Between Love and Friendship von KatieBell (Zwischen Liebe und Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 11 - Kampfgeist ----------------------- Tief atmete Lena aus, als sie ihr Smartphone beiseite legte. Nach Tagen hatte sie sich endlich durchgerungen bei Anna anzurufen. Das wollte sie ja eigentlich direkt nach dem erhalt des Briefes tätigen. Aber immer dann wenn sie ihre Nummer schon längst eingegeben hatte, fiel sie jedes mal in eine Art Schockzustand, so dass sie wieder ihr Handy weglegte und es auf ein Morgen verschob. Es war merkwürdig ihre Stimme wieder zuhören, aber nicht unangenehm. Vielleicht würde sie die ganze Tragweite auch erst wirklich realisieren, wenn sie nächste Woche Montag in München war. Sie hatte sich nämlich dafür entschieden, Anna zu diesem Spezialisten zu begleiten. Weiter darüber nachdenken wollte sie jetzt aber nicht mehr. Sie würde nur noch die Ticktes buchen und morgen beim Training müsste sie unbedingt mit Stefan sprechen. Normalerweise hatte sie Montag die letzte Trainingseinheit, vor dem Auswahlspiel, welches dann am Samstag stattfinden würde. Dass sie ihren Coach anlügen müsste, was den Grund anging, gefiel ihr gar nicht. Aber die Wahrheit zu sagen war auch keine Option. Je weniger Leute davon wussten, umso besser. Sie würde einfach behaupten, dass es um eine Familienangelegenheit ginge und nach Hause müsste. „Hoffentlich bohrt er nicht weiter nach...“, murmelte Lena, als sie sich gerade die Internetseite der deutschen Bahn aufrief. Sie schrieb ihr Startpunkt und das Ziel ein, kreuzte nur ICE als Möglichkeit an und stellte die Uhrzeit ein, mit der sie in München ankommen wollte. Kaum wurden ihr die ersten Verbindungen angezeigt klingelte ihr Handy und sie nahm es erneut in die Hand. Genzos Name tauchte auf ihrem Display auf, was Lena ein Seufzer über die Lippen brachte. Kurz sah sie in die obere rechte Ecke ihres Smartphones und erkannte, dass es zehn vor Drei war. Kurz hatte sie die Hoffnung gehabt, er würde es vergessen. Obwohl Genzo alles andere als vergesslich war. Wenn er sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatte, könnte ihn niemand davon abhalten. Dabei hatte sie eigentlich gar keine Lust auf irgendeinen Ausflug. Dennoch nahm sie ab, als ihr auffiel, dass es nun schon das vierte Mal klingelte. „Ja?“, meldete sie sich relativ neutral. „Ich hoffe, du bist fertig.“ „Fertig für was?“, fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben, auch wenn er es nicht sehen konnte. „Sag nicht, du hast es vergessen?!“, kam es prompt zurück. „N-nein. Aber, ich hab nicht so die Lust, die Wohnung überhaupt zu verlassen, Genzo.“ „Du sagst mir jetzt nicht ab. Ich bin gleich am Auto. In zehn Minuten bin ich da.“ Sie seufzte erneut tief. „Du hast nicht mal gesagt, wo du hinwillst...“ „Bleibt mein Geheimnis.“ Sie schnaufte lauter, so dass er es sicherlich auch gehört haben musste. Denn sie hörte seine Stimme erneut im Telefon. „Zieh dir etwas Warmes an und feste Schuhe.“ „Etwas Warmes? Es ist...“, sie öffnete schnell einen weiteren Tab in ihrem Browser und gab Hamburg Wetter in die Google Suchleiste ein, „22 Grad.“, las sie dann die Temperatur ab. „Vertrau mir.“, sagte er eindringlich, „Also, in zehn Minuten will ich dich unten sehen. Abfahrtbereit.“ „Na schön, aber wehe-“ „Du wirst es nicht bereuen, ich verspreche es.“, sagte er und sie sah ihn im Geiste grinsen, bevor er noch ein, „Bis gleich.“, einwarf und einfach auflegte. Lena seufzte. Zehn Minuten Zeit. Sie schüttelte den Kopf, suchte sich noch schnell eine Verbindung für die Fahrt nach München aus und bezahlte schnell und unkompliziert über PayPal. Da sie bei der Bahn ein Kundenkonto besaß und ihr Handy damit verbunden hatte, konnte sie das Ticket über eine App aufrufen. Also keine nervigen Zettel, die sie ausdrucken musste und ihr damit gerade die Zeit stahl. „Packen wir es an...