Between Love and Friendship von KatieBell (Zwischen Liebe und Freundschaft) ================================================================================ Prolog: Prolog - Gewissheit --------------------------- Between Love and Friendship Prolog - Gewissheit • • • ▼ Ein Ball nachdem anderen flog auf ihn zu, die er jedoch gekonnt abfing. Der blonde, kurzhaarige Mann vor ihm schnaufte bereits. „Können wir Schluss machen, Genzo?“, fragte er fast schon gequält und sah zu seinem Keeper auf. Der genannte Schwarzhaarige schaute gen Himmel und nickte. „Es ist sicherlich schon nach 20.00 Uhr, morgen ist kein Training, also können wir denke ich Schluss machen." -*- Völlig aufgewühlt und fahrig verließ Lena das Trainingsgebäude, in denen sie für ihre nächste Meisterschaft täglich trainierte. Sie war keine übliche Sportlerin, die über einen Fußballplatz rannte oder die Leichtathletik beherrschte. Manche lachten immer noch über ihre Karriere, über das was sie beruflich tat, aber sie lachte dann immer nur zurück und dachte sich ihren Teil. ESL-Sportlerin konnten sich nicht viele nennen. Zumal dieser Art von Sport leider noch nicht allzu alltäglich war. Aber die Zeit würde kommen, in denen man auch ihre Leistung anerkennen würde. Da war sie sich sicher. Dennoch hatte sie gerade ganz andere Sorgen. Sie ging ihren Weg nach Hause, als sie am Trainingsplatz des HSV vorbeikam. Düstere Gedanken machten sich in ihr breit. Er wäre nicht da. Hatte ja angeblich ein Treffen in München wegen der kommenden Bundesliga. In ihr staute sich die Wut. Sie holte ihr Smartphone aus der Jackentasche und sah sich noch einmal die letzte Whats App Nachricht ihrer Freundin heraus. Maya studierte dort Modedesign und hatte ihn dort gesehen... „Ich wusste nicht ob ich dir das schicken soll. Aber ich finde, du solltest das wissen...“ - schrieb sie und darunter hatte sie ein Foto angehängt. Lena blieb stehen und konnte ihre Tränen nicht unterdrücken. Man sah ihren Freund, mit dem sie nun schon fast sieben Jahre zusammen war, mit einer anderen Frau. Eng umschlungen, küssend, mitten in einer Fußgängerzone. Sie wusste nichts mit sich anzufangen. Was tat er da? Hatte sie sich so in ihm getäuscht? Die sieben Jahre waren sie ein Team gewesen. Sie hatten viele Hürden überstehen müssen. Gerade weil er ein Profifußballer und in der Fußballlegende nicht mehr wegzudenken war. Es war schwer die feste Freundin von Karl-Heinz Schneider zu sein, wenn niemand sie als seine Partnerin akzeptierte. Nicht seine Familie, nicht die Presse, nicht die Fans... und dann betrog er sie auf einmal?! „Lena?“, hörte sie ihren Namen, erschrak leicht und wischte sich schnell mit ihrem Handrücken die Tränen weg, bevor sie sich zu der Stimme umwandte. „Genzo. Hi...“, sagte sie und versuchte dabei so normal wie möglich zu klingen. „Kommst du gerade vom Training?“ „Ja. Ich... Ehm... ich bin müde. Zu viele Stunden vorm Monitor verbracht.“, lächelte sie gespielt, entschuldigt, „Ich brauch ganz dringend ein paar Stunden schlaf. Gute Nacht.“, sagte sie und sah dann auch Kaltz, der hinter Genzo zum Vorschein kam. „Euch noch ein angenehmen Abend.“ und beeilte sich aus dem Sichtfeld der Beiden zu kommen, ohne dass sie noch eine Frage stellten... -*- „So verpeilt sieht man Lena nicht oft.“, sagte Kaltz und schaute der Dunkelblonden hinterher. „Sie steht unter Druck. Nächste Woche beginnt ihr Turnier. Penta ist Titelverteidiger. Klar ist sie ein bisschen neben der Spur.“, sagte Genzo und schaute Lena eine ganze weile hinterher, bis sie um eine Ecke bog. „Lena war nie unter Druck.“, sagte Kaltz gekonnt, „Nicht wegen Rainbow. Hast du sie mal spielen sehen? 'Ne Wucht. Penta kann froh sein, jemanden wie sie zu haben. Und 'ne Hübsche noch dazu.“, grinste der Blonde. Genzo schlug Kaltz spielerisch auf die Schulter. „Was denn? Wäre ich frei... würde sie mich schon reizen. Dich nicht?“ „Sie ist mit Karl zusammen.“ „Das ist kein Hindernis.“, sagte Hermann lapidar. Genzo sah seinen Freund missbilligt an, woraufhin Kaltz nur mit den Schultern zuckte. „Ganz im Ernst Genzo: Ja, die beiden sind schon lange zusammen. Aber sie leben in zwei verschiedenen Welten. Er ist ja kaum da und wenn dann hängt er entweder bei uns ab oder bei seiner Familie. Die beiden hat man das letzte Mal vor zwei Jahren zusammen gesehen. Würde mich nicht wundern wenn Lena sich anderweitig umguckt.“ Daraufhin sagte Genzo nichts mehr, da er dem nicht zustimmte. Lena war eine treue Seele. Schon immer gewesen. Sie waren gut befreundet, auch wenn Karl das nie gern sah. Aber er hatte ihm schon mehrmals versichert, dass er sich niemals an eine Frau heranmachen würde, wenn diese schon vergeben war und schon gar nicht, wenn diese Frau mit seinem Freund liiert war. Das ging einfach über seine Prinzipien. Selbst... wenn er sie hübsch fand. ________________________________________________ Kapitel 01 - Eskalation ----------------------- „Maaan, es ist gleich Mittag, Genzo... muss das echt sein?“, fragte Frank, der hinter dem Schwarzhaarigen hinterher trottete, „Er ist erst... vor ein paar Stunden aus München zurück. Und Lena findet das sicherlich auch nicht toll, wenn wir gleich vor deren Haustür stehen.“ „Es ist Trainingszeit. Wir müssen uns koordinieren und wir wissen alle, das Karl viel verpasst hat. Da muss er halt-“, sagte er stur, stoppte aber abrupt, als er Geschrei und Gepolter hörte. „Was zum Teufel...“, kam von Frank und sie kamen beide am Wohnhaus an, in denen Lena und Karl zusammen in der 2. Etage wohnten. Das Fenster stand offen und es flogen diverse Klamotten aus diesem, Bilderrahmen, Trikots, sogar kleinere Medaillen. Und das Geschrei war dabei nicht zu überhören. „Verpiss dich! Hau einfach ab!“ „Lena... beruhige dich doch.“ „Beruhigen? BERUHIGEN? Da! Nimm deine scheiß Blumen und geh dich vergraben!!“ Kurz wurde es still, bis man die junge Frauenstimme abermals hörte. „Du bist widerlich und kotzt mich an! Geh! Bevor ich mich vergesse!“ Eine Tür knallte zu und wenig später kam ein hektischer blonder Mann aus dem Wohnhaus. „Karl.. was ist passiert?“, fragte Genzo und sah seinen jahrelangen Freund sprachlos an. „Nichts.“, zischte dieser nur, ohne sich wohl zu fragen, was seine Freunde und Fußballkameraden hier taten. Er schnappte sich die wichtigsten Sachen vom Boden, die vorher aus dem Fenster flogen und drückte sich an beide vorbei. „Karl! Warte.“, sagte Genzo erneut und schnappte sich seinen Arm um ihn herumzuziehen, „Was is-“ „Es geht dich einen Scheiß an, Genzo! Okay! Lass mich einfach.“, sagte er wütend und wollte sich ihm entreißen, doch Genzo blieb standhaft. „Was hast du angestellt?!“ „ICH?! Wieso gehen immer alle davon aus, dass ich hier das Arschloch bin?! Frag sie doch einfach selbst! Danach kannst du dich auch liebend gern an sie heran werfen. Ist mir so was von egal!“, schrie er ihn an und entriss sich ihm, „Du warst doch eh die ganze Zeit scharf auf sie!“, sagte er und zog wutschnaubend von dannen. Genzo schluckte. Die harten Worte kannte er schon von Karl. So was sagte er immer, wenn er auf irgendetwas wütend war. Er versuchte dann immer alles auf andere abzuwälzen, anstelle dass er die Fehler bei sich suchte. „Ich geh ihm mal hinterher, bevor er noch mehr Dummheiten macht.“, sagte Frank, klopfte Genzo eine Hand auf die Schulter und folgte dem blonden Fußballstar. Genzo blieb stattdessen minutenlang am selben Ort stehen, bevor er sich umwandte und ins Haus hineinging. Wäre er mit Lena nicht so gut befreundet, würde er Karl beistehen. Aber da dies nicht so war, und er zu Lena einen viel besseren Draht hatte, als jemals mit ihm, musste er einfach schauen wie es ihr ging und... was überhaupt los war. Er stieg die Treppen hinauf in die 2. Etage und fand ein Minenfeld vor, als er in die Wohnung hinein sah. „Lena?“, rief er leise, um sie nicht zu erschrecken, „Lena? Ich bin's... Genzo. Er ist weg, also...“ „Kann man nicht mal in seiner eigenen Wohnung allein sein?!“, kam es leise und er trat in die Wohnung. Er schaute nach links in die Küche, auf deren Boden sie saß. Knie angewinkelt, den Kopf auf den Knien abgelegt. Ihre Haare waren wild durcheinander und ihre Arme hatten sich um ihre Beine gelegt. Vor ihr auf dem Boden lagen kaputte Bilderrahmen, in denen die Fotos schon herausgenommen worden waren. Die Papierfetzen neben dran ließen nur vermuten, was dort zerstört worden war. Gegen ihren Wunsch setzte er sich in Bewegung und ließ sich neben ihr an der Küchenzeile nieder. „Was ist passiert?“ „Hab ich draußen irgendwie ein Schild aufgehangen, auf dem Tag der Offenen Tür drauf steht?! Ich...“ „Ich mach mir nur Sorgen um dich.“, sagte er wahrheitsgemäß und sie schaute zu ihm auf. Sie sagte vorerst nichts, bis sie es das erste Mal aussprach. „Er ist fremdgegangen...“ „Niemals,... das... das würde er dir nicht antun.“, sagte er gleich darauf. „Siehst du, genau deswegen wollte ich, das du gehst, Genzo. Du bist sein Freund, natürlich verteidigst du ihn!“ „Ich meine...“, überdachte er seine Worte, „Du bist dir sicher?“ „Du willst Beweise?“, sagte sie schnippisch und holte ihr Smartphone unter den Beinen hervor. „Hier schau. Maya hat mir das erste Bild letzten Samstag geschickt. Und sie hat auf mein Bitten bisschen herumgeschnüffelt. Er ist mir nicht einmal oder zweimal, nein er ist mir in den letzten drei Jahren mehrmals fremdgegangen. Mit mehreren Frauen, die wahrscheinlich nicht mal wissen, dass es da andere gibt! Und mit der aus München... ist er offenbar auch schon zwei Jahre in einer Beziehung! Verstehst du?!“, redete sie sich in rage und wurde gegen Ende immer lauter. „Er hat mich von vorne bis hinten verarscht!“ Genzo besah sich die Textnachrichten und die Fotos. Er konnte nicht glauben, das Karl so etwas machen würde. Natürlich, er war ein Weiberheld. Schon immer gewesen. Die Frauen liebten ihn, aber seitdem er mit Lena fest zusammen war, hatte er doch alle möglichen Avancen abgelehnt. Aber die Fotos hier waren eindeutig. „Er ist eben nach Hause gekommen... mit einem Strauß Blumen... als ob er sein schlechtes Gewissen bereinigen wollte. Ich konnte einfach nicht mehr. Das... ist zu viel. Vielleicht... hätte ich ihm einen Seitensprung vergeben und verziehen. Aber... das ist einfach ein Sprung zu viel...“ „Was hat er.. dir darauf gesagt?“ „Du meinst, ob er sich entschuldigt hat? Oder ob er eine Erklärung hatte? Nein. Keines von beiden. Ich hab ihn wohl auf dem falschen Fuß erwischt.“, sagte sie regungslos. „Vielleicht mag mich jetzt sein Vater, weil ich endlich aus seinem Leben bin.“ „Sag das nicht. Vielleicht... wird das wieder gut zwischen euch.“ „Genzo im ernst. Denkst du, ich gehe zu dem zurück? Er hat mich mehrmals betrogen. Mit komplett unterschiedlichen Frauen. Die eine Barkeeperin, die andere bei der Zeitung, eine andere vom Fanclub... ich bin nicht seine Matratze, die man austauschen kann. Und wenn die anderen auch abgenutzt sind, dass man wieder zum Altgewohnten zurückkehrt. Der kann gerne weiter durch irgendwelche fremde Betten hüpfen, ist mir egal. Soll er leben wie er will, aber das macht er nicht mit meinem Leben!“ „Tut mir leid.“, sagte er, weil er nicht wusste, was er sonst hätte sagen sollen. „Sieben Jahre meines Lebens verschwendet... den ganzen Stress den ich hatte mit seinem Vater , der mich vom ersten Moment nicht leiden konnte. Die Mutter, die nie etwas gegen ihren Mann sagte, weil sie sich unterbuttern lässt. Marie haben sie jahrelang den Kontakt zu mir verboten, die Presse hat so oft drauf herumgehackt und diese ganzen Drohbriefe der Fans...“ „Ich versteh das auch nicht... ihr hattet keine Differenzen gehabt zuvor?“ „Nein. Gar nichts. Er ist oft nicht in Hamburg, ja, das war aber von vornherein klar gewesen. Ich war auch zeitweise im Trainingscamp. Für acht Wochen von der Außenwelt abgeschnitten, aber er hat mir keinen Grund gegeben ihm zu misstrauen, und ich hab nie etwas mitbekommen, dass er mit der Situation unzufrieden war... da war einfach nichts, Genzo. Nichts.“ „Ich rede mit ihm.“, sagte er nur und wollte schon aufstehen, als Lena ihn zurückhielt. „Nein, auf gar keinen Fall. Du machst das Ganze nur noch schlimmer. Ich bin fertig damit!“, sagte Lena aufgebracht, „Lass es einfach so stehen.“, kam es recht ruhig von ihr, doch er konnte erahnen, dass sie alles andere als ruhig war. „Es ist schon gleich halb zwei. Du kommst zu spät zum Training.“, sagte sie dann plötzlich resigniert. „Ich gehe nur, wenn ich mir sicher sein kann, dass du alleine keine Dummheiten machst.“ Kurz lächelte sie. „Maya kommt heute Abend. Sie sitzt schon im Flieger. Bis dahin mache ich keine Dummheiten.“ Kapitel 02 - Geflüster ---------------------- Am Trainingsplatz angekommen sah er seine Mitspieler schon am Fußballfeld stehen. Darunter auch Karl. Genzo blieb mitten auf der Treppe stehen und ihm ballte sich die Wut. Wie konnte er jetzt so fröhlich tun, während vor einer halben Stunde das Chaos ausgebrochen war. Wieso... nein warum war die bessere Frage. Warum fuhr er mehrgleisig, wenn er doch mit Lena den Hauptgewinn schon längst hatte? Er ging die letzten Schritte hinunter, hatte sich vorgenommen keinen großen Wirbel darum zu machen. Er bemerkte Franks Blick auf sich und kurz danach sah er ihn auf sich zukommen. „Wie geht's ihr?“ „Nicht hier. Lass uns das später bereden.“ Frank nickte nur und sie sahen zeitgleich zu Karl, der gerade mit Kaltz über München lautstark redete. Und schon wieder konnte er seine Wut über das Handeln seines Freundes nicht fassen. Was ihm einfach nicht in den Kopf ging... wieso hatte er in einer fremden Stadt eine weitere Beziehung? Wäre er so unglücklich gewesen, dann hätte er doch einfach einen Schlussstrich ziehen können. „Was steht ihr hier so rum? Los aufwärmen!“, kam es vom Trainer, der gerade aufs Feld kam. Rudi Schneider, Vater von Karl und Marie, war kein leichter Genosse. In einem hatte Lena sicherlich recht. Er würde es feiern, dass Karl und Lena offenbar nun getrennte Wege gingen... Es war 16.00 Uhr als das Training vorbei war und die Mitspieler von dannen zogen. Selbst Karl verzog sich alleine, was Genzo ganz recht war. Die ganze Zeit über hatte er tödliche Blicke von ihm auf sich gespürt. Als ob die Eifersucht ihn immer noch steuerte. Dabei hatte er das Aus der Beziehung mit Lena aufs Spiel gesetzt und verloren. Am Ende standen nur noch Frank und Hermann am Rand und warteten auf ihn. Als er zu ihnen kam, fragte der Blonde direkt nach, was passiert war. Frank konnte seinen Mund offenbar nicht halten. „Was war los heute Mittag? Frank sagte, dass bei denen die Fetzen geflogen sind. Du warst bei Lena... was hat sie gesagt?!“ Doch stattdessen dass er eine Antwort lieferte, sah er zu Frank. „Was hat er zu dir gesagt?“ „Nichts. Er hat mich ignoriert. Als wir am Platz ankamen, hat er großartiges aus München berichtet. Lena hat er dabei mit keinem Wort erwähnt. Als ob er ausgewechselt war.“ „Also, was hat sie gesagt? Ist sie schwanger?“, kicherte Kaltz, der absolut keine Ahnung hatte. „Nein.“, sagte Genzo kalt und nahm seine Sporttasche. „Okay, nicht schwanger. Das ist gut. Karl wollte nie Kinder,...“ „Hör auf Scherze zu machen, Kaltz! Sie hat die Beziehung beendet und ihn aus der Wohnung geworfen.“ „WAS?! Niemals! Du lügst! Wieso sollte sie-“ „Er hat sie mehrmals betrogen. Sie hat es raus gefunden und die Sache beendet.“, sagte er nun schon wieder ruhiger und ging voraus. Frank und Hermann sahen sich beide geschockt an, bis Frank sich gut überlegte Worte zusammen legte. „Er ist fremdgegangen?“ Genzo nickte. „Lasst uns ins Café ans Eck gehen. Ich mag ungern hier darüber reden.“, meinte der japanische Keeper. „Ich versteh das nicht. Wie kann er so eine Frau aufs Spiel setzen?!“, fragte Hermann entrüstet und nahm sein Glas Cola in die Hand. „Wie hat sie es raus gefunden?“, fragte Frank interessiert. „Ihr wisst doch, Maya, ihre beste Freundin, studiert in München. Sie hat Karl wohl zufällig gesehen, mit einer anderen Frau. Sie hat ein sehr... vertrautes Foto gemacht davon und es Lena geschickt. Und... danach ein bisschen nachgeforscht, solange er in München war.“, sagte er und nahm seine Tasse, um einen Schluck seines Kaffees zu trinken. „Du hast gesagt... er hat sie mehrmals betrogen? Mit einer?“, fragte Hermann und Genzo schüttelte den Kopf. „Da soll es wohl mehrere Frauen geben. Und...“, er machte eine Pause, weil er das gerade selbst immer noch nicht fassen konnte, „... er hat wohl auch seit zwei Jahren eine feste Beziehung mit einer.“ „Herrgott! Was ein Idiot!“, schimpfte Kaltz und haute mit der Faust auf den Tisch, so dass sich schon andere Besucher nach ihm umsahen, „Er war nie ein Kind der Traurigkeit, aber dass er Lena bescheißt, hätte ich nie gedacht.“ „Mit Lena war es die erste Beziehung überhaupt gewesen. Er hatte doch sein Verhalten geändert, nachdem das fest wurde, oder? Wieso macht er so was dann plötzlich...“, kam es von Frank. Darauf hatte keiner so richtig eine Antwort und es blieb still, bis Hermann eine Vermutung auf den Tisch haute. „Ich weiß, das klingt jetzt weit hergeholt, aber... du hast den besten Draht zu Lena...“, sagte der blonde Bulle und sah dabei zu Genzo, „Kann es nicht sein, dass er... dachte du würdest dich an-“ „Ich bitte dich, Hermann! Ich hab mich nie an Lena herangewagt. Sie war mit Karl zusammen. Punkt.“ „Ich weiß, ich weiß! Aber du weißt wie eifersüchtig er immer auf dich war. Wie gut du dich mit ihr verstehst, wenn er auch nur gedacht hat, dass da was lief...“ „Da könnte was dran sein.“, war Frank dazwischen. „Ihr spinnt doch. Was ist dass denn für ein Verhalten? Nur, weil er eventuell gedacht hätte, ich und Lena hätten etwas miteinander, geht man doch nicht mit mehr als zwei Frauen fremd!“ „Du weißt, das Karl manche Dinge anders sieht. Hast du denn irgendeine Situation mal gehabt, in den er das gedacht haben könnte?! Hast du ihm jemals solch einen Anreiz gegeben?“, fragte Hermann erneut. „Nein, nicht das ich wüsste...“, sagte Genzo und überlegte ernsthaft darüber nach. Er hatte Lena immer als Freundin von Schneider gesehen. Nie als etwas mehr. Auch wenn... sie attraktiv war. Sie war bodenständig und lebte ihr Leben wie sie es wollte. Keine Frage, er fand sie toll, aber er hatte nie einen Gedanken verschwendet, dass da mehr draus werden würde. Auch dann nicht, als... Ihm viel plötzlich eine Situation ein, die recht... merkwürdig war. Aber es war schon ein paar Jahre her. Er hätte wahrscheinlich nie daran gedacht, wenn die Lage nicht so ernst wäre. Es war vor drei Jahren... als Karl und Lena zusammengezogen waren. Er hatte beim Umzug geholfen. Karl war gerade mit dem Auto unterwegs und holte die letzten Kisten mit dem Kleinkram, als er ein Beitisch die Treppen hoch trug. Lena kam aus dem Wohnzimmer und kam ihm entgegen. Sie zeigte auf den kleinen Beitisch, den sie ins Bad haben wollte. Der Raum war recht eng und sie gingen fast zeitgleich durch die Tür... dabei hatten sie sich kurz an einer eher ungewöhnlichen Stelle berührt, die ihn damals ziemlich durch den Wind brachte. Sie hatte es mit Sicherheit auch direkt bemerkt, ging dem aber sofort aus dem Weg und er stellte das Tischchen an den Platz, an den sie hindeutete. Dabei stand es ein wenig schief und sie wollte es richten, als sich ihre Hände abermals berührten. Das war die Schnittstelle, an denen beide sich ansahen. Verwirrt und schüchtern... Wenn er genau darüber nachdachte, hatte er damals ein leichtes Herzklopfen verspürt und wäre in dem Moment nicht Karl die Tür rein geplatzt, wäre das ganze in eine völlig falsche Richtung verlaufen. „Genzo?“, kam es von Hermann und er riss sich aus seinen Gedanken. „Was?“ „Ich sagte, ich muss los. Ich treff mich heut endlich wieder mit Marie.“ „Weiß er es eigentlich schon?“, kam es von Frank neugierig, „Wenn wir hier schon über Frauen reden?“ „Bist du irre? Der macht aus mir Hackfleisch, wenn er erfährt dass ich seine Schwester date...“ „Du solltest ihm das sagen, Kaltz. Er wird es früher oder später eh erfahren.“, sagte dann Genzo. „Man ey, ihr macht immer so einen Druck. Wir haben uns erst ein paar mal getroffen. Keine Ahnung ob das was wird. Mal gucken. Da werd ich ganz sicher nicht direkt zu ihm laufen. Gerade jetzt nicht.“, sagte er, trank den letzten Schluck seiner Cola und verabschiedete sich, „Also, macht keine Scheiße, ich muss los.“ Und damit verschwand der Bulle aus dem Café. „Wie viele Jahre sind beide auseinander?“, fragte Frank und nahm das Thema wieder auf, sobald Hermann aus dem Blickfeld verschwunden war. „Hermann und Marie? Puh. Sieben Jahre? Ungefähr. Ja doch, er ist 27 und sie gerade 20 geworden.“ „Karl würde ausrasten, oder?“ „Ich weiß nicht.“, seufzte er und nippte an seiner Tasse, „Beide sind erwachsen. Eigentlich kann er dagegen nichts machen.“ „Heißt nicht, dass er es gut finden würde.“, warf Frank mit rein. „Wo die Liebe hinfällt.