Draculas Kinder von Elnaro ================================================================================ Kapitel 2: Schandtat -------------------- Mir blieb nichts anderes übrig, als Magret-Natalia Zeit zuzugestehen, sich in ihre Rolle als mein Weib einzufinden. Meine Gier nach ihr war nicht gestillt, gemindert allerdings schon und das lag in der Art begründet, wie sie mich seit jenem Tage immerfort stumm tadelte. Mit aller Leidenschaft, mit der ich ihren jungen Körper liebte, hasste ich diesen angewiderten Blick. Zu meinem großen Bedauern hatte sie sich nach jenem Morgen zudem ihrer langen Haarpracht entledigt. Kaum mehr bis zur Schulter reichten ihre hellen Locken noch. Aus verstrichenen Monaten wurden Jahre, in denen sie sich nicht besann. Niemand konnte mir unterstellen, ich sei nicht geduldig genug. Auch die Politik deprimierte mich, während zu geringe Einnahmen den Erhalt des Palastes bedrohten und Davids Bemühungen um den neuen Kontinent zu viele Mittel verschlangen. Unzufrieden bestellte ich Victor zu mir in den prunkvollen Thronsaal, um ihn für diese beiden Fehlentwicklungen zu verwarnen, trug er doch die finanzielle Verantwortung und hatte um das Recht gebuhlt, sich um Magret-Natalia kümmern zu dürfen. Auf meinem edlen goldenen Thron saß ich erhaben vor ihm und versuchte ihn für den Engpass bei den Finanzen zu tadeln, doch so recht gelang es mir nicht. In viel größerem Maße musste ich den Erstgeborenen dafür zur Verantwortung ziehen. Die Schuld an den sinkenden Goldreserven war vordergründig ihm zuzuschreiben. Zumindest für den Misserfolg mit Magret wünschte ich Victors Stellungnahme, doch bei näherer Betrachtung, bedeutete dies zugleich ein Zugeständnis an meinen schneidigen Sohn. „Ich blieb geduldig, habe dir Zeit gegeben sie milde zu stimmen, doch du hast versagt. Meine eigene Tochter, mein Weib hasst mich aus tiefstem Herzen. Ich gebe sie an dich frei, wenn du sie willst.“ „Verzeiht Vater. Ihre Wunde ist zu tief und ich bin nicht fähig, sie zu heilen. Zu meinem Bedauern muss ich zudem berichten, dass sie an mir nicht mehr Interesse hegt als an Euch. Ich habe mein Bestes gegeben, doch sie ist stark. Selbst ich kann sie nicht beeinflussen.“ Selbstverständlich stand er mit durchgedrücktem Rücken aufrecht vor mir, so wie ich es von ihm kannte, sogar erwartete. Des Weiteren war er ehrlich, was ich mehr als nur schätzte und das sogar in diesem Falle, in dem mir seine Widerworte gar nicht schmeckten. „Dich hasst sie gewiss nicht und auch David-Richard nicht. Gib sie ihm, wenn du sie nicht begehrst. Wichtig ist nur, dass ihr Blut in der Familie erhalten bleibt.“ „Ich werde tun, was sich machen lässt“, erwiderte er. Erneut ließ ich ihm freie Hand, denn zuvor hatte er mich nie enttäuscht. Allerdings verstrichen weitere Monate, in welchen mich Magret mied, als sei ich die Sonne selbst. Die schiere Größe des Palastes gab ihr Raum, mir auszuweichen, doch dann, nach fast einem Jahr, trat sie mir in einer tief verschneiten Winternacht erhobenen Hauptes unter die Augen. Ihr Blick brannte mit einer noch mächtigeren Intensität als sonst. Eine derart ungebändigte Aura voller Stolz hätte ich kilometerweit spüren können, so wie ich es von einer Dracul erwartete. Aufmerksam musterte ich sie, um auf einen Hinweis für den Grund ihrer