Sternenmeer von vallendrael (Weihnachten woanders) ================================================================================ Kapitel 1: Sternenflut ---------------------- Wenn man zu den Fenstern des Hauses am Dorfrand hinein sah, konnte man glauben, dass es darinnen geschneit habe. Der ganze Boden war bedeckt mit weiß und silbern schillernden Papiersternen. Ihre Zacken verhakten sich untereinander, umschlangen bald hier bald dort den einen oder anderen Stern und ergaben ein dichtes Meer, das keinen einzelnen papiernen Himmelsbewohner isoliert ließ. In allen Größen wogten sie gegen die Tischbeine, gegen Stuhllehnen und um die Beine des darin stehenden Mädchens herum. Es schaute sich die Unordnung mit für ihr Alter untypisch skeptischem Blick an, als wolle es überlegen, was hier vorgefallen sei. "Das geht so nicht", entschied es schließlich. Mit einem Einsatz, der eines Wattwanderers würdig gewesen wäre, watete es durch die Papiermasse zur Tür. Diese aufzustemmen gestaltete sich ob des Andrangs der Horden an winterlich schimmernder Sterne schwierig. Das Mädchen setze zunächst all ihre Anstrengungen dazu ein, das Holz an der Klinke dazu zu bewegen, sich durch die Massen an Sternen zu pflügen. Es hatte zwar den Anschein als würde sich ein Spalt öffnen, doch groß genug, damit das Kind sich hindurch zwängen konnte, würde er auf diese Weise nicht werden. "Das geht so nicht", wiederholte das Mädchen gereizt, stemmte die Arme in die Hüften und starrte die Sternwelle vor der Tür böse an. Alle Kraft der Welt, so schien es, konnte die Tür nicht dazu bringen, sich darüber hinweg zu heben. Da das nicht half, ließ sich das Kind auf die Knie nieder, die sofort zwischen den harmlosen Zacken verschwanden. Mit beiden Händen, und nicht ohne Spaß, schob es beinahe schwimmend die Sterne beiseite. Es war erstaunlich leicht, was hatte die Tür also? Doch musste das Kind schnell feststellen, dass die Sterne sich zwar den Armen bereitwillig anschlossen, doch an ihre Stelle bald neue traten. Und sie schaffte ohnehin nur einen kleinen Anteil dessen, was sich vor der Tür versammelt hatte. Das Mädchen schüttelte den Kopf und musterte die Sternenverwehung vor sich. Kraft nicht, Arbeit nicht, wenn es das Zimmer verlassen wollte, musste es wohl auf ein anderes Hilfsmittel zurück greifen. Also watete es zum Tisch zurück und vergrub den Kopf unter der Sternschicht, die sich auf ihm gebildet hatte. "Aha!", entfuhr es ihm, als es einen armlangen, in sich verschlungenen Zauberstab hervor zog. Dabei rieselten einige der Papiersterne auf den Boden, schwebten sachte herab und ließen die Erinnerung an Schnee einmal mehr aufkommen. Das Mädchen folgte einem der Sterne mit dem Blick, bevor es in ein weites Grinsen ausbrach. "Gute Idee!", rief es dem Stern erleuchtet zu und schwenkte den Stab. Die Magie, die das Haus, die Luft und das Kind umgab, wurde geweckt. Sie sammelte sich um das Mädchen, suchte neugierig eine Verbindung zu seiner Vorstellung und nach anderen Stellen, durch die sie die imaginäre Welt verlassen konnte. Von dem Gesicht des Mädchens verblasste das Lächeln nach und nach zu einem konzentrierten Ausdruck. Die unruhige Wärme, die es durchströmte und in ihm ein Gefühl der Leichtigkeit auslöste, war für es ein Zeichen dafür, dass die Kräfte, die es hatte rufen wollen, hörten. Nun musste es ihnen nur noch mitteilen, was es von ihnen wollte. Es ließ die Spitze des Stabs über einige der Papiersterne auf dem Boden und dem Tisch hüpfen. Von der erhöhten Position des Tischs aus vollführte es mit dem Stab eine schwebende Bewegung rund um sich herum. Den ganzen Raum wollte es damit einschließen, bevor es den Stab hoch riss. Das Funkeln der Sterne intensivierte sich, als die Magie danach griff. Sie hatte einen Willen gefunden, einen Weg in die Welt und wollte diesen bereitwillig gehen. Wie Daunenfedern, wie Schnee, der umgekehrt aus einer Wolke fiel, stoben die Sterne nach oben, drehten sich in einem unbemerkten Windhauch und tanzten durch das Zimmer. Ihr Silber und Weiß strahlte das Licht der Reflektionen an Wände, Möbel und Decke, sodass es schien, als würden auch echte Sterne von überall her dem Kind zublinzeln. Das erfreute Lachen des Mädchens über dieses Schauspiel bildete eine passende Musik zum Reigen der großen und kleinen Sterne. Es tanzte einen Moment mit und wedelte mit dem Zauberstab zum Takt der ungehörten Musik. Nach dem Moment hielt es inne, umgriff den Stab mit beiden Armen und nickte sich und dem Sternenschnee zufrieden zu. "So sollte es gehen", befand es und trabte zielstrebig auf die Tür zu. Federleicht ließ sich diese nun, da der Ansturm der Papiersterne sie nicht mehr behinderte, aufziehen und das Mädchen auf den Flur hinaus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)