“, sagte er und beendete das Thema damit, „Ich bin dann auch mal los. Heute kommt der Vermieter, irgendwelche Kontrollen wegen der Heizung. Muss nach Hause.“, sagte der Keeper, legte seinen Anteil der Bezahlung auf den Tisch und hob die Hand. „Und was ist mit Kaltz Bestellung?“ „Die übernimmst du heute.“, lachte er kurz, bevor auch er das Café verließ. Kapitel 03 - Erinnerungen ------------------------- „Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Ich hab echt mit mir gehadert, Lena. Ob ich dir das schicken soll... ich weiß doch, wie sehr dir die Beziehung wichtig war.“ „Es war gut so, dass du ehrlich zu mir warst, Maya. Auch wenn es hart war.“ Maya und Lena saßen zusammen im Wohnzimmer. Ein bisschen hatte sie in der Zeit aufgeräumt, als sie alleine war. Gut, dass sie sich krankschreiben ließ vor ein paar Tagen. Seit dem Foto konnte sie sich auf nichts konzentrieren. So dass es sogar schon Stefan, ihr Trainer mitbekommen hatte, dass etwas nicht stimmte. Sie hatte ihm nicht genau gesagt, was mit ihr los war, aber er schickte sie nach Hause. War definitiv besser. So konnte sie ihrem Team keinen Vorteil erbringen. In drei Tagen begannen die Auswahlspiele für die nächste Pro League. Bis dahin musste sie reinen Tisch mit ihrem Leben machen. „Ich hab noch was herausgefunden.“, sagte Maya dann kleinlaut, „Ich weiß nicht, ob du das wissen musst, aber... ich hab die eine Frau ausfindig machen können, mit der er offenbar zusammen ist. Hab Tobi drauf angesetzt.“ „Tobi? Der, ich zitiere gutaussehnde IT-Fachmann von dem du mir seit Wochen vor schwärmst?" „Ja, der.“, lächelte Maya, „Er war mir ein Gefallen schuldig.“ „Und? Was für eine Horrornachricht kommt jetzt noch?“ „Also, die eine aus dem Fanclub und die Journalistin sind wohl ganz klar One Night Stands gewesen. Zu denen hatte er keine weiteren Treffen. Nur die Barkeeperin... die traf er wohl öfters in einer sehr bekannten Bar in München, in der sie wohl auch arbeitet.“ „Weißt du was ich nicht verstehe? Wieso blieb das alles unter der Hand? Man kennt ihn doch! Wieso ist die Presse nicht zufällig darauf gestoßen?“ „Die Bar... ist sehr diskret. Du kannst es dir vorstellen, wie eine Highsociety. Da kommen nur Promis rein und wollen wir ehrlich sein, es ist ein leichtes für Schneider da rein zu kommen mit seinem Status.“ „Status... wenn ich das schon höre. Karl hat sich schon immer auf sein Ruhm ausgeruht. Und vor mir, hat er ja mehr die Frauen gewechselt, als Unterhosen!“ „Das stimmt. Er war da recht... erfolgreich.“ „Ich dachte wirklich, er meint es ernst mit mir!“ „Ich weiß, Lena.“ „Am Anfang da wollte er auch nur mir den Hof machen, mich abschleppen und dann fallen lassen.“ „Aber an deiner Hartnäckigkeit, hat er sich die Zähne ausgebissen.“ „Ich bin halt keine Frau für einmal. Dafür war ich mir zu schade. Er hat ja aber auch nicht aufgehört und dann...“, sie seufzte, als sie an die Anfänge zurück dachte. Er war echt unausstehlich gewesen. Charmant, aber ein Ekel in Person. Er trieb mit den unterschiedlichen Frauen seine ganz persönlichen Spielchen. Umschmeicheln, abschleppen, fallen lassen. Das war seine Devise gewesen. Nur mit Lena hat er die falsche Frau getroffen. Sie ließ sich auf das Spiel nicht ein. Und der blonde, junge Fußballer damals, wollte nicht locker lassen. Bis... er sich dann doch wohl in ihre Sturheit verliebt hatte. Irgendwann ließ sie dann auch den Vorhang fallen. Jeder hat ihre Beziehung belächelt. Fast alle. Bis auf Karls Freundeskreis, die noch relativ human zu ihr waren. Besonders Genzo hatte sie erst richtig in die Clique aufgenommen. Aber den Rest konnte man vergessen. Die Klatschpresse hatte groß von Karls Verehrerinnen gesprochen. Sie hatten Lena immer belächelt und es heraufbeschworen, dass aus der Beziehung nie etwas Ernstes werden könne. „Weil er nicht aus seiner Haut konnte.“ - hatte man gesagt. Sein Vater, der eigentlich froh sein müsste, dass sein Sohn endlich sein sprunghaftes Verhalten ablegte, war gar nicht erfreut über Lena. Das war jedoch erst ab dem Zeitpunkt, als er erfuhr, als was sie arbeitete. E-Sport war für den resümierten Trainer ein Verrat an den wahren Sport. Als sie das erste Mal mit Penta den Pokal holte, hatte er sich öffentlich lächerlich über sie gemacht. „Völlige Ressourcen Verschwendung. Computerspiele verderben unsere Kinder! Man sieht es ja an den vielen Amokläufen in den letzten Jahren. Alles nur, weil die Kids heutzutage zu viel vorm Computer sitzen!“ Die Debatte über „Ballerspiele und Amokläufen“ hatten sie oft geführt. So arg, dass Jeanette, Karls Mutter und Ehefrau von Rudi, sie sogar einmal bat, das Haus zu verlassen. Ab diesem Zeitpunkt war es nur ein Spießrutenlauf. Karls Fanclub saß ihr im Nacken. Besonders die weiblichen Fans. Sie schrieben ihr Drohbriefe, stellten ihr teilweise nach und verfolgten sie auf Schritt und Tritt. Setzten sogar mit Absicht Gerüchte in den Raum. „Sie hätte Kinder, die sie zur Adoption freigegeben hätte“ - „Sie würde fremdgehen“ und der absolute Oberknüller war, dass sie ihr und Genzo eine Affäre andichteten. Nachgewiesen konnte man keiner etwas. Wegen solchen Sachen, wurde ihr dann auch der Kontakt zu Marie verboten. Von Karls Vater aus. „Ich will nicht, dass du meine Tochter da hineinziehst!“ Die Beziehung zu Karl hatte darunter sehr gelitten. Das wusste sie selbst. Sie trafen sich nicht mehr öffentlich, sie kam nicht mehr zu den Fußballspielen und alles weitere was man als Paar machen könnte, war nicht möglich. Heimlich hatten sie sich bei Lena zu Hause gemütlich gemacht. Oder bei den anderen Jungs. Von denen jeder hinter der Beziehung standen. Hinzu kam, dass Karl in der 1. Mannschaft des HSV war und somit immer in der Stammelf und Nationalspieler von Deutschland war. Die Trainingszeiten nahmen viel ein und wenn mal wieder ein Trainingscamp oder Meisterschaften anstanden, sah sie ihn monatelang nicht. Als Mitglied von Penta Sports war sie durch ihren Job natürlich auch eingeschränkt gewesen. Beide Leben waren so stressig gewesen. Kaum zu glauben, dass sie es dennoch sieben Jahre ausgehalten hatte. Mit Sicherheit hätten es auch noch weitere zehn Jahre sein können, oder bis ihr Lebensende. Sie hatte Karl aufrichtig geliebt. Die Jahre mit ihm, hatten sie beide zusammengeschweißt. Sie hätte sich sogar vorstellen können, mit ihm eine Familie zu gründen. Doch... Karl konnte offenbar nicht aus seiner Haut. „... Beziehung mit der Frau.“ „Was? Sorry, war in Gedanken.“, sagte Lena und sah zu ihrer jahrelangen Freundin. „Ich sagte, seit zwei Jahren hat er eine Beziehung mit der Frau.“ „Ich wüsste gerne, ob sie das weiß, was er für ein Arschloch ist.“ „Denke nicht. Und falls doch, ist es ihr womöglich egal. Einen Karl Heinz Schneider gibt man keinen Korb.“ „Ich hab ihm einen Korb gegeben.“, sagte sie salopp. „Du bist eine Ausnahme. Ausnahmen bestätigen die Regel.“ „Noch was?“, fragte sie. „Ich hab den Namen. Weiß nicht, ob du den wissen willst. Aber, wenn du eine kleine Racheaktion planst, wäre ich sehr gerne dabei.“ „Sag an.“ Kapitel 04 - Racheplan ---------------------- Nervös wartete Lena auf ihre Freundin. Gestern waren sie noch in Hamburg, heute schon in München. Sie hatten den Tag über damit verbracht ihre Vorgehensweise durchzugehen und wollten gleich in die Stadt fahren, da das Abendgeschäft bald begann. Der Plan war gut. Sie wollten schauen, ob sie die Frau finden könnten, mit der Karl Lena zwei Jahre lang betrogen hatte. Sie wollte zumindest eine Genugtuung und der Dame stecken, dass es da noch andere gab. Was sie schlussendlich aus dieser Information machen würde, war nicht ihre Sache. Sie wollte sich nicht an dem Leid der anderen Frau erheben, sie wollte nur Gerechtigkeit und eine Linie von Ehrlichkeit. Sie fand es nötig, ihr das zu sagen. Wer auch immer sie war. Keine Frau hatte es verdient eine unehrliche Beziehung zu führen. Dabei ging sie fest davon aus, dass es keine „offene Beziehung“ sein konnte. Sie verstand die Paare eh noch nie, die sagten, sie liebten sich und haben ständig andere Partner nebenher, die dann auch noch missbilligt wurden. Entweder ein Partner, oder gar keinen! Als Maya gerade aus der Haustür kam, sie wohnte in einem kleinen Studentenwohnung, klingelte ihr Smartphone. Sie holte es aus der Hosentasche und sah den eingeblendeten Namen auf ihrem Display. - Ohne sich groß Gedanken zu machen, nahm sie ab. „Ja, der Herr wünscht?“ „Wo bist du?!“, klang es spitz aus dem Hörer. „Da, wo du nicht bist.“, sagte sie hoch erfreut mit einem bissigen Nachgeschmack. „Lena, ich mein es ernst. Ich komm nicht in die Wohnung! Mein Schlüssel liegt noch drin. Also wo bist du?!“ Maya sah sie verwirrt an und zog eine Augenbraue nach oben, als sie offenbar die Stimme am anderen Ende erkannte. „Also erstens,...“, sagte sie und machte eine einladende Pause, „Geht es dich absolut nichts mehr an, wo ich bin. Zweitens, hab ich meinen Schlüssel beim Vermieter abgegeben, da ich den Vertrag gekündigt habe, Schätzelein.“ „Du hast was?!“ „Denkst du wirklich, ich bleib auch nur eine Sekunde länger in dieser Wohnung, in der du jede Minute reinplatzen könntest?“ „Das kannst du nicht machen!“ „Und wie ich das kann. Die Wohnung ist gekündigt, zumindest für mich. Ich zahl die Miete noch den Monat, dann darfst du gern einer deiner weiblichen Bekannten da einziehen lassen. Oder... ich hab's! Zahl sie einfach komplett selber. Du hast ja Geld, sagtest du selbst immer wieder. Und die Frauen stehen ja darauf, nicht?“ Kurz war es still und Lena war am überlegen, einfach aufzulegen. Sie hatte keine Lust mehr mit ihm am Telefon zu streiten. Aber Karls nächste Frage warf sie aus der Bahn... „Du machst echt Schluss, wegen so was?!“ „Wegen so was?“, keuchte sie erschrocken, „Das fragst du auch noch? Du bist fremdgegangen, Karl! Und das nicht nur einmal, oder zweimal... mehrmals, ich will gar nicht wissen wie oft. Das ist Grund genug Schluss zu machen, findest du nicht?“ „Das war... nichts ernstes...ich lieb-“ „Komm, spar dir deine Ausreden. Man geht nicht mit jemanden anderen ins Bett, wenn man vergeben ist.“ „Wir müssen dann, Lena...“, flüsterte Maya ihr zu und stieg schon einmal ins Auto. „Mach mit der Wohnung was du willst. Und komm ja nicht auf die Idee mich nochmal irgendwie zu kontaktieren.“ „Das wirst du noch bereuen! Glaub mir mal...“ „Ja, ja du mich auch. Schönes Leben noch.“, sagte sie und legte endlich auf. Sie seufzte kurz auf, bevor sie sich ins Auto dazu setzte. „Schneider?“ „Ja.“ „Respekt. Dass er dich nochmal anruft.“ „Wahnsinnig wohl eher. Er hat einfach nicht verstanden, wieso ich Schluss gemacht habe.“ „Er ist und bleibt ein Aufreißer, Lena. Es gibt Typen, die überschätzen sich nur weil sie Berühmt sind und den richtigen Beruf ausüben.“ „Ja. Scheint so...“ „Denk nicht mehr so viel darüber nach.“ „Es tut trotzdem weh, egal wie kalt ich eben war.“ „Das ist nur menschlich. Ich mach dir keinen Vorwurf. Ich kenn das doch auch. Gerade wenn eine Beziehung zu Ende geht und dann eben auch nicht schön. Das ist immer schwer. Aber der tat dir noch nie gut. Auch wenn du das nicht hören magst. Ich fand, ihr wart noch nie auf einer Wellenlänge.“ Maya startete den Motor und der Wagen fuhr los... Eine gute halbe Stunde später parkte Maya auf einen öffentlichen Parkplatz und beide Frauen gingen zuerst die Hauptstraße entlang. Lena hatte sich auf ihrem Smartphone via Navigationsapp die Bar eingespeichert und folgten nun den Anweisungen der App. Die Straßen in München waren schon sehr überfüllt gewesen. Es war immerhin Abends und die ersten Clubs und Bars waren geöffnet. Als Lena kurz auf die App schaute, bemerkte sie, dass sie eine Whats App Nachricht erhalten hatte. Jedoch diesmal nicht von Schneider. „Ich glaub da vorne ist es...“, sagte Maya dann und zeigte auf eine recht luxuriöse Bar, an einer Straßenecke. „Ja, warte, ich muss eben was nachschauen.“, sagte Lena. „Ich geh schon mal vor.“, sagte Maya und steuerte die Bar sofort an, während Lena die App schloss und die Whats App Nachricht in den Vordergrund holte. Es war eine Sprachnachricht von Genzo. Dass Schneider sie heute angerufen hatte und nun Genzo ihr schrieb, war kein Zufall. Sie drückte auf den Playbutton und hörte sich seine Nachricht an. „Hey... wollte wissen wie es dir geht? Egal was du machst, meld dich mal. Und... blockier lieber mal Karls Nummer. Er ist heute völlig aufgebracht zum Training gekommen. Ein Blinder würde sehen, dass er irgendetwas ausheckt. Pass auf dich auf.“ Lena lächelte und hörte sich noch einmal seine Sprachnachricht an. Es freute sie, dass trotz der Trennung mit Karl-Heinz, ihre Freundschaft zu Genzo nicht in die Brüche ging. Seine Stimme zu hören, nachdem sie vor ein paar Stunden Karls aufgebrachte und wütende Stimme gehört hatte, tat ihr gut. „Lena? Kommst du, da vorne ist die Bar tatsächlich und sie haben geöffnet.“ Schnell schloss sie die App und verstaute ihr Handy wieder in der Hosentasche. „Ich komme.“ Als beide Frauen vor der Bar standen, las Lena im Stillen den Namen der Bar. - The Martini Club* „Sieht schweineteuer aus.“, warf Maya ein, „Meinst du wir kommen da rein?“ „Mit Geld, kommen wir überall rein. Weißt du doch.“, grinste sie und holte ihren Geldbeutel heraus, „Ich hab ausnahmsweise mehr dabei, als sonst.“ Es war etwas schwer am Türsteher vorbei zu kommen. Aber Lena war eine attraktive, junge Frau und nachdem sie ein bisschen mit ihrem Erfolg und dem Geld gewedelt hatte, kamen sie hinein. Normal war das gar nicht ihre Art. Sie war schon immer Bodenständig gewesen und machte sich nicht viel aus Geld und Ruhm. Sie fühlte sich auch nicht gut dabei, aber wie sagte man so schön: Der Zweck heiligte die Mittel. Hinter dem Eingang gingen sie erst einmal eine lange Treppe hinunter. Die Bar selbst befand sich im Keller und erst da drang die Musik an ihren Ohren. Kurz sah sie sich um. Es war recht dunkel gehalten. An der linken Seite befanden sich schwarze Ledersitze in einer Reihe durchgehend. Davor kleine rechteckige, schwarze Tische, auf denen jeweils eine brennende Kerze, in einem milchigen Glas stand. Davor waren noch kleinere schwarze Hocker, ebenso aus Leder. Ein breiter Gang war dazwischen. Der Boden glänzte und hatte einen Schimmer von Blau. Was daher rührte, dass die Decke mit verschiedenen Lichtern in Blautönen verkleidet war. Auf der rechten Seite sah sie dann die Bar, die sich ebenso lang erstreckte. Diese jedoch war hell erleuchtet in Gelbtönen. Die Theke war schwarz und davor schwarze Barhocker, die schon reichlich besetzt waren. Im hinteren Bereich befand sich eine Tanzfläche und ein DJ, der gerade seine gemixte Musik auflegte. „Nicht voll, aber gut besucht.“, stellte Maya fest, „Magst du was trinken?“, fragte sie und stupste Lena in die Seite. „Ja, definitiv.“ Es verging einige Stunden, in der sie und Maya an der Bar saßen. Während Maya schon ihren dritten oder gar vierten Drink hatte, saß sie immer noch an ihrem ersten. Sie trank prinzipiell nie viel. Und solche Barbesuche schlug sie immer komplett aus. Sie fühlte sich nicht so wohl unter vielen Menschen in einen Raum. Vor allem, wenn diese Menschen ihr völlig fremd waren. Bisher hatten sie die Frau, mit der sich Karl wohl öfters traf, noch nicht gesehen. Maya hatte ja ihren Namen herausgefunden. Sie wusste ungefähr wie sie aussah, doch ob sie ausgerechnet heute hier war, das konnte sie nicht wissen. Es war eine Sache auf Gut Glück. „Was für eine Augenweide...“, sprach sie jemand von der Seite an und Lena fing schon innerlich an zu seufzen, „Kann man dich auf einen Drink einladen?“ Sie wandte sich dennoch um. Der Mann neben ihr, der sie angesprochen hatte, sah sicherlich sehr nett aus, aber Lena mochte diese ganzen Anmachsprüche noch nie. Außerdem war sie nicht hier, um Männer kennenzulernen... „Nein, danke. Kein Interesse.“, sagte sie, um ihm gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Schade. Ein Versuch war es wert. Dir noch einen schönen Abend.“, sagte er freundlich und zog von dannen. Dass es so einfach werden würde, hatte sie jetzt nicht gedacht. Nun gut. Die Bar hatte ein sehr hohes Ansehen. Offenbar machte die Security hier tatsächlich ihren Job. Plötzlich schubste Maya sie in die Seite und Lena wollte sich erst beschweren, als auch ihr eine Frau aufgefallen war, die gerade hinter die Theke trat. „Das müsste sie sein.“, sagte Maya, die Mühe hatte, gegen die Musik anzukommen, „Los, sprich sie an!“ „Ich?“ „Natürlich du, Lena. Deswegen sind wir doch hier.“ Plötzlich wusste Lena nicht mehr, ob das eine gute Idee gewesen war. Um ehrlich zu sein, hatte sie kein gutes Gefühl mehr. „Sag jetzt nicht du kneifst?! Ich geh stark davon aus, dass sie nichts von dir wusste. Und Schneider verdient eine Rache. Wo trifft man ein Casanova also am ehesten? An seinem Ego.“, sagte Maya, „Lena... er hat dir wehgetan und dich verletzt. Er hat dich betrogen. Ihr wart praktisch schon...“ „Stopp. Wir hatten nie über Verlobung geredet.“ „Ein Punkt mehr, dass er dir die Zeit geraubt hat, meiner Meinung nach und die Frau hat auch ein Recht die Wahrheit zu erfahren.“, sagte sie und setzte noch etwas nach, „Sagtest du nicht immer, nur eine ehrliche Beziehung, ist eine glückliche?“ Verdammt sie hatte ja recht. Und wer wusste schon, wie viele Herzen Karl schon gebrochen hatte, eben weil er nicht aus seiner Haut konnte und die Frauen nur als Spielzeug sah. „Okay, okay.“, sagte Lena und atmete einmal tief durch, bis sie sich aus ihrem Barhocker erhob, „Ich mach das. Bleib du hier. Zu zweit sehe das komisch aus.“ „Los Löwin.“, spornte Maya sie an, was sie nur mit einem verspielten Lachen erwiderte. Zielstrebig ging sie auf die Frau zu, die gerade ein paar Drinks fertig machte. Sie hatte kurzes, schwarzes Haar. Ihre Haut war gebräunt. Ihr Aussehen machte einen sympathischen Eindruck. Sie war nicht zu sehr geschminkt und auch ihre Kleidung war... irgendwie viel zu lang und ausfallend. So eine Art Schlabberlook, wie Maya es immer nannte. „Hey. Bist du Anna?“, fragte Lena geradewegs heraus und die Frau vor ihr, die gerade Getränke mixte, sah abrupt zu ihr hoch. „Eh, ja. Kennen wir uns?“ „Nein.“, sagte Lena ehrlich, „Aber ich muss mit dir reden. Hast du eine ruhige Minute für mich? Es ist wirklich wichtig.“ „Puh, ich wüsste nicht was wir zu bereden hätten, aber du hast mich neugierig gemacht.“, sagte sie und Lena tat es irgendwie leid, ihre heile Welt vielleicht gleich kaputt zu machen, „Aber ich hab erst gerade meine Schicht angefangen.“ „Kein Problem. Ich und meine Freundin sitzen dort drüben. Job geht vor, keine Frage. Wenn du ein bisschen Zeit hast,...“ „Dann komm ich zu euch rüber. Ok. Kann ich dir einen Drink machen?“, fragte sie dann freundlich. „Danke, aber ich bin noch voll bedient.“ „Okay, dann... bis später.“, lächelte sie und gab die Flüssigkeit, die sie in ihrem Mixbecher hatte in einige Gläser hinein. Lena trat einige Schritte rückwärts, bevor sie sich wieder zu Maya begab. Als sie ankam fragte diese gleich, wie es gelaufen ist. Sie sagte ihr, dass sie später zu ihnen rüber kommen würde... Es vergingen gefühlt Stunden und Lena und Maya hatten sich auf die Ledersitze auf der anderen Seite, in eine Ecke gesetzt. Fernab dem Gewusel. Sie wusste noch nicht genau, wie sie das Gespräch mit der Barkeeperin anfangen sollte. Im Endeffekt müsste sie es einfach auf sich zukommen lassen. Plötzlich sah Lena Anna auf sie zukommen. Die Bar war immer noch gut besucht, aber offenbar gab es gerade einen Schichtwechsel. Anna kam mit einem Tablett auf sie beide zu und stellte diesen auf den kleinen Tisch ab. „Ich hab euch zwei Drinks gemacht für die lange Wartezeit. Sorry, heute ist echt viel los.“, sagte sie und stellte ihr, als auch Maya ein Glas ab. „Danke, aber das wäre nicht nötig gewesen.“ „Ach Quatsch.“, sagte sie und setzte sich dann ihnen gegenüber, „Also, du wolltest mit mir reden. Um was geht es denn?“ Die Stunde der Wahrheit. „Es geht um...“, begann sie und sah kurz zu Maya, die ihre versteckten Hilferufe sofort wahrnahm. „Also, es geht wahrscheinlich um einen gemeinsamen Freund von euch. Oder nicht mehr Freund... ach. Es ist ein bisschen...“, sagte Maya und verhedderte sich selbst in ihren Wörtern. Daher übernahm Lena abrupt das Gespräch und sagte es einfach frei heraus. Das war doch alles total bekloppt hier. „Karl-Heinz Schneider. Sagt er dir etwas?“ Es wurde gefühlt kälter im Raum. So empfand es Lena zumindest. Sie sah zu Anne, die plötzlich ihren Kopf senkte und an ihrem T-Shirt rum fummelte. „Ja. Leider.“, sagte sie leise und sah dann kurz zu Maya, „Du sagtest, gemeinsamer Freund? Wie darf ich...“ „Er ist mein Exfreund.“, sagte Lena geradeheraus. „Exfreund?“ „Ich weiß,... dass ihr zusammen seid. Deswegen hab ich Schluss gemacht, weil er... mich mindestens zwei Jahre mit mehreren Frauen betrogen hatte. Eine davon, warst du.“, sagte Lena und ihre Stimme wurde leiser, „Es tut mir leid, dass ich dir das sage... aber ich fand es nur Gerecht, also falls du das nicht wusstest und so, ich...