Entwicklung zu stoßen und ich fand ihn. Meine Tochter war nicht mehr allein mit sich, sondern trug eine weitere Präsenz unter ihrem Herzen. Endlich, nach all der Zeit, war sie schwanger und da David-Richard noch auf seiner loyalen Mission in der neuen Welt unterwegs war, glaubte ich mich sicher im Wissen, Victor sei der Vater. Es konnte keinen anderen geben, denn wenn es einen seltenen Augenblick einer Begegnung im Palast mir ihr gab, dann stets in seiner Begleitung oder allein. „Wir müssen reden, Vater“, begann sie gezielt, während sie gefestigter als früher auf mich zu schritt. Ich belohnte sie, indem ich mich von meinem Thron erhob und ihr mit einem offenen Ohr entgegenkam. Sie verharrte, bis ich alle fünf Stufen zu ihr herabgestiegen war. Merkwürdigerweise schien sie seit jenem Morgen in meinem Gemach vor sechs Jahren kein Stück mehr gewachsen zu sein. Sanft berührte ich ihre niedrige Schulter, um sie in einen behaglichen Beratungsraum zu leiten, doch darauf reagierte sie mit Ablehnung. Sie schlug mir furchtlos auf die Finger und schrie mir ungehemmt ins Gesicht: „Fasst-mich-nicht-an!“ Ich kräuselte die Lippen, nahm ihre Renitenz jedoch verhältnismäßig gelassen entgegen. Ich wusste schließlich schon, welch gute Nachricht sie mir zu überbringen suchte und das stimmte mich milde. Direkt, ohne mich in wohnlichere Gefilde zu begleiten, legte sie ihr Geständnis mitten im Saal ab. „Ich erwarte ein Kind.“ „Warum hast du deinen Bruder nicht mitgebracht, um mir diese erfreuliche Nachricht zu überbringen?“ Nun lachte sie einmal spitz auf und zwar so hämisch, dass es mich vollends aus der Ruhe brachte. Ich kniff die Augen zusammen und lief um sie herum. Dabei ließ ich meine deutlich machtvollere Aura aufflammen, doch auch das schüchterte sie nicht mehr ein. Sie wusste wohl, mit welchem Stolz ich den ersten Nachwuchs der dritten Generation erwartete und sie selbst im schlimmsten Falle nichts Ernsteres befürchten musste, als das, was ich schon mit ihr getan hatte. Abrupt beendete sie das Gespräch mit der Äußerung: „Ich wollte nur, dass Ihr es wisst. Adiós!“ und ließ mich perplex zurück. Obgleich es nicht meines war, wuchs meine Vorfreude auf dieses Kind, ein weiteres Mädchen und ein willensstarkes noch dazu. Selten spürte ich derartige Eigenschaften bereits vor der Geburt. Dies deutete auf eine besonders mächtige Präsenz hin, die nur reinen Blutes sein konnte. Außer mir und David konnte nur Victor in der Lage sein, einen so prachtvollen Nachkommen zu zeugen. Es gab somit keinen Zweifel an seiner Vaterschaft, auch wenn Magret auf diese Frage irritierend reagiert hatte. Sie machte sich wohl einen Spaß daraus, mich zum Narren zu halten. Womöglich, weil ich die Verbindung meiner Kinder miteinander nie durch einen festlichen Anlass untersetzt und ihr gezeigt hatte, wie sehr ich sie schätzte. Ich erfuhr den Grund nicht, bevor die zweite Prinzessin die Düsternis unserer Welt erblickte. Einen Tag der Erholung gab ich ihr, doch dann besuchte ich meine Tochter voller Stolz. Nach all den Jahren wurde mir endlich mein erster Enkel geschenkt. Victor begleitete mich in den Ostflügel des Palastes, den Magret bewohnte. Mein Sohn schien gelöst und doch war da eine Unruhe in ihm, die ich nicht zu deuten wusste. Ich betrat Magrets Schlafgemach und plötzlich kehrte Ruhe ein, wo gerade noch heiter gesprochen wurde. Wie erwartet, lag sie in ihrem Bett mit der schlafenden und noch ein wenig zerknitterten Jüngsten der Dracul Familie im Arm. „Nehmt 'Phelia' oder 'Yanhje' in ihren Namen auf, wenn ihr sie benennt“, befahl ich meinen Kindern, doch Magret hauchte, wohl um den Säugling nicht zu wecken: „Sie hat bereits einen Namen. Er lautet Elisabeth.