Graves und das anschließende Verhör der Dame waren die wichtigsten Punkte auf seiner Liste, die er abarbeiten musste. Andererseits war er viel zu neugierig, um was für ein Wesen es sich bei Coffee handelte. Das Tier war nicht mehr aufgewacht, selbst dann nicht, als Percival es auf ein weiches Kissen aus seinem Bett in den Korb legte und diesen und den anderen Korb fest mit einem Zauberspruch verband. „Ob es sich von dem Gold ernährt?“ In dem Fall hoffte er für die Steen National Bank, gut versichert zu sein. Trotzdem müsste er die fachgerechte Untersuchung und Klassifizierung des Tiers wohl Oscar überlassen. Der Zauberer von der Abteilung zum Schutz Magischer Wesen würde sicher außer sich sein vor Freude. Percival grummelte. Aber er würde Coffee zumindest einigen Tests direkt selbst unterziehen. „Hm, wie viel er sich wohl in den Bauch schieben kann, bevor er platzt?“, überlegte Percival. Unbewusst sah er zu dem Korbgefängnis. Den Test würde er nur in der Theorie durchspielen können. In Graves Manor befand sich nicht annähernd so viel wertvoller Glitzerkram, wie sich der Kleine in der Bank einverleibt hatte. „Schade eigentlich.“ Zu gerne hätte er eine Antwort auf diese Frage gehabt. Jemand klopfte an seine Tür. „Herein?“ Die Tür ging auf. „Guten Morgen, Master Graves.“ „Hazel! Wie steht’s, wie geht’s?“ „Gut, Master Graves. Ich soll Ihnen von Ihrem Vater ausrichten, dass er jetzt im Ministerium ist und Ihr schleunigst zu ihm kommen sollt, sobald Ihr wach seid.“ „Hazel, du musst nicht jedes seiner Worte eins zu eins wiedergeben, verstehst du?“ Der Hauself schüttelte den Kopf. „Master Graves! Außerdem wartet Ihr Bruder unten auf Sie, Sir.“ „Raymund, was will der denn hier?“ Percival setzte sich im Bett hoch. Er fröstelte, was aber angesichts der kühlen Temperaturen nicht verwunderlich war. Außerdem hatte er fast nichts an. „Er hat eine Eule von Ihrem Vater bekommen, Sir.“ „Tze, war ja klar. Sobald es interessant wird, mischen sie sich ein.“ „Sir?“ „Ach nichts. Hazel, würdest du bitte unten warten? Und kannst du schauen, ob wir ein Hundehalsband und eine Leine im Haus haben? Aber nur eines aus Leder, nichts mit Metall dran.“ „Natürlich, Sir. Aber Familie Graves hatte nie Hunde.“ „Schon gut, schau einfach nach.“ Der Hauself entschuldigte sich und ging. Percival verließ sein Bett, wusch sich und zog sich an. Nachdem er sich mit seinem Zauberstab bewaffnet hatte, näherte er sich dem Korbgefängnis und löste den Zauber, den es umschloss. Und schon konnte er das neugierige Schnüffeln hören. Percival hob den oberen Korb ab. „Na, mein Kleiner?“ Coffee saß auf dem Kissen und blickte mit neugierigen Glubschaugen zu ihm hoch. Dann versuchte es, davon zu huschen, wie Percival erwartet hatte. „Oh nein, du wirst schön hierbleiben.“ Percival packte Coffee und hielt ihn so, dass er ihn nicht beißen konnte. Dann ging er mit ihm nach unten und durch das Esszimmer in die Küche. „Mr. Graves, Sir!“, begrüßte ihn Weazle. „Guten Morgen, Weazle. Na? Wie sieht es mit Frühstück aus?“ „Jederzeit, Sir.“ Percival setzte sich mit Coffee an den Arbeitstisch. „Sir, wollen Sie nicht lieber draußen essen?“ „Nein. Die Gefahr ist zu groß, dass Coffee etwas klaut.“ „Coffee, Sir?