“ „Deswegen war er dagegen...“, murmelte Anna plötzlich. „Wie bitte?“, kam es von Maya dazwischen. „Entschuldigt... ich...ich... puh. Ich wusste nicht, dass er eine Freundin hatte.“, sagte Anna und richtete sich an Lena, „Ich wusste das wirklich nicht. Wie... wie habt ihr mich gefunden?“ „Ich hab dich und ihn letzte Woche zusammen gesehen. Und ein Freund von mir, hat deinen Namen herausgefunden und wo du arbeitest. Also, wir haben dich nicht gestalkt oder so, aber... Lena wollte dir die Wahrheit sagen, dass Schneider nicht zu trauen ist, bevor er noch mehr Herze bricht.“, erklärte Maya. „Verstehe. Wisst ihr... ich bin nicht mehr mit ihm zusammen. Er hat vorgestern erst Schluss gemacht.“ Lena schaute abrupt auf. „Hat er?“ „Ja... ich... eigentlich ist das nicht der richtige Ort dafür. Ich hab in zwei Stunden Feierabend. Wenn ihr wollt... und warten könnt... also..“ Irgendwie schien Anna genauso verloren zu sein, wie sie zu Anfang der Trennung. Also stimmte Lena zu, sie nach Feierabend noch einmal zu treffen. Anna bot ihnen an, zu ihr nach Hause zu fahren. Ihr lag etwas auf dem Herzen und Lena konnte nicht einfach ablehnen. Dafür... hatte sie schon viel zu viel Mitleid mit ihr gehabt... Kapitel 05 - Verantwortung -------------------------- „Sorry, ich hab nicht aufgeräumt. Ist ziemlich klein und ich hatte heute nicht mehr mit Besuch gerechnet.“, sagte Anna und schien leicht nervös zu sein, als sie ihren Haustürschlüssel aus ihrer Tasche herausholte. Was nicht verwunderlich war. Wie hätte sie ahnen können, dass zwei Frauen in der Bar auftauchen, in dem sie arbeitete und sie um ein Gespräch baten. Lena hatte dafür vollstes Verständnis gehabt, wenn sie das Gespräch auf den nächsten Tag verschoben hätten. „Wir können auch morgen Mittag nochmal hier her kommen, wenn es dir da lieber ist.“, sagte Maya. „Nein, nein. Ist schon okay. Ich muss euch da etwas zu sagen, was nicht aufzuschieben ist.“, erwiderte sie hingegen. Lena dachte schon die ganze Zeit darüber nach, was Anna ihnen jetzt wohl erzählen würde. Immerhin wussten beide, dass sie eine Beziehung mit Schneider hatte. Und das knapp über zwei Jahre, heimlich. Was wollte sie also noch erzählen? Maya und Lena traten in die kleine Wohnung ein. Sie war wirklich recht klein. Reichte gerade so aus für eine Person. Ein kurzer Flur, rechts eine kleine Küchennische, links kleines Bad, mit nur einem Waschbecken und Toilette. „Einfach geradeaus. Da ist das Wohnzimmer.“, sagte Anna hinter ihnen, um die Haustür zu schließen. Lena und ihre Freundin folgten den Anweisungen und kamen links an einer weiteren Tür vorbei. Offenbar Schlafzimmer. Lena schaute nicht hinein, da die Tür eh geschlossen war. Daher traten sie am Ende des Flures ins Wohnzimmer ein. Es war klein und überschaubar. Eine kleine Couch, ein kleiner Beistelltisch aus Holz, ein paar Schränke, ein kleiner Fernseher und einen kleinen Sitzsack. - Der wohl einzige Luxusartikel hier in der Wohnung. Wirklich nichts berauschendes. Sie hatte offenbar nicht viel Geld. „Setz euch ruhig. Möchtet ihr... ein Glas Wasser? Ich hab leider nichts anderes da.“, fragte die Schwarzhaarige nach, doch beide verneinten, „Okay. Gut. Ehm...“, kam es verunsichert von ihr, „Wo soll ich bloß anfangen?!“, fragte sie sich und setzte sich auf den Sitzsack, während die Mädels sich auf die Couch niederließen. „Also, eigentlich haben wir dich ja aufgesucht, weil wir dir etwas erzählen wollten.“, fing Maya an. „Ja. Also ich wusste wirklich nicht, dass Karl-Heinz eine Freundin hatte. Das musst du mir glauben.“, sagte sie und sah dabei Lena fest in die Augen, „Er kam irgendwann in die Bar und wir kamen ins Gespräch. Natürlich wusste ich, wer er war. Aber das sind so viele Personen, die einen recht ansehnlichen Namen haben, die dort verkehren. Ich hab mir dabei nichts gedacht.“ „Ist schon gut. Ich glaube dir.“, sagte die Blonde aufrichtig, „Wir, oder besser gesagt, ich wollte dass du das weißt. Er... war vor unserer Beziehung ein richtiger Draufgänger. Hatte vorher nie Beziehungen.“ „Du warst seine Erste?“ „Also, Erste in Beziehungen. Glaub nicht dran, dass er... na du weißt schon. Er ist ein ziemlicher Weiberheld, wenn man das mal so sagen darf.“, sagte Lena und klang dabei sehr abfällig, „Ich dachte, dass wäre Geschichte gewesen, als wir zusammen kamen.“ „Und du hast dich getäuscht. Ich hab's dir aber auch immer wieder gesagt, dass er nicht der Engel ist.“, kam von Maya dieser Zwischenkommentar. „Wie dem auch sei. Anna,...“, begann Lena und sah der Schwarzhaarigen in die Augen, „Ist dir nie aufgefallen, dass er sich merkwürdig verhielt oder so? Immerhin hat er uns beiden eine heile Beziehung vorgegaukelt.“ „Nein. Ich wusste ja, dass er in Hamburg beim FC Grünwald spielt. Also war es für mich ganz normal, dass er Wochenlang nicht in München war. Wir haben uns alle.. zwei bis drei Wochen gesehen. Zu Unterschiedlichen Wochentagen.“ „Aber die Zeitung schrieb doch jede Menge Zeug über euch.“, warf Maya ein und sah erst zu Lena und dann zu Anna, „Hast du da nie etwas mitbekommen?“ „Ehrlich gesagt. Nein. Ich hab weder eine Zeitung abonniert und wenn, dann ist es nur die kostenlose Mittwochs, aber selbst da schaue ich nicht rein. Ich hab nicht so viel Zeit in Zeitungen zu blättern. Ich hab eine 6 Tageswoche, 40 Stunden. Meistens bin ich einfach nur arbeiten, essen, trinken und schlafen, das war's.“, erklärte Anna, „Vielleicht hätte ich einfach mal reinschauen sollen. Dann wäre mir viel Ärger erspart geblieben.“, seufzte sie. „Ärger?“, fragte Lena vorsichtig nach. „Es ist einerseits gut, dass ihr her gekommen seid. Aber ihr weht ziemlich viel Staub wieder auf. Ich wollte die Sache eigentlich vergessen und nach vorne blicken. Aber... jetzt da ich es weiß und... ich hab die Sache einfach so verdrängt.“, sagte die junge Frau und legte ihre Hände ins Gesicht. Lenas Blick wurde traurig aus irgendeinem Grund. Anna sah richtig verzweifelt aus und ausgelaugt. „Ich versteh irgendwie nur Bahnhof. Okay, er hat sich getrennt. Da sollte man einfach nach vorne schauen und die ganze Scheiße vergessen. Das geht im übrigen auch an dich Lena.“, sagte Maya. „Vergessen kann ich es aber nicht.“, sagte Anna und stand vom Sitzsack auf, „Sekunde, ich hole kurz etwas.“, sagte sie und verschwand schnell aus dem Raum. Lena sah ihr kurz hinterher und sah gerade so, dass sie ins Schlafzimmer ging. „Was hat sie vor?“, flüsterte Maya verwirrt. „Keine Ahnung.“, kam es von ihr ebenso leise zurück. Man hörte eine Schublade oder ähnliches aufgehen, etwas Geraschel und später wieder das Schließen eines Faches. Die Schlafzimmertür ging zu und Anna stand wieder im Raum. „Ich mache es einfach kurz und schmerzlos. Hier.“, sagte sie und hielt Lena eine Art „Stift“ entgegen? „Was ist-“, wollte sie zuerst fragen, doch Anna schob es ihr förmlich in die Hand, „Du meine Güte! Du bist schwanger?!“, posaunte sie entsetzt heraus. „Zeig her!“, sagte Maya auffordernd und Lena gab ihr den Streifen eher in Trance weiter. „Wirklich?“, fragte Lena und sie stand kurz vorm Zusammenbruch. Das Karl sie betrog. Eine Sache. Das er sie mehrmals betrog. Zweite Sache. Dass er eine zweijährige Beziehung führte mit einer anderen Frau. Dritte Sache. Aber... dass er jetzt auch noch mit einer anderen Frau ein Kind gezeugt hatte. Das war zu viel für sie... Hatte sie sich wirklich so gravierend in ihm getäuscht? Wieso hatte sie damals nicht auf Maya gehört. Oder auf die vielen Anzeichen. Wieso hatte sie nur um dieses Arschloch auch noch gekämpft, als praktisch jeder gegen diese Beziehung war? Tja, sie musste damit ja auf die Nase fliegen... „Ich hätte dir den Test nicht zeigen sollen. Es tut mir leid, es tut mir so unendlich leid.“, sagte Anna verzweifelt und nahm den Schwangerschaftstest wieder an sich. „N-nein. Alles gut. Ich bin durch mit ihm. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, richtig?“, versuchte Lena gefasst zu wirken, was ihr mehr schlecht als gut gelang, „Wie lange bist du schon schwanger?“ „Zwei Monate ungefähr.“ „Habt ihr nicht verhütet?“, fragte Maya weiter. „Doch. Eigentlich. Also, ich vertrag die Pille leider nicht, deswegen benutze ich die Monatsspritze. Aber laut Ausrechnung der Zeugung, muss das wohl in dem Monat passiert sein, als ich mir die Spritze nicht leisten konnte. Und... na ja...“, druckste sie herum. „Ihr hattet ungeschützten...“, Lena war nicht bereit es auszusprechen. „Er hat mich mehr dazu überredet. Und das da schon nichts passieren würde von einem, vielleicht auch zweimal. Im Nachhinein weiß ich, dass ich da ziemlich blauäugig gewesen bin. Jedenfalls kann ich es mir nicht anders erklären.“ „Er hat nicht gut drauf reagiert, oder?“, fragte Lena fast schon sicher. „Ganz und gar nicht. Ich hab's ihm vor zirka zwei Wochen gesagt. Er... war nicht nett. Ehrlich gesagt, hab ich ihn gar nicht so recht verstanden, wieso er daraus ein Drama machte. Ja wir sind jung und ich hab auch nicht die finanziellen Mitteln ein Kind zu ernähren. Aber...“, sagte sie gedankenverloren, „Er hat Dinge gesagt, die ergaben für mich irgendwie null Sinn.“ „Was für Sachen?“, fragte Maya wiederum. „Na ja, so Sachen wie 'Du darfst nicht schwanger sein. Das geht nicht.' Ich hab mit jeder Aussage gerechnet, so etwas wie 'Du kannst nicht schwanger sein' – das hört man auch immer in jeder Soap. Aber dieses 'darfst nicht, geht nicht.' das war mir doch schon etwas suspekt.“ „Ich versteh irgendwie nicht, auf was du hinaus willst.“, kam es von Maya. „Ich schon.“, sagte Lena bestätigend, „Natürlich, es macht Sinn. Überlegt doch mal!“, sagte Lena und sah zwischen Maya und Anna hin und her, „Wenn rauskommt das du schwanger von ihm bist, dann ist die Presse nicht weit und dann hätte ich es auf alle Fälle mitbekommen.“ „Das ergibt tatsächlich Sinn.“, gab Anna zu, „Nach deinen Erzählungen her, war ich... die heimliche Beziehung. Du die Öffentliche. Wir haben uns selten an öffentlichen Plätzen getroffen. Fast nie. Entweder bei mir zu Hause, oder in der Bar. Nur einmal waren wir in der Stadt. Das war... als er die Sache beendete.“, erläuterte sie. „Der Moment, den ich gesehen hatte.“, kam es von Maya, „Das Foto, dass ich dir geschickt hatte, Lena. Das muss von dem Tag gewesen sein.“ „Du hast ein Foto gemacht?“, fragte Anna überrascht. „Ja... ich hab Schneider gesehen mit einer anderen Frau. Also, so sah es aus meiner Sicht aus. Ich hab ein Foto gemacht, da... habt ihr euch gerade geküsst. Sehr eindeutig. Daher hat Lena es auch herausgefunden.“ „Verstehe.“ „Wieso hat er Schluss gemacht?“, fragte Lena ruhig. „Er wollte das Kind nicht.“, sagte Anna resigniert, „Er... wollte zuerst, dass ich abtreibe. Ich sagte ihm, dass ich es mir überlege und ich hab dem ganzen dann auch erst zugestimmt. Und als wir uns an dem besagten Tag trafen und er mit mir shoppen ging, da... ihr wisst gar nicht wie das ist, wenn man an Kindern vorbeiläuft, im Wissen, dass man auch eines unter dem eigenen Herzen trägt und zugleich weiß, dass man es abtreiben wird.“ „Du hast aber nicht abgetrieben? Also noch nicht.“, sagte die Blonde und sah zu Anna auf, die immer noch vor ihnen stand. „Nein. Und ich werde es auch nicht. Ich hab mich umentschieden und das ihm auch so gesagt.“ „Und daraufhin hat er Schluss gemacht, richtig?“ „Ja. Er ist einfach gegangen und kam bisher auch nicht wieder.“ „So ein Dreckskerl.“, spuckte Maya die Worte hinaus, „Wie ein großer Hengst, aber dann nicht zu seiner Verantwortung stehen. Männer...“ „Du weißt, dass du das Recht hast, ihn als Vater anzugeben.“, sagte Lena sehr gefasst, obwohl sie sich irgendwie komisch dabei fühlte. „Ich weiß. Ich werde es aber nicht machen.“ „Wieso nicht? Wenn er schon nicht die Eier hat zu dem Kind zu stehen, dann soll er wenigstens dafür zahlen!“, kam es wütend von Lenas Freundin. „Das Geld... ist mir nicht wichtig. Gut, ich hab nicht viel und mein Gehalt reicht gerade so aus für mich. Ich hab auch keine Angehörige mehr. Aber... ich möchte meinem zukünftigen Kind keine Presse vors Gesicht halten. Und mit Sicherheit würde er die Vaterschaft sicherlich anfechten lassen. Dafür habe ich keine Nerven.“ „Er kann sich aber nicht einfach so aus der Affäre ziehen! Wer Kinder in die Welt setzen kann, kann auch dafür geradestehen.“ „Da haben wir andere Ansichten, Maya.“ „Ich verstehe dich. Aber...“, begann Lena, „... du solltest es dir gut überlegen. Und auch wenn ich es nicht gerne sage. Was willst du später deiner Tochter, oder deinem Sohn erzählen? Wer ist sein Vater? Was macht er? Wieso ist er nicht bei mir? Ein Kind hat das Recht, seine Wurzeln zu erfahren. Egal, wie seine Eltern zueinander stehen.“ Anna seufzte. „Ich weiß. Ich... tu mich mit der Sache mega schwer. Aber du hast in den Punkten natürlich recht. Ich werde dem Kind seinen Vater auch nicht vorenthalten. Wenn er... wenn er dazu stehen würde. Dann hätte ich kein Problem damit. Ich muss ihn nicht als Vater eintragen lassen. Ich will sein Geld überhaupt nicht. Ich verlange auch keine heile Familie. Denn mit den Erkenntnissen, die ihr mir erzählt habt, will ich den Kerl eh nicht wieder. Aber für ihn... für sie... es soll schon sein Vater kennen. Mehr will ich eigentlich nicht.“ Als Lena zu Maya ins Auto stieg war sie völlig in Gedanken versunken. Sie war froh, dass ihre Freundin sie nicht in ein Gespräch verwickelte. Sie wollte nur noch ihre Ruhe. Heute hatte sie nochmal eine komplett andere Facette von Karl-Heinz Schneider entdeckt. Eine, die sie in Mark und Bein erschütterte. Sie hätte niemals gedacht, dass Karl sie so sehr hintergehen würde. Ein Kind. Ein unschuldiges Kind. Sie hatte Mitleid mit Anna, nach wie vor. Vielleicht hatte Lena ihr deswegen ihre Hilfe angeboten. Wenn der Zeitpunkt da war, dann wollte sie definitiv Karl zu Rede stellen und dafür sorgen, dass er seine Verantwortung übernahm. Das war er Anna schuldig und auch ihr... Kapitel 06 - Zwiespalt ---------------------- Das erste was sie tat, als sie am nächsten Tag wach wurde, war darüber wieder und wieder nachzudenken. Alles was Anna erzählt hatte. Sie konnte es immer noch nicht verstehen. Wie kann das ein Mensch nur machen? Fußballprofi hin oder her. Auch ein Karl-Heinz Schneider kann sich nicht so verhalten! Sie überlegte die ganze Nacht schon, wie sie Karl darauf ansprechen konnte. Eigentlich... wollte sie ihn nie wieder sehen. Es hat gereicht einmal ihr Herz brechen zu hören. Am liebsten, wünschte sie sich, dass er gar nicht mehr existieren würde. Das würde so viele Probleme lösen. Konnte nicht irgendwer auf ihren Schädel einschlagen, der einen Gedächtnisverlust auslöste? Und sie ihre Erinnerungen die letzten sieben Jahre unbrauchbar machte? Ginge das nicht? Es klingelte. Lena schaute auf die Uhr, es war zehn Uhr morgens. Sie hatte die Nacht bei Maya in München verbracht. Es war zu spät um noch 800km nach Hause zu fahren. Wenn sie sich das recht überlegte, war das eine komplette verrückte Idee. Solch eine Strecke auf sich zu nehmen nur um Gerechtigkeit walten zu lassen. Sie war einfach nicht mehr bei Sinnen gewesen. Und was hat es ihr gebracht? Nur noch mehr Ärger... Es klingelte wieder. Lena riss sich aus den Gedanken. Maya konnte es nicht sein. Sie hatte eine Vorlesung in der Uni und würde vor heute Nachmittag nicht nach Hause kommen. Wer also könnte es sein? Sie ging zur Haustür und öffnete. Als die Tür komplett aufstand, musste sie kurz zwei Mal blinzeln, um zu realisieren, wer da vor der Haustür von Maya stand. „Genzo?!“ „Hab gehört Sie haben Kaffee bestellt?“, grinste er und hielt ihr einen Kaffeebecher von Starbucks vor die Nase. „Ich hoffe ja nur nicht, dass der aus dem Coffeeshop aus Hamburg ist, sonst kannst du den gerne kalt trinken.“, sagte sie trocken, bevor sie lauter wurde, „Was zum Teufel tust du hier?“ „Nach dir gucken. Du meldest dich ja nicht und Stefan sagt mir ja nichts. Datenschutz. Daheim bist du ausgezogen, Maya ist auch nicht da. Da war mir klar, dass du hier bist.“, sagte er und drückte ihr den Kaffeebecher in die Hand, während er an ihr vorbei schlüpfte in die Wohnung. „Aber... das sind 800km! Genzo!“, rief sie ihm nach und kickte mit dem Fuß die Tür zu, nur um ihm dann hinterher zu laufen. Er drehte sich zu ihr um, als sie in der Wohnstube standen. „Du hast meine Sprachnachrichten gestern angehört, ich bin nicht blind. Da waren zwei blaue Haken, aber du hast nicht darauf geantwortet.“ „Ich... hab's vergessen.“, sagte sie ehrlich. Das hatte sie wirklich. Nach gestern wusste sie einfach nicht mehr, wo sich ihr Kopf befand. „Wieso sagst du mir nichts, dass du mit zu Maya gehst? Du warst von einem Tag auf den anderen einfach weg. Ohne Nachricht.“, sagte er vorwurfsvoll. Eigentlich hatte sie vor, Genzo von Anna zu erzählen und das gesamte Gespräch. Aber, etwas ließ sie verstummen. Genzo und Karl waren irgendwo Freunde... gewesen. Und sie schätzte, dass er ausflippen würde, wenn er von dem ungeborenen Kind erfahren würde. Immerhin kannte sie ein bisschen die japanische Kultur. Ein uneheliches Kind, dass dann auch noch durch eine Affäre entstanden war, war ganz und gar nicht angesehen in Japan. Und Genzo wurde sicherlich auch so erzogen. Außerdem... es war ja nicht sein Problem. Hart gesagt, aber sie fand, dass er es nicht wissen musste. „Ich brauchte den Abstand.“, sagte Lena leise und verpackte es, als perfekte Ausrede. „Abstand? Das einzige was Stefan zu mir sagen konnte war, dass du dich krankgeschrieben hast. Klar, du siehst nicht gut aus, aber du lässt dich doch sonst nicht so aus der Bahn werfen.“ „Entschuldige mal!“, sagte sie und stellte erbost den Kaffeebecher auf eine Kommode ab, „Falls es dir entgangen ist... mein Leben ist ein Scherbenhaufen! Alles aufgebaut auf Lügen, betrügen, Verrat... wie würdest du dich denn fühlen? Huh?!“, schrie sie ihn an, „Ich musste aus Hamburg einfach raus. Bevor die Presse oder sonst wer noch davon erfährt. Die hätten mir die Tür eingerannt. Und... ich hab auch keine Lust gerade irgendwo Karl zu begegnen.“ Das Schreien tat gut, aber weniger berauschend war es, dass sie ihre Wut an Genzo ausließ. Er hatte damit doch eigentlich gar nichts am Hut. Er wollte ihr wahrscheinlich nur etwas Gutes tun und hatte verdammte 800km auf sich genommen, nur um zu sehen, wie es ihr ging. „Sorry.“, sagte sie daher sofort und legte ihre rechte Hand ins Gesicht, „Ich wollte dich nicht anschreien... du kannst ja nichts daf-“ Sie konnte den Satz nicht einmal richtig aussprechen, da spürte sie seine Arme um ihren Körper. Er nahm sie sanft in den Arm und sie konnte nicht anders, als ihren Kopf an seine Brust zu schmiegen. Es dauerte nicht lange, als die ersten Tränen flossen. Genzo bemerkte dies wohl, da seine Sportjacke die Nässe auf sog. „Nicht weinen. Der Kerl ist keine Träne wert, okay?“, sagte er beruhigend, „Es wird alles wieder gut.“, kam es von ihm weiter in einer sehr sensiblen Stimmlage. Nach einigen Minuten hatte sie sich beruhigt und drückte sich beschämend von ihm weg. „Sorry... ich... ich muss mal ins Bad.“, sagte sie mit zittriger Stimme und verschwand schnell ins Badezimmer. Als sie das Zimmer erreicht hatte, knallte sie förmlich die Tür zu und stützte sich am Waschbecken ab. Ihr Kopf hing kurz, bevor sie in den Spiegel schaute und zugleich ihre rechte Hand auf ihre Brust legte. „Du... dummes Herz. Hör auf in so einer Situation zu klopfen wie wild...“, flüsterte sie in Richtung des Spiegels und schnappte sich ein Handtuch, um ihre Tränen zu trocknen. Dieses Gefühlschaos war einfach nicht zu ertragen. Da war dieser Schmerz, den Karl ihr zugefügt hatte, die Verantwortung gegenüber Anna und dem Kind und dann auch noch Genzos Nähe. Letzteres brachte sie völlig aus dem Konzept. Sie mochte Genzo. Aber auf eine freundschaftliche Art und Weise. Doch als er sie in den Arm nahm... da war sie so befreit von all dem Ärger gewesen. Am liebsten wollte sie nie wieder- „Stopp. Führ diesen Gedanken erst gar nicht weiter Lena. Es ist Genzo. Er ist... wie ein bester Freund. Du darfst nicht so fühlen.“, dachte sie zu sich selbst. Aber es fühlte sich an, wie die Situation vor ein paar Jahren. Als sie mit Karl zusammengezogen war. Diese leichte und doch starke Berührung, die für sie die Zeit angehalten hatte. „Lena? Alles okay?“, rief der Schwarzhaarige nach ihr. „Verdammt.“, fluchte sie leise und wusch sich die letzten Tränen aus dem Gesicht, als die Tür einen Spalt aufging. „Du... sitzt nicht auf der Toilette, oder?“ „Nein, du Idiot.“, versuchte sie es witzig wirken zu lassen und sie hörte, wie die Tür komplett aufging. „Gut. Trotzdem alles okay?“ „Ja, alles gut.“, sagte sie, sah ihn jedoch nicht an. Sie durfte nicht auf ihre verschrobenen Gefühle hören. Das würde alles nur noch komplizierter machen. Und vor allem, wollte sie sich nicht gleich von einer Beziehung in die nächste werfen. Ganz zu schweigen davon,... was wäre denn, sie würde ihm das irgendwie wissen lassen. Und er würde dies nicht erwidern? Eine normale Freundschaft wäre dann undenkbar. „Muss dir noch etwas erzählen, also so ganz planlos bin ich nicht hergekommen.