“ „Elisabeth-Phelia also, oder Elisabeth-Yanhje?“, vervollständigte ich, doch sie wiederholte mit einem sanften Kopfschütteln: „Elisabeth.“ Sie rebellierte gegen mich, indem sie dem Kind die von mir eingeführte Tradition der Doppelnamen verweigerte. Auch wenn ich damit den anderen der sechs Septem Lamiae gedenken wollte, würde ich damit leben können, wenn es meine Tochter glücklich machte. Da der neueste Familienzuwachs schlief, ich mich aber von seiner überragenden Präsenz überzeugen musste, weckte ich ihn. Natürlich verstand ich sehr wohl, dass eine Mutter dies nicht guthieß, doch als Frauen hatten diese beiden zu lernen, wer über wen zu bestimmen hatte. Zur Bestrafung meiner, trieb es Magret jenen erdolchenden Blick in ihr sonst so anmutig schönes Gesicht, den ich so an ihr verabscheute. Die kleine Elisabeth begann nicht zu schreien, wie ich es erwartete. Sie riss ihre strahlend blauen Augen weit auf und schaute umher. Ich stutzte, berührte ihr Häubchen, das ich ihr aus der hohen Stirn schob, was Magret wieder nicht gefiel und dann sah ich sie, eine rotbraune Locke. Meine Laune verfinsterte sich augenblicklich, denn dieses Mädchen in den Armen meiner Tochter war ohne jeden Zweifel ein Kuckuckskind. Drei Kinder hatte ich gezeugt und sie alle vereinten direkt nach ihrer Geburt spezielle äußere Merkmale, bernsteinfarbene Augen sowie weißblondes Haar. „Hure!“, tadelte ich meine eigene Tochter. Ich ließ von der Verräterin ab, begab mich zu Victor, der an der Tür stehengeblieben war und den ich schroff am Arm in den Raum zerrte, um eine Erklärung von ihm zu fordern. „Wessen Kind ist das?“ Er blieb gefasst, antwortete aber ausweichend. „Ihr seid ein faszinierender Mann, Vater. Magret ist seit Jahren mit einem anderen Mann als mir zusammen und verkehrt direkt vor Euren Augen mit ihm. Verzeiht mir die Erheiterung an dieser unangebrachten Stelle, denn ich verurteilte Magrets Verhalten ebenso wie Ihr und habe versucht, es zu unterbinden. Dennoch muss ich Euch darauf hinweisen, dass ihr blind für all jenes seid, was Ihr nicht sehen wollt.“ Ich schlug ihm in den Bauch für diese unverfroren unkonkrete Aussage. Davon, sein Gesicht zu verletzen, sah ich ab, war es doch das schönste aller Draculs und er unser bedeutendster Stellvertreter nach außen. Er sank zu Boden und schien kooperativ gestimmt, doch Magret erlöste ihn von der Schuld einer Antwort. Sie setzte sich aufrecht und legte das sich wie ein Wurm windende Kind auf ihrem Schoß ab. Wie konnte ein so unreines Geschöpf nur über eine derart beeindruckende Präsenz verfügen? „Ihr macht seit Jahren den gleichen Fehler, Vater. Nicht Ihr, Daric oder Vicco habt mich aufgezogen, sondern meine Amme und spätere Zofe Miriam. Als kleines Mädchen habe ich mit dem Sohn des Kammerdieners gespielt und mein Kind ist von keinem Adligen, sondern einem unserer Diener. Du hast kein Auge für all die vielen Angestellten um uns herum. Vicco und Daric sind fast genau so blind wie du. Ihr alle vergesst, um was es auf der Welt wirklich gehen sollte und das ist eure größte Schwäche. Ich trauere um eure unsterblichen Seelen.