“ Weazle schnippte mit dem Finger und ein Frühstücksgedeck flog an den Tisch. „Der kleine Rabauke hier.“ Percival hielt das Fellknäuel hoch, sodass Weazle es sehen konnte. „Du hast es Coffee getauft?“ Percival zuckte zusammen. Sein Bruder war unbemerkt in die Küche gekommen und schräg hinter ihn getreten. „Musst du mich so erschrecken?“, fuhr er ihn an. „Entschuldige.“ Raymund setzte sich ebenfalls und sah Percivals Gefangenen neugierig an. „Sir? Darf es für Sie auch ein Frühstück sein?“, fragte der Hauself. „Nein danke. Also, was ist Coffee für einer?“ „Siehst du doch.“ Der Kleine versuchte, sich aus Percivals Griff zu befreien und auf den Küchentisch zu klettern. „Na na! Benimm dich!“ „Und was hast du jetzt mit ihm vor, wenn ich fragen darf?“ „Rausfinden, wo er das Gold gelassen hat. Und vielleicht den ein oder anderen Test.“ „Welchen Test?“ „Sei nicht so neugierig.“ „Och Mensch, Percy!“ „Nenn mich nicht so.“ Percival zog Coffee von der Tischkante und platzierte ihn wieder auf seinem Schoss. „Du bekommst ja gleich was!“ „Ich hätte aber nicht gedacht, dass deine Zeichnung der Realität so nahe kommt“, stellte Raymund dann fest. „Meine Zeichnung? Hast du sie gesehen?“ „Nein, warum?“ „Hmpf.“ Sein Bruder sah ihn verwundert an. „Du lässt doch sonst nichts liegen.“ „Ja. Wahrscheinlich ist sie in den Untiefen von Oscars Schreibtisch verschwunden.“ „Dann wirst du sie nicht wieder sehen. Aber hey, jetzt hast du das Original. Vielleicht kann es dir Model sitzen?“ „Sei nicht albern.“ Coffee versuchte indes erneut, auf den Tisch zu krabbeln. Percival fischte ein Arbeitsmesser mit Holzgriff von der Tischplatte und hielt es dem kleinen Gesellen hin. „Was hast du vor?“, fragte Raymund. „Wirst du schon sehen.“ Percival hielt Coffee das Messer hin. Sofort beruhigte sich das Tierchen und griff mit seinen Pfoten danach. Angestrengt untersuchte es die Stelle, an der der Holzgriff an der Klinge befestigt war. „Das gefällt dir nicht, was?“, fragte Percival. Coffee betrachtete das Messer noch einmal und fing dann an, es sich mit der Klinge voraus soweit in den Bauch zu schieben, bis der Griff anstieß. „Das ist brutal, weißt du das?“, kommentierte Raymund. „Ach was! Er hat sich kein bisschen verletzt.“ Wie um sein Argument zu unterstützen, zog Percival das Messer vorsichtig wieder aus dem Bauch. Coffee nahm es gelassen hin. Danach drehte der Auror den Kleinen mit dem Bauch nach oben. „Siehst du? Nicht ein Blutspritzer.“ „Sir?“ „Ah, na endlich.“ Weazle kam mit dem Frühstück und trollte sich dann wieder. Coffee schnüffelte in die Luft und wurde unruhig. „Und jetzt?“, fragte Raymund. „Jetzt esse ich erst einmal was.“ Raymund seufzte. Percival griff indes in den Brotkorb und riss ein Stück ab. Anstatt es sich selbst in den Mund zu schieben, hielt er es Coffee hin. Der Kleine griff nach dem Brot und fing an zu fressen. Danach pickte Percival mit der Gabel nach einem Streifen Bacon und aß selbst. Coffee krümelte auf seinem Schoß herum und fixierte dann die Gabel. „Nein!“, mahnte Percival und legte die Gabel weg. „Du liebes bisschen. Was willst du noch testen?“, fragte Raymund. „Ich wollte wissen, ob das Metall, das er sich einverleibt, Nahrung für ihn ist. Aber offensichtlich nicht.