“, gestand er und zwinkerte kurz, „Los, komm schon.“, sagte er und sie folgte ihm aus dem Badezimmer. Sie saßen einfach nur zu zweit auf Mayas Couch, während sie sich über Fußball unterhielten. Es war angenehm, mal über etwas anderes zu reden. Genzo erzählte ihr, dass bald ja wieder die Weltmeisterschaft anstand und Japan sogar Austragungsort war. Was insofern bedeuten würde, dass die japanische Nationalmannschaft so oder so qualifiziert war für die Spiele. Sie würde Genzo eine Zeitlang nicht sehen können. Wollte sie das denn? Zum Himmel nochmal. Wieso dachte sie darüber eigentlich schon wieder nach. Genzo sollte einfach tabu bleiben. Punkt. Aus. Fertig. „.... Ist das nicht im selben Zeitraum?“ „Eh... was?“, fragte sie, da sie total in ihren Gedanken versunken war. „Euer Turnier, Lena. Wann sind die Six Invitational?“ „Ehm... ja.“ „Du hörst mir gar nicht richtig zu.“ „Doch, doch das tue ich... ich hab die Nacht nur nicht gut geschlafen. Eigentlich, schlafe ich generell sehr schlecht in... letzter Zeit.“, sagte sie ehrlich. Da sie aber nicht weiter darauf eingehen wollte, kam sie zu seiner Frage zurück. „Du hast recht. Es ist recht nah im selben Zeitraum. Ein bisschen früher, eins-zwei Wochen vielleicht.“ „Dann werden wir wohl beide zur selben Zeit in Japan sein.“, lächelte er. „Zur selben Zeit? Jetzt hörst du mir aber nicht zu. Wenn alles gut geht ist die Rainbow Six Meisterschaft eins oder zwei Wochen früher aus.“ „Ich werde früher nach Japan fliegen. Die Mannschaft trifft sich immer ein paar Wochen früher bei Meisterschaften. Ich werde dann wohl in Nankatsu sein.“ „Ach so meintest du das.“ Dann wäre Genzo gar nicht so weit weg von ihr. Innerlich schüttelte sie den Kopf. Es war doch echt zum Mäuse melken! Seine Anwesenheit machte sie schier verrückt. Und dann saß er auch noch so nah bei ihr. Ob er es wohl merkte, dass er sie nervös machte? Plötzlich hob er seine Hand und fuhr ihr kurz über ihr Haar. „Was soll das?“, fragte sie überrascht und rutschte von ihm weg. „Da war ein... Fussel.“ „Ein Fussel? Sicher?“ „Ja.“, sagte er neutral wie immer, doch irgendwie konnte sie ihm das nicht so recht glauben. Hatte er doch etwas bemerkt? Und versuchte jetzt ein bisschen mehr aus ihr herauszubekommen? Konnte er das nicht sein lassen. Irgendwann würde sie dem nicht mehr standhalten können. Besonders nicht, wenn ihr Herz schon wieder so schnell schlug. „Sieh her.“, sagte er und hielt ihr tatsächlich etwas graues, plüschiges in den Händen, „Ein Fussel.“ Sah sie mittlerweile vielleicht Geister? Er hat sicher nichts bemerkt. Und das war auch ganz sicher keine Anmache, oder so etwas. Es war einfach Genzo. Wie immer. Ihr bester Freund, nichts weiter. In dem Moment öffnete sich die Haustür und Lena erschrak kurz und versuchte so schnell es geht Abstand zwischen sich und Genzo zu bekommen. Maya kam die Tür herein und hatte unsagbar viele Tüten in den Händen. „Bin wieder da, Lena. Hab uns was vom Griechen mitgenom- Oh. Genzo. Was machst du denn hier?“, erkannte sie den Schwarzhaarigen und sah zugleich zu Lena. „Bin nur zu Besuch.“, sagte er kurz angebunden, bevor er aufstand und sich anbot ihre Taschen in die Küche zu tragen. „Danke, sehr freundlich von dir.“ „Kein Problem.“, sagte er und verschwand mit dem Essen in der Küche. „Zu Besuch, ja?“, fragte Maya skeptisch und taktierte sie wissentlich. „Er ist einfach hier aufgetaucht.“, knirschte Lena zurück. „Einfach so. So viele Kilometer von zu Hause entfernt. Weil was? Er sich Sorgen machte und jetzt sitzt ihr hier auf meiner Couch und flirtet?“ „Nein!“, sagte sie ein wenig zu laut und horchte kurz zur Küche. Doch offenbar hatte er das nicht mitbekommen, „Nein.“, sprach sie leiser, „Wir haben nur geredet. Was Freunde nun mal ab und an tun.“ „Ist klar, und ich glaube noch an den Osterhasen.“ „Maya!“ Genzo kam zurück und es wurde abrupt still. „Hätte ich gewusst, dass du da bist, hätte ich eine Portion mehr mitgenommen.“, gestand Maya Genzo gegenüber. „Schon gut, hab keinen Hunger. Ich sollte mich eh auf den Weg machen. Ich brauch noch eine Unterkunft. Ich muss morgen Abend zurück in Hamburg sein.“ „Du kannst gerne hier schlafen.“, sagte Maya, wie aus der Pistole geschossen. Lena warf ihr einen bösen und verstörten Blick zu, den sie jedoch gekonnt abwendete. „Nur wenn es euch nichts ausmacht...“, sagte er vorsichtig und sah besonders zu Lena. Sie wusste ehrlich nicht, was sie sagen sollte. Bisher hatte sie Genzo noch nie bei sich schlafen lassen. Das war auch gar nicht möglich gewesen bei Karl und seiner Eifersucht. Und andersherum... hat sie dies auch noch nie getan. Auch wegen Karls drang zur Übertreibung. Doch nun schien er besonders von ihr eine Antwort haben zu wollen. „Klar... kein Problem. Stört mich nicht.“, sagte sie ohne nachzudenken. Was war auch schon dabei? Wie oft sollte sie noch beteuern, dass er ihr bester Freund war und da nichts falsch daran war, wenn er eine Nacht in der Wohnung ihrer Freundin nächtigte. Gar nichts. Richtig. „Ich hol das Bettzeug.“, warf Lena ein und verkrümelte sich so schnell es ging aus dieser Situation. Als Lena sich Bett fertig machte und im Bad ihre Zähne putzen wollte, kam Maya dazu. Sie taktierte sie mit wissenden Blicken, was ihr langsam auf den Senkel ging. „Was?“, fragte sie spitz nach. „Nichts.“, kam es kurz von ihr. Sie erwiderte nichts darauf und schrubbte eifrig ihre Zähne weiter, als sie abermals den Blick ihrer Freundin auf sich spürte. „Ich sehe es.“, sagte sie dann und Lena nahm den Zahnputzbecher in die Hand, um ihren Mund auszuspülen. „Was siehst du?“, fragte sie genervt, nachdem sie ins Waschbecken gespuckt hatte. „Na... das mit Genzo. Er steht auf dich. Schon ziemlich lange, denke ich. Und du reagierst auf ihn. Man könnte meinen, du fährst voll drauf ab.“ „Quatsch.“, zischte sie und nahm noch einen Schluck Wasser. „War klar, du siehst immer nur das, was du sehen willst.“ Wieder spuckte sie das Zahnputzwasser ins Waschbecken, bevor sie den Becher laut auf den Rand abstellte. „Ich stehe nicht auf Genzo. Und er auch nicht auf mich. Wir sind Freunde. Gute Freunde.“ „Deswegen warst du auch gar nicht nervös, als ich ihn eingeladen habe, hier zu übernachten.“ „Stimmt. Weil da nichts ist.“ Lena nahm ihre Haarbürste und kämmte sich nun nur kurz ihre Haare durch. Maya nahm stattdessen nun ihre Zahnbürste zur Hand. „Hast du es ihm erzählt?“, fragte sie nach einigen Minuten wieder. „Was?“, fragte sie verwirrt nach. „Das mit... Anna und dem-“ „Nein. Er soll es auch am besten nicht erfahren.“, sagte sie und legte die Bürste beiseite, „Ich... will nicht, dass das die Runde macht. Ich will nicht...“, sagte sie und wurde dabei immer leiser, „... dass man mich ständig ansieht, mit so einem mitleidigen Blick. 'Hey, seht her, ich bin diejenige die so offensichtlich betrogen worden ist' Darauf hab ich einfach keine Lust mehr.“ „Du reagierst über.“ „Tue ich nicht, außerdem... Genzo und Karl spielen zusammen in einem Verein. Ich will nicht wissen, wie es derzeit ist. Das muss nicht noch schlimmer werden, wenn er von dem Kind erfährt.“ „Ich wette,... er würde Schneider die Leviten lesen lassen.“, grinste Maya, doch Lena sah sie ernst an. „Ja. Und das sollten wir verhindern. Kein Wort, Maya. Zu niemanden.“ „Okay, schau mich nicht so an. Ich sag schon nichts.“, winkte sie ab und putzte sich nun die Zähne, „Wo willst du schlafen?“, murmelte sie dann, nachdem ersten Ausspülen. „Was soll die Frage?“ „Na ja... Genzo schläft auf der Couch... da ist sicherlich noch Platz für dich.“ „Maya! Da... hör auf damit. Ich... ich fühle nichts für Genzo. Also... Freundschaft, ja. Aber keine Liebe.“ „Was nicht heißt, dass es Liebe werden kann.“ „Oh bitte... hör einfach auf damit. Ich werde mich nicht von einem Kummer in den nächsten Scheiß werfen.“ „Aha!“ „Aha, was?“ „Du gibst es also zu, dass da doch was ist.“ Sie stöhnte genervt auf. Maya machte sie verrückt. Lena würde sie jetzt einfach ignorieren. Besser war das. Sonst würde sie ihr noch ein Ohr ab quasseln und sie hatte keine Lust darauf, dass dieses Gespräch irgendwie an Genzos Ohren kam. Das wäre denkbar schlecht. „Ich geh schlafen.“, sagte sie zuletzt. „Gute Nacht...“, trällerte Maya ihr noch hinterher und sie musste sich beherrschen, keine Beleidigung nach hinten zu werfen. Es wäre ihr lieber gewesen, sie könnte in Mayas Zimmer schlafen. Aber ihr Schlafzimmer war nicht groß genug dafür. Studentenbude eben. Eigentlich war der Plan gewesen, dass sie auf der Couch schlief, aber... jetzt würde es einfach der Boden im Wohnzimmer werden. - In ziemlicher Nähe zu Genzo... Als sie das Wohnzimmer betrat, sah sie den Keeper bereits schon auf der Couch liegend, obwohl das Licht bereits aus war. Lena sah von ihm ab und richtete ihren Blick auf den Schlafsack. Sie musste einfach nur versuchen... es auszublenden. Das würde sie schon hinbekommen. Lena kam näher. Ihr Herz raste schon wieder so schnell. Es war kaum auszuhalten. Sie brachte ihr Atem unter Kontrolle und ignorierte seinen Blick, den er plötzlich auf sie warf. Sie legte sich in den Schlafsack und drehte sich mit dem Rücken zu ihm gewandt. So war es gut. „Willst du nicht lieber auf der Couch schlafen?“, hörte sie ihn fragen. „Geht schon.“ „Mir macht es nichts aus... auf dem-“ „Schon okay, Genzo.“, unterbrach sie ihn, „Die Couch ist eh viel zu weich.“ Damit schien er zufrieden zu sein. Für's erste. Lena versuchte tatsächlich zu schlafen, aber es sollte wohl einfach nicht so sein. Es war totale Stille, etwas was sie noch mehr beunruhigte. Keinen, sanften Atemzug, der ihr sagen könnte, dass der Japaner hinter ihr schon schlief. Im Gegenteil. Sie bemerkte ab und an seinen Blick in ihrem Rücken. Am liebsten hätte sie ihn angefahren, dass er das lassen sollte. Aber sie wollte nicht, dass er ihre Nervosität mitbekam. Also sagte sie am besten gar nichts. Stattdessen rutschte sie ständig hin und her in ihrem Schlafsack. Sie fand einfach keine passende Schlafposition. Zu allem Übel, merkte er es. „Sollen wir nicht doch lieber tauschen?“ „Nein.“ Sie hörte ihn Seufzen und sie dachte wirklich, sie hätte endlich seine Zweifel zerschlagen. Doch sie irrte sich gewaltig. Lena bekam viel zu spät mit, wie er sich aufsetzte. Seine Decke landete irgendwo neben ihrem Kopf am Boden und gerade als sie sich doch zu ihm umdrehte, war er schon im Begriff sie samt Schlafsack hochzuheben. „W-was soll das?!“ „Hör auf so stur zu sein.“, hatte er nur gesagt und Lena konnte einfach nichts darauf erwidern. Sie hatte ihre Hände auf seinen Brustkorb abgestützt und ihr wurde plötzlich heiß und kalt zugleich, als sie unter ihrer Haut seine Muskeln fühlte. Es war nur ein kurzer Augenblick, aber einer der ausreichte, um sie komplett aus dem Konzept zu bringen. Wieder. Im nächsten Moment hatte er sie auf die Couch abgelegt und sich seine Decke geschnappt. Sich auf dem Teppich bequem gemacht und seine Arme hinter den Kopf verschränkt. „So ist besser.“ „Du bist ein Idiot.“, murmelte sie und sah zu ihm hinunter. „Aber immerhin ein Idiot, ohne schlechtes Gewissen.“, sagte er und grinste sie an. Sie erwiderte nichts darauf und legte ihren Kopf zurück auf die Lehne der Couch. Wieder hatte sich eine Stille um beide breit gemacht und gerade, als sie dachte, sie könne endlich einschlafen, durchbrach er abermals die Ruhe. „Lena?“ „Ja?“, kam es nur leise von ihr und horchte in die Dunkelheit. „Ach nichts.“, sagte er dann, „Schlaf gut.“, und sie hörte nur, wie er sich zur Seite legte und wieder die Stille über sie beide hereinbrach... Kapitel 07 - Abweisend ---------------------- Nach Wochen traute sie sich das erste Mal wieder vor die Tür. Seit dem Erlebten in München waren ein paar Wochen vergangen. So gut es ging hatte Lena versucht ihr Chaos im Kopf beiseite zu schieben. Es war nicht die Tatsache, dass sie noch immer Karl hinterher trauerte. Darüber war sie schon lange hinweg. Es war mehr die aufkommenden Gefühle für Genzo, die sie meiden wollte. Die sie keinem großen Gewicht beisteuern wollte. Seit... der Nacht bei Maya geisterte er in ihren Gedanken. Er wollte ihr irgendetwas sagen, aber hatte sich am Ende nicht mehr getraut. Es beschäftigte sie, aber angesprochen hatte sie es nicht. Dafür war auch nie irgendwie die Zeit da gewesen. Es hatte sich einiges geändert, seit dem sie wieder Single war. Sie hatte eine neue Wohnung in der Innenstadt. Es diente nur zur Überbrückung, bis sie etwas anderes gefunden hatte. Sie verdiente nicht schlecht in ihrem Job und mit Sicherheit wäre ein eigenes Apartment drin. Aber dafür müsste man erst einmal eine passende finden. Die Erstens nicht allzu weit von ihrem Verein entfernt sein sollte, da sie kein Führerschein besaß, und zum Zweiten, sollte es kein Altbau sein. Sie machte leider die Erfahrung, dass in Altbaugebieten vermehrt ältere Leute wohnten und sie diese nicht mit ihrem komplett bescheuerten Schlafrhythmus durcheinander bringen wollte. Das mit dem Schlafen... war nämlich noch schlimmer geworden. Sie war zwei Wochen krankgeschrieben gewesen und was tat sie? Das was sie am besten konnte. Zocken. Meistens die ganze Nacht durch. Mit der einen oder anderen Internetbekanntschaft hatte sie sämtliche Champions aus League of Legends gespielt, sich in Dead by Daylight als Killer versucht oder mit einer guten Internetfreundin sich in Overcooked 2 gegenseitig über Teamspeak angeschrien, dass auf den Burger noch Käse drauf gehört. Lachanfälle garantiert. Es tat ihr verdammt gut, ihre momentane Situation zu vergessen. Aber irgendwann holte das Leben einen wieder ein. Früher oder später. Heute hatte Lena vor wieder bei Penta vorbeizuschauen. Heute in einer Woche würde das Auswahlspiel sein und sie wusste nicht ob sie überhaupt aufgestellt werden würde. Möglich wäre es, dass Stefan es für gut hielt, ihr eine Auszeit zu geben. Aber es würde sie dennoch freuen, wenn sie dabei wäre. Dann könnte sie sich endlich auf etwas freuen und nicht alles so grau sehen. Der Weg von ihrer neuen Wohnung zum Trainingsgebäude, verlief wie immer am Sportplatz des HSV vorbei. Heute war Training und die Idee reizte sie vorbei zu schauen. Vielleicht um Karl zu beweisen, dass er ihr nicht länger wichtig war. Denn das war er nicht. Oder einfach nur um Genzo zu sehen... Sie wusste, wenn sie auf dem Platz ankommen würde und sie auch nur Hermann, Frank und ganz besonders Genzo grüßen würde, würde sie Karls Eifersucht noch weiter anheizen. Ihr war es immer noch schleierhaft, wie eifersüchtig Karl immer auf ihn war. Obwohl sie ihm, in ihrer Beziehung nie einen Grund geliefert hatte. Karl vermutete immer dass Lena mehr auf Genzo stehen würde und hatte ihr nicht nur einmal unterstellt, sie hätte etwas mit ihm. Am Anfang war das ja noch recht süß, aber mit der Zeit nur noch nervend. Schon allein ungewollte Treffen mit dem Keeper, wenn sie auf ihren Freund gewartete hatte und sie auch nur geredet hatten, hatte er beide mit bösen Blicken bestraft. Ab einer gewissen Zeit ging sie darauf gar nicht mehr ein. Weil es einfach lächerlich war. Genzo und sie waren gute Freunde. Nicht mehr und nicht weniger. Lena seufzte, als sie kurz einen Blick auf den Platz riskierte. Dabei achtete sie nicht mal auf den Starspieler, sondern viel eher auf den Japaner, der im Tor stand. Sie sah nur seinen breiten Rücken. Ihre Hände verhakte sie im Zaun und sah ihm eine Weile zu, wie er die Bälle fing, die ihm zugespielt wurden. Sie ertappte sich beim Gedanken, dass sie nach Situationen suchte, in denen Karl berechtigt eifersüchtig war. Und es gab vielleicht... tatsächlich einen kurzen Moment, in dem sie in Gegenwart von Genzo Schmetterlinge fühlte. Aber das hatte ihr nun mittlerweile Exfreund nicht mitbekommen. Oder doch? Es war nur ein kurzer Moment. Sie hatten sich nur berührt und sich eine, vielleicht zwei oder drei Sekunden angesehen. Und Karl kam irgendwann die Haustür rein. Sie hatte sich schnurstracks von Genzos Augen gelöst und hatte partout darauf geachtet einen gewissen Abstand zwischen sich beide zu bringen. Sie liebte schließlich Karl. Damals. Geredet hatte sie mit Genzo darüber nie. Eher tot geschwiegen. Was ihr auch ganz recht war. Und jetzt? Wünschte sie sich wirklich... mehr zwischen ihnen? Nein, eigentlich... war ihr die Freundschaft wichtiger. Und wie sie schon zu Maya sagte. Lena war gerade frisch aus einer Beziehung raus gekommen. Eine neue... wäre zu früh und sie wusste ja auch gar nicht, ob es Genzo ähnlich ging. Sie würde sich da in etwas verrennen. Erst einmal war es wichtig, ihr Leben wieder neu zu ordnen. Alleine klar kommen. Nach sieben Jahren Beziehung wusste sie nicht, ob sie das wirklich hinkriegen würde. Sie war nie jemand, der gerne alleine war, auch wenn es oftmals nicht anders ging. Hätte sie damals nicht das Angebot von Penta bekommen, bei ihnen zu spielen, würde sie heute noch bei ihrer Mutter in einem Vorort von München leben. Es war schwer zu Beginn ganz alleine in einer fremden Stadt zu sein. Klar, sie hatte Maya, die sie, seit sie Kinder waren kannte. Aber die Entfernung machte es schwieriger. Lena löste sich seufzend vom Zaun und nahm ihren Weg wieder auf... „Ist er weg?“, kam es leise flüsternd um Hermanns Schulter herum. „Marie! Um Himmelswillen hast du mich erschreckt. Das kannst du doch nicht machen!“ „Sorry, also... ist er weg?“ „Ja, schon vor 'ner halben Stunde abgehauen mit eurem Vater.“ Marie seufzte erleichtert. „Gott sei Dank.“, sagte sie und lächelte Hermann an, welches er erwiderte. „Es ist immer noch gewöhnungsbedürftig euch beide so zusammen zu sehen.“, kam es plötzlich von Frank, der gerade dabei war die Handtücher einzusammeln. Marie hatte Probleme ihr Grinsen zu unterdrücken. Als Genzo die letzten Bälle im Lagerraum verstaute und zu den dreien kam. „Wie war dein Praktikum?“, fragte er sie. Karls kleine Schwester war bis vor kurzem noch in einer anderen Stadt gewesen. Ein Praktikum machen, nachdem sie ihr Abitur bestanden hatte. Sie hatte sich vorgenommen, sich ein bisschen auszuprobieren. Welche berufliche Schiene sie einlegen wollte, wusste sie leider nicht. Dafür kam zu viel in Frage. „Gut. Aber nicht meins. Ich meine, als Gestaltungstechnische Assistentin kann man schon... vielseitig und kreativ sein. Aber ich will nicht ständig in einem viel zu stickigen Büro vergammeln.“, erzählte sie. „Und was hast du als nächstes im Sinn?“, fragte Hermann und sah, wie Marie sich neben ihn stellte. „Ehm... Immobilienmaklerin, vielleicht auch Maskenbildnerin, oder... ich hänge doch noch ein Studium im medizinischen Bereich dran. Aber das ist nur die letzte Möglichkeit.“ „Wie kann man so viel unterschiedliches Zeug mögen?“, fragte Frank Kopf schüttelnd. „Lass sie doch.“, kam es von Hermann, „Wenn sie sich nicht entscheiden kann, dann ist es doch gut, sich umzuschauen.“ „Mein Reden.“, grinste Marie und wechselte sofort das Thema, „Wisst ihr, wo ich Lena finden kann? Ich wollte sie besuchen gehen. Ist sie zu Hause? Wahrscheinlich nicht oder, heute ist sicherlich noch Training. Vielleicht ruf ich doch Karl kurz an, der weiß das bestimmt.“ „Hat dir das noch keiner gesagt?", kam es von Frank, der direkt einen Schubser von Genzo kassierte, "Ehm ich meine...“ „Was hat mir noch keiner gesagt?“, fragte sie interessiert nach. „Weißt du, Süße...“, sagte Hermann, und versuchte so vorsichtig zu sein, wie möglich, „Lena hat sich von deinem Bruder getrennt.“ „Was?! Wieso das denn?“, kam es prompt von ihr und sah zwischen den Jungs hin und her. „Er war ihr offenbar nicht... treu.“, sagte Hermann und sah dabei zu Genzo, der jedoch den Blickkontakt abbrach. „Das kann ich nicht glauben!“, stieß Marie entsetzt aus, „Wie... wann ist das passiert?“ „Vor... zwei Wochen zirka. Genzo und ich haben den Streit hautnah mitbekommen. Wir wollten ihn abholen, als bei denen zu Hause die Fetzen geflogen sind.“, sagte Frank, „Lena hat Genzo erzählt, was passiert war, mit uns hat Karl nicht ein Wort gewechselt seitdem.“ „Oh man, da ist man einmal nicht da und schon bricht das Chaos aus.“, sagte Marie und konnte das alles noch gar nicht so richtig fassen. „Du solltest deinen Bruder in nächster Zeit nicht auf sie ansprechen. Und andersrum genauso wenig. Das muss sich erst mal setzen lassen.“, meinte der Schwarzhaarige dann. „Ja, da hast du wohl Recht, Genzo. Schlimm ist es trotzdem.“, sagte sie und sah in die Runde, „Ich möchte sie dennoch heute besuchen gehen. Wir müssen das Thema ja nicht ansprechen.“ „Jetzt noch?“, fragte Hermann. „Ja und ihr kommt mit! Basta!