“ Was sie mir sagte, war ohne Belang, denn alles, was ich benötigte, war der Name des Mannes, der meine Tochter befleckt hatte. Es lag mir fern, sie aus der Familie zu verstoßen, schon gar nicht, wo sie mir eine so mächtige Enkelin geschenkt hatte. Einen wertvollen Schatz dieser Güte musste ich erhalten und ergründen, woher ihre furiose Kraft stammte. Ihres leiblichen Vaters hingegen, würde ich mich entledigen müssen. „Wer? Nennt mir seinen Namen oder ich lösche jeden blauäugigen Mann im Palast aus.“ „Ich bin der Vater!“ rief eine unbekannte starke Stimme unmittelbar, bevor Magret zu keifen beginnen konnte. Ein dunkelhaariger, recht stattlicher Mann mit blauen Augen trat durch die Tür herein, vor der er offenbar Wache gehalten hatte. Seines Standes entsprechend sah er zu Boden, doch so aufrecht wie er stand, bewies er Schneid. Erinnern konnte ich mich nicht an ihn. „Nein, Marcos! Flieh von hier!“, holte Magret ihren Panikschrei nach, dem der leichtsinnige Vampir lächelnd mit einem Kopfschütteln begegnete. Ich bemerkte, wie sie hinter mir auf dem Bett vor Anspannung ihren Atem anhielt, wohl weil sie ahnte, dass ich sie gleich von den Schmerzen in ihrer Brust erlösen würde. Dabei war ich gut zu ihr und machte es ihr leicht, denn sie brauchte sich nicht zwischen Familie und ihm zu entscheiden. Als Familienoberhaupt entband ich sie von dieser schweren Entscheidung. Unter normalen Umständen widerstrebte es mir, direkt mit einem derart Niederen wie ihm zu sprechen, doch in diesem besonderen Fall überwand ich mich, meiner Tochter zuliebe. „Liebst du meine Tochter, Wachmann?“ „Über alles, Eure Majestät!“ „Und liebst du deine Tochter?“ Er gab dieselbe Antwort, also half ich nach. „Wenn du dich nun entschieden müsstest, ob du deines oder das Leben deiner Tochter erhalten möchtest, welches würdest du wählen?“ „Elisabeths“, antwortete er prompt und kaum hatte er es ausgesprochen, hielt ich schon sein, noch ein letztes Mal für seine kleine Tochter pochendes Herz in der Hand. Im selben Moment schrie Magret seinen unwürdigen Namen und das Kind begann wütend zu Plärren. Der Leichnam des Mannes sackte in sich zusammen und ich warf Magret das mutige Herz ihres Spielgefährten vor das Fußende ihres Bettes. „Bitte, es ist deins“, prahlte ich süffisant, schluckte aber direkt danach einen Kloß herunter, der sich in meine Kehle eingeschlichen hatte. Meine Tochter zwang mich mit ihrer Schwäche dazu, stark genug für uns beide sein zu müssen und dies war das Ergebnis. Magret verließ das Bett mit dem Kind im Arm und nahm das blutverschmierte Organ an sich. Würdelos schob sie sich dem Toten auf Knien entgegen, als ich ihr den Rücken zuwandte und die herzzerreißende Szenerie verließ. Wie konnte sie mich nur derart verletzen? Meine eigene Tochter hatte mich mit ihrem unwürdigen Verhalten zutiefst gedemütigt. Viele Gedanken verschwendete ich jedoch nicht an sie. Sollte sich doch Victor um ihr Seelenheil kümmern, wie all die Jahre zuvor. Wenn er klug war, würde er sich erneut um ihre Hand bemühen, wo sie doch nun wieder frei war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)