“, murmelte sie, fuhr ihren Pc in den Standby-Modus und stand vom Schreibtisch auf, bevor sie ihren Kleiderschrank ansteuerte. Etwa Warmes, hatte er gesagt. Sie fragte sich wirklich, was er vor hatte. Sie entschied sich relativ spontan für eine schwarze Jeans, die an einigen Stellen wie ausgewaschen erschien. Aus einem anderen Fach zog sie dann ein ebenso schwarzen Hoodie heraus, mit einem Aufdruck, welches eine Eule in der Nacht, auf einem Ast sitzend zeigte. An sich herunterschauend, dachte sie darüber nach, ihr jetziges Shirt darunter anzubehalten. Nur für den Fall der Fälle, dass es doch zu warm werden würde. Wieder läutete ihr Handy und sie stürzte sich schon fast auf ihren Schreibtisch. Nahm ebenso hetzend ab. „Ja... ich brauch noch fünf Minuten.“, schnaubte sie direkt. „Dass du dich auch nie an Zeiten halten kannst.“, hörte sie Genzos Stimme wieder. „Das waren auch keine zehn Minuten.“ „Vielleicht sieben. Kam gut durch den Verkehr.“ „Fünf Minuten.“, stöhnte sie genervt und diesmal war sie es, die einfach auflegte. Genervt warf sie ihr Handy aufs Bett, welches sich hinter ihr befand. Gott. Dieser Stress. Als sie vor ein paar Tagen, mehr oder weniger, zu diesem Ausflug zugestimmt hatte, fand sie es eigentlich eine gute Idee, als er gegangen war. Mal rauskommen. Die ganze verfahrene Situation vergessen und auch um mal an etwas anderes zu denken als an Betrügereien, oder an eine Schwangerschaft, oder eben an die Six Invitationals. Resigniert zog sie den Hoodie über ihren Kopf, zog dann ihre Leggins aus, um die Jeans anzuziehen, während ihre Gedanken weiter abdrifteten. Die Rainbow Six Meisterschaft war vor Monaten das Hauptthema in ihrem Leben. Es wäre ihre erste Weltmeisterschaft, an der sie aktiv teilnahm. Davor waren es nur regionale Turniere, oder kleinere Meisterschaften innerhalb von Europa. Sie war so aufgeregt gewesen, als ihr Coach ihr offenbarte, dass er überlegte, sie in die A-Mannschaft aufzunehmen, wenn sie sich weiterhin so gut machte. Die Chance zu bekommen, in einem so guten Team, wie Penta Sports aufgenommen zu werden, war schon schwer. Es als Frau zu schaffen, war fast ein Krampf gewesen. Nicht nur bei Penta hatte sie sich beworben, sondern auch bei Rogue, G2 eSports und dem Team Empire. Sie wurde zwar immer in die engere Auswahl genommen, aber hatte es in den drei Teams im Auswahlspiel, nie geschafft die Coaches von sich zu überzeugen. Manchmal da dachte sie, es lege daran, dass sie eben nicht männlich war. Natürlich war es wichtig, dass die Spieler untereinander sich auch gut verstanden und man hatte offenbar einfach angenommen, eine Frau in ein reines Männerteam zu holen, könnte zu Problemen führen. So gesagt, hatte es natürlich keiner, weil man ja das Wort „Gleichberechtigung“ immer groß schrieb. Jedoch hinten herum, war es immer anders. So hatte es sich zumindest meistens angefühlt. Die Aussagen derer Absagen, sie sei eine talentierte Spielerin, aber sie wäre nicht das, was sie suchten... klang schon sehr nach „Ja, du spielst super, aber du bist kein Kerl.“ Es war demotivierend gewesen. Ihre Mutter hatte sie zwar immer unterstützt und ihr weiterhin Mut gemacht, aber dennoch hatte sie ihr ebenso angesehen, dass ihre Mama sich einfach wünschte, sie hätte eine normale Tochter, die einen normalen Job machen würde. Sie kam mit ihrer Vorliebe zu diesem, doch sehr brutalen Spiel, nicht zurecht. Schon früher nicht. Aber sie hatte es schlussendlich einfach toleriert und auch akzeptiert. Lena war eben nicht das typische Mädchen, dass sich für Schmuck, Schminke und den neusten Tratsch interessierte. Was sicherlich auch ihr früheres Umfeld ausmachte. Spielte als Kind lieber mit dem Nachbarsjungen, kam allgemein mit Jungs besser klar, als mit den Mädchen in ihrer Schulklasse. Ausnahme war Maya, die sie schon seit dem Kindergarten kannte. Lenas Jeans saß und sie drehte sich zu ihrem Bett, um sich ihr Handy zu schnappen. Nur um dann ihr Schlafzimmer zu verlassen und die Garderobe anzusteuern. Sie nahm ihre Sportschuhe aus der unteren Ablage heraus und schlüpfte hinein, ohne die Schnürsenkel aufzuknüpfen. Ihre Umhängetasche lag unordentlich daneben, die sie nun ebenso in die Hand nahm und ihr Handy einfach hineinwarf. Kurz sah sie noch in das Innere der Tasche, um zu überprüfen, ob ihr Geldbeutel auch noch dort drin war, was sich bestätigte. Sie