Der Weihnachtswunsch von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Der Weg der Erkenntnis --------------------------------- Iori kam nach einem langen Arbeitstag nach Hause. Die Gerichtsverhandlung war nach einem langen Verfahren endlich zum Abschluss gekommen. Er hatte als Staatsanwalt - der jüngste in ganz Japan - seinem Land Gerechtigkeit zu kommen lassen. Der junge Mann liebte seinen Beruf, auch wenn er dadurch viel Leid sehen musste. Er hatte gelernt die Schicksale der Menschen nicht an sich herankommen zu lassen, wenn er dies tun würde, würde er zu Grunde gehen. Es erschreckte ihn immer wieder, wie skrupellos einige Menschen sein konnten. Das es Menschen gab, die anderen Menschen quälten, missbrauchten und den Opfern das Leben nahmen ließ ihn nie kalt. Er konnte es nachvollziehen, wenn aus Opfern Täter wurden und doch musste er auch dann seiner Arbeit nachkommen. Sein hartes Berufsleben konnte er meistens vor seiner Wohnungstür lassen. Halfen ihm seine Treffen mit seinen Freunden, seine Familie und seine Freundin Leiko den Alltagsstress zu vergessen. Den größten Halt in seinem Leben gaben ihm aber die Briefe und E-Mails die aus Paris kamen. Das Highlight war für ihn, wenn er Louisas Stimme am Telefon hören konnte. Das Leiko jedes Mal vor Eifersucht an die Decke ging prallte nach gut einem Jahr Beziehung an ihm ab. Zum Anfang fand er es noch amüsant, dass seine Freundin auf jemanden eifersüchtig war, der noch nicht einmal in Tokio lebte. Jetzt nervte es ihn nur noch. In ihm kam langsam das Gefühl hoch, dass er vor vier Jahren den größten Fehler seines Lebens gemacht hatte. Hätte er damals zu seinen Gefühlen gestanden und seine Selbstzweifel über Bord geworfen würde er heute glücklicher sein. Iori beruhigte sich immer mit denselben Ausreden: Sie war doch erst fünfzehn Jahre alt gewesen. Sie sollte glücklich werden und nicht auf ihn warten. Die Beziehung wäre zum scheitern verurteilt gewesen, auf Grund der Entfernung und des Alters. Yamato und Takeru hätten aus ihm Kleinholz gemacht, wenn er ihrer Schwester weh getan hätte. Er hätte sein Studium an den Nagel hängen können, wenn eine Beziehung mit einer Minderjährigen bekannt geworden wäre. Schließlich wollte er sie in ihrem Alter nicht für immer an sich binden nur um mit ihr zusammen sein zu können. Jetzt hatte er den Salat. Louisa hatte einen Freund. Er hatte sie für immer verloren. Daher hatte er sich aus Trotz in eine Affäre – die jetzt seine Freundin war - gestürzt, die zu allem Überfluss schwanger geworden war. Wie das passieren konnte war ihm bis heute ein Rätsel. Immerhin hatten sie doppelt verhütet. Er hatte in seinem ganzen Leben nur ein einziges Mal ohne Kondom mit einer Frau geschlafen. Da er ihr in jeder Hinsicht vertraute und er wusste, dass er sie mehr liebte als sein Leben. Es hatte ihn damals aus den Socken gehauen, zu was für einer wunderschönen Frau sie geworden war, als er sie auf der Hochzeit von Hikari und Takeru wiedergesehen hatte. Ihr bodenlanges mintgrünes Chiffonkleid betonte die weiblichen Rundungen enorm. Das Oberteil war mit kleinen glitzernden Ornamenten verziert. Ihre Haare hatte sie kunstvoll hochgesteckt und kleine Locken umrahmten ihr zartes Gesicht. Ihm fiel damals die Kinnlade runter, als er ihre Rückenansicht sah. Ihre Träger schlossen sich zwischen den Schulterblättern und der gesamte nackte Rücken war bis zu den Hüften zusehen. Noch heute könnte er sich ohrfeigen, dass er seiner Sehnsucht ihr gegenüber nachgeben hatte. Er hatte Louisa ihre Unschuld mit einem One-Night-Stand genommen. Dass hatte sie ganz sicher nicht verdient, auch wenn beide vorher – im Rausch der Gefühle – die Vereinbarung trafen, dass es nicht mehr sein würde. Sicher, er wusste, dass er sie liebte, aber traute sich nicht nachzufragen, wie Louisa die Sache sah. Es brach ihm das Herz, als sie weinend seine Wohnung verließ. Kurze Zeit später hatte er von ihr erfahren, dass sie mit Maxime zusammen war. Damals brach sein Herz erneut in tausend Teile. Er hatte das Gefühl nicht mehr zu leben. Wie ferngesteuert bestritt er von da an sein Leben, bis er Leiko kennenlernte. Er gab ihr eine Chance. Er wollte sie in sein Herz lassen. Er wollte sie lieben. In gewisser Weise tat er das auch, aber er konnte sie nicht so lieben wie Louisa. Gedankenversunken schloss er seine Wohnung auf. Kurz stöhnte er auf, als er die Stimme von Leiko hörte. Eigentlich wollte er seine Ruhe haben und seine Wunden lecken. Außerdem hasste er es, wenn sie alleine in seiner Wohnung war. Warum hatte er ihr noch mal einen Wohnungsschlüssel gegeben? Ach ja, er war vor ein paar Wochen wegen einer Blinddarmoperation im Krankenhaus. Leiko sollte ihm frische Wäsche holen und hatte ihm bis heute den Schlüssel nicht zurückgegeben. Iori wollte sich bemerkbar machen, als er ein paar Wortfetzten ihres Gespräches hörte: „Nein, ich habe noch nicht mit Iori gesprochen. … Ich soll was machen? Spinnst du? Er verlässt mich sofort, wenn er die Wahrheit kennt. …. Meine Eltern würden das nicht zu lassen. … Ich kann auch nichts dafür, dass du keinen gescheiten Beruf hast. …. Mein Kind, nicht deins. Ich entscheide, was richtig für mein Kind ist. Verstanden?