“ Fast zeitgleich wollten alle drei diese Anordnung verneinen, doch wenn Marie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann kam man da nicht mehr heraus... Im Gebäude der ESL angekommen wurden sie jedoch schnell gestoppt. Die Empfangsdame hatte ihnen ausdrücklich den Zutritt verweigert. Die Spieler seien gerade in ihrer letzten Vorbereitungsphase für das morgige Auswahlspiel. Besucher waren daher ausgeschlossen. Marie versuchte alles mögliche, sie konnte recht energisch sein, wenn sie wollte. Doch diesmal biss sie auf Granit. Genzo stand bei den Glasvitrinen und besah sich die Pokale an, in den letzten drei Jahren hatte Penta immer den Pokal nach Hause geholt. Es war ein enormer Druck mit Sicherheit. Gerade weil sich die Teams verändert hatten. Lena war eine der ersten weiblichen Spieler die der Truppe beigetreten war. In der Rainbow Six Siege League dominierten auf jedenfalls mehr die männliche Fraktion. „Ist weit gekommen, huh?“, kam es von Kaltz, der sich neben der Vitrine die Bildergalerie ansah, „Würde gern wissen, was die so bezahlen...“ „Sie interessiert sich nicht für das Geld, Hermann. Ihr macht das Spiel Spaß. Wie wir den Fußball lieben, liebt sie das Rumgeballere.“, lächelte er. „Schaut mal, da ist die Aufstellung!“, sagte Frank auf einmal und deutet auf eine Tafel, die digital an der Wand hing, „Sie ist echt aufgestellt worden.“ Man sah die fünf favorisierten Spieler für die Auswahlspiele, und tatsächlich sah man Lenas Bild in dritter Zeile. Darunter einige biografischen Details und ihre Operator, die sie gerne spielte. Lena Kaiser | Lueen.Penta Alter: 29 Nationalität: Deutsch Attack Operator: Ash, Hibana Defence Operator: Caveira, Ela K/D Rate: 2,8 „Eine 2,8 Rate ist verdammt gut...“, meinte Hermann, „Also ich bin kein Profi darin, aber...“ „Es ist eine sehr gute Statistik. In einer kompletten Runde 14 Kills und nur 5 Tode. Da hat sie sich enorm gesteigert.“, sagte jemand hinter ihnen und beide Profispieler wandten sich um. „Stefan!", rief Kaltz überschwänglich. Stefan Lübke war Lenas Trainer und das seit vielen Jahren. Sie kannten sich einander, da er auch früher Mal Motivations-Couch beim HSV war. „Bin ich echt schon so alt?“, lachte er, „Ihr wollt sicherlich zu Lena. Die Jungs und Mädels machen gleich eine Pause. Ihr könnt ruhig nach hinten mitkommen.“ „Endlich!“, rief Marie, die den Trainer von Penta entdeckt hatte. „Cav Redstairs“, callte Lena ihrem Team, die den Defence Operator durch eine Drohne entdeckt hatte. „Hatch?“, fragte Jean neben ihr und sie wusste direkt was gemeint war. Mit ihrem Operator Ash hangelte sie sich aufs Dach und öffnete die Luke auf diesem, damit ihr Teamkollege hindurch springen konnte und Caveira im Überraschungsangriff holte. „A safe, plant A“, sagte ein anderer und Lena sicherte ihren Kollegen, der gerade den Defuser auf A einstellte, vom Dach aus. „Völlig im Vollfokus.“, sagte Hermann, während Frank und Genzo, sowie Marie hinter Glas den Spielern vor den Monitoren zusahen. „Ich kann dem Spiel nichts abgewinnen.“, meinte Marie dann plötzlich. „Ja, das Spiel ist nicht jedermanns Seins, das stimmt schon. Aber es repräsentiert den E-Sport gewaltig. Davor wurde die ESL immer nur durch Counter Strike in Verbindung gebracht. Heutzutage haben sich viele Games angeschlossen. Und Rainbow Six ist eines der erfolgreichen Spiele derzeit, was den taktischen Shooter angeht.“ „Kann trotzdem nichts mit anfangen.“, zuckte die 20-jährige Blonde. „Du hast sie aufgestellt?“, fragte dann Genzo und sah zu Stefan. „Ja. War erst nicht sicher, nachdem sie die letzten zwei Wochen gefehlt hatte. Aber sie hatte heute Morgen geglänzt auf ganzer Linie. Es war kein Problem das Management davon zu überzeugen.“, lächelte er, „Außerdem ist es wohl gerade die richtige Zeit. Frauen werden mehr akzeptiert mittlerweile. Der E-Sport ist im Wandel. Und Lena ist talentiert. Es wäre Verschwendung sie auf die Meisterschaft vorzubereiten und sie dann nicht spielen zu lassen.“ Genzo sah von Stefan ab und wieder durch die Scheibe hindurch. In den letzten Wochen hatte sie sich immer mehr zurückgezogen, wie er fand. Er wusste nicht, woran es genau lag. Er hatte nach der Sache in München versucht sie aus ihrem Schneckenhaus rauszuholen, aber sie hatte so gut wie alles abgeblockt. Wenn er zu Hause war und an seinem Laptop saß, um ein paar Emails zu beantworten, hatte er ab und an gesehen, dass sie bei Discord, ein Onlinedienst für Instant Messaging, oft online war. Vielleicht sogar Dauer-online und irgendwelche Spiele spielte. Keiner der angezeigten Spiele kannte er. Er hatte ihr sogar einmal geschrieben, aber geantwortet hatte sie nur mit nichtssagenden Floskeln. - Mir geht’s gut. Sie hier jetzt zu sehen, in ihrem Element, sie aufgehen zu sehen. Tat gut. Es beruhigte ihn, dass sie sich wohl endlich wieder gefangen hatte. Wenn es nicht so gewesen wäre, wäre er früher oder später wahrscheinlich noch ausgeflippt. Seine Situation beim Hamburger SV war eine tickende Zeitbombe. So empfand er es zumindest. Karl-Heinz ignorierte ihn immer noch und wenn sie gezwungen waren zusammen zu trainieren, weil der Blonde nun mal der Stürmer war und er Torwart, dann hatte er das Gefühl, dass er all seine Wut über den Fußball an ihm ausließ. Er bekam auch mit, das sein Trainer und zugleich Vater von Schneider ihm ebenso nicht sehr gut gesonnt war. Keine Ahnung, ob Schneider seinem Vater erzählt hatte, dass Lena sich getrennt hatte. Oder ob er sogar seine Befürchtung ihm gegenüber kundtat. Möglich wäre es. Auch wenn an solchen Gerüchten nie etwas dran gewesen war. Auch wenn es... vielleicht jetzt nicht mehr- „Entschuldigt mich.“, sagte Stefan und riss Genzo aus seinen Gedanken. Er sah, wie er den Raum betrat und seinem Team mitteilte, dass sie sich eine Pause gönnen könnten. Die Spieler kamen aus dem Raum heraus unterhielten sich auf dem Gang, ignorierten die Besucher die vor der Scheibe standen. Nur Lena blieb zurück. Sie wollte jetzt keine Pause. Ja, sie war schon Stunden dabei eine Spielsituation nach der anderen durchzugehen. Aber sie hatte weder hunger, noch war sie müde. Sie sah Stefan, wie er auf sie zukam und eine Hand neben ihrer Hand, die auf der Maus lag, auf den Tisch abstützte. „Die Pause gilt auch für dich, Lena.“ „Gleich. Ich mach nur noch einmal die Übungsrunde... Aim Training.“ „Bitte. Übertreib es nicht. Deine Augen tut es sicherlich gut, ein bisschen natürliches Licht zu sehen. Außerdem... hast du Besuch.“ Sie seufzte. Sie hatte die vier schon gesehen und sie war nicht erpicht darauf. Gerade nicht, wegen Marie und... Genzo. Erstgenannte, die wahrscheinlich noch gar nichts über die Trennung wusste, oder es schon durch die anderen wusste, was genauso schlimm war. Und der andere Genannt, dem sie nun schon so lange aus dem Weg gegangen war. „Nur... diese eine Runde, okay?“ „Na schön. Aber wenn ich dich in fünf Minuten immer noch hier sitzen sehe, ziehe ich den Stecker.“ Stefan verließ den Raum wieder, während sie gerade Ash wählte und die Übungsrunde startete. Gegen einfache Ki zu spielen, war jetzt nicht gerade herausfordernd, aber sie nahm sich einfach nur vor mit ihrer Sekundärwaffe gezielte Kopfschüsse zu setzen. „Sie kommt gleich.“, hatte sie ihn sagen hören, bevor die Tür wieder zufiel. Es war irgendwie eine merkwürdige Stimmung, als Lena mit Marie draußen im Hof saß. Die jüngere erzählte über ihr Praktikum, während sie einfach nur zuhörte. Frank und Hermann saßen dabei, aber unterhielten sich in eigener Sache. Genzo hingegen, der zwar auch an dem selben Tisch saß, beachtete sie kaum und sie tat es ihm gleich. Keine Ahnung, wieso sie so reserviert ihm gegenüber war. Sie wollte vielleicht nicht unbedingt, dass er etwas von ihren Gefühlen mitbekam, aber so abweisend wollte sie dann doch nicht sein. Jedoch... je mehr sie mit ihm interagieren würde, umso mehr müsste sie aufpassen. Wieso war das immer alles so kompliziert?! Warum musste es so kompliziert werden? Warum- „Wann ist das Auswahlspiel?“, fragte Marie und Lena bekam gerade noch so die Frage mit. „Eh.. heute in einer Woche.“ „Hast du danach schon was vor?“ „Nein...“, sagte sie gedehnt, „Wieso?“ „Ich finde... wir sollten deinen Einzug in die Meisterschaft feiern. Natürlich nur für den Fall dass ihr gewinnt und für Europa antreten dürft.“ „Was soll das heißen? Für den Fall?“, sagte sie spitz, „Glaubst du, dass wir gegen Rogue verlieren, oder was soll die Anspielung?“ „Ich kenn mich damit ja absolut nicht aus,... aber wer weiß.“ Spielerisch schubste sie Marie in die Seite, die laut lachen musste und damit auch Genzos Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie versuchte abermals seinen Blickkontakt auszuweichen. Gerade rechtzeitig sah sie Nathan, der wohl auch eine Runde im Hof gedreht hatte und dabei am Rauchen war. „Entschuldige, aber ich sollte wieder rein.“, sagte sie fix und stand von der Bank auf. „Oh. Jetzt schon?“ „Sorry, Marie. Ein anderes Mal. Heute ist echt kein guter Tag für's lange Quatschen. Das Management ist im Haus und ich möchte nicht unpünktlich sein.“ „Ja... kein Problem. Wegen der Party reden wir aber nochmal.“ „Klar. Wir sehen uns.“, lächelte sie und verabschiedete sich auch von den anderen. Selbst den Schwarzhaarigen sah sie kurz an, der ihr nur zunickte und dann ging sie. Aber seinen weiteren Blick in ihrem Rücken merkte sie nur zu deutlich. Kapitel 08 - Normalität ----------------------- Als der Feierabend kam machte sich Lena so schnell es ging fertig, um endlich nach Hause zu kommen. Es war zwar erst 16 Uhr aber sie fühlte sich alles anders als gut. Wenn sie am trainieren war, konnte sie alles ausblenden, doch wenn das wegfiel kam die Erschöpfung. Lena hatte noch schnell geduscht, sich umgezogen und kam gerade am Empfang vorbei, als sie zurückgehalten wurde. Sie wandte sich um und vor ihr stand Nathan, der sie entschuldigend ansah. „Hast du kurz eine Minute?“ „Nur wenn es wirklich nur eine Minute ist, Nathan.“, lächelte sie. „Wir können dabei auch laufen.“ „Okay.“, stimmte sie zu, drehte sich zum Gehen und er lief neben ihr her. Mit Nathan verstand sie sich recht gut. Er war einer der wenigen, der sie von Anfang an akzeptierte. Es war schwer gewesen den Respekt ihrer Teamkollegen zu bekommen, gerade als Frau. Bei Nathan stand sie direkt auf der selben Stufe. Vielleicht lag es daran, weil er schon etwas älter war, als der Rest des Teams. Sie kamen gerade aus dem Gebäude, als Lena zu ihm sah. „Also, wo brennt der Schuh?“ „Pass auf, ich sag es einfach frei raus, okay?“ „Tu dir keinen Zwang an.“, zuckte sie mit den Schultern. „Ich hab mit Sarah nächsten Monat unser Zehnjähriges und würde ihr gerne... einen Heiratsantrag machen.“ „Wirklich?“, strahlte sie. Lena kannte sie ein wenig. Sie hatten sich schon öfters hier im Verein gesehen und ein paar Sätze miteinander gewechselt. Sarah konnte nichts mit dem Sport ihres Freundes anfangen, aber sie unterstützte ihn immer. So war sie fast immer dabei, wenn ein wichtiges Spiel anstand. Einmal, als Nathan noch keinen Führerschein besaß, verpasste er einen Flug und sie hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt und ihn bis ins Herz Frankreich einfach mit dem Auto gefahren. Wenn die Blonde das Wort Liebe beschreiben sollte, dann kam es der Beziehung zwischen Nathan und Sarah doch schon recht nah. - Kein Wunder also, wenn er endlich den nächsten Schritt tat. „Ja... aber ich weiß nicht wie. Sie mag diese Jubiläumsgeschichten nicht so und deswegen wird es auch schwer sie an dem Tag, aus der Wohnung zu bekommen.“, seufzte er, „Hast du eine Idee?“ Ihr Lächeln verschwand leicht. „Ich glaube, ich bin nicht die richtige Ansprechpartnerin, für so etwas, Nathan.“ „Hast du dir darüber noch nie Gedanken gemacht? Komm schon,... Wie sollte dein Antrag aussehen? Erzähl mir deine Wünsche.“, grinste er, „Inspiriere mich.“ „Keine Ahnung. Wird wohl auch nicht mehr passieren...“, murmelte sie und sah von ihm ab. Sie sah im Augenwinkel wie Nathan etwas sagen wollte, doch sie nahm ihm den Wind aus den Segeln. „Ich hab mich von Karl getrennt.“ „Oh.“, stieß er aus, „Sorry, ich wusste nicht-“ „Schon gut.“ „Hätte ich das gewusst, hätte ich dich nicht gefragt. Ich... wollte da keine alten Wunden aufreißen.“ „Hast du nicht. Alles gut.“, schüttelte sie mit dem Kopf, „Also... wenn du sie aus der Wohnung nicht rausbekommst, dann koch doch für sie.“, schlug sie dann doch vor und sah wieder zu ihm hoch. „Ich kann nicht kochen.“ „Dann wird es Zeit, dass du es lernst.“, grinste sie, „Du machst das schon. Egal wie gut du es durchplanst, es wird immer anders laufen. Hauptsache ist doch, dass sie Ja sagt.“ „Stimmt.“, lächelte er, „Danke für deine aufbauenden Worte, Lena.“, sagte er und sie merkte, dass er es ehrlich meinte. „Nicht dafür.“, winkte sie ab, „Aber wenn es soweit ist, erzähl mir wie es ausgegangen ist und ich will zu eurer Hochzeit eingeladen werden, falls sie Ja sagt.“ „Verlass dich darauf.“, lachte er und als sie nach vorne schaute, blieb sie abrupt stehen. Sie sah direkt in die grünen Augen von Genzo, der am Tor des Vereinsgelände stand und auf sie zu warten schien. Lena wurde sichtlich nervöser und auch Nathan schien das zu bemerken. „Du wirst wohl schon sehnsüchtig erwartet.“, lächelte er. „Ja... scheint so.“ „Gut... ehm, ich muss los, Lena. Muss Sarah noch von der Arbeit abholen.“, sagte er dann und sie sah kurz nur zu ihm. „Klar, grüß sie von mir.“, sagte sie. Er hob die Hand und ging Richtung Parkplatz, auf dem Sarahs Auto stand, dass sie sich derzeit teilten. Sie sah ihm nicht hinterher, sondern versuchte ihr Herz, dass merklich schneller wurde, zu beruhigen. Sie setzte ihren Weg fort, bis sie bei ihm angekommen war. „Was... machst du denn hier?“, fragte sie zögerlich, als sie vor ihm stehen blieb. „Hey.“, sagte Genzo leise und stieß sich vom Pfosten ab, „Dachte ich fahr dich nach Hause.“ „Ich hab's nicht weit.“, konterte sie schnell, „Zehn Minuten zum Laufen vielleicht.“, ergänzte sie und sah sich den Hamburger Keeper genauer an. Er hatte immer noch die selbe Sportbekleidung an, wie vor ein paar Stunden, als er mit den Anderen hier war. Was nur darauf schließen ließ, dass er wahrscheinlich vor dem Gebäude kampiert hatte. Zu Hause war er jedenfalls nicht. „Kann ich dich dann wenigstens begleiten?“ Seine Frage klang verzweifelt und ein schlechtes Gewissen kam in ihr auf. Sie sollte das alles aus ihrem Kopf verbannen und ihn nicht mit ihrer kalten Schulter bestrafen. Im Endeffekt... konnte er doch eigentlich nichts dafür. Lena schüttelte ihre Gedanken beiseite und schulterte ihre Tasche. „Klar.“, sagte sie dann. Beide gingen bereits zwei Minuten still schweigend nebeneinander her. Lena bekam einfach kein Wort raus. Sie wusste nicht, über was sie groß reden sollte. Ihr war auch gar nicht nach Reden zumute. Ganz anders als Genzo, den sie neben sich immer wieder tief einatmen hörte, nur um dann wieder nichts von ihm zu hören. An einer Kreuzung blieb sie dann am Straßenrand einfach stehen und drehte sich zu ihm um. „Okay... was ist los?!“, kam es unkontrolliert aus ihr heraus. Sie empfand die Stille als ein reinstes Folterinstrument. „Nichts.“, schoss es direkt zurück, doch sie sah ihn weiterhin an, „Geht's... dir wirklich gut?“, fragte er dann doch. „Klar, ein bisschen Stress, aber das ist... normal vor-“ „Das meine ich nicht.“, unterbrach er sie und Lena wusste, auf was er anspielte. Sie seufzte und sah wieder von ihm ab. Sie schaute auf die andere Straßenseite, sah sich kurz nach rechts und links um, bevor sie einfach den Zebrastreifen überquerte. Dicht gefolgt von Genzo. „Geht so.“, meinte sie dann doch, sah ihn aber nicht an. „War das der Grund, wieso du die letzten Wochen nur noch Online unterwegs warst?“ „Stalkst du mich?!“, kam es wieder spitz über ihre Lippen, obwohl sie gar nicht so giftig klingen wollte. Im Endeffekt machte er sich ja auch nur Sorgen um sie. Das wusste sie. Er hatte dafür irgendwie immer einen sechsten Sinn, wenn es ihr nicht gut ging. Deswegen betrachtete sie Genzo ja auch, als ihren besten Freund. „Ich musste einfach etwas Dampf ablassen.“, beantwortete Lena dann doch seine Frage. „Hat es funktioniert?“ „Was denkst du denn... Ich hätte die Finger von LOL lassen sollen.“, murmelte sie. „Was ist-“ „League of Legends... ein Strategiespiel... Fünf gegen fünf, bei dem man die jeweils andere Basis zerstören muss.“, erklärte sie beiläufig, „Totale toxische Community... Als Aggressionstherapie würde ich davon definitiv abraten.“, grinste sie dann doch. „Du hast es aber auch mit Strategiespielen.“ „Ich hab auch was anderes gemacht.“, verteidigte sie sich. „Hast du Beweise?“, grinste er und sie konnte nicht anders, als mit einzusteigen in sein Grinsen. „Das nächste Mal nehme ich es für dich auf.“ Genzo und Lena kamen an einem Wohnblock an und auch wenn die vorige Unterhaltung doch recht angenehm wurde, wusste sie nicht, was sie jetzt tun sollte. Es war befreiend mit Genzo zu reden. Einfach über belangloses Dinge. Die Seitenhiebe die sie sich gegenseitig vorlegten, ließ sie wie früher fühlen. Als noch alles normal war. „Hier wohnst du jetzt?“, riss er sie aus ihren Gedanken. Sie sah, wie er den Wohnblock nach oben anschaute und sie wusste, dass der Bezirk nicht wirklich der schönste in Hamburg war. Es war ehrlich gesagt, trist grau. Das konnte auch nicht der Kiosk neben dem Gebäude wieder wettmachen. „Es ist nur für den Übergang. Hab nichts besseres auf die Schnelle gefunden.“, sagte sie und zog ihren Schlüsselbund aus dem Seitenfach ihrer Sporttasche. Lena überbrückte die letzten Meter zur Tür und hatte schon den Schlüssel ins Loch geschoben, als sie die Haupttür aufschloss. Es klickte kurz und sie drückte die Tür mit ihrem Körper nach innen auf. „Magst du noch auf einen Kaffee mit hoch kommen?“, fragte sie ohne lange zu überlegen. Sie hatte wirklich nicht darüber nachgedacht. Aber die Idee kam einfach aus einem Bauchgefühl an die Oberfläche. Sie wollte das Gespräch nicht enden lassen. Als dann auch noch sein Blick auf ihren fiel und er lächelte, wusste sie, dass dies kein Fehler werden würde... „Gerne.“ Kapitel 09 - Gedanken --------------------- Ihre Schritte waren sanft, als sie an ihren Briefkasten ging und ihre Post herausholte. Sie hatte sich erst vor ein paar Tagen umgemeldet und trotz dessen war ihre Fach voll von Briefen und einem gelben Zettel. „Welche Etage?“, hörte sie Genzos Stimme fragen. Sie wandte sich nicht zu ihm um, da sie die einzelne Briefe nur oberflächlich durchschaute, als sie ihm antwortete. „Siebter Stock.“, murmelte sie, als sie gerade einen Brief umdrehte, um den Absender zu lesen, „Gibt kein Fahrstuhl, falls du fragen willst.“, lächelte sie dann doch, als sie den Namen ihrer Mutter als Absender erkannte. „Hätte mich auch schwer gewundert.“ Sie kommentierte seinen letzten Satz nicht, schloss das Brieffach und ohne weiteres Wort ging sie die Treppe hoch, während der Schwarzhaarige ihr folgte. Auf dem letzten Abschnitt ergriff sie allerdings dann doch das Wort. „Wunder dich nicht, es ist nicht aufgeräumt.“ „Keine Sorge, du warst schon immer chaotisch.“ „Das Genie beherrscht das Chaos.“, grinste sie, als sie ihre Wohnungstür erreichte. Lena schloss diese auf und stellte ihre Sporttasche im Türrahmen ab, als sie kurz noch erwähnte, dass sie eben nur ein Paket bei der Nachbarin abholen müsste. Bevor sie sich zur nächsten Etage begab, sah sie noch wie Genzo in der Tür stehen blieb und auf sie zu warten schien. Es würde ihr nichts ausmachen, wenn er ihre Wohnung komplett betreten würde. Sie hatte schließlich keine Geheimnisse. Aber sie respektierte auch seine gut erzogene Manieren. Lena hatte die letzten Stufen doppelt genommen und klingelte an der ersten Wohnungstür links neben ihr. Es dauerte eine Weile, als eine ältere Frau im gestandenen Alter ihr die Tür öffnete. Sie wollte schon ansetzen, als die Frau sie unterbrach. „Das Paket... ich hab es hier.“, sagte sie sie, bückte sich kurz zum Boden, hinter der Tür, und überreichte es der Blonden, „Kam kurz vor der Mittagsruhe.“ „Danke, für's annehmen, Gabi.“ „Nicht dafür. Ich bin sowieso die ganze Zeit zu Hause.“, lächelte sie. „Ich werd' mich trotzdem revanchieren.“, sagte Lena und verabschiedete sich von ihrer Nachbarin, die ihr lächelnd zu nickte, bevor sie die Tür wieder schloss. Sie eilte die Treppen zurück auf ihre Etage und immer noch stand Genzo im Türrahmen. „Was hast du bestellt?“, fragte er neugierig und sah auf das mittelgroße Paket. Lena nahm ihre Sporttasche und klemmte das Paket unter ihren linken Arm. „Ach... der Rechner. Ich glaub die Wasserkühlung ist defekt. Es gluckert dauernd so merkwürdig, als hätte ich ein Aquarium.“, lachte sie, „Ich hab nur neue Lüfter bestellt.“ Sie stellte sich an die Wohnungsrauminnenseite und ließ Genzo eintreten, während sie hinter ihm die Tür schloss. Die Wohnung war alles andere als groß. Der Flur war zwar breit, aber lang war er nicht. Rechts waren zwei Türen, sowie links ebenso. Gegenüber der Eingangstür stand eine kleine Kommode und eine Garderobe, an der sie ihre Jacke aufhing und die Tasche neben dem Schrank auf den Boden abstellte. Das Paket nahm sie mit, sowie die Briefe, als sie sich zu ihrem Schlafzimmer wandte. Jedoch noch einmal kurz zu Genzo sah. „Ich stell das eben nur ab, dann mach ich dir einen Kaffee. Wohnzimmer ist dort.“, sagte sie zu ihm und deutete auf die zweite Tür rechts, „Und wunder dich wirklich nicht.“, setzte sie hinten dran, bevor sie die Tür links nahm und in ihr Zimmer ging. Er sagte wieder, dass er wusste, wie sie war, was sie noch zum Lächeln brachte. Lena wusste auch, wie sie war. Eine Chaotin, ganz gewiss. Allein wenn sie jetzt in ihrem Zimmer stand, war auch hier das Chaos perfekt. Mal abgesehen von den vielen Kartons, die immer noch unaufgeräumt in den Ecken standen. Sie hatte sich dagegen entschieden, groß auszupacken. Schließlich wollte sie sich noch woanders umsehen, nach einer Wohnung. Hier bleiben wollte sie nicht. Sie ging zügig an ihrem Bett vorbei und an einen kleinen Raumtrenner, der dahinter ihr Schreibtisch offenbarte. Der Rechner stand auf dem Tisch. Daneben zwei Monitore, einer 24 Zoll, der Hauptmonitor und daneben ein 22 Zoll, sowie die teure Razer Tastatur, die auf einem übergroßen Mousepad lag, welches fast den gesamten Tisch überdeckte. Die Blonde legte das Paket auf den Tisch neben ihrer Maus ab und die Briefe rechts an den Rand. Zuvor musste sie zwar ein paar leere Schokoladenpackungen und Gummibärentüten aus dem Weg räumen, aber das war alles noch im Rahmen. Sie knabberte kurz an ihrer Unterlippe, als sie zu den leeren Kaffeebechern griff und ebenso den anderen Müll einsammelte. Ihre Zockernächte arten auch immer so aus. Sie wollte gerade den Rückzug antreten, als sie abermals das Gluckern des Rechners vernahm. Er war nur im Standby-Modus. Komplett ausgeschaltet hatte sie den Pc sicherlich schon gute zwei Wochen nicht mehr. Doch solange es nicht ganz vom Netz war, würde das System auch weiterhin im Hintergrund arbeiten. Sie sollte wirklich nicht mehr lange warten mit dem Austauschen, doch der Gedanke, dass Genzo in ihrem Wohnzimmer war, ließen ihre Gedanken weiterschweifen. „Später.“, murmelte Lena und verließ ihr Zimmer dann doch, bevor sie in die Küche ging und die Kaffeemaschine einschaltete. Bevor sie zwei Tassen aus einem Schrank nahm und sie auf die Vorrichtung stellte, warf sie noch den Restmüll in einen Abfalleimer. Kurz füllte sie Wasser nach und drückte dann auf die Taste mit den zwei Tassen. Sie ließ die Maschine ihre Arbeit verrichten. Eigentlich wollte sie direkt die Lüfter einbauen, sobald sie heute vom Training kam, damit sie das aus ihrem Kopf hatte. Aber da hatte auch noch nicht Genzo ihren Weg gekreuzt. In der Zeit, in der sie am überlegen war, piepte die Kaffeemaschine und sie nahm die zwei Tassen herunter. Kurz aus dem Kühlschrank holte Lena die Milch heraus und fügte ihrem Kaffee einen Schluck hinzu, bevor sie den Beutel zurück ins Kühlfach stellte. Ihre Hand griff danach zu einer kleinen Schüssel und sie nahm zwei Würfel Zucker aus diesem, um das Süßungsmittel ebenso in ihre Tasse fallen zu lassen. Kurz noch einen Kaffeelöffel dazu und sie nahm beide Tassen in die Hände. Zielsicher steuerte sie das Wohnzimmer an. Schon beim eintreten sah sie Genzo an einem Fenster stehen. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und sah hinaus. Als sie die Tassen auf einem kleinen Glastisch abstellte, bemerkte er dies und wandte sich zu ihr um. „Als du sagtest, bei dir sei nicht aufgeräumt, hab ich nicht daran gedacht, dass hier überall Kisten rumstehen.“ „Ich sagte doch, dass hier ist nur für den Übergang. Ich hab nicht vor mich häuslich einzurichten.“, sagte sie und deutete auf den Kaffee, „Schwarz, richtig?“ „Immer noch.“, lächelte er sanft zurück, „Kaffee kann nur gut ohne alles schmecken. Wie du den mit Milch und Zucker versauen kannst, werde ich wohl nie verstehen.“ „Jedem das seine.“, räusperte sie sich nur und nahm auf der kleinen Couch platz, wobei er sich direkt neben sie setzte. Er nahm sofort die Tasse in die Hand, doch hielt sie einige Sekunden vor sein Gesicht, bevor er doch wieder absetzte. „Wenn du magst, kann ich mich ein bisschen für dich umhören.“, sagte er dann und sie sah verwirrt zu ihm auf, „Wegen einer Wohnung, meine ich.“ „Ach nee, ich finde irgendwann schon was. Solange geht das hier auch.“ „Du weißt aber schon, dass das hier nicht gerade Hamburgs ruhigstes Viertel ist?“ „Passt schon.“ Sie hörte ihn seufzen und dann nahm er endlich einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Als er wieder absetzte, begann er das Thema von Neuem und Lena fühlte sich alles andere als Wohl dabei. Er hatte ja auch Recht. In dem Bezirk, in dem sie zurzeit wohnte war die Kriminalitätsrate ziemlich hoch und schön war es hier dreimal nicht. „Wirklich, Genzo. Ich komm schon klar.“ „Wie du meinst.“, sagte er, „Aber ich halt trotzdem die Augen und Ohren offen.“ Jetzt seufze sie. Sollte er doch machen was er wollte. Das tat er sowieso, wenn sie so recht überlegte. Gott, wie gut sie ihn doch kannte. Das machte ihr zu schaffen. Es sollte völlig normal sein, aber das war es nicht. Nicht seitdem sie in den Wochen viel Zeit mit ihren Gedanken allein verbracht hatte. Sie hatte versucht sich abzulenken, aber schnell wurde ihr klar, dass das nicht machbar war. Sie fühlte sich hin und hergerissen. „Hast du was von ihm gehört?“ Seine Stimme war leise und die Frage die er stellte, war vorsichtig. Als ob er lange mit sich gehadert hatte, überhaupt danach zu fragen. Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte das gar nicht zur Sprache gebracht. Das letzte an das sie je wieder denken wollte, war dieser blonde Egoist. „Wenn du damit meinst, ob die Terroranrufe aufgehört haben, dann ja.“, sagte sie und klang dabei mehr als gereizt. „Terroranrufe?“, fragte er direkt hinterher und sie hätte sich selbst eine scheuern können für ihr großes Plappermaul, „Welche Anrufe?“ Sie hatte in den Wochen kaum Kontakt zu ihm gehabt und hatte ihm natürlich dadurch auch nichts erzählen können. Ein kleiner Teil in ihr, wollte das auch nicht zu sehr nach außen tragen. Lena seufzte. Jetzt konnte sie es auch erzählen. „In... ehm... den ersten Wochen hat er mich damit ständig genervt.“, sagte sie kleinlaut, „Zu unmöglichen Zeiten rief er an. Erst als ich komplett umgezogen bin, hörte es auf.“ „Was wollte er denn damit erreichen?“ „Keine Ahnung, Genzo! Ich weiß nicht, was in seinem kranken Kopf vor sich geht und ich will es auch nicht wissen. Soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Geht mich nichts mehr an.“ „Hab nichts davon mitbekommen...“, hörte sie ihn murmeln. Auch wenn das Thema für sie gegessen war, weckte es ihre Neugier, wie sich Karl in seiner Gegenwart verhielt. Das schoss ihr öfters durch den Kopf, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Dass es nicht einfach für den Schwarzhaarigen war, konnte sie nur erahnen. „Wie... wie ist es denn so im Verein?“ „Wie meinst du?“, fragte er nach, doch schien ihre Frage zugleich verstanden zu haben, „Ach, das...“, seufzte er und nahm einen erneuten Schluck seines Kaffees, „Er ignoriert mich, wo er kann. Beim Training ist es noch human, aber das Spiel gegen Werder Bremen haben wir deswegen voll in den Sand gesetzt.“ „Ihr habt verloren?“, kam es erstaunt von ihr. „Ja... zwei zu eins. Er hat meine Zurufe einfach ignoriert und sein eigenes Ding durchgezogen und deswegen... hab ich die Tore kassiert. Ein normales Zusammenspiel ist kaum mehr möglich.“ Genau das hatte sie geahnt. Sicherlich versuchte Genzo, berufliches und privates zu trennen, was Karl offenbar nicht konnte. Nicht wenn er Genzo für all das Übel verantwortlich machte. Auch wenn er dafür keine Schuld traf. Ganz gewiss nicht. „Hab mich fast schon dran gewöhnt.“, lächelte er dann und sie sah ihn kurz bemitleidend an. Lena tat es leid, dass er so zwischen die Fronten geraten war. Dabei war es nur die Schuld ihres Exfreundes. Aber bis er das einsah, würde eher Himmel und Hölle gleichermaßen zufrieren. Er war schließlich nicht nur ein Egoist, sondern ein riesen Trottel, mit zu viel Geld auf dem Konto. - Wie sagte man so schön? Geld verdirbt den Charakter und das traf auf Karlheinz Schneider voll und ganz zu. Vielleicht war er ein Fußballgenie. Aber menschlich betrachtet, ein ganz schön großes Arschloch. Sie schüttelte gedanklich den Kopf, bevor sie ihre Tasse wieder auf den Glastisch abstellte. Ihr wurde in diesem Moment klar, dass nicht nur sie unter all den Geschehnissen zu leiden hatte, sondern auch er. Wenn auch Genzo es nicht zu sehr auszumachen schien. Mit diesen miesen Kopfkino musste einfach Schluss sein, entschied sie. Ablenkung, war das Stichwort. Etwas was sie beide brauchten. Ganz dringend und zwar jetzt. Abrupt stand sie auf und wandte sich zu ihm um. „Hast du... was dagegen wenn ich doch schnell die Wasserkühlung rausmache?“ „Klar, ich wollte mich dir auch nicht aufdrängen. Du hast schließlich den engeren Zeitplan.“, sagte er und es hörte sich an, als wollte er gehen. „Du drängst dich nicht auf.“, sagte sie etwas zu schnell. Hoffentlich bemerkte er es nicht so eindringlich, wie ihr gerade selbst. Sie wollte gewiss nicht, dass er dachte, sie würde ihn jetzt rausschmeißen wollen, also... lächelte sie, während er zu ihr aufsah. „Ich bräuchte da deine Hilfe.“ „Hilfe? Ich kenn mich überhaupt nicht mit dem ganzen Computerkram aus, Lena...“, kam aus aus seinem Mund, „Bin schon froh, wenn ich meinen Laptop hoch- und runterfahren kann.“ „Musst du auch nicht.“, antwortete sie und musste doch ein wenig schmunzeln, über seine kleinen Fachkenntnisse, „Aber der Rechner ist echt schwer geworden und ich brauch Platz für mein Vorhaben. Wenn ich Pech habe, muss ich das ganze Teil auseinandernehmen, also... wäre es praktisch, wenn ich das hier mache.“, sagte sie und deutete auf den Wohnzimmerboden. „Verstehe...“, grinste er und stand ebenso auf, „Du brauchst einen Packesel.“ „Nur ein bisschen.“, gestand sie. Sie sah ihn grinsend nicken, bevor er ihr den Vortritt ließ, was sie als Zustimmung ansah. So ging sie voraus und er folgte ihr. Eigentlich wollte sie ihn nicht in ihr Schlafzimmer führen. Das brachte sie wieder auf ganz andere Ideen. Sie schluckte den Gedanken hinunter. Eben noch dachte sie an Ablenkung und schon wieder konnte sie es nicht aufhalten Genzo weitere Gedanken zu schenken. Das müsste wirklich langsam aufhören. Er war ihr wichtig geworden in all den Jahren, ja. Aber sie wollte die besondere Freundschaft zu ihm nicht aufs Spiel setzen. „Ich nehm ihn nur kurz vom Netz.“, sagte sie dann und verbann ihre Gedanken erneut, als sie das Zimmer betrat und er immer noch hinter ihr ging. In dem Moment, als sie den Pc aus dem Standby-Modus holte, vernahm sie ein erneutes Gluckern. Es war echt nötig, dass sie mal ins Innere schaute. Wer wusste schon, was sich dort in der Zeit schon verselbstständigt hatte? „Goldfische, oder doch eher Piranhas?“, hörte sie ihn fragen, als sie ihr Passwort eingab. „Ich sag ja, ich hab ein Aquarium.“, murmelte sie und sah zu ihm. Doch sein Blick galt nicht ihr. Viel mehr dem matten, schwarzen Gehäuse, welches nun im Inneren, in Regenbogenfarben auf und ab leuchtete. „Gibt's nicht auch Regenbogenfische? Das würde hierzu passen.“ Sie konnte nicht anders, als über seine Aussage leise zu lachen. Bei ihr konnte es nicht bunt genug sein und leuchten musste es allemal. Ihr Rechner war schon ein kleines, persönliches Highlight, wenn sie das mal so anmerken dürfte. „Wie hältst du das Geblinke nur aus... da würde ich Augenkrebs kriegen.“ „Beim Zocken krieg ich nie was mit.“, sagte sie schulterzuckend, „Das Plexiglas ist eh auf der anderen Seite. Es stört also überhaupt nicht.“ „Gibt es überhaupt etwas da drin, was nicht blinkt oder leuchtet?“, stellte er die nächste Frage. „Die Ram-Riegel.“, sagte sie geistesabwesend und klickte mit der rechten Maustaste auf das Windows-Symbol und wählte von der Auswahlliste, die ihr nun angezeigt wurde, das Herunterfahren, „Aber das werd' ich auch noch ändern.“, grinste sie und spürte direkt Genzos Blick auf sich. „Was ändern?“ „Die Ram-Riegel. Ich wollte sowieso von 16 Gigabyte auf 32 upgraden und da gibt’s zum Beispiel die von Corsair. Die haben eine RGB-Funktion.“ „Wieso sagt mir mein Verstand, dass der größere Arbeitsspeicher nur ein Vorwand ist?“ „Weiß nicht, was du meinst.“, kam es leise von ihr und doch musste sie grinsen. Nicht nur sie kannte Genzo ziemlich gut, andersherum war er nicht benachteiligt. Na gut, dass sie ein Faible für RGB-Computerteile hatte, das war nun wirklich nichts Neues und etwas, was man ziemlich schnell herausfinden konnte. Dafür musste man nicht sieben Jahrelang befreundet sein. „Die Tastatur hast du doch auch nur, weil sie leuchtet, wie als wäre sie in ein Farbtopf gefallen.“ „Das stimmt nicht.“, verteidigte sie sich, „Ich kann nichts anfangen mit zu hohen Tastaturanschlägen. Dafür hab ich viel zu zierliche Finger und zweitens ist die von Razer. Da kriegt man nur schwer eine, ohne Chroma-Keys.“ „Ausrede.“ „Wirklich!“ In dem Moment fuhr der Computer komplett hinunter und das Leuchten erlosch mit einem Mal. Lena schob ihren Stuhl zur Seite und nahm die Maus in die Hand. Ging das Kabel von diesem ab entlang, so dass sie den richtigen USB aus dem hinteren Teil des Rechners zog. „Das... war die Maus, dann müsste das der Lautsprecher sein, Headset...“, sagte sie zu sich und zog ein Kabel nach dem anderen heraus, „Controller, erster und zweiter Monitor, Lan-Kabel und das Netzwerk.“, sagte sie und zog noch weitere Anschlüsse heraus, bis der Rechner völlig frei lag. „Alles ab gestöpselt?“ „Jep. Du kannst.“ Ohne ein weiteres Wort hob Genzo das Gehäuse an und trat vom Schreibtisch einen Schritt beiseite. „Gott, Lena... du hast nicht übertrieben. Was wiegt das alles? Eine Tonne?!“ „Übertreib mal nicht... vielleicht etwas über zehn Kilo. Das was wirklich in Gewicht fällt wird das Mainboard und die Grafikkarte sein. Und eventuell die Wasserkühlung, aber danach wird der Pc eh leichter sein.“ „Da kann ich ja das Krafttraining morgen ausfallen lassen.“, scherzte er und am liebsten hätte sie ihn jetzt gerne einfach geschubst. Aber da er ihren Rechner immer noch auf den Armen hatte, verkniff sie es sich. „Quatsch nicht so viel, bring ihn rüber.“ „Aye, aye.“ „Und wehe du lässt ihn fallen, oder eckst irgendwo damit an!“ „Ich pass schon auf...“, hörte sie ihn noch sagen, bevor er im Flur verschwand. Sie seufzte, als sie kurz darüber nachdachte hinterher zu gehen, um auch zu kontrollieren, ob er nirgendswo einen Kratzer hinterließ. Was ihren Pc anging, da war sie schon recht penibel und übervorsichtig. Wobei sie mit ihrem Headset eher schlampiger umging. Sie sah auf den Schreibtisch und nahm sich die Kopfhörer zur Hand. Der feine Riss an der rechten Seite, oberhalb der Over-Ears war kaum zu sehen, aber sie wusste. Würde das Teil ein weiteres Mal vom Tisch rutschen, weil sie mal wieder zu abrupt aufstehen würde und das Kabel sich in der Höhenverstellung ihres Gamingsstuhl verfing, würde es endgültig brechen. Das wäre dann das vierte Headset dieses Jahres, welches das Zeitliche segnete. Mittlerweile glaubte sie sogar, dass ihr Verbrauch an Pc-Zubehör teurer war, als wenn sie Hardware kaufte. Controller waren ebenso extrem schnell kaputt. Nicht, weil sie diese zu viel benutzte, sondern viel eher, weil sie oft quer durchs Zimmer flogen, wenn das Ding mal wieder nicht das tat, was man wollte. Oder Mäuse... Gott. Zum Glück hatte sie nie auf überteuerte Gamingmäuse gesetzt. Ihr reichte eine Maus, mit minimal zwei Daumentasten aus und wenn man die DPI leicht per Knopfdruck direkt an der Mausoberfläche verstellen konnte. Sie brauchte dafür keine extra Software, oder Gewichte an der Maus, wie es sonst bei Gamingmäuse oft der Standard war. Sie seufzte und nahm dann die Briefe in die Hand, welches am rechten Rand lag und überflog die Absender. Den Brief ihrer Mutter legte sie zur Seite. Den würde sie später aufmachen. Dafür war jetzt keine Zeit und Nerven dazu hatte sie gerade auch nicht. Sie hatte ihr geschrieben und ihr ihre neue Adresse mitgeteilt. Natürlich hatte sie auch erklärt, wieso sie nun woanders wohnte und mit Sicherheit würde ihre Mum das Thema ihrer Exbeziehung aufgreifen. Alle Mütter waren nun mal neugierig und wollten alles wissen. Wie. Wo. Was. Wann. Ein anderer Brief war von ihrer Bank. Auch wenn Karl und sie keine gemeinsamen Konten besaßen, war sie sich bewusst, dass er ihre Pin vom Girokonto wusste. Also hatte sie eine neue Karte beantragt und die Alte sperren lassen. Nicht, dass sie glaubte, dass er da wirklich drangehen würde. Immerhin brauchte er dafür auch noch die Karte. Aber mit der Tan-Nummer könnte er viel Mist anstellen. Nur um es ihr heimzuzahlen, dass sie ja so dreist war, ihn den Fußballkaiser zu verlassen, wegen einer läppischen Affäre. Sie schnaufte und klopfte sich gedanklich auf die Schulter. Sie hatte wirklich an alles gedacht. Vom Fühlen her, war hier also die neue Karte drin. Der neue Pin würde dann die nächsten Tage separat kommen. Sie legte den Brief ebenso ungeöffnet auf den Brief ihrer Mutter und schaute zum nächsten Absender, der sie stocken ließ. Ihr Puls raste auf einmal. Sie sah den Absenderort. München. Anna hatte ihr geschrieben. Etwas was sie nicht mehr gedacht hätte, dass es noch passieren würde. Sie hatte ihr angeboten, dass sie das mit Karl klären würde. Für sie und hatte ihr ihre Nummer gegeben. Als sie umgezogen war, hatte sie ihr ihre Adresse per SMS zukommen lassen. Falls ihr mal danach wäre, sich den Frust von der Seele zu schreiben, hatte sie dazugeschrieben. Und jetzt... Monate später tat sie es tatsächlich. „Hab ihn mitten im Raum abgestellt...“, kam es rufend von Genzo und sie drehte sich nur kurz zur Tür. „Komm gleich!“, rief sie zurück und riss zügig den Brief auf. Keine Ahnung, wieso sie den Brief ihrer Mutter verschlossen ließ, während sie Annas Brief jetzt lesen wollte. Immerhin würde es über das selbe Thema gehen. Sie überflog ihre Zeilen zwar, aber wissentlich. Sie schrieb viel von ihren Gedanken und um ihre Ängste. Irgendetwas schien mit dem Kind nicht zu stimmen. Zumindest wollte man das abklären, was in Anna natürlich Panik auslöste. Auch wenn die Umstände komplett verkorkst waren. Immerhin war Anna die Ex-Affäre von Karl gewesen und hatte sie schwanger sitzen gelassen. Sie war sauer und enttäuscht gewesen, von ihm. Anna traf da keine Schuld, eher tat es ihr leid, dass sie in dieser Situation war. Am Ende ihres Briefes bat sie Lena dann noch um einen Gefallen. Flüsternd las sie für sich die Zeilen vor. „Ich weiß, dass ist viel verlangt und ich könnte verstehen, wenn du ablehnst. Aber kannst du nicht nächste Woche nach München und mich zum Spezialisten begleiten? Ich meine, ich kann auch alleine, muss ich ja im Endeffekt, aber es wäre schön, wenn man jemanden an der Seite hat, der einem die Nervosität nimmt. Das ist alles so komplett bescheuert, ich weiß. Ich weiß einfach nicht, wen ich sonst fragen sollte. Ich hab doch sonst keinen.“ Lena atmete schwer und schluckte hart. Das kam überraschend. Ja, sie hatte ihr Hilfe angeboten, aber dass es jetzt so aussehen sollte, ließ sie das ganze doch Revue passieren. War es gut, ihr so nah zu sein? Könnte sie wirklich, ihr die Stütze sein, die sie brauchte? Klar, Anna war in einer schwierigen Lage und sie kannte ein bisschen etwas über ihr, doch sehr einsames Leben. Aber... würde sie selbst das so einfach wegstecken können? Darüber zu hören, dass Karl mehr als einmal sie betrogen hatte, war schwer gewesen. Aber mit der Zeit hatte sie damit abgeschlossen. Der Kerl konnte ihr den Buckel runterrutschen. Er war ihr mittlerweile komplett egal geworden. Aber... mit seinen Fehltritten direkt konfrontiert werden, indem sie vielleicht das ungeborene Kind im Ultraschall sah... sie wusste ehrlich nicht, was das in ihr auslösen könnte. Eigentlich wollte sie mit dem Thema doch einfach nur endlich abschließen. Neu anfangen. „Hast du was zum Aufwischen?“, kam es hinter ihr. Doch Lena war soweit in ihren Gedanken versunken, dass sie den jungen Mann hinter ihr im Türrahmen gar nicht richtig wahrnahm. Sie nahm ebenso nicht wahr, wie ihr Besuch sich ihr annäherte. „Oder ist dein Pc immun gegen Kaffee?“ „Was?!“, keuchte sie, als sie nur die Worte Pc und Kaffee hörte. Abrupt faltete sie den Brief zusammen, als sie Genzo so nah neben sich bemerkte. „Was hast du getan?!“ „Entspann dich. War ein Witz.“, grinste er dann verschmilzt, doch Lena wollte ihm so gerne den Hals umdrehen. „Darüber macht man keine Scherze, Genzo!“, zischte sie und schubste ihn nun doch endlich, „Ich hab fast einen Herzinfarkt erlitten!“ „So sahst du auch schon vorher aus.“, kommentierte er und sie sah ihn dann doch verwirrt an, „Der Brief... von wem ist der? Du siehst aus, als wärst du einem Geist begegnet.“ „Eh...“, stotterte sie. Fuck. Sie knüllte Annas Brief noch weiter zusammen und hoffte inständig, er hatte kein Wort davon aufgeschnappt. Immerhin fiel Karls Name öfters und bis auf sie und Maya wusste auch schließlich keiner davon. Was auch definitiv so bleiben sollte. „Ehm...