“ Danach gab er dem Kleinen eine Weintraube aus seinem Obstsalat, aber diese erweckte nur mäßig Coffees Interesse. „Versuch’s mal mit Rührei.“ „Hah.“ Percival schob sich selbst eine Gabel voll in den Mund. Mit Glubschaugen verfolgte Coffee, wie sich das Besteck seinen Lippen näherte und dann wieder auf dem Tisch verschwand. Danach bekam er selbst ein paar Brocken Rührei vorgesetzt. Diese verschwanden in seinem Inneren. „Weazle, kannst du mir bitte einen von den Eierbechern aus Porzellan bringen?“ „Sir?“ „Nein, nicht die aus Silber!“ „Ja, Sir.“ Zwei Augenblicke später hatte Percival das gewünschte Geschirrstück auf dem Tisch vor sich stehen. „Was hast du jetzt vor?“, fragte Raymund. „Ich will wissen, ob er auch Tee trinkt.“ „Coffee?“ „Es ist nur ein Name.“ „Warum hast du ihn denn nicht Earl Grey genannt?“ Percival sah seinen Bruder pikiert an. „Sieht er für dich etwa wie ein Earl Grey aus?“ „Na ja.“ „Er hat viel mehr Ähnlichkeit mit einem schwarzen Kaffee, wenn du mich fragst.“ „Ach, und deswegen hast du ihn so genannt?“ Percival ignorierte Raymund und goss vorsichtig etwas von seiner Teekanne in den Eierbecher. Danach pustete er mehrmals darüber und hielt es Coffee hin. Dieser schnupperte daran, tauchte zum Test sogar seinen Rüssel hinein, schob den Eierbecher dann aber weg. Percival glaubte, so etwas wie einen angewiderten Gesichtsausdruck bei Coffee zu erkennen. Raymund lachte. „Vielleicht solltest du es doch mit einem schwarzen Kaffee versuchen.“ „Hmpf.“ Percival kippte den Tee vom Eierbecher in seine eigene Tasse. „Weazle, kannst du mir etwas Milch bringen?“ Der Hauself schnippte mit dem Finger. „Wollen doch mal sehen, ob er damit zufrieden ist.“ Percival wiederholte die Prozedur des Tees mit der Milch. Gierig begann Coffee, die Milch zu trinken. „Siehst du?“, triumphierte Percival. „Man muss nur verschiedene Möglichkeiten ausprobieren.“ Raymund kicherte. „Und warum hast du ihm nichts von deinem Bacon gegeben?“ „Weil es meiner ist!“ Percival schob sich mit der Gabel den zweiten Streifen in den Mund, der mittlerweile jedoch erkaltet war. Genüsslich verspeiste er ihn und wartete dann, bis Coffee den Eierbecher leergetrunken hatte. „Na? Magst du noch was?“, fragte er ihn dann. Coffee sah mit großen Augen zu ihm hoch. Percival nahm ihn und setzte ihn zwischen die Teller und Schüsseln seines Frühstücks. „Was hast du jetzt vor?“, fragte Raymund besorgt. „Ich will nur wissen, was er sich als erstes nehmen würde.“ Coffee sah sich zwischen den Tellern und Schüsseln um. Er nippte noch einmal beim Rührei, schnupperte an dem Korb mit den Brotscheiben. Den Obstsalat ließ er links liegen. Dann sah der Kleine die Gabel, die Percival zuvor benutzt hatte, und hielt zielsicher auf sie zu. Innerhalb weniger Sekunden war sie in seinem Bauch verschwunden. „Grundgütiger“, kommentierte Raymund. Percival starrte Coffee in die Augen. Der Kleine sah motiviert zu ihm zurück, wandte sich dann dem silbernen Teelöffel zu, der aus Percivals Tasse ragte. „Nein, den nicht!“ Percival schnappte sich den kleinen Dieb und fixierte ihn wieder auf seinem Schoß. Raymund sah ihm skeptisch zu. „Und wie bekommst du die Gabel jetzt wieder aus ihm raus?“ „Indem ich ihn am Schwanz halte.“ „Wirklich?“ „Ja.“ „Und warum machst du es dann nicht?“ „Weil es grausam ist. Hat Mutter gesagt.“ Raymund schlug sich mit der flachen Hand ins Gesicht. Percival trank genüsslich von seinem Tee. „Mr. Graves, darf ich den Tisch abräumen?“, fragte Weazle. „Natürlich, bis auf den Tee. Kannst du mir einen sauberen Kochtopf bringen?“ „Äh …“ „Frag nicht, mach es einfach.“ „Selbstverständlich.“ Der Hauself schnippte mit dem Finger, einmal, zweimal, und die Reste von Percivals Frühstück schwebten vom Tisch. Percival glaubte, ein Grummeln des Hauselfen zu hören, vermutlich darüber, dass er seinen Obstsalat nicht angerührt hatte. „Was willst du mit dem Kochtopf?“ „Schauen, wie leicht Coffee hindurch kommt.“ „Hä?“ Percival ignorierte seinen Bruder. Er steckte sich den Silberlöffel seiner Teetasse in den Mund. Sofort versuchte Coffee, an seiner Brust hochzukrabbeln, aber er hielt ihn davon ab. Stattdessen setzte er ihn in den Kochtopf und stand auf. Coffees Augen fixierten den Silberlöffel, als Percival sich etwas vom Küchentisch entfernte und auf den Boden hockte. Raymund verfolgte interessiert das Geschehen. Selbst Weazle hatte in seinem Tun innegehalten. Coffee atmete ganz angestrengt. ‚Bekommst du jetzt Schnappatmung?‘, dachte Percival. Er nahm Coffee aus dem Kochtopf und setzte ihn auf den Boden. Sofort machte er Anstalten, dem Silberlöffel näher zu kommen. Percival hielt ihn auf den Boden gedrückt, blickte ihm tief in die Augen, und stülpte den Kochtopf über ihn. Danach nahm er den Silberlöffel aus dem Mund. „Wollen doch mal sehen, wie lange es dauert.“ „Du bist gemein“, befand Raymund. „Ach was. Sei still und lerne“, konterte Percival. Coffee schob den Kochtopf hin und her und fing schließlich an, sich durch das Metall hindurch zu schieben. „Ist nicht wahr?!“, rief Raymund erstaunt. Es hatte keine zehn Sekunden gedauert, die Coffee brauchte, um den Kochtopf zu überwinden. Er krabbelte auf den Silberlöffel zu. Percival ließ den Kleinen gewähren, der sich nun zufrieden den Löffel in den Bauch schob. „Spinnst du? Der ist von Mutters teurem Silberbesteck.“ „Ich weiß. Ich glaube, er geht danach, was am wertvollsten ist.“ Coffee sah sich nun in seiner Umgebung um, ob er etwas vergleichbar Hochwertiges fand. „Hast du nicht eine goldene Taschenuhr?“, fragte Percival seinen Bruder. Dieser funkelte ihn nur an. „Ich frag mich, wo Hazel mit dem Halsband bleibt.“ „Halsband?“ „Ja, ich hab ihn losgeschickt, um ein Lederhalsband für Coffee zu suchen.“ „Willst du mit ihm Gassi gehen?“ „Wenn es sich anbietet? Ich will ihn eigentlich eher an der Leine haben, damit er mir nicht davon läuft, ich ihn aber nicht ständig herumtragen muss.“ Coffee versuchte mittlerweile, die vergoldeten Knöpfe zu erreichen, die Percival am Kragen trug. Warum sie dem Kleinen nicht schon aufgefallen waren, als er ihn in die Küche getragen hatte, war ihm ein Rätsel. „Warst wohl doch zu hungrig.“ „Was ist?“ „Ach nichts. Kommst du mit ins Büro?“ Percival pflückte Coffee von seiner Weste und kraulte ihn dann am Hinterkopf, als ob es eine Katze wäre. „Klar. Hab ja sonst nichts vor, heute.“ Die Brüder verließen Graves Manor und disapparierten auf dem Gehweg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)