“ Iori musste kurz schlucken, als er die Worte verstanden hatte. Er merkte, wie die Wut in ihm überhandnahm. Er merkte, wie er in ein bodenloses Loch fiel. Er blickte auf den Scherbenhaufen vor sich, der sein Leben darstellte. Ihm wurde klar, dass eine schwere Last von seinen Schultern genommen wurde. Ihm wurde klar, dass alles was mit Leiko zu tun hatte ein riesiger Fehler war. Ihm wurde klar, dass er erleichtert war. Erleichtert darüber, dass er kein Kind, dessen Mutter er nicht liebte, in die Welt setze. Ihm wurde klar, dass er nur ein Leben hatte und es Zeit wurde, dieses so zu leben wie er es sich wünschte. Ihm wurde klar, dass er seinen Lebenstraum endlich wahr werden sollte. Da gab es ein kleines Problem. Nachdem er Leiko aus seiner Wohnung geschmissen hatte und sich seine Freiheit zurückgeholt hatte. Stand er gedankenversunken an seinem Wohnzimmerfenster. Er sah den Schneeflocken zu wie diese sachte zu Boden fielen. Ihm fiel wieder ein, dass Hikari, Takeru, ihre Tochter, sowie Sora, Yamato und Haru bald wieder nach Paris fliegen würden. Dort würden sie mit der Familie der Brüder das Weihnachtsfest feiern. Iori konnte nie wirklich etwas mit diesem Fest anfangen. Obwohl, es war nicht das Weihnachtsfest, womit er nichts anfangen konnte, er verstand schlichtweg den Sinn des christlichen Glaubens nicht. Erst als Louisa in sein Leben trat und er merkte, was für ein Stellenwert sie in seinem Leben hatte, hatte er angefangen sich über ihre Kultur zu informieren. Wurden nicht immer kleine Geschenke überreicht? Hatte er gestern nicht diese goldene Rose gefunden? Wie hieß sie nochmal? Infinity Rose, da ihre Haltbarkeit auf mindestens drei Jahre angeben wird. Louisa liebte Rosen. Das wäre das perfekte Geschenk. Oder doch nicht? Immerhin hatte sie einen Freund. Iori ging davon aus, dass sie glücklich in dieser Beziehung war. Er glaubte ihr. Er wollte ihr den Schmerz und den Frust, den er in seiner gerade beendeten Beziehung durchgelebt hat, erspart wissen. Wie war das mit seinem Lebenstraum? Er glaubte und hoffte auf eine gemeinsame Zukunft mit der quirligen Blondine. Sie holte ihn mit ihrer fröhlichen Art aus seinem Schneckenhaus. Wo er gradlinig war, zeigte sie, dass man auch auf Umwegen zum Ziel kommen kann. Wo er verbissen wirkte, war sie offen und fröhlich, verlor aber nicht ihre Ziele aus den Augen. Sie zeigte ihm den Spaß am Leben, wo er sie so manches Mal auffing, wenn etwas schief lief in ihrem Leben. Er gestand sich endlich nach vier Jahren ein, dass sie das perfekte Gegenstück zu ihm war. Schnell lief er in den Flur und zog sich seine Stiefel an und schmiss sich seinen Mantel über und nahm seine Aktentasche an sich. Den Mantel konnte er im Aufzug richten. Mit schnellen Schritten eilte er durch das verschneite Tokio. Als er das richtige Geschäft gefunden hatte, atmete er erleichtert aus. Das Glück war auf seiner Seite. Iori ergatterte die letzte Infinity Rose. Wenn dies keinen Zeichen der Götter war. Oder war es das Weihnachtswunder, von dem er immer hörte. Gerade als er Louisas Geschenk in seiner Aktentasche verstauen wollte, sah er die Leuchtreklame von einer Pariser Fluggesellschaft. Was wollten die Götter ihm damit sagen? Iori zuckte mit den Schultern. Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Telefonnummer von Takeru. Louisas Bruder war in den vier Jahren ein sehr guter Freund geworden um genau zu sein, sah er in dem Blonden seinen besten Freund. Takeru rechnete es ihm heute noch hoch an, dass er damals mehr an Louisa, als an sich selbst dachte. Der Blonde wusste seit Louisas ersten Besuch in Tokio, dass Iori seine Schwester liebte. Immerhin hatte er es Takeru selber erzählt. Als der Blonde das Gespräch annahm, fragte Iori ihn, ob er Louisa ein Geschenk von sich überreichen könnte. In der Wohnung der Takaisihs hatte er noch die Zettel geschrieben und die Box in rote/weißes Geschenkpapier verpackt. Dabei hatte sich sein eigener Weihnachtswunsch in seinem Herzen festgesetzt. ‚Ich wünsche mir eine gemeinsame Zukunft mit dir.‘ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)