“, räusperte sie sich dann, „Nichts. Schon gut.“ „Du kannst mit mir reden, wenn... es etwas gibt, worüber du dir Sorgen machst. Das weißt du, oder?“, fragte er und klang dabei so einfühlsam, sodass ihr Herz noch lauter unter ihrer Haut pochte. Würde es hier nicht um Karls Ex-Affäre gehen, hätte sie ihm in diesem Moment gerne so viele Dinge erzählt, die sie belastete seit der Trennung. Aber das hatte nichts mit dem Brief zutun, viel mehr... mit ihm. Und das war etwas, was sie ihm nie sagen könnte. „Es ist wirklich nichts.“, schluckte sie dann und stopfte den nun kleinen zerknüllten Brief in ihre Hosentasche, bevor sie zum Paket griff, in dem die Lüfter womöglich waren. Noch einmal räusperte sie sich und wollte an ihm vorbei, das Zimmer verlassen und sich endlich auf das Ausbauen der Wasserkühlung konzentrieren, als er sie am Arm aufhielt. „Lena...“ Aus einem Impuls heraus, riss sie sich von ihm los. „Es geht dich nichts an, okay!“, fuhr sie ihn plötzlich an und erschrak fast selbst, über ihren Ausraster, „Sorry... das... wollte ich nicht so laut sagen.“, entschuldigte sie sich prompt. „Schon... okay. Bestimmt Maya und Frauenkram, ich versteh schon.“ Sie seufzte beruhigt. Er hatte wohl wirklich nichts vom Brief gelesen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. „Wie auch immer...“, murmelte sie, „Kommst du?“ „Ehm... ja... kann ich noch einen Kaffee haben?“ „Kannst ihn auch selber machen.“, kommentierte sie, während sie durch den Flur ging und zur Tür der Küche nickte, „Ich bin jetzt erst einmal out of Order.“ Er ging an ihr zügig vorbei, schnappte sich seine Tasse und war kaum an ihr vorbei, da sah sie ihn noch im Augenwinkel grinsen, bevor er kommentarlos in der Küche verschwand. Wieder seufzte Lena. Es war purer Wahnsinn gewesen, Annas Brief zu öffnen, während Genzo in nahen Umgebung war. Das hätte auch deutlich schief gehen können. Auf jeden fall würde sie Anna morgen mal anrufen. Zurückschreiben kam nicht in Frage. Sie würde nie die richtigen Worte finden, da war telefonieren zumindest für sie einfacher. Eine Antwort auf ihre Bitte hatte sie noch keine. Sie würde später weiter darüber nachdenken. Wenn Genzo weg war und sie das Übel namens Pc überarbeitet hatte. Sie setzte sich vor ihren Pc auf den Boden und griff zu einer Schublade links von ihr, unterhalb eines Sideboards. Daraus nahm sie einen kleinen Kreuzschlitzschraubenzieher hervor und setzte diesen an der ersten Schraube an. „Na dann wollen wir mal sehen, was das Problem ist.“ Kapitel 10 - Lächeln -------------------- „Ich glaub's ja nicht...“, hörte er sie, als er gerade wieder im Türrahmen zum Wohnzimmer reinkam. „Was ist denn?“ „Da ist Moos drauf. Wie geht das denn?!“, stieß sie aufgeregt aus. Neugierig wie Moos und Computer in einem Kontext zusammenpassen sollte, trat Genzo näher und ging neben ihr in die Hocke. „Moos?“ „Auf der Pumpe... guck.“, sagte sie und hielt ihm ein Teil entgegen, dass sie gerade vom Inneren gelöst hatte. Er stellte seine Kaffeetasse aufs Sideboard links und setzte sich im Schneidersitz, bevor er sich das grüne Ding ansah. „Doch kein Aquarium. Ein Steingarten hat Moos.“ „Sehr witzig.“, kommentierte sie es trocken, „Wo kommt das her?“, fragte sie laut und legte das Gehäuse vorsichtig zur Seite. Interessiert sah er ihr dabei zu, wie sie einzelne Kabel, rote, grüne, gelbe, weiße hin und herschob, bis sie an zwei Schläuche kam. Erst jetzt bemerkte er, dass sie Einweghandschuhe trug. „Wozu die Handschuhe?“ „Damit ich keine Fettflecken hinterlasse. Jedes Teil ist empfindlicher, als das andere. Außerdem will ich eh noch die Leitpaste erneuern. Das hab ich nicht gerne an den Händen.“ Dann legte sie ihre Finger unterhalb des Schlauches und fuhr diesen ab, bis sie ihre Hand wieder zurückzog. „Da ist ein Leck. Ich fass es nicht.“, stöhnte sie genervt, „Oh Gott... die Graka... hoffentlich hat die nichts abbekommen...“ „Graka?“ „Die Grafikkarte...“, antwortete sie murmelnd, „Abkürzung. Sorry, ich vergesse immer, dass du davon keine Ahnung hast.“ „Keine Ahnung ist noch untertrieben, wenn ich mir das Chaos da drin ansehe. Wie kannst du da den Überblick behalten?“ „Weiß nicht,... im Endeffekt, wenn man sich damit nur ein bisschen beschäftigt, weiß man, welches Kabel für was ist.“, sagte sie federleicht und nahm erneut den Schraubenzieher zur Hand. „Also... ist es kaputt?“ „Definitiv Schrott. Ich hab eine Haufen Kohle für die geschlossene Wakü-“, begann sie, doch sie musste erneut seinen verwirrten Blick gesehen hatte und revidierte ihre Aussage noch einmal, „-Wasserkühlung ausgegeben. Ich wollte keine, die ich dauernd das Wasser wechseln musste. Da hätte ich alle sechs Monate kontrollieren müssen und das Ding komplett auseinander bauen dafür. War mir zu viel Aufwand.“, murmelte sie und löste ein etwas größeres Teil. „Was ist das?“ „Die Grafikkarte. Halt mal.“, sagte sie nur kurz angebunden und drückte ihm das Teil schon in die Hand. „Ehm... ich mach daran aber nichts kaputt, oder?“ „Wenn du es nur an den Seiten hebst und nicht rumwirfst, dann nicht.“, kam es sarkastisch von ihr. „Als würde ich das machen...“, murmelte er nun und sah sich das Ding genauer an. Er hatte wirklich null Ahnung davon. Kaum zu glauben, was für ein riesen Gerät das war. Genzo drehte es vorsichtig, als er einen Schriftzug sah. Er wollte wissen, was darauf stand, doch schon beim ersten Wort wusste er nicht, wie er es aussprechen sollte. „Was steht da?“ Sie sah zu ihm, während sie beide Hände gerade im Gehäuse hatte. „Nvidia.“ „Ach so spricht man das aus. Ist das der Name der Karte?“ „Nein. Der Hersteller.“, erwiderte sie und fügte hinzu, „Nvidia und AMD sind Marktführer, was Grafikkarten angeht. Wobei AMD erst in den letzten Jahren ziemlich gut dasteht. Preis-Leistung technisch gesehen. Aber bei Grakas nehm' ich lieber eine von Nvidia, auch wenn ich da mehr bezahle.“ Mittlerweile nahm sie noch etwas Quadratisches heraus und legte es vorsichtig aufs Laminat ab. „Aha. Und die Karte hat sicherlich auch eine genaue Bezeichnung.“ „Ist eine RTX 2080 Super.“ „Ist die gut?“ „Highend Grafik, Genzo.“, sah er sie grinsen, „Ich könnt damit alle Games auf höchster Einstellung spielen. Ich glaub sogar, bei der hab ich für die nächsten drei Jahre ausgesorgt. Wenn nicht noch länger.“ „Ich will gar nicht wissen, wie viel du für sowas ausgibst.“ „Ich glaube, ich hab ungefähr 600,- Euro ausgegeben.“, kam prompt die Antwort und hatte schon wieder den Blick abgewandt. „Ich wollte es nicht wissen.“, seufzte er und legte die Karte dann mit Bedacht auf seinen Schoß ab, da sie so langsam schwer wurde, „Wieso gibst du so viel Geld aus? Würde es eine schlechtere Karte nicht auch tun?“ „Sicher. Aber ich bin ein Grafikjunkie. Die RTX-Serie hat sogar eine Raytracing Funktion. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen.“ „Was ist das jetzt schon wieder?“ „Durch Raytracing kann im Spiel indirektes Licht, das über Ecken reflektiert wird, oder halb-transparente Objekte, durch die Licht scheint, sowie realistische Schatteneffekte dargestellt werden. Das macht das ganze Spiel dahinter um so realistischer.“ „Also eine Spielerei, ja?“ „Wenn du es so nennen magst,... ja. Ich sag ja, Grafikjunkie.“, murmelte sie zuletzt, „Auch wenn ich bei vielen Games auf höchste Grafikeinstellungen gehe, gibt es immer wieder ein paar Sachen, die schalte ich prinzipiell aus. Wie Antialiasing, das braucht nun wirklich kein Schwein. Oder Bewegungsunschärfe bei Shootern. Das ist absolut useless. Aber Raytracing ist schon was feines. Gerade in Storygames.“ „Du bist verrückt.“ „Ich wollt mir halt mal was gönnen. Außerdem ist die Karte schon ein gutes Jahr alt, okay. Es ist nicht die Neuste mehr.“ „Also würdest du dir eine neue Karte holen, wenn es was interessantes auf dem Markt gebe?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen nach. „Nein. Mein Geld wächst nicht auf Bäumen.“, sagte sie etwas genervt, „Meine Alte war eh... nicht mehr so fit, sag ich mal. Ich musste eh aufrüsten. Das hat mir gut in den Kram gepasst. Wie gesagt, mit der hab ich ein paar Jahre Ruhe.“ „Wieso beruhigt mich das nicht.“ Sie seufzte und nahm dann endlich die Wasserkühlung komplett heraus. „Das Ding kann ich in die Tonne treten...“ „Gibt's da nicht irgendwie eine Garantie?“, fragte er nach. „Die ist schon überfällig.“, seufzte sie, „Fünf Jahre haben sie gesagt, hält sie, ohne das man was machen muss. Ich versteh es nicht. Für was gebe ich so viel Geld aus, wenn es nach zwei Jahren den Geist aufgibt?!“, seufzte sie und sah sich den wohl defekten Schlauch an, „Nicht auszudenken, wenn ich das noch länger aufgeschoben hätte. Wer ahnt sowas denn... Das hätte mir den kompletten Pc ruiniert.“ „Wie lang hat es schon da drin geblubbert?“ „Puh... ehm... eins-zwei Wochen, vielleicht? Ich hab das erst gar nicht gecheckt, woher das kam. Bin nicht davon ausgegangen, dass es die Wakü ist.“, sagte sie und drehte sich halb zu ihm um, „Ich weiß noch, dass ich vor drei Wochen erst das alles sauber gemacht habe. Da war noch kein Leck und da kann mir keiner sagen, dass das innerhalb einer Woche passiert. Das wäre mir doch aufgefallen, wenn die Schläuche nicht mehr ganz intakt wären.“ „Mhm. Also... brauchst du wohl eine neue Kühlung.“ „Aber sicherlich keine Wasserkühlung mehr. Damit bin ich durch. Da haue ich lieber vier Luftkühler rein, die tun es auch zur Not. Auch wenn mir das Geräusch der Lüfter wieder tierisch aufn Senkel gehen wird.“ Lena nahm das Päckchen endlich in die Hand und griff zu einer Schere, die sie sich offenbar schon bereitgelegt hatte. Im Handumdrehen hatte sie es geöffnet und holte vier Lüfter dort heraus. Die Rädchen, die ihn an einen Ventilator erinnerten, waren in einem viereckigen Kunststoffgehäuse eingebaut gewesen. Mit zügigen Händegriffen, hatte sie zwei Lüfter bereits in wenigen Minuten verbaut, bis sie kurz innehielt. Nur um ihn dann kurz anzusehen. „Du hast doch noch Zeit, oder?“ „Ehm... ja. Wieso?“ Doch sie antwortete ihm nicht. Stand plötzlich auf und tapste leichtfüßig aus dem Wohnzimmer. Was auch immer sie vor hatte, irgendwie wusste er, dass dabei nichts Gutes dabei herumkam. Seufzend schnappte er sich kurz seinen Kaffee und nahm einen großen Schluck daraus. Gerade rechtzeitig, da kam sie auch schon wieder und hielt ihm ein Kästchen entgegen. Er stellte die Tasse zurück und sah sie verdutzt an. „Was soll ich damit?“ „Die Karte sauber machen.“ „Bitte was?“ „Tu was für deinen Kaffee.“, entgegnete sie ihm grinsend. Wenn Hermann so mit ihm reden würde, würde er ihm einen Vogel zeigen. Aber Lena konnte er so schwer was abschlagen. Was sicherlich auch gerade an der gesamten Situation lag. Seit langem hatte er das Gefühl, dass er wieder ganz normal mit ihr Umgehen konnte. Dass sie über ganz normale Themen reden konnten. Das hatte ihm irgendwie gefehlt. „Okay... aber nicht damit.“, sagte er dann und deutete auf das Kästchen. „Mit was sonst?“ „Das sind Wattestäbchen, Lena.“ „Ich weiß.“ „Du willst mich verarschen, oder?“ „Ich mach das auch immer so. Das oder Luftdruckspray. Aber die letzte Dose ging bei der Komplettreinigung von vor drei Wochen aus. Und mit einem Lappen gehst du mir da nicht dran. Am Ende kann ich wirklich eine neue Karte kaufen.“ Er stöhnte genervt und nahm ihr das Kästchen aus den Händen. „Es reicht auch, wenn du nur die Lüfter vom Staub befreist.“, lächelte sie und setzte sich wieder neben ihm. „Na schönen Dank auch. Das nächste Mal, wenn du mich auf einen Kaffee einlädst, frag ich vorher nach, ob du an deinem Computer rumschraubst.“ „Der erste Kaffee ging aufs Haus. Für den Zweiten musst du bezahlen.“, lachte sie dann und wollte etwas Giftiges kontern. Doch er beließ es dabei. Er könnte dabei nur ihr Lachen unterbrechen, dass er so gerne hörte. Ihr Lachen und selbst das Lächeln danach, als sie sich einem anderen Teil wieder zuwandte, um es einzubauen, fand er befreiend. Wenn er da zurückdachte... vor zwei Monaten hatte sie noch weinend in Mayas Wohnung gestanden und hatte die Scherben ihres Lebens aufgesammelt. Wenn er daran nur dachte, kam schon wieder diese elendige Wut in ihm hoch. Oft war Genzo kurz davor gewesen, dem Starspieler einfach eine reinzuhauen. Beim Training kam der Gedanke viel zu oft. Der Blonde verschwendete keinen Augenblick, um ihn spüren zu lassen, dass er unerwünscht war. Er fühlte sich fast Jahre zurückgeworfen, als er in Hamburg anfing zu spielen. Dieses ganze Mobberei. Die gerade von Karl ausging und erst mit einigen Monaten besser wurde, nachdem er ihn als Keeper akzeptiert hatte. Seit seiner und Lenas Trennung fing das alles nämlich wieder an. Genzo bemerkte recht schnell seine Eifersucht. Viel deutlicher und intensiver, als all die Jahre zuvor. Obwohl er mittlerweile eher weniger Kontakt hatte, als früher zu ihr. Was Karl allerdings ja auch nicht wusste. Er hatte darüber nur immer gedanklich den Kopf geschüttelt und auch Hermann sagte öfters, er solle ihn reden lassen. Er könne ihm schließlich gar nichts und wenn sich sein Verhalten nicht bald ändern würde, zumindest auf dem Spielfeld, wäre es die letzte Saison, welches er für den HSV spielte. Das hatte ihm Frank zufällig zugesteckt, als er den Vereinspresidenten darüber reden hat hören. Ihm war das alles so egal. Hauptsache, er würde sie in Ruhe lassen. Sie fing gerade erst wieder an, ihr Leben neu zuordnen. Da brauchte sie keine alte Lasten. Deswegen hatte er auch den größten Teil davon verschwiegen, als sie danach fragte. Sie sollte das einfach nicht wissen. Sollte sich keine Sorgen machen. Wenn er es erzählen würde, würde sie das ganz gewiss auf sich projektieren. Dabei hatte sie keine Schuld an dem, was nun gerade alles im Verein abging. Wieder sah er zu ihr und fixierte ihre Augen. Sie leuchteten so voller Vorfreude, oder Heiterkeit. So genau konnte er das nicht beschreiben. Glücklich eben. Das sollte einfach so bleiben. Am besten für immer. Er sah auf die Grafikkarte hinunter und seufzte, bevor er ein Stäbchen nahm und endlich begann die Ventilatoren sauber zu machen. Egal, wie viel es auch Spaß machte, sie auf den Arm zu nehmen und über ihr Hobby Witze zu reißen, sah er ihr Lächeln um einiges lieber. Wenn... wenn sie ihn anlächelte, war es sogar noch um einiges besser. Kaum diesen Gedanken zu Ende gedacht, lächelte Genzo in sich hinein. „Bist du fertig?“, riss sie ihn aus den Gedanken. „Ehm...“, doch schon hatte Lena ihm die Karte aus der Hand geschnappt, „Noch nicht... wirklich.“ „Eher gar nichts. Wo warst du mit deinen Gedanken?“ Bei dir, schoss es ihm durch den Kopf, doch sagte etwas anderes. „Sorry. Das Koffein tut seinen Job nicht mehr. Bin nicht mehr so aufnahmefähig.“ „Das merk ich.“, sagte sie, „Wenn du Heim willst...“ „Ich wart noch, bis du fertig bist. Wer soll sonst die Tonne Metall wieder rüber tragen?“ „Ey... das ist nicht irgendein Kram. Wenn man alles zusammenrechnet, kannst du dir davon einen Kleinwagen finanzieren.“ „Brauch ich nicht. Ich hab ein Auto.“ „Du vielleicht.“, murmelte sie und begann die Karte kurz mit einem neuen Wattestäbchen zu überfliegen, bevor sie diese wieder an ihren Platz im Gehäuse anschraubte. „Wenn du ein bisschen auf den teuren Kram wie... Sekunde... Raytracing war das, oder?“, fragte er für sich und wartete nicht eine Antwort von ihr ab, „... verzichten würdest, hättest du dir schon längst den Führerschein damit bezahlen können.“ „Was nützt mir der Lappen, wenn ich mir kein Auto leisten kann?!“ „Aber einen Highend-Computer. Ich versteh die Logik dabei nicht. Du etwa?“ Er hörte sie stark ausatmen und konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Es war schon einfach, sie auf die Palme zu bekommen. Aber ausfallend wurde sie nie. Das musste er ihr zugute halten. „Kehr du erst mal vor deiner eigenen Tür.“, sagte sie dann relativ ruhig, auch wenn es in ihr wahrscheinlich gefährlich brodelte. „Was soll das jetzt heißen?“ „Du gibst auch unnötig dein Geld aus für den ganzen Fußballkram.“ „Noch lang nicht so viel, wie du. 600 Euro für eine Grafikkarte. Mein Laptop hat vielleicht 250,- gekostet. Alles in einem.“ „Laptops.“, zischte sie ungehalten, sah aber nicht zu ihm auf, „Das kannst du ja wohl nicht vergleichen.“ „Reicht aus. Ich könnte damit auch Spiele spielen.“ „Was denn?“, fragte sie herausfordernd und sah nun doch zu ihm, „Spider-Solitär und Minesweeper? Bravo, Genzo. Das konnte schon der alte Pc meiner Mum, auf dem Windows 98 drauf war.“, sagte sie spitz, „Das war in den 90ern.“ „Könnte spielen. Tu ich nicht. Ich brauch nur etwas, worauf ich meine Emails schreibe und das ich ein bisschen im Internet damit surfen kann.“ „Siehst du und genau das ist der Unterschied zwischen uns beiden.“, sagte sie und schraubte gerade die letzte Luftkühlung im Gehäuse an, „Ich brauch den ganzen Scheiß eben. Das ist eben mein Hobby und zufälligerweise mache ich das auch beruflich. Ich bin damit aufgewachsen.“ „Das erwähnst du ständig. Aber du kannst mir nicht erzählen, dass du schon als Kind am Rechner saßt.“ „Nein, so lang dann doch nicht. Damals waren die Konsolen interessanter. Nintendo, Playstation und so... oh die erste Playsi mit Internetzugang. Highlight.“, grinste sie, „War glaube ich die dreier...“, sah sie nachdenklich in die Luft, „Müsste hinhauen. Danach bin ich irgendwann auf Pc gewechselt und da hängen geblieben.“ „Wann hast du eigentlich angefangen Rainbow zu spielen?“, fragte er dann, als ihm die Frage durch den Kopf schoss. „Mit 16.“ „Das Spiel ist ab 18.“, stellte er klar und deutlich fest und wieder sah er sie grinsen. Es gefiel ihm so gut, dass er sich anstecken ließ. „Was du nicht sagst, aber wenn du dir die Keys übers Internet holst, guckt da keiner nach dem Alter. Eine Paysafecard an der Tankstelle gekauft und ab dafür.“ „Also... 16, ja? Dreizehn Jahre schon.“ „Mehr oder weniger. Am Anfang hab ich es schon hart durch gesuchtet. Hab die Schule mega schleifen gelassen, aber als das Abitur vor der Tür stand, hab ich auf die Bremse getreten.“, erzählte sie beiläufig, „Hatte gut zwei, oder drei Jahre komplette Pause davon und dann fing es halt wieder an.“, zuckte sie mit den Schultern. „Man kann also sagen, du hingst dauerhaft davor.“ „Danke, das du mich daran erinnerst.“, sagte sie zugleich und er bemerkte, wie er Lächeln abrupt erstarb. Was hatte er denn jetzt Falsches gesagt? Er hörte sie seufzen und die Stille tat ihr übriges. Nachdem er nämlich nichts mehr sagte, sah sie erneut zu ihm. „Die Kinder hängen heutzutage nur noch vor der Glotze, Zitat von Rudi Schneider.“, half sie ihm auf die Sprünge. „Oh.“, kam es nur über seine Lippen. Verdammt, daran hatte er nicht mehr gedacht. Super, Genzo. Mal wieder erfolgreich Salz in die Wunde gestreut. „Könnte mich grade wieder darüber aufregen. Als ob jeder, der Shooter spielt ein potenzieller Amokläufer wäre! So ein Bullshit...“, keifte sie, „Mir hat's auch nicht geschadet. Nicht dass das alles entschuldigen sollte. Sicher gibt’s ein paar Idioten da draußen, die sich da was abgucken, aber so eine Psyche kommt nicht von solchen Spielen. Da ist einfach schon viel früher was schief gelaufen!“, begann sie ihre Tirade, „Aber man sucht ja immer woanders einen Schuldigen und was wäre da besser, als alle Gamer in eine Schublade zu stecken.“ „Ich steck dich nicht in eine Schublade.“, murmelte er leise. „Ich meine das auch im Allgemeinen. Die Leute suchen sich immer das aus, was ihnen gerade in den Kram passt. Nur weil sie zu unfähig sind, die wahren Probleme zu finden und zu lösen.“, sagte sie und atmete tief durch. Solche Diskussionen hatte sie schon früher oft geführt. Insbesondere mit Karls Vater. Wie oft, das konnte er nicht sagen, aber viele davon hat er hautnah miterlebt. Sie war da kaum mehr zu bremsen gewesen und Rudi Schneider erst Recht nicht. Am Ende war es keine Diskussion mehr, sondern ein regelrechtes Angezicke, Rumgemeckere und meistens wurde es dann auch noch beleidigend. „Ich sag nur der Amoklauf von Winnenden. Was da passierte war schrecklich, ja. Aber das ein 17-jähriger so verschroben war, dass er 15 Menschen in seinem Alter erschoss, lag nicht daran, weil er von Mutti die Killerspiele gekauft bekommen hat.“, sagte sie und betonte die Spielart besonders dabei, „Genau an so was sollte man ansetzen. Das solche Spiele nicht unter 18 geeignet sind, ist klar. Aber dann sollte man mehr darauf achten und besonders Vorboten davon erkennen. Das mit dem was nicht stimmte, war danach ja klar, soviel wie da in den letzten Jahren noch rauskam. Soziale Phobie, die man als nichts abtat, die sich bestimmt rauswächst,...“, fügte sie hinzu und deutete es mit Gänsefüßchen per Hände an, „Da fängt es doch schon an. Den auch noch mitzunehmen zum Schießtraining, damit er unter Leute kommt. Vielleicht ein guter Ansatz, aber die Umsetzung total daneben!