schulterte diese dann und nahm die Schlüssel vom Schlüsselbrett, bevor sie die Wohnungstür ansteuerte, ihre eigenen vier Wände verließ und während sie die Treppen hinabstieg, dachte sie weiterhin über ihren Werdegang nach. Penta gab ihr die Chance, die sie sich so sehr gewünscht hatte. Sie glitt einfach durch das Vorstellungsgespräch hindurch, ohne Probleme. Die Testspiele, die sie bestritt hatte sie in Bestzeit abgeschnitten und durfte auch daher mit dem B-Team gegen das Hauptteam spielen. Auch wenn zwischen den Spielern, der einzelnen Gruppen ein hoher Unterschied lag und sie das Spiel verloren hatten, war Stefan derjenige gewesen, der ihr Potenzial sah. Und als sie dann auch noch erfuhr, dass höchstpersönlich Niclas Mouritzen alias Pengu, ihr Spielverhalten analysierte und sie als „herausragend“ beschrieb, war für sie schon ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen. Kurz lächelte sie, als sie gerade die Haustür unten erreichte und zurück an den Moment dachte, als ihr Pengu gegenüber stand. Ihr die Hand gab und grinsend sagte: „Willkommen im Team.“ Ihr kleines Fan Herz schlug schon etwas schneller. Denn... er war ihr Vorbild gewesen. War es auch noch seit heute, auch wenn er mittlerweile für G2 spielte. Für Lena, würde Pengu immer ein Penta-Spieler bleiben. Derjenige, der sie motivierte nie aufzugeben und in den Augenblicken, in denen man fiel, immer wieder aufzustehen. Das Glück macht gerne mal einen Umweg, hatte er in irgendeinem Interview einmal gesagt und das hatte dazu geführt, dass auch sie nie aufgab und sich den Weg in ihr Traumteam erkämpfte. Das einzige was ihr verwehrt geblieben war, war die Möglichkeit jemals mit Pengu zusammen in einem Turnier zu spielen. Sie war jahrelang nur im B-Team gewesen und erst als er Penta verließ, nahm sie später dann seinen Platz ein. Trotzdem hatte sie ihm viel zu verdanken. Hatte ihr einige seiner Tricks und Strategien verraten, oder hatte ihre Reaktion geschult, sowie, dass es auch wichtig war, auf sein Bauchgefühl zu hören. „Egal, was der Couch sagt. Wenn du ein schlechtes Gefühl dabei hast, dann hör auf die Stimme in deinem Bauch und handel instinktiv.“, waren seine Worte mal zu ihr gewesen, „Und steh dazu, auch wenn es schief geht. Wenigstens hast du dir dann nichts vorzuwerfen.“ Das hat ihr damals viel geholfen. Oft fragte sie sich, ob es okay wäre, wenn sie einen anderen Weg einschlagen würde, als der den Stefan vorgab. Jedes der Teambesprechungen über Taktiken und möglichen Optionen, wie man als Angreifer vorging waren rein statisch zu betrachten. Jedes Szenario war nun mal nicht dasselbe. Jeder spielte anders, auch wenn man im Vorfeld die Spieler des gegnerischen Teams analysierte und Gegenstrategien austüftelte. In jedem Spiel kam es zu kleinen Abweichungen und dann war es enorm wichtig, sich binnen Sekunden daran anzupassen. Tat man das nicht, brauchte man sich auch nicht wundern, wenn man an der nächsten Ecke über den Haufen geschossen wird. Lena atmete tief durch, als sie ihre Gedanken an Rainbow verabschiedete und ihr Blick nach vorne fiel. Sie sah Genzos Auto. Ein kleiner, azurblauer Mazda, der am Straßenrand direkt vor ihrem Wohnblock stand. Sie hatte sicherlich länger als fünf Minuten gebraucht, überlegte sie kurz. Sie zuckte leicht mit den Schultern. Egal. Er sollte sich bloß nicht darüber auslassen. Im Job war sie gewissenhaft und hatte noch nie einen wichtigen Termin verpasst. Aber wenn es um so etwas ging wie,... ein Ausflug ins Ungewissene... da trödelte sie gerne mal. Gerade wenn es so warm war, wie heute. Gott, den Hoodie bereute sie jetzt schon. Endlich kam die Blonde am Auto an und zog direkt die Beifahrertür auf. „Was war los? Hast du dich am Pc festgeklebt?“ „Ha, ha... sehr witzig.“, entwich es ihr sarkastisch, „Sagst du mir jetzt wohin es gehen soll?“, fügte sie hingegen fragend hinzu, als sie sich in den Sitz fallen ließ und die Tür zuzog. Doch er schüttelte sofort den Kopf, als er den Motor startete und langsam anfuhr. „Lass dich doch einfach überraschen, Lena.“ „Ich hasse Überraschungen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)