“, kam es ungehalten von ihr, „Oder das man Waffen im Schrank ungesichert, geladen lagerte... wo der wunderbar dran kam. Da kann man sich nur an den Kopf fassen.“ „Hast du nicht eben gesagt, du hast Rainbow auch mit 16 angefangen.“ „Ja, schon. Aber ich war und bin nicht psychisch instabil, Genzo. Es entwickelt sich ja auch schließlich jeder anders. Außerdem hat meine Mum das ganz sicher nicht toll gefunden und mir mehr als einmal ein Passwort in den Pc geknallt. Nun... sie hat's versucht. Aber ihre Passwörter waren leicht zu knacken.“, lächelte sie dann kurz, „Wie auch immer. Auf was ich hinauswollte. Es war für mich ein leichtes an so Spiele ranzukommen. Da muss man ansetzen. Aber das ist denen ja alles zu viel Arbeit, weil da müssen dann wieder irgendwelche Gesetze geändert werden, also lässt man es einfach so weiterlaufen. Selbstreflektierung war noch nie ein Ding der Politiker.“ „Ja.“, seufzte er, „Ich will dich ja nicht unterbrechen bei deinem inneren Konflikt, mit der Meinung der Anderen, aber ich werde gerade echt müde. Brauchst du noch lange?“ „Oh. Sorry. Ich... hab mich wieder um Kopf und Kragen geredet.“, murmelte sie entschuldigend. „Tust du immer.“, lächelte er verhalten, bevor er sich zu seiner Tasse streckte und kurz sogar auf gähnte. „Ich muss nur doch die Blende dran machen.“ „Funktioniert wenigstens alles?“ „Das sehe ich dann drüben, wenn es am Netz hängt.“ „Und wenn es nicht geht?“ „Dann mach ich die Blende eben nochmal ab und überprüf die Anschlüsse. Das kann ich auch aufm Tisch machen.“, sagte sie und war gerade dabei die vorletzte Schraube hineinzudrehen, „Sobald er drüben steht, entlass ich dich.“ „Welche Großzügigkeit.“, murmelte er, als er den letzten Schluck des Kaffees genoss, wenn auch mittlerweile kalt und stellte die Tasse auf das Sideboard zurück. „Oh ich merk schon. Du wirst unausstehlich, wenn du müde wirst.“ „Ist das so?“, fragte er dann nach und zog eine Augenbraue nach oben, „Wann hast du mich mal müde erlebt?“ Kurz schien sie zu überlegen und er rieb sich dabei müde über die Augen, bevor er dann sein Handy aus der Trainingshose holte. Oh Gott. Gleich 18.00 Uhr. Wenn er Zuhause war, würde er sich direkt ins Bett werfen. Morgen war frühes Training angesagt. Irgendwas um sieben rum, hatte sein Torwarttrainer gemeint. Er stöhnte genervt. Eigentlich war es nicht geplant gewesen so lange hier zu bleiben. Aber er vergaß irgendwie total die Zeit. „Letztes Jahr... die Benefiz Veranstaltung, weißt du noch?“, hörte er ihre sanfte Stimme und er sah verwirrt zu ihr. Über was hatten sie eben noch gesprochen? Er war schon so weggetreten, dass er es auf die kurze Distanz vergessen hatte. „Ehm... was?“ „Da war so eine Spendenaktion, den der Sportverein organisiert hatte. War ein cooles Projekt, aber es hat sich ewig gezogen und ihr durftet alle erst nach Ende gehen, wegen der Anwesenheitspflicht.“, erzählte sie munter weiter, „Da warst du auch schon halb am Schlafen und hast Kaltz angepflaumt, ob er nicht endlich mal die Klappe halten könnte.“, kicherte sie. Hatte er das so gesagt? Daran erinnerte er sich gar nicht mehr so richtig. Lena dafür umso mehr, wie ihm schien. Allein an dieses Event konnte er sich nur vage erinnern. Der HSV machte dauernd solche soziale Projekte. Da konnte er sich nicht alles merken. „Kann schon sein.“, murmelte er daraufhin dann nur. „Bin mir ganz sicher.“, erwiderte sie und er schloss kurz die Augen. Nach nur wenigen Minuten hörte er dann ein Klackern und schlug die Augen wieder auf. Sie hatte offenbar den Schraubenzieher neben sich geworfen und zog gerade die Handschuhe aus. „Fertig.“ „Endlich.“, seufzte er und versuchte aufzustehen. Was gar nicht so einfach war, da er sich gefühlt Stunden im Schneidersitz befunden hatte. Seine Beine taten so unsagbar weh. Waren fast eingeschlafen. Dennoch rappelte er sich auf und streckte sich kurz. „Kann ich das Ding jetzt wieder rüber schleppen?“ Doch zu seinem Verwundern, schüttelte sie den Kopf. „Mach lieber, dass du nach Hause kommst, bevor du beim Laufen noch den Pc fallen lässt.“ „Ich werd' schon aufpassen, Lena.“ „Vergiss es.“, sagte sie jedoch eisern, „Ich krieg das auch alleine hin.“ Hieße das jetzt, er hätte schon vor fünf Minuten gehen können? Manchmal... da könnte er richtig fies zu ihr werden. Gerade wenn er so war, wie eben. Müde, hungrig und total im Arsch. Aber er behielt trotzdem seine Haltung. „Wäre doch gelacht, wenn ich den fetten Pc nicht selbst wieder auf den Tisch kriege.“, sagte sie grinsend und stand auf. Genzo beobachtete das Schauspiel, als sie eher unbeholfen über dem Gehäuse stand und nicht wusste, wie sie das Teil anheben sollte. „Ich kann mir das nicht angucken. Geh mal beiseite.“, sagte er dann doch und versuchte halbwegs wach zu werden. Lena würde ihm an die Gurgel gehen, würde er ihren heißgeliebten Computer fallen lassen. „Lass den Scheiß, Genzo... du bist doch-“ „Papperlapapp. Ich bin nicht aus Watte, okay.“ „Das hab ich nicht gesagt.“, entgegnete sie ihm, als er sich schon hinunterbeugte und das Gehäuse, mitsamt all ihren Habseligkeiten, auf die Arme hob. „Wieder an den selben Platz?“, fragte er gleich hinterher. „Ja...“, sagte sie gedehnt und er ging diesmal voraus. Hinaus aus dem Wohnzimmer, durch den Flur, in ihr Zimmer. Ohne viele Probleme ließ er das schwere Teil auf den Schreibtisch ab. „Siehst du. Ganz easy.“ „Danke.“, kam es nun von ihr gemurmelt, da sie neben ihm zum Stehen kam. „Kein Problem. Bin gerne dein Packesel.“, kam es so schnell über seine Lippen, dass er das gar nicht so richtig realisieren konnte. Erst Sekunden später danach war ihm bewusst, wie das gerade geklungen haben musste. Dabei wollte er das doch gar nicht so sagen. Diese Müdigkeit war schuld. Er war nicht nur unausstehlich, sondern auch kopflos bei solchen Dingen. Innerlich schüttelte er die Gedanken davon. Einfach gar nicht darauf eingehen. „Ehm... ich geh dann.“ „Okay, ich... bring dich noch zur Tür.“ Sie drehte sich abrupt herum und er atmete tief durch, bevor er ihr folgte. Seine Tasche und Sportjacke hatte er vorhin an der Garderobe abgelegt, welche er nun wieder aufnahm. Sie öffnete die Tür, doch verharrte kurz. „Soll ich dir noch einen Kaffee zum Mitnehmen geben? Kann schnell-“ „Lass gut sein. Ich schlaf schon nicht während dem Laufen ein.“, lächelte er, „Koffein hilft da eh nicht mehr.“ „Wenn du meinst...“ Normal sollte er sich jetzt verabschieden und gehen. Eindeutig, aber... irgendwie hat sich die letzten Minuten bei ihr wieder ganz anders angefühlt. Distanzierter, irgendwie. Weg war die sorglose Stimmung, die Normalität. So konnte er das nicht stehen lassen. „Wann hast du frei?“ „Eh... Donnerstag. Warum?“ „Perfekt, da hab ich nur bis um eins Training. Lass uns was machen.“, sagte er und war nun fast wieder hellwach. „Ehm... ich weiß nicht, ob-“ „Schotte dich bitte nicht erneut von allem ab, Lena. Gerade nicht in deiner kleinen Dunkelkammer mit den vielen bunten, flackernden Lichtern. Da wirst du nur noch bekloppter.“ Normalerweise erwartete er schon einen Konterspruch von ihr, aber es blieb aus. Was ziemlich ungewöhnlich für sie war. „Und... an was hast du da gedacht?“, fragte sie stattdessen leise flüsternd nach. „Lass dich überraschen, ich hol dich ab um Drei.“, stellte er klar, ohne es wie eine Frage enden zu lassen. Es war ja auch keine, sondern eine Feststellung. Damit sie ja auch nicht auf die Idee kam, es zu verneinen. Sie müsste endlich mal wieder rauskommen aus ihrem Dickicht. Auch wenn sie vielleicht gelöster wirkte, konnte er nicht sagen, ob sie auch so in ihrem Inneren war. Genzo wollte sie wieder Lachen sehen und auch wenn er noch keinen richtigen Plan hatte, würde ihm schon was einfallen. Zur Not, konnte er immer noch Marie fragen. Die hatte immer schon das Talent besessen, genau ins Schwarze zu treffen, wenn es darum ging, für Lena das Richtige zu finden. „Okay... von mir aus. Aber wehe du bist unpünktlich.“ „Versprochen.“, lächelte er und kurz lächelte sie zurück. Der Drang sie zum Abschied zu umarmen kam ihm in den Sinn, doch er verkniff es sich. Irgendwie... fand er es unpassend. Wobei er früher damit weniger ein Problem hatte. Wieso war das alles nur so komisch geworden? „Dann... bis Donnerstag.“, räusperte er sich und sie erwiderte dasselbe, bevor sie dann doch endlich die Tür von innen zudrückte. Noch ein paar Minuten stand er vor ihrer Tür, bevor er sich endlich herumdrehte und den Heimweg antrat. Von der Müdigkeit kaum mehr eine Spur. Das sein Herz noch dazu unaufhörlich schlug, als wäre er hundertmal um den Platz gelaufen, konnte er sich auch nicht so richtig erklären. Aber ebenso bemerkte er, dass er seine Maske nicht mehr lange aufrechterhalten könnte... Kapitel 11 - Kampfgeist ----------------------- Tief atmete Lena aus, als sie ihr Smartphone beiseite legte. Nach Tagen hatte sie sich endlich durchgerungen bei Anna anzurufen. Das wollte sie ja eigentlich direkt nach dem erhalt des Briefes tätigen. Aber immer dann wenn sie ihre Nummer schon längst eingegeben hatte, fiel sie jedes mal in eine Art Schockzustand, so dass sie wieder ihr Handy weglegte und es auf ein Morgen verschob. Es war merkwürdig ihre Stimme wieder zuhören, aber nicht unangenehm. Vielleicht würde sie die ganze Tragweite auch erst wirklich realisieren, wenn sie nächste Woche Montag in München war. Sie hatte sich nämlich dafür entschieden, Anna zu diesem Spezialisten zu begleiten. Weiter darüber nachdenken wollte sie jetzt aber nicht mehr. Sie würde nur noch die Ticktes buchen und morgen beim Training müsste sie unbedingt mit Stefan sprechen. Normalerweise hatte sie Montag die letzte Trainingseinheit, vor dem Auswahlspiel, welches dann am Samstag stattfinden würde. Dass sie ihren Coach anlügen müsste, was den Grund anging, gefiel ihr gar nicht. Aber die Wahrheit zu sagen war auch keine Option. Je weniger Leute davon wussten, umso besser. Sie würde einfach behaupten, dass es um eine Familienangelegenheit ginge und nach Hause müsste. „Hoffentlich bohrt er nicht weiter nach...“, murmelte Lena, als sie sich gerade die Internetseite der deutschen Bahn aufrief. Sie schrieb ihr Startpunkt und das Ziel ein, kreuzte nur ICE als Möglichkeit an und stellte die Uhrzeit ein, mit der sie in München ankommen wollte. Kaum wurden ihr die ersten Verbindungen angezeigt klingelte ihr Handy und sie nahm es erneut in die Hand. Genzos Name tauchte auf ihrem Display auf, was Lena ein Seufzer über die Lippen brachte. Kurz sah sie in die obere rechte Ecke ihres Smartphones und erkannte, dass es zehn vor Drei war. Kurz hatte sie die Hoffnung gehabt, er würde es vergessen. Obwohl Genzo alles andere als vergesslich war. Wenn er sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatte, könnte ihn niemand davon abhalten. Dabei hatte sie eigentlich gar keine Lust auf irgendeinen Ausflug. Dennoch nahm sie ab, als ihr auffiel, dass es nun schon das vierte Mal klingelte. „Ja?“, meldete sie sich relativ neutral. „Ich hoffe, du bist fertig.“ „Fertig für was?“, fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben, auch wenn er es nicht sehen konnte. „Sag nicht, du hast es vergessen?!“, kam es prompt zurück. „N-nein. Aber, ich hab nicht so die Lust, die Wohnung überhaupt zu verlassen, Genzo.“ „Du sagst mir jetzt nicht ab. Ich bin gleich am Auto. In zehn Minuten bin ich da.“ Sie seufzte erneut tief. „Du hast nicht mal gesagt, wo du hinwillst...“ „Bleibt mein Geheimnis.“ Sie schnaufte lauter, so dass er es sicherlich auch gehört haben musste. Denn sie hörte seine Stimme erneut im Telefon. „Zieh dir etwas Warmes an und feste Schuhe.“ „Etwas Warmes? Es ist...“, sie öffnete schnell einen weiteren Tab in ihrem Browser und gab Hamburg Wetter in die Google Suchleiste ein, „22 Grad.“, las sie dann die Temperatur ab. „Vertrau mir.“, sagte er eindringlich, „Also, in zehn Minuten will ich dich unten sehen. Abfahrtbereit.“ „Na schön, aber wehe-“ „Du wirst es nicht bereuen, ich verspreche es.“, sagte er und sie sah ihn im Geiste grinsen, bevor er noch ein, „Bis gleich.“, einwarf und einfach auflegte. Lena seufzte. Zehn Minuten Zeit. Sie schüttelte den Kopf, suchte sich noch schnell eine Verbindung für die Fahrt nach München aus und bezahlte schnell und unkompliziert über PayPal. Da sie bei der Bahn ein Kundenkonto besaß und ihr Handy damit verbunden hatte, konnte sie das Ticket über eine App aufrufen. Also keine nervigen Zettel, die sie ausdrucken musste und ihr damit gerade die Zeit stahl. „Packen wir es an...“, murmelte sie, fuhr ihren Pc in den Standby-Modus und stand vom Schreibtisch auf, bevor sie ihren Kleiderschrank ansteuerte. Etwa Warmes, hatte er gesagt. Sie fragte sich wirklich, was er vor hatte. Sie entschied sich relativ spontan für eine schwarze Jeans, die an einigen Stellen wie ausgewaschen erschien. Aus einem anderen Fach zog sie dann ein ebenso schwarzen Hoodie heraus, mit einem Aufdruck, welches eine Eule in der Nacht, auf einem Ast sitzend zeigte. An sich herunterschauend, dachte sie darüber nach, ihr jetziges Shirt darunter anzubehalten. Nur für den Fall der Fälle, dass es doch zu warm werden würde. Wieder läutete ihr Handy und sie stürzte sich schon fast auf ihren Schreibtisch. Nahm ebenso hetzend ab. „Ja... ich brauch noch fünf Minuten.“, schnaubte sie direkt. „Dass du dich auch nie an Zeiten halten kannst.“, hörte sie Genzos Stimme wieder. „Das waren auch keine zehn Minuten.“ „Vielleicht sieben. Kam gut durch den Verkehr.“ „Fünf Minuten.“, stöhnte sie genervt und diesmal war sie es, die einfach auflegte. Genervt warf sie ihr Handy aufs Bett, welches sich hinter ihr befand. Gott. Dieser Stress. Als sie vor ein paar Tagen, mehr oder weniger, zu diesem Ausflug zugestimmt hatte, fand sie es eigentlich eine gute Idee, als er gegangen war. Mal rauskommen. Die ganze verfahrene Situation vergessen und auch um mal an etwas anderes zu denken als an Betrügereien, oder an eine Schwangerschaft, oder eben an die Six Invitationals. Resigniert zog sie den Hoodie über ihren Kopf, zog dann ihre Leggins aus, um die Jeans anzuziehen, während ihre Gedanken weiter abdrifteten. Die Rainbow Six Meisterschaft war vor Monaten das Hauptthema in ihrem Leben. Es wäre ihre erste Weltmeisterschaft, an der sie aktiv teilnahm. Davor waren es nur regionale Turniere, oder kleinere Meisterschaften innerhalb von Europa. Sie war so aufgeregt gewesen, als ihr Coach ihr offenbarte, dass er überlegte, sie in die A-Mannschaft aufzunehmen, wenn sie sich weiterhin so gut machte. Die Chance zu bekommen, in einem so guten Team, wie Penta Sports aufgenommen zu werden, war schon schwer. Es als Frau zu schaffen, war fast ein Krampf gewesen. Nicht nur bei Penta hatte sie sich beworben, sondern auch bei Rogue, G2 eSports und dem Team Empire. Sie wurde zwar immer in die engere Auswahl genommen, aber hatte es in den drei Teams im Auswahlspiel, nie geschafft die Coaches von sich zu überzeugen. Manchmal da dachte sie, es lege daran, dass sie eben nicht männlich war. Natürlich war es wichtig, dass die Spieler untereinander sich auch gut verstanden und man hatte offenbar einfach angenommen, eine Frau in ein reines Männerteam zu holen, könnte zu Problemen führen. So gesagt, hatte es natürlich keiner, weil man ja das Wort „Gleichberechtigung“ immer groß schrieb. Jedoch hinten herum, war es immer anders. So hatte es sich zumindest meistens angefühlt. Die Aussagen derer Absagen, sie sei eine talentierte Spielerin, aber sie wäre nicht das, was sie suchten... klang schon sehr nach „Ja, du spielst super, aber du bist kein Kerl.“ Es war demotivierend gewesen. Ihre Mutter hatte sie zwar immer unterstützt und ihr weiterhin Mut gemacht, aber dennoch hatte sie ihr ebenso angesehen, dass ihre Mama sich einfach wünschte, sie hätte eine normale Tochter, die einen normalen Job machen würde. Sie kam mit ihrer Vorliebe zu diesem, doch sehr brutalen Spiel, nicht zurecht. Schon früher nicht. Aber sie hatte es schlussendlich einfach toleriert und auch akzeptiert. Lena war eben nicht das typische Mädchen, dass sich für Schmuck, Schminke und den neusten Tratsch interessierte. Was sicherlich auch ihr früheres Umfeld ausmachte. Spielte als Kind lieber mit dem Nachbarsjungen, kam allgemein mit Jungs besser klar, als mit den Mädchen in ihrer Schulklasse. Ausnahme war Maya, die sie schon seit dem Kindergarten kannte. Lenas Jeans saß und sie drehte sich zu ihrem Bett, um sich ihr Handy zu schnappen. Nur um dann ihr Schlafzimmer zu verlassen und die Garderobe anzusteuern. Sie nahm ihre Sportschuhe aus der unteren Ablage heraus und schlüpfte hinein, ohne die Schnürsenkel aufzuknüpfen. Ihre Umhängetasche lag unordentlich daneben, die sie nun ebenso in die Hand nahm und ihr Handy einfach hineinwarf. Kurz sah sie noch in das Innere der Tasche, um zu überprüfen, ob ihr Geldbeutel auch noch dort drin war, was sich bestätigte. Sie schulterte diese dann und nahm die Schlüssel vom Schlüsselbrett, bevor sie die Wohnungstür ansteuerte, ihre eigenen vier Wände verließ und während sie die Treppen hinabstieg, dachte sie weiterhin über ihren Werdegang nach. Penta gab ihr die Chance, die sie sich so sehr gewünscht hatte. Sie glitt einfach durch das Vorstellungsgespräch hindurch, ohne Probleme. Die Testspiele, die sie bestritt hatte sie in Bestzeit abgeschnitten und durfte auch daher mit dem B-Team gegen das Hauptteam spielen. Auch wenn zwischen den Spielern, der einzelnen Gruppen ein hoher Unterschied lag und sie das Spiel verloren hatten, war Stefan derjenige gewesen, der ihr Potenzial sah. Und als sie dann auch noch erfuhr, dass höchstpersönlich Niclas Mouritzen alias Pengu, ihr Spielverhalten analysierte und sie als „herausragend“ beschrieb, war für sie schon ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen. Kurz lächelte sie, als sie gerade die Haustür unten erreichte und zurück an den Moment dachte, als ihr Pengu gegenüber stand. Ihr die Hand gab und grinsend sagte: „Willkommen im Team.“ Ihr kleines Fan Herz schlug schon etwas schneller. Denn... er war ihr Vorbild gewesen. War es auch noch seit heute, auch wenn er mittlerweile für G2 spielte. Für Lena, würde Pengu immer ein Penta-Spieler bleiben. Derjenige, der sie motivierte nie aufzugeben und in den Augenblicken, in denen man fiel, immer wieder aufzustehen. Das Glück macht gerne mal einen Umweg, hatte er in irgendeinem Interview einmal gesagt und das hatte dazu geführt, dass auch sie nie aufgab und sich den Weg in ihr Traumteam erkämpfte. Das einzige was ihr verwehrt geblieben war, war die Möglichkeit jemals mit Pengu zusammen in einem Turnier zu spielen. Sie war jahrelang nur im B-Team gewesen und erst als er Penta verließ, nahm sie später dann seinen Platz ein. Trotzdem hatte sie ihm viel zu verdanken. Hatte ihr einige seiner Tricks und Strategien verraten, oder hatte ihre Reaktion geschult, sowie, dass es auch wichtig war, auf sein Bauchgefühl zu hören. „Egal, was der Couch sagt. Wenn du ein schlechtes Gefühl dabei hast, dann hör auf die Stimme in deinem Bauch und handel instinktiv.“, waren seine Worte mal zu ihr gewesen, „Und steh dazu, auch wenn es schief geht. Wenigstens hast du dir dann nichts vorzuwerfen.“ Das hat ihr damals viel geholfen. Oft fragte sie sich, ob es okay wäre, wenn sie einen anderen Weg einschlagen würde, als der den Stefan vorgab. Jedes der Teambesprechungen über Taktiken und möglichen Optionen, wie man als Angreifer vorging waren rein statisch zu betrachten. Jedes Szenario war nun mal nicht dasselbe. Jeder spielte anders, auch wenn man im Vorfeld die Spieler des gegnerischen Teams analysierte und Gegenstrategien austüftelte. In jedem Spiel kam es zu kleinen Abweichungen und dann war es enorm wichtig, sich binnen Sekunden daran anzupassen. Tat man das nicht, brauchte man sich auch nicht wundern, wenn man an der nächsten Ecke über den Haufen geschossen wird. Lena atmete tief durch, als sie ihre Gedanken an Rainbow verabschiedete und ihr Blick nach vorne fiel. Sie sah Genzos Auto. Ein kleiner, azurblauer Mazda, der am Straßenrand direkt vor ihrem Wohnblock stand. Sie hatte sicherlich länger als fünf Minuten gebraucht, überlegte sie kurz. Sie zuckte leicht mit den Schultern. Egal. Er sollte sich bloß nicht darüber auslassen. Im Job war sie gewissenhaft und hatte noch nie einen wichtigen Termin verpasst. Aber wenn es um so etwas ging wie,... ein Ausflug ins Ungewissene... da trödelte sie gerne mal. Gerade wenn es so warm war, wie heute. Gott, den Hoodie bereute sie jetzt schon. Endlich kam die Blonde am Auto an und zog direkt die Beifahrertür auf. „Was war los? Hast du dich am Pc festgeklebt?“ „Ha, ha... sehr witzig.“, entwich es ihr sarkastisch, „Sagst du mir jetzt wohin es gehen soll?“, fügte sie hingegen fragend hinzu, als sie sich in den Sitz fallen ließ und die Tür zuzog. Doch er schüttelte sofort den Kopf, als er den Motor startete und langsam anfuhr. „Lass dich doch einfach überraschen, Lena.“ „